zur Hauptseite                                                            Zusammenfassung  1998

Kürzel-Erklärung

Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und
ihre tödlichen Folgen 
1998

 

5. Januar 98

 

Wesel in Nordrhein-Westfalen. Ein zweimal abgelehnter

24-jähriger Asylbewerber aus der Türkei übergießt sich an einer Tankstelle mit Benzin und zündet sich an. Dabei ruft er: "Nieder mit der Türkei, für ein freies Kurdistan!" Er stirbt am gleichen Abend im Krankenhaus.

    Der Mann hatte 6 Monate lang in türkischer Untersuchungshaft gesessen, weil er in Verdacht stand, bei Angriffen gegen Polizeibeamte beteiligt gewesen zu sein.

taz 7.1.98; TS 7.1.98; ND 7.1.98

 

8. Januar 98

 

Der 30-jährige muslimische Prediger und Oppositionelle in seinem Land, Issah M., wird aus Bremen nach Togo abgeschoben. Auf dem Flughafen Lomé nehmen ihn Regierungsbeamte in Polizeigewahrsam. Als er nach zwei Tagen frei kommt, reist er ins Landesinnere.

    Seither gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihm.

taz Bremen10.1.98;

taz Bremen17.1.98;

Oldenburger Stachel Nr. 2/98

 

12. Januar 98

 

Der togoische Flüchtling A. wird nach Lomé abgeschoben und direkt nach der Ankunft noch auf dem Flughafen festgenommen. Er wird zunächst in der Gendarmerie Adewue gefangengehalten und kommt am 20. Januar in das Zivilgefängnis von Lomé. In der Haft wird er mit Stöcken geschlagen.

    Am 25. Oktober 2000 gelingt ihm die Flucht, und er versteckt sich in Ghana. Am 1. Mai 2003 kommt er erneut in Deutschland an. Von der erlittenen Folter zeugen Narben am Hinterkopf und auf dem Unterarm.

Barbara Ginsberg – Rechtsanwältin

 

15. Januar 98

 

Der 32 Jahre alte kurdische Flüchtling Mehmet Ali Akbas (Akbap), Mitglied der verbotenen kurdischen Partei HEP, wird aus Niedersachsen in die Türkei abgeschoben. Sofort nach seiner Ankunft in Istanbul erfolgt die Verhaftung. Nach einem neunstündigen Verhör wird er freigelassen und an einem Busbahnhof von Zivilbeamten gleich wieder verhaftet. Mit verbundenen Augen wird er an einen Ort gebracht, wo er in den folgenden acht Tagen schwer gefoltert wird. Er erleidet schwere Schläge auch mit Knüppeln, er wird mit kalten Hochdruck-Wasserstrahlen beschossen, mit Elektroschocks, Nahrungsentzug und Scheinhinrichtungen gequält. "Ich dachte, ich muß sterben", äußert A. Akbas später. Er verliert unter der Folter mehrmals das Bewußtsein.

    Erst als er einer Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden zum Schein zustimmt, kommt er frei. Er flieht per Schiff nach Griechenland und kehrt so am 12. Mai in die BRD zu seiner Frau und seinen vier Kindern zurück.

    Aufgrund der detaillierten Recherche des Falles und der Bestätigungen der Verletzungen durch das Gesundheitsamt in Viransehir und einen Vertrauensarzt der Deutschen Botschaft in der Türkei wird in diesem besonderen Einzelfall und erstmalig mit der Hilfe deutscher Behörden die Wiedereinreise des Folteropfers offiziell möglich, indem für Mehmet Ali Akbas die Visums- und Paßpflicht zur Einreise aufgehoben worden war.

    Am 16. Oktober 98 wird er als Asylberechtigter anerkannt.

jW 24.2.98; jW 9.3.98;

BeZ 13.5.98; taz 13.5.98; FR 13.5.98;

jW 13.5.98; TS 13.5.98;

taz 22.5.98; Özgür Politika 24. 6. 98;

AZADI informationen Nr. 10 Mai/Juni/Juli 1998; taz 25.8.98;

Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, Sept. 98;

Dokumentation vom FRat NieSa, Januar 1999; ai 3.2.99;

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Juni 1999;

IHF-HR annual report 1999;

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000

 

16. Januar 98

 

Pirmasens in Rheinland-Pfalz. Morgens um 7 Uhr soll Gerson Kodjo Liebl aus Togo aus seiner Wohnung zur Abschiebung abgeholt werden. Die sieben Beamten, die einen Polizeihund mitführen, treten die Wohnungstür auf und setzen Tränengas ein. Herrn Liebl wird aufs Auge geschlagen, ihm werden Handschellen angelegt, er wird zu Boden geworfen und von drei Männern vor allem auf den Kopf getreten. Dann wird er das Treppenhaus herunter und in den Einsatzwagen geschleift.

    Liebl erleidet einen Kieferbruch und Verletzungen der linken Augenhöhle, die operiert werden müssen.

    Im November 2000 werden vier BGS-Beamte vom Amtsgericht Landau wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit Nötigung zu Bewährungsstrafen zwischen sechs und 15 Monaten sowie Geldstrafen verurteilt. Im November 2001 wird das Urteil vom Oberlandesgericht Zweibrücken bestätigt.

(siehe auch: 13. Dezember 08)

Polizeiübergriffe 1998;

BeZ 8.11.00; ND 8.11.00; FR 8.11.00;

Bürgerrechte & Polizei/CILIP 68/2001;

BeZ 14.11.01; JWB 21.11.01

 

16. Januar 98

 

Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern. Ein 53 Jahre alter irakischer Flüchtling wird in der Nacht von vier jungen Männern angegriffen. Sie schlagen mit leeren Bierflaschen auf ihn ein und lassen erst von ihm ab, als ein Passant eingreift. Der Iraker muß seine Schnittverletzungen im Krankenhaus behandeln lassen.

BeZ 18.1.98; ZDK 2/98 (NK 19.1.)

 

23. Januar 98

 

Der togoische Flüchtling Ouro-Akpo Djeri wird einen Tag nach seiner Festnahme mit einer Maschine der belgischen Fluggesellschaft Sabena über Stuttgart abgeschoben. Am Flughafen Lomé werden seine Papiere den Behörden ausgeliefert, und er selbst wird festgenommen. Nach einem dreitägigen Aufenthalt im Kommissariat des Flughafens kommt er in ein inoffizielles Haftzentrum an der Flughafenstraße im Viertel Cerfer.

    In seiner Zelle befinden sich drei weitere Flüchtlinge, die aus Deutschland, und drei weitere Personen, die aus der

 

Schweiz abgeschoben worden waren. Herr Ouro-Akpo Djeri erinnert sich später nur noch an einen Namen seiner Mitgefangenen. Es ist Seydou Memème, der aus Mannheim nach Togo abgeschoben worden war. Die Gefangenen müssen abwechselnd schlafen, weil nur vier Schlafgelegenheiten zur Verfügung stehen. Als Nahrung erhalten sie zwei Schalen Mais am Tag. Hofgang findet nicht statt.

    Am 25. September, acht Monate nach der Festnahme, gelingt Ouro-Akpo Djeri die Flucht aus dem Haftzentrum. Er flieht zu seiner Familie, muß dort allerdings sofort wieder weg, weil die Polizei nach ihm sucht.

    Ouro-Akpo Djeri war schon im Jahre 1994 in die BRD geflohen, weil er als Mitglied der Gewerkschaft der Taxichauffeure USYNDICTO (Union des Syndicats des Conducteurs du Togo) und wegen seiner Beteiligung an Streikaktionen von staatlichen Maßnahmen bedroht war.

ai 19.1.99; ai-Rapport Mai 1999

 

25. Januar 98

 

Im bayerischen Landkreis Freyung-Grafenau an der deutsch-tschechischen Grenze wird ein rumänischer Flüchtling nach seinem Grenzübertritt von einem Diensthund des BGS durch einen Biß in die Wange verletzt.

BT-Drucksache 14/1850

 

26. Januar 98

 

Acht völlig durchnäßte und unterkühlte Flüchtlinge aus Sri Lanka werden an der deutsch-polnischen Grenze bei Genschmar im Landkreis Märkisch Oderland vom Bundesgrenzschutz aufgegriffen. Ihre Kleidung ist teilweise an ihren Körpern festgefroren.

BeZ 26.1.98; TS 26.1.98

 

27. Januar 98

 

Baden-Württemberg. Der angolanische Flüchtling Ricardo Dibanzila soll aus der Abschiebehaft Rottenburg nach Kinshasa abgeschoben werden. Auf dem Flughafen wehrt er sich und wird von BGS-Beamten geschlagen.

    Der Pilot der Maschine lehnt letztendlich die Mitnahme des Mannes ab. Ricardo D. wird daraufhin in die JVA Mannheim verlegt.

Tübinger Bündnis gegen Abschiebehaft

 

27. Januar 98

 

Ein Brandsatz wird gegen das Flüchtlingsheim im oberbayerischen Wald an der Alz geworfen. Die BewohnerInnen können den Brand löschen, so daß niemand verletzt wird.

Vor der Tat wurden von den vermutlich zwei Tätern Hakenkreuze an die Außenmauern des Heimes geschmiert.

BeZ 29.1.98

 

28. Januar 98

 

Nahe der deutsch-polnischen Grenze im brandenburgischen Ort Genschmar werden drei Flüchtlinge aufgegriffen. Sie haben bei ihrem Grenzübertritt in die BRD Erfrierungen und Unterkühlungen erlitten und müssen im Krankenhaus behandelt werden.

BT-Drucksache 14/1850

 

30. Januar 98

 

"Im Zusammenhang mit" seinem "unerlaubten Grenzübertritt" in die BRD erleidet ein vietnamesicher Flüchtling im bayerischen Rübenau, nahe der deutsch-tschechischen Grenze, bei einem Sturz einen Beckenbruch.

BT-Drucksache 14/1850

 

Januar / Februar 98

 

Nach seiner Abschiebung aus der BRD wird der Flüchtling Sefer Xhem Karaxha aus dem Kosovo sieben Tage ins Gefängnis gesperrt, verhört und mißhandelt.

EKD, S. 39

 

Anfang Februar 98

 

In einem fünften Anlauf wird versucht, den 31-jährigen ghanaischen Flüchtling Joseph Gyimah abzuschieben. Aufgrund seiner Gegenwehr schlagen ihn BGS-Beamte und drohen ihm eine "Ruhigspritzung" an.

Tübinger Bündnis gegen Abschiebehaft 30.4.1998

 

1. Februar 98

 

Als der 24-jährige indische Asylbewerber in Blankenburg in Sachsen-Anhalt am Sonntagabend die Straße entlang geht, bremst neben ihm ein Auto, dem sechs Männer entsteigen. Vier von ihnen halten ihn fest, einer schlägt mit einem Gegenstand auf seinen Hinterkopf ein, und ein anderer zerschneidet ihm das Gesicht.

    Als der Inder bewußtlos zu Boden geht, wird ihm sein Geld geraubt. Die Täter flüchten.

BeZ 3.2.98; taz 4.2.98; ZDK 2/98 (FR 4.2.)

 

3. Februar 98

 

Der abgeschobene Asylbewerber Gani Dibrani aus Gradica in der Gemeinde Gllogovc im Kosovo wird sofort nach seiner Ankunft auf dem Flughafen Prishtina von serbischer Polizei festgenommen. Gründe werden nicht genannt.

Kosovo Communication W. 6

 

3. Februar 98

 

Im sächsischen Zinnwald an der deutsch-tschechischen Grenze werden zwei Flüchtlinge aus Afghanistan verletzt aufgegriffen. Sie haben sich bei ihrem Grenzübertritt in die BRD Erfrierungen zugezogen.

BT-Drucksache 14/1850

 

4. Februar 98

 

Luckenwalde im Land Brandenburg. Als Potsdamer Polizisten zwei Flüchtlinge aus dem Wohnheim zur Abschiebung abholen wollen, ist die Tür des Zimmers verschlossen. Die Tür wird aufgebrochen, das Zimmer ist leer, und die Beamten hören einen dumpfen Aufprall.

    Der 30-jährige Asylbewerber Dada A. aus Ghana ist aus dem vierten Stock abgestürzt und kommt mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen und einem Bekkenbruch ins Krankenhaus.

    Nach Angaben der Polizei sollte allerdings nicht Dada A. selbst, sondern seine beiden Mitbewohner abgeschoben werden.

BeZ 5.2.98; taz 5.2.98; TS 5.2.98; BeZ 6.2.98

 

8. Februar 98

 

Brand im Flüchtlingsheim Berliner Straße in Berlin-Tegel. Von den rund 400 bosnischen HeimbewohnerInnen kommt niemand körperlich zu Schaden. Zwei Polizisten kommen mit Verdacht auf Rauchvergiftung ins Krankenhaus.

taz 9.2.98; BeZ 9.2.98; TS 9.2.98

 

9. Februar 98

 

Der 30-jährige Iraner Shariar Jafarpour berichtet, daß er schon auf dem Transport zum Flughafen Frankfurt von BGS-Beamten schwer mißhandelt wurde. Während seine Hände mit Handschellen auf dem Rücken fixiert sind, wird er geboxt, geschlagen und getreten – und seine Hoden werden gequetscht.

    Er soll abgeschoben werden, kann aus dem Flugzeug fliehen, wird dann von den Beamten in einen VW-Bus gezerrt. Dort wird er weiter geschlagen. Sie ziehen ihm seine Jacke über den Kopf und schnüren sie zu, so daß er keine Luft mehr bekommt. Dann boxen die Beamten ihm in den Bauch.

    Der Flüchtling kommt ins Offenbacher Krankenhaus und soll wegen eines gebrochenen dritten Lendenwirbelfortsatzes und Prellungen stationär behandelt werden. Er flieht erneut und taucht unter. (siehe auch: 5. November 98)

FR 6.3.98; CPT Mai 98; IPPNW 1.6.99;

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim 11.11.98¸

Antifaschistische Nachrichten 10.12.98;

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim Mai 1999;

 FR 25.7.00

 

10. Februar 98

 

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main. Am frühen Morgen wird ein irakischer Asylbewerber von BGS-Beamten gefesselt und in einen Polizeiwagen geschleppt. Dort stößt ihm ein Beamter mit dem Knie derart in den Unterleib, daß er während der Fahrt unter heftigen Schmerzen leidet. Als der Wagen vor der Irakischen Botschaft hält und der Flüchtling sich weigert auszusteigen, kommt ein Angestellter der Botschaft zum Polizeiwagen hinaus. Die Beamten beantragen die Ausstellung eines irakischen Passes für den Flüchtling.

    Dies alles geschieht, obwohl die Eilentscheidung des Frankfurter Verwaltungsgerichts in seinem Fall noch nicht ergangen ist.

Pro Asyl 13.2.98

 

13. Februar 98

 

Als die Polizisten in Salzgitter-Gebhardshagen die Familie Genc zur Abschiebung abholen wollen, stellt sich heraus, daß die Kinder Salina und Hassan in der Schule sind und Frau Gubert Genc wegen des noch nicht abgeschlossenen Asylverfahrens der gerade geborenen Tochter Irem nicht abgeschoben werden kann.

    Sadik Genc wird zusammen mit dem 9-jährigen Sohn Zeki abgeschoben. Er kam mit seiner Familie vor 11 Jahren in die BRD, nachdem er als PKK-Sympathisant und Militärdienstverweigerer in der Türkei untertauchen und seine Frau ständige Repressalien durch Militärangehörige erleiden mußte, die den Aufenthalt des Mannes erfahren wollten.

    Noch auf dem Flughafen in Istanbul wird Herr Genc verhaftet und kommt mit seinem Sohn ins Gefängnis. Eine Woche später gelingt es seinem Bruder, den Jungen mitzunehmen. Zeki lebt fortan abwechselnd bei seinem Onkel oder seiner Tante in Mersin. Da er nur arabisch und deutsch spricht, kann er sich schwer verständigen, darf in Mersin keine Schule besuchen und zerbricht seelisch an seiner ausweglosen Situation.

    Sadik Gencs Spur verliert sich im Gefängnis. Seiner Familie gelingt es nicht, irgend etwas über seinen Verbleib zu erfahren.

    Frau Genc und die drei Kinder fliehen zunächst nach Holland, bis sie Weihnachten 98 in der evangelischen Kirchengemeinde St. Bonifaci Athenstedt im Kreis Halberstadt in Sachsen-Anhalt im Kirchenasyl aufgenommen werden.

Ev. Pfarrsprengel Aspenstedt 9.6.99;

Salzgitter Ztg 12.6.99; MDZ 19.6.99;

 ARD "Morgenmagazin" 22.6.99;

Pfarrer H. Barsnick 29.6.99

 

14. Februar 98

 

Weißwasser in der Oberlausitz im Bundesland Sachsen. Zwei 23-jährige Flüchtlinge aus Indien und Pakistan werden auf dem Weg zu ihrer Unterkunft auf der Straße von zwei Männern angegriffen und zusammengeschlagen.

BeZ 15.2.98; taz 16.2.98; Konkret 10/00, S. 16;

ZDK 2/98 (ND 16.2.)

 

16. Februar 98

 

Ein 19-jähriger afrikanischer Flüchtling wird auf dem Hamburger Hauptbahnhof von Zivilfahndern der Polizei gestellt und vermutlich von U-Bahn-Wachleuten zusammengeschlagen (Augenzeuge kann die Schläger nicht sicher zuordnen). Durch Hilfeschreie aufmerksam geworden, nähert sich der Zeuge Azad B. einer Menschentraube, die den am Boden liegenden Afrikaner umringt. Äußerungen wie "Scheiß Ausländer", "Nigger" und "Vergast sie alle" werden laut. Als Azad B. dem Verletzten helfen will, wird er von Polizeibeamten unter Drohungen und Beleidigungen daran gehindert.

jW 21.2.98

 

18. Februar 98

 

Die Ausländerbehörde von Berlin will den hirnorganisch schwerkranken Rumänen Alexandru C. "in einer Blitzaktion" abschieben. Morgens um 7 Uhr wird er mit seiner Frau und seinem Kleinkind im Wohnheim festgenommen, um mittags per Flugzeug nach Rumänien gebracht zu werden.

    Nachdem er 1989 als Regimegegner vom rumänischen Geheimdienst Securitate gefoltert wurde, leidet er unter Lähmungen der rechten Körperhälfte, ist sprachbehindert, depressiv und suizidgefährdet. So die Aussagen des Behandlungszentrums für Folteropfer, in dem der Mann seit über vier Jahren behandelt wird.

    Die Abschiebung kann in letzter Minute verhindert werden.

BeZ 26.2.98

 

18. Februar 98

 

Brandstiftung im Flüchtlingsheim Schönwalde im Landkreis Dahme-Spreewald in Brandenburg. Der Brand wird frühzeitig gelöscht, so daß die 20 BewohnerInnen unverletzt bleiben.

BeZ 19.2.98

 

21. Februar 98

 

Im bayerischen Schirnding an der deutsch-tschechischen Grenze erleidet ein rumänischer Flüchtling bei seiner Festnahme einen Bänderriß und eine Bänderdehnung am linken Fuß.

BT-Drucksache 14/1850

 

21. Februar 98

 

Eine 21 Jahre alte Frau aus Somalia wird tot aus dem Rhein bei Köln-Poll geborgen. Sie war eine Woche vorher über Frankfurt in die BRD eingereist und hatte Asyl beantragt.

Komitee f. Grundrechte u. Demokratie 4.12.98

 

21. Februar 98

 

Leila Asalnian soll als einzige ihrer hier lebenden Familie abgeschoben werden. Als die Polizei die Georgierin abholen will, springt die 24-Jährige aus dem Fenster des dritten Stockwerkes ihrer Unterkunft im thüringischen Ellrich. Sie kommt schwer verletzt ins Krankenhaus.

    Leila Asalnian hat beide Beine, einen Arm und ihren Kiefer gebrochen und muß sich mehrerer Not-Operationen unterziehen. Trotz intensiver medizinischer Behandlung fallen ihr alle Zähne aus. Laut Asylbewerberleistungsgesetz steht ihr keine Zahnprothese zu – und sie bekommt auch keine.

    Am 11. Mai wird Leila Asalnian unter der ärztlichen Vorgabe weiter sichergestellter medizinischer Behandlung aus dem Krankenhaus entlassen. Die Polizei fängt sie ab und bringt die noch an Krücken gehende Frau in das Abschiebegefängnis Stollberg. Von dort wird sie einige Wochen später nach Georgien abgeschoben.

    In Georgien wird die mittellose Frau keine Möglichkeit haben, die notwendigen Nachoperationen ihrer Verletzungen durchführen zu lassen.

FRat Thür Info Nr. 6; Pfarrer Peter Kube

 

22. Februar 98

 

Im vierten Stock des Flüchtlingsheimes am Tempelhofer Ufer 11 in Berlin-Kreuzberg bricht ein Feuer aus. Der Brand wird durch die Feuerwehr so frühzeitig gelöscht, daß von den 250 BewohnerInnen aus Ex-Jugoslawien und aus der Türkei und Kurdistan niemand zu Schaden kommt.

BeZ 23.2.98

 

23. Februar 98

 

Die aus der BRD abgeschobenen Kosovo-Albaner Ramiz Ali Mahaj aus Dubrav und Hamza Halitaj aus Novosella im Kreis Peja werden auf dem Wege nach Hause an den Polizeikontrollen in Kamaran, Kijeva und Klina schwer mißhandelt.

Ramiz Mahaj wird am rechten Arm schwer verletzt, während Mamza Halitaj die Zähne herausgebrochen werden.

    Dem Taxifahrer, der die beiden transportiert, wird der Kiefer gebrochen.

Kosovo Communication W. 9

 

23. Februar 98

 

Der 33 Jahre alte kurdische Flüchtling Iman Genlik (Ahmed G.; Mehmet G.) aus Kartakocan in der Provinz Elazig wird nach 15-tägiger Haft in Hamburg nach Istanbul abgeschoben, obwohl es deutliche Hinweise gibt, daß die Türkei "ein starkes Interesse" an seiner Rückkehr hat. Bereits am Flughafen Yesilköy wird er festgenommen, drei Tage lang unter schweren Schlägen verhört. Die Augen sind ihm dabei verbunden. Dann wird er entlassen.

    Auf seinem Weg ins kurdische Elazig wird er am 19. März bei einer Straßenkontrolle von den Soldaten festgenommen und an einen unbekannten Ort verschleppt. Er wird gewürgt, geschlagen (Falaka = Schläge auf die Fußsohlen), an den Armen aufgehängt und mit Elektroschocks traktiert. Nach sechs Tagen wird er schwer verletzt, unter anderem mit Frakturen am Kopf, in ein Krankenhaus eingeliefert.

    Nach seiner Entlassung versucht er erneut zu fliehen. Am 29.5. wird er in Izmir auf dem Adnan-Menderes-Flughafen erneut festgenommen und im Gewahrsam der politischen Abteilung sieben Tage lang gefoltert.

    Unter der Auflage, das Land nicht zu verlassen, wird er freigelassen. Ärzte stellen fest, daß die Behandlung seiner akuten körperlichen und seelischen Verletzungen mindestens sechs Monate dauern wird.

    Ende Juni 98 gelingt ihm die Flucht nach Rumänien. Die Wiedereinreise in die BRD zu seiner in Schleswig-Holstein lebenden Frau und seinem Kind wird ihm zunächst mit der Begründung verwehrt, Rumänien sei ein "sicheres Herkunftsland". Schließlich erteilt die Hamburger Innenverwal-tung mittels einer in den Paß geklebten Aufenthaltsbefugnis die Genehmigung zur Wiedereinreise.

Özgür Politika 24.6.98;FR 15.8.98; Spiegel 17.8.98; BeZ 24.8.98;

taz 25.8.98; AZADI informationen Nr. 11 August/September 1998

(HM 9.8.98); Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, Sept. 98;

Dokumentation vom FRat NieSa, Januar 1999; ai 3.2.99;

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Juni 1999;

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000; ai 23.11.00

 

24. Februar 98

 

Der 25 Jahre alte Hashim Lepiqi, Kosovo-Albaner aus der Nähe von Ferizaj und in der BRD seit 1994, wird morgens um 5.30 Uhr festgenommen und um 16 Uhr über den Flughafen Stuttgart abgeschoben.

    Am 8. März meldet er sich telefonisch und berichtet, daß er bei seiner Ankunft im Kosovo einen Tag lang von serbischer Polizei festgehalten und mehrmals zusammengeschlagen wurde.

Wolfgang Plarre 19.3.98

 

24. Februar 98

 

Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Ein 20-jähriger chinesischer Flüchtling wird von zwei Deutschen in einer Straßenbahn mit einer Krücke geschlagen und so schwer verletzt, daß er ins Krankenhaus gebracht werden muß.

    Gegen die 19-jährigen Täter wird Haftbefehl erlassen.

ZDK 2/98 (ND 26.2.); Konkret 10/00, S. 16

 

27. Februar 98

 

An diesem Tage werden 120 Flüchtlinge aus dem Kosovo in einer Maschine abgeschoben. Schon auf dem Flughafen in Düsseldorf empfangen sie serbische Polizisten in Zivil.

    Einigen Flüchtlingen wird von den Serben Geld abgenommen, angeblich, um den Flug zu bezahlen, der sie zwangsweise nach Prishtina bringt. Zwei Männer werden am Flughafen Prishtina sofort verhaftet. Niemand weiß, wo sie geblieben sind.

taz 25.3.98

 

28. Februar 98

 

Das Dorf Liskoshan im umkämpften Drenica-Gebiet im Kosovo wird von serbischen Sondereinheiten umstellt und überfallen.

    Der 70-jährige, im Dezember abgeschobene Kosovo-Albaner Muhamet Islami Gjeli (Gjelaj) wird hingerichtet. Ihm wird mit der Axt des Hauses (ein wichtiges häusliches Symbol) der Kopf gespalten.

    Auch sein 37-jähriger Sohn, Naser Islami Gjeli (Gjelaj), der vor einigen Monaten aus der BRD abgeschoben worden war, fällt dem Massaker zum Opfer. Er wird von den Serben erschossen.

    Vater und Sohn galten beim serbischen Innenministerium sowie auch beim deutschen Auswärtigen Amt als "Terroristen".

    Weitere zwölf Menschen aus dem Dorf, alle männlichen Mitglieder einer Großfamilie, werden ebenfalls ermordet. (siehe auch: 17. Dezember 97)

BeZ 13.3.98

Mittelbayerische Ztg 14.3.98 – Todesanzeige der Familie;

FR 14.3.98; TS 14.3.98; taz 17.3.98; FR 17.3.98;

FRat Bayern, Michael Stenger, 22.3.98;

Bericht der GfbV August 98

 

28. Februar bis 1. März 98

 

Das Dorf Qirez (Cirez) im umkämpften Drenica-Gebiet im Kosovo wird von serbischen Sondereinheiten umstellt und überfallen.

    Bei diesem Massaker stirbt der 36-jährige Beqir Sejdiu. Er war abgelehnter Asylbewerber aus Schleswig-Holsein. Aus Angst vor einer Auslieferung an die serbischen Behörden war er der Abschiebung zuvorgekommen und "freiwillig" in den Kosovo zurückgekehrt.

    Weitere sechs Menschen aus dem Dorf werden ebenfalls ermordet. Seine beiden Söhne werden brutal verstümmelt und dann getötet. Seine hochschwangere Schwiegertochter wird

mit einem Schuß ins Gesicht hingerichtet. Bequir Sejdiu selbst wird – zusammen mit seinen drei Brüdern – vor den Augen der Mutter erschossen.

0EKD s. 39 (GfbV);

Bericht der GfbV August 98

 

Ende Februar 98

 

Über den Flughafen München werden 80 Flüchtlinge aus dem Kosovo abgeschoben. Zwölf serbische Zivilisten nehmen dort die Flüchtlinge "in Empfang". Eine im dritten Monat schwangere Frau verliert durch das Trauma der Abschiebung ihr Kind.

taz 25.3.98

 

Februar 98

 

Der algerische Flüchtling Khebil L. soll über den Flughafen Düsseldorf abgeschoben werden. Als er sich weigert, das Flugzeug zu besteigen, wird er von fünf Polizeibeamten noch auf dem Flughafengelände in einem Polizeiwagen und in den Räumen des Flughafens brutal geschlagen.

    Erst als sich zwei Zivilpersonen einmischen und die Beendigung der Schläge fordern, lassen die Beamten von dem Flüchtling ab.

ai-London, Sept. 98;

IHF-HR annual report 1999;

ai-Jahresbericht 1999

 

Februar 98

 

Der kurdische Flüchtling Kemal Ö. wird nach abgelehntem Asylantrag zusammen mit seiner Familie in die Türkei abgeschoben. Nach einem achtstündigen Verhör auf dem Flughafengelände wird er freigelassen. In der Provinz Mersin beginnt Kemal Ö. mit der Bewirtschaftung eines Teeladens.

    Weil die gesamte Familie Ö. unter dem Verdacht steht, die PKK zu unterstützen, Herrn Ö.s Bruder nach dessen Entlassung aus dem Gefängnis 1997 von der Konterguerilla ermordet wurde, erfolgen jetzt auch Durchsuchungen des Teeladens, Kontrollen und Belästigungen der Gäste.

    Aufgrund dieser ständigen Schikanen und Bedrohungen schließt Kemal Ö. Anfang 2000 seinen Laden und zieht mit der Familie zurück in ihr Heimatdorf. Sie fangen an, ein zerstörtes Haus aufzubauen, und beginnen mit der Landwirtschaft.

    Schon zwei Wochen nach ihrer Ankunft wird Kemal Ö. festgenommen, in einen Jeep gezerrt und nach längerer Fahrt in einen Raum gebracht, in dem Verhöre beginnen. Seine Beine werden festgebunden und hochgehoben. Er wird geschlagen und verliert das Bewußtsein. Als er wieder zu sich kommt, sagt er unter Androhung weiterer Folter gegen einige Personen aus.

    Daraufhin erfolgt seine vorzeitige Freilassung und er beschließt, erneut aus dem Land zu fliehen.

    Im Mai 2000 erreicht er Hannover und stellt einen Asylfolgeantrag, der im August 2000 rechtskräftig als "kleines Asyl" anerkannt wird.

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Juni 2001

 

Februar / März 98

 

Der Asylbewerber Fank E. aus Ruanda wird auf dem Düsseldorfer Flughafen von Beamten mit Schlägen mißhandelt, als er sich weigert, das Flugzeug zu besteigen. Seine Mundpartie ist aufgrund der Schläge entstellt und seine Augen sind "voller Blut".

ai-Jahresbericht 1999

 

1. März 98

 

Im bayerischen Reinhardsrieth wird ein jugoslawischer Flüchtling nach seinem "unerlaubten" Grenzübergang von einem Diensthund des BGS durch Biß am Handgelenk verletzt.

BT-Drucksache 14/1850

 

2. März 98

 

In Görlitz – nahe der deutsch-polnischen Grenze – öffnet die Polizei einen Kleinlaster, in dem sich 50 Flüchtlinge aus Afghanistan befinden. Die 21 Erwachsenen und 29 noch zum Teil sehr kleinen Kinder hatten von innen gegen die Tür geklopft und um Hilfe gerufen.

Die Welt, 5.3.98

 

3. März 98

 

Der Flüchtling Ebezina C. soll über den Düsseldorfer Flughafen abgeschoben werden. Er wehrt sich, wird dann von mehr als acht Polizisten zunächst beleidigt, dann geschubst und schließlich mit Füßen getreten. Als er bemerkt, daß ihm das Blut aus der Nase läuft, schreit er um Hilfe.

ai-London, Sept. 98

IHF-HR annual report 1999;

 

7. März 98

 

Anklam in Mecklenburg-Vorpommern. Am Bahnhof wird ein 17-jähriger Flüchtling von einer Gruppe jugendlicher Deutscher zusammengeschlagen und schwer verletzt.

    Die Täter werden gestellt und wieder freigelassen.

SVZ 9.3.98; ZDK 2/98 (FR 9.3.)

 

7. März 98

 

Mecklenburg-Vorpommern. Der 43 Jahre alte irakische Flüchtling Wahid Seid wird von einer ca. 20-köpfigen Gruppe deutscher Jugendlicher im Zug verbal attackiert und massiv bedroht. Wahid Seid, der bereits im August 1997 einen Überfall erleiden mußte, flieht in Panik und verliert dabei seine Jacke.

    Er stellt einen Antrag auf Umverteilung nach Hannover, um in der Nähe seines Bruders zu leben. Da dieser Antrag nicht positiv entschieden wird, flieht er in die Niederlande und stellt auch hier einen Asylantrag. Sein Asylantrag in der BRD ist inzwischen anerkannt – jedoch erhebt der Bundesbeauftragte Klage dagegen. Im März 1999 wird Wahid Seid in die BRD zurückgeschoben.

    Er stellt einen zweiten Antrag auf Umverteilung nach Hannover, der drei Monate später abgelehnt wird.

(siehe auch: 24. August 97 und 20. Mai 00,

3. November 00)

Migrationszentrum Göttingen;

FRat NieSa Heft 91/92 Januar 2003

 

12. März 98

 

Bei einer Polizeikontrolle in der Stuttgarter Königstraße wird der Flüchtling Ebrahim J. aus Gambien verletzt, als er fliehen will.

    "Sie traten mich wie einen Fußball, setzten mir einen Fuß auf den Nacken", berichtet der Mann. Auf seinen linken Oberarm setzt dann einer der Beamten einen Fuß oder ein Knie mit so großer Kraft, daß der Arm schließlich bricht.

StZ 9.4.98; StN 12.6.98

 

13. März 98

 

Der 34-jährige Williams Amin, Asylbewerber aus dem Sudan, erleidet bei seinem Besuch im Landratsamt Augsburg Verletzungen, die ihm, nach seinen Angaben, ein Sachbearbeiter der Ausländerbehörde und zwei Polizisten beigebracht haben. Er wurde beschimpft und durch Tritte fiel er hin, wodurch er sich die Kniescheibe brach.

    Der gläubige Christ und Angehörige des Baristammes William Amin war vor zwei Jahren in die BRD geflohen, als bei Überfällen von moslemischen Milizen sein Lehrling getötet worden war.

SZ 6.4.98

 

15. März 98

 

22 kurdische Flüchtlinge besetzen die Kreuzkirche in Ueckkermünde und beginnen einen Hungerstreik. Sie leben seit drei Jahren in der Stadt und sind ständigen rassistischen Angriffen ausgesetzt. Sie fordern mit ihrer Protestaktion ihre Verlegung vom Flüchtlingsheim Bellin in Ueckermünde in eine Unterkunft nach Rostock oder Schwerin.

    Wegen anonymer Drohungen hat die Polizei Schutzmaßnahmen vor Angriffen getroffen.

ZDK 2/98 (ND 18.3.; JWB 26.3.)

 

16. März 98

 

Als der kurdische Flüchtling Süleyman Yadirgi, der mit seiner Frau und den beiden Kindern Kirchenasyl in der evangelischen Gemeinde Köln-Deutz bekommen hat, in der Ausländerbehörde Bergheim seine noch gültige Duldung verlängern lassen will, wird er verhaftet und direkt in die Türkei abgeschoben.

    Ein Fotograf und ein Fluggast, die noch auf dem Düsseldorfer Flughafen an Bord der Maschine der Türkish Airlines gegen die Abschiebung protestieren, werden festgenommen.

    Nach seiner Ankunft in Istanbul wird Süleyman Yadirgi von türkischer Polizei festgenommen, gefoltert und mit dem Tode bedroht.

    Nach sieben Tagen kommt er frei, taucht unter und flieht ein zweites Mal in die BRD. Er stellt wieder einen Asylantrag.

    Der Einzelentscheider der Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Köln erklärt den neuerlichen Antrag für abgelehnt, und Süleyman Yadirgi wird noch im Amt verhaftet und kommt in Abschiebehaft.

    Aus Protest gegen diese Entscheidung des Amtes ketten sich Pfarrerinnen und Pfarrer vor dem Gebäude an.

ND 19.3.98; FR 19.3.98;

taz 26.5.98;

Kein Mensch ist illegal, Nr. 3, April/Mai 27.3.98;

Asyl in der Kirche in NRW 28.5.98;

taz 29.5.98; Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, Sept. 98;

Polizeiübergriffe 1998;

"Kraftproben" – Wanderkirchenasyl, Video-Beobachtung 1998

 

16. März 98

 

Im bayerischen Seugenhof im Kreis Eschlkam nahe der deutsch-tschechischen Grenze wird ein jugoslawischer Flüchtling bei seiner Festnahme durch den Biß eines BGS-Hundes am Oberschenkel verletzt.

BT-Drucksache 14/1850

 

21. März 98

 

Der kurdische Flüchtling Sahin Dogan wird um 18.50 Uhr aus Berlin abgeschoben. Auf dem Flughafen Atatürk in Istanbul erfolgt seine Verhaftung. Er kommt ins Gefängnis, weil er eine "rechtskräftig gewordene 10-monatige Freiheitsstrafe abzubüßen" hat.

Özgür Politika 24. 6. 98;

IHD-Istanbul in: AK Asyl Ba-Wü Oktober-Dezember 1998

22. März 98

 

Zwei sudanesische Flüchtlinge werden in einem Jugendclub im brandenburgischen Lauchhammer von einer Gruppe rechter Motorradbiker angegriffen. Während der 34-jährige Luciano J. mit leichten Kopfverletzungen durchs Fenster flüchten kann, wird sein Freund, der 29-jährige Omer F., geschlagen und gequält. Drei Zähne werden ihm ausgeschlagen, und er muß seine Verletzungen (Rippenprellungen, Platzwunden, Blutergüsse) im Krankenhaus stationär behandeln lassen.

    Auch zehn Monate nach dem Überfall fährt der traumatisierte Omer F. zweimal in der Woche ins Benjamin-Franklin-Klinikum nach Berlin zur Behandlung.

    Eine Anklageschrift gegen die Täter gibt es auch zehn Monate nach der Tat noch nicht. Dafür wird gegen Luciano J. wegen Sachbeschädigung ermittelt, denn er hatte eine Scheibe des Treffpunktes der Täter, ein Tätowierstudio, eingeworfen, nachdem er den mißhandelten Freund im Krankenhaus gesehen hatte.

    Eine Verlegung von Herrn F. in eine andere Unterkunft, die auch von den behandelnden Psychiatern "aus ärztlicher und therapeutischer Sicht" dringend empfohlen wird, weil der Treffpunkt der Täter in unmittelbarer Nähe des Flüchtlingsheimes liegt, wird nicht genehmigt.

Opferperspektive 22.11.98; TS 26.1.99; ND 7.2.01

 

23. März 98

 

In einem Hohlraum unter dem Dach eines Kleintransporters entdecken BGS-Beamte am polnisch-deutschen Grenzübergang Slubice-Frankfurt acht indische Flüchtlinge. Die sieben Frauen und ein Mann hatten – auf engstem Raum eingepfercht – versucht, in die BRD zu gelangen.

ND 24.3.98

 

24. März 98

 

Der 24-jährige Flüchtling Jimmy Osegie aus Liberia, Gefangener im Abschiebegefängnis Büren, soll nach Nigeria abgeschoben werden. Er wehrt sich dagegen und wird deshalb von Beamten mißhandelt und verletzt.

    Die Abschiebung wird abgebrochen, und er wird in die JVA Reinbach verlegt.

Roma-UnterstützerInnen-Gruppe Bochum

 

26. März 98

 

Der 16-jährige kurdische Flüchtling Mehmet Huley Bat wird aus Deutschland in die Türkei abgeschoben. Seine Angehörigen, die ihn vom Flughafen abholen wollen, beobachten, daß er von Zivilbeamten abgeführt wird. Für seine Freilassung verlangt die Polizei dann 5000 DM, die die Familie nicht aufbringen kann. Mehmet Huley Bat ist seither verschwunden.

Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, Sept. 98

 

26. März 98

 

Deutsch-tschechischer Grenzbereich. In einem Wald nahe dem bayerischen Ort Waidhaus wird ein rumänischer Flüchtling bei seiner Festnahme durch BGS-Beamte von deren Hund am rechten Arm und im Brustbereich verletzt.

BT-Drucksache 14/1850

 

30. März 98

 

Zwei libanesische Flüchtlinge – 16 und 26 Jahre alt – werden auf dem Wege in die Zentrale Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt von drei deutschen Männern überfallen und geschlagen. Während ein Libanese fliehen kann, wird der andere von zwei Deutschen traktiert. Er erleidet eine Platzwunde am linken Auge, die im Krankenhaus behandelt werden muß.

    Gegen die 16- und 17-jährigen Täter werden Haftbefehle erlassen.

BeZ 31.3.98; TS 1.4.98;

BeZ 1.4.98; taz 1.4.98;

BeZ 4.4.98; ALB (TS; BM); JWB 8.4.98

 

31. März 98

 

Im baden-württembergischen Kehl an der deutsch-französischen Grenze wird ein Flüchtling aus Sri Lanka bewußtlos aufgefunden.

BT-Drucksache 14/1850

 

31. März 98

 

In Rostock in Mecklenburg-Vorpommern werden zwei Flüchtlinge aus Togo in der Nacht von mehreren Männern überfallen und mit Faustschlägen und Fußtritten traktiert. Einer von ihnen wird ins Krankenhaus eingeliefert. Die Täter entkommen unerkannt.

BeZ 1.4.98; FR 2.4.98; JWB 8.4.98

 

März 98

 

Ein Flüchtling aus der Türkei wird völlig überraschend und ohne die Möglichkeit zu bekommen, persönliche Dinge oder den Paß mitzunehmen, festgenommen und aus Hamburg in die Türkei abgeschoben.

    Am 19. März ist er auf dem Weg nach Karakocan, um einen Paß zu beantragen, als er bei einer Straßenkontrolle gerade wegen seiner fehlenden Personalpapiere festgenommen wird.

    Die folgenden sechs Tage lang wird er mit verbundenen Augen festgehalten und schwer gefoltert. Er wird geschlagen, besonders auf die Fußsohlen und Geschlechtsorgane, er wird mit Strom gequält und er wird gewürgt. Er erleidet unter anderem einen Schädelbruch.

    Nach seiner Freilassung meldet er sich beim Türkischen Menschenrechtsverein, der seine Verletzungen dokumentiert und ihm eine psychotherapeutische Behandlung ermöglicht.

IHD-Istanbul in: AK Asyl Ba-Wü Oktober-Dezember 1998

 

März 98

 

Berlin. Der erst vor kurzem in die BRD geflohene Herr Poradeci aus dem Kosovo versucht, sich das Leben zu nehmen. Er kann die Folgen der erlittenen Folter nicht mehr aushalten. Trotz entsprechender Gutachten wird er wie auch sein jüngerer, ebenfalls kriegstraumatisierter Bruder nur geduldet.

taz 2.10.93

 

5. April 98

 

Das Flüchtlingsheim in Oppach im sächsischen Landkreis Löbau-Zittau wird von vier Deutschen mit Pflastersteinen angegriffen. Fensterscheiben gehen zu Bruch, und an der Außenfassade des Gebäudes entsteht ein erheblicher Sachschaden. Die Täter werden am nächsten Tag ermittelt.

LKA-Sachsen 8.4.98

 

8. April 98

 

Im sächsischen Klingenthal an der deutsch-tschechischen Grenze kommt eine Person aus Bangladesch infolge eines Verkehrsunfalls zu Tode.

BT-Drucksache 14/1850

 

9. April 98

 

Freiberg in Sachsen. Drei Brandsätze werden gegen das Flüchtlingsheim geworfen. Gegen fünf tatverdächtige Deutsche wird ermittelt.

    Im Oktober verurteilt das Landgericht Chemnitz vier Männer zu Haft- und Jugendstrafen bis zu vier Jahren.

taz 18.4.98; JWB 29.4.98; FR 21.10.98;

Konkret 10/00, S. 16;BT-Drucksache 14/480

 

12. April 98

 

Um seiner drohenden Abschiebung zuvorzukommen, geht das Ehepaar Gülan und Asan Asanov "freiwillig" nach Mazedonien zurück. Die Roma waren 1990 in die BRD geflohen, nachdem Frau Asanov wegen ihrer politischen Aktivitäten mit Gefängnis bedroht war. Ihre Anträge auf politisches Asyl in der BRD sind abgelehnt worden. Herr Asanov erkrankt noch in der BRD schwer an Asthma.

    Ein halbes Jahr nach der Rückkehr in die Roma-Siedlung am Stadtrand von Kocani ist Herr Asanov tot. Er wurde

51 Jahre alt.

    Die Familie war in Mazedonien absolut mittellos, denn Sozialhilfe oder Krankenversicherung stand ihnen nicht zu. Herr Asanov kam zwar ins Krankenhaus, wurde dort aber nicht behandelt. Sie schickten ihn zum Sterben nach Hause.

FR 16.12.98

 

17. April 98

 

Brand in einem fünfstöckigen Flüchtlingsheim in Düsseldorf. Von den insgesamt 130 BewohnerInnen werden 47 Frauen, Männer und Kinder vorübergehend evakuiert. Brandstiftung wird ausgeschlossen.

taz 18.4.98

 

17. April 98

 

Angermünde in Brandenburg – mittags um 12.10 Uhr auf dem belebten Bahnhofsvorplatz. Ein kurzhaariger Deutscher in Bomberjacke geht auf einen pakistanischen Flüchtling zu und fragt ihn: "Was willst du hier?" Dann schlägt er ihm ins Gesicht. Der Pakistani erleidet eine Platzwunde und Schwellungen am Mund. Der Täter geht zu Fuß weiter.

Opferperspektive; BeZ 20.4.98;

MOZ 20.4.98; ALB (dpa)

 

17. April 98

 

Bokulaka Mfumu-Buala, Flüchtling aus Kongo-Zaire und Gefangener im Abschiebegefängnis Büren, soll mit der Fluggesellschaft Sabena von Düsseldorf über Brüssel nach Kinshasa abgeschoben werden.

    Als am Flughafen Düsseldorf deutlich wird, daß er nicht freiwillig ausreisen wird, werden seine Hände mit einem Strick auf den Rücken gebunden, sein T-Shirt wird ihm über den Kopf gezogen und vier Beamte schlagen solange auf ihn ein, bis er unter Schmerzensschreien seiner "freiwilligen" Ausreise zustimmt.

    In den Flughafenbus wird er mit Gewalt verfrachtet. Als Mitglieder der Flugbesatzung der Sabena ihn weinend und zusammengekauert im Bus liegen sehen, verweigern sie seine Mitnahme.

    Zurück im Flughafengebäude wird ihm wiederum das Hemd über den Kopf gezogen und er wird wieder geschlagen, diesmal mit Stöcken.

    Er wird nicht nach Büren zurückgebracht, sondern in die JVA Bochum.

    Am 20. Juli erfolgt ein erneuter Abschiebeversuch, bei dem Mfumu B. durch BGS-Beamte wieder mißhandelt wird. Anschließend wird er in die JVA Düsseldorf gebracht. Weil der Flughafen in Kinshasa geschlossen ist und er dadurch nicht abgeschoben werden kann, wird er Anfang August schließlich aus der Abschiebehaft entlassen.

Roma-UnterstützerInnen-Gruppe Bochum

 

18. April 98

 

Züssow bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. An einer Telefonzelle, neben der sich vier nigerianische Flüchtlinge aufhalten, hält ein PKW Trabant, aus dem ca. fünf Jugendliche steigen und mit Baseballschlägern auf die Nigerianer und auf ihr Auto einschlagen. Die Überfallenen fliehen und informieren die Polizei.

    Wenig später stehen sich eine Gruppe von 15 Deutschen und eine Gruppe von sieben Nigerianern, unter denen sich auch die vorher Angegriffenen befinden, gegenüber. Die ersteren mit Aluminiumrohr und Bierflaschen bewaffnet; die Flüchtlinge mit Radmutterschlüssel und Wagenheber. Die Situation wird durch zwei Warnschüsse von der Polizei beendet.

BeZ 20.4.98; taz 20.4.98; FR 20.4.98;

OZ 20.4.98; JWB 29.4.98

 

18. April 98

 

Nach seinem Grenzübertritt wird im brandenburgischen Guben ein russischer Mann in völliger Erschöpfung aufgefunden.

BT-Drucksache 14/1850

 

20. April 98

 

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Der Flüchtling N.N., der unter Medikation von Psychopharmaka steht, wird regungslos in seinem Bett liegend aufgefunden. Es fehlen vier Tabletten seiner Medikamente. Nach einigen Stunden in der Flughafenklinik wird er in die Unterkunft zurückgebracht.

    Am 23. April bricht er in der Toilette zusammen und fällt gegen die Wand. Nach kurzem Aufenthalt in der Flughafenklinik und wieder zurück in der Unterkunft, bekommt er Paranoia. Er zeigt panische Angst vor Uniformierten, ist orientierungslos, zertrümmert Möbel, greift seinen Mitbewohner tätlich an.

    Am 26. April kommt er in die Psychiatrie. Der BGS beantragt Sicherungshaft, die jedoch vom Haftrichter abgelehnt wird. Herr N.N. darf am 5. Mai in die BRD einreisen – vorerst.

FSD-Ffm Okt. 98

 

20. April 98

 

Guy Zola, abgelehnter Asylbewerber aus Kongo-Zaire und Gefangener im Abschiebegefängnis Büren, soll mit der Fluggesellschaft Sabena nach Kinshasa abgeschoben werden. Er teilt dem Piloten seine Unfreiwilligkeit mit, woraufhin dieser sich weigert, ihn mitzunehmen.

    Der Flüchtling wird anschließend von Beamten des BGS mißhandelt und in Handschellen gelegt. Er wird nicht nach Büren zurückgebracht, sondern in die JVA Bochum.

    Am 6. Juni erfolgt ein erneuter Abschiebeversuch. Wieder wird Guy Z. von BGS-Beamten bedroht und noch auf der Gangway geschlagen. Der Pilot verweigert seine Mitnahme, und der Gefangene wird nach Bochum zurückgebracht.

    Am 27. Juli wird Guy Z. nach Kinshasa abgeschoben.

Roma-UnterstützerInnen-Gruppe Bochum

 

20. April 98

 

Salzhausen bei Lüneburg in Niedersachsen. Vor dem Rathaus der Gemeinde wird ein 26 Jahre alter Flüchtling aus Sri Lanka von etwa fünf deutschen Rassisten angegriffen und mit einem Baseballschläger attackiert. Er erleidet Kopfverletzungen, die ambulant behandelt werden müssen.

taz 22.4.98

 

21. April 98

 

Bad Freienwalde in Brandenburg. Eine junge vietnamesische Asylbewerberin will in der Kreisverwaltung ihre Aufenthaltserlaubnis verlängern lassen. Nachdem ihr in der Behörde mitgeteilt wurde, daß sie sofort in Abschiebehaft kommt, öffnet sie ein Fenster und springt aus dem zweiten Stock. Die 26-jährige wird schwer verletzt mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht.

BeZ 22.4.98; taz 23.4.98; BeZ 23.4.98;

TS 23.4.98; FR 23.4.98

 

22. April 98

 

Der 24-jährige Flüchtling Jimmy Osegie aus Liberia, Abschiebegefangener in der JVA Reinbach, soll in einem zweiten Versuch über den Flughafen Düsseldorf nach Nigeria abgeschoben werden (siehe 24. März 98).

    Er wird von mindestens sechs Beamten die Gangway heraufgeführt und versucht sich hier – obwohl gefesselt – über das Geländer zu stürzen. Die Beamten halten ihn zurück, schlagen und treten ihn. Im Flugzeug wehrt er sich weiter, und nachdem der Kopilot mit ihm geredet hat, verweigert der Pilot der Maschine (Fluggesellschaft Sabena) die Mitnahme des Flüchtlings.

    Einer der ursprünglich vorgesehenen Flugbegleiter versetzt Herrn Osegie noch einen Faustschlag ins Gesicht – und auch sein Abtransport findet unter Schlägen statt. Er wird über den Asphalt gezogen, und durch einen Knüppelschlag auf den Kopf verliert er kurzfristig das Bewußtsein.

    Herr Osegie wird in die JVA Bochum gebracht. Am

4. Juni wird er mit einer Sondermaschine und zusammen mit weiteren über 70 Flüchtlingen von Düsseldorf nach Lagos abgeschoben.

Roma-UnterstützerInnen-Gruppe Bochum;

ai-London, Sept. 98

 

22. April 98

 

Baden-Württemberg. Der 32-jährige ghanaische Flüchtling Joseph Gyimah wird abgeschoben. Vier Tage vorher wird er aus dem Abschiebegefängnis Rottenburg in die JVA Heimsheim verlegt, um den Protestaktionen gegen seine Abschiebung vor dem Abschiebegefängnis (Dauermahnwache) die Spitze zu nehmen.

    Bald darauf wird er nach Berlin gefahren und von dort über den Flughafen Schönefeld, wieder unter großen Protesten von UnterstützerInnen, mit der Aeroflot über Moskau nach Ghana geflogen.

    In Accra werden die vier den Flüchtling begleitenden BGS-Beamten unter dem Vorwurf in Haft genommen, Joseph G. im Flugzeug mißhandelt zu haben.

    Zwei Mitreisende aus Nigeria, ein Universitätsprofessor und eine Dozentin, verlassen entgegen ihren ursprünglichen Reiseplänen die Maschine in Accra, um als Zeugen der Mißhandlung auszusagen. Joseph Gyimah sei während des Fluges mit einer Kette um Beine und Bauch an seinen Sitz gefesselt und die Arme seien auf dem Rücken mit Klebeband zusammengebunden gewesen. Er sei gezwungen worden, einen Helm zu tragen.

    Die BGS-Beamten bestreiten ihre Festnahme in Accra, sie seien lediglich "zu ihrem eigenen Schutz" mitgenommen worden. Die Einwanderungsbehörde ergänzt diese Aussage: "...um sie vor wütenden Passagieren zu schützen".

afp Berlin 24.4.98;

FR 25.4.98; TS 25.4.98; taz 25.4.98; BM 25.4.98;

ND 25.4.98; BeZ 27.4.98; taz 27.4.98; TS 28.4.98;

Tübinger Bündnis gegen Abschiebehaft 30.4.98; KMii;

Antirassistische Initiative Berlin; FFM; taz 19.5.98;

taz 19.5.98; BeZ 2.6.98; BeZ 3.6.98;

UNBEQUEM 9/98

 

23. April 98

 

Märkisch-Oderland in Brandenburg. Auf der Straße zwischen Letschin und Neuhardenberg stoppt eine Zivilstreife einen Kleintransporter. In dem für nur zwei Personen zugelassenen Wagen befinden sich 23 Flüchtlinge aus dem Kosovo – darunter drei Kinder.

    Sie hatten vorher die Oder mit einem Schlauchboot durchquert; einige mußten die Grenze schwimmend überwinden. Alle Flüchtlinge werden nach Polen zurückgeschoben.

ND 25.4.98¸ BeZ 25.4.98

 

26. April 98

 

Kelvin Emioma aus Nigeria, abgelehnter Asylbewerber und Abschiebegefangener in Büren, soll abgeschoben werden. Er wird von Beamten in der Haftzelle überwältigt, schwer geschlagen und verletzt. Mindestens fünf Beamte sitzen zeitweise auf ihm, fesseln seine Hände auf dem Rücken und verbringen ihn in den "Keller".

    In Schaukelfesselung (Handschellen hinter dem Rücken – mit den Fußschellen verbunden) wird er am 27. April zum Flughafen Düsseldorf gebracht. Während der mehr als zweistündigen Fahrt zum Flughafen und auch noch in einem Warteraum wird diese Fesselung beibehalten. Er wird mehrfach geschlagen.

    Als er der Stewardeß der Maschine erklärt, daß er nicht freiwillig ausreist, weigert sich der Sabena-Pilot, ihn mitzunehmen.

    Er wird nicht nach Büren zurückgebracht, sondern in die JVA Bochum.

    Am 4. Juni wird er mit einer Sondermaschine und zusammen mit weiteren über 70 Flüchtlingen von Düsseldorf nach Lagos abgeschoben.

Roma-UnterstützerInnen-Gruppe Bochum

 

26. April 98

 

S. Okon aus Nigeria und Festus Oboh aus Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste), Abschiebegefangene in Büren, werden aus ihrer gemeinsamen Zelle von Beamten herausgeprügelt und zum Flughafen Düsseldorf transportiert. Aufgrund ihrer Gegenwehr scheitert die Abschiebung.

    Wie in solchen Fällen üblich, werden die beiden nicht nach Büren zurückgebracht. S. Okon kommt in die JVA Dortmund, F. Oboh in eine andere Gefangeneneinrichtung.

    Am 4. Juni wird Okon mit einer Sondermaschine und zusammen mit weiteren über 70 Flüchtlingen von Düsseldorf nach Lagos abgeschoben.

Roma-UnterstützerInnen-Gruppe Bochum

 

26. April 98

 

Prince Tunji James Adeniji aus Nigeria, abgelehnter Asylbewerber und Abschiebegefangener in Büren, soll abgeschoben werden. Er wird von mehreren Beamten aus der Zelle geholt und auf dem Gang heftig geschlagen. Dabei wird sein Bein verletzt. Er wird in Hand- und Fußschellen gelegt und dann nackt in eine Bunkerzelle gebracht. Dort bleibt er zwei Tage lang ohne medizinische Versorgung und ohne Nahrung.

    Herr Adeniji soll mit der Fluggesellschaft Ghana Airways abgeschoben werden. Auf dem Flughafen erreicht er allerdings, daß diese Abschiebung nicht durchgeführt wird. Er wird nicht nach Büren zurückgebracht, sondern in die JVA Bochum.

    Am 4. Juni wird er mit einer Sondermaschine und zusammen mit weiteren über 70 Flüchtlingen von Düsseldorf nach Lagos abgeschoben.

Roma-UnterstützerInnen-Gruppe Bochum

 

28. April 98

 

Es ist der dritte Versuch, den Flüchtling Mokthar Dahmane nach Algerien abzuschieben. Er wird schwer zusammengeschlagen. (siehe auch: 2. Oktober 98)

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim 1.11.98

 

Ende April 98

 

Der Kosovo-Albaner Rasim Haziri wird, von seiner Familie getrennt, aus München nach Prishtina abgeschoben. Dort wird er schwer und zum wiederholten Male von serbischen Behördenvertretern mißhandelt. Nach seiner Freilassung gelingt es ihm erneut zu fliehen.

    Wieder auf deutschem Boden, nahe Chemnitz, erfolgt seine Festnahme am 10. Juli und die direkte Zurückschiebung am folgenden Tag in die Tschechische Republik (Drittstaaten-Regelung). Die Interventionsversuche seines Rechtsanwaltes, dem durch die Mißhandlungen Traumatisierten und Suizidgefährdeten in München bei seiner Familie ärztliche Hilfe zu gewähren, werden behördlicherseits ignoriert.

    Schließlich gelingt es Rasim Haziri, nach München zurückzukommen und einen Asylfolgeantrag zu stellen.

FRat Bayern, Infodienst, Nr. 62/63

 

April 98

 

Ein rumänischer Asylbewerber versucht, als "blinder Passagier" mit einem Fährschiff von Deutschland nach Schweden zu gelangen. Als die Besatzung ihn entdeckt, springt er vor der deutschen Ostseeküste ins Wasser und wird auch nach stundenlanger Suche der Wasserschutzpolizei nicht gefunden. Er ist mit großer Wahrscheinlichkeit ertrunken.

TS 7.4.98

 

April 98

 

Ein Flüchtling wird in den Kosovo abgeschoben und dort gefoltert. Als er zwei Monate später versucht, zu seiner Frau und seinen Kindern nach Deutschland zu kommen, wird er umgehend nach Tschechien zurückgeschoben.

ND 14.7.98

 

April 98

 

Auf das Flüchtlingsheim in Ahaus in Nordrhein-Westfalen verüben vier Neonazis einen Brandanschlag. Es wird niemand verletzt und der Sachschaden bleibt gering.

    Im August 1999 bestätigt der Bundesgerichtshof die vom Landgericht Münster gesprochenen Urteile. Das Landgericht hatte die Täter wegen "der versuchten besonders schweren Brandstiftung" zu Haftstrafen von bis zu vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

taz 31.8.99;

Chronik rechtsextremer Gewalt in Deutschland seit 1990

 

April 98

 

Flüchtlingsheim im baden-württembergischen Bad Wimpfen. Die Polizisten kommen im Morgengrauen und holen eine fünfköpfige kurdische Familie aus dem Schlaf. Die Menschen sind völlig überrascht, und die Eltern zeigen den Beamten ein Schreiben vom Stuttgarter Verwaltungsgericht, aus dem hervorgeht, daß ihr Asylfolgeantrag angenommen wurde.

    Die Polizisten wollen das Schreiben nicht sehen, es kommt zu einem Handgemenge. Die Mutter stürzt plötzlich in die Küche und versucht, sich mit einem Küchenmesser die Pulsadern aufzuschneiden. Sie bekommt Handschellen angelegt – ihr Mann Hand- und Fußschellen.

    Erst in Ludwigsburg stellt sich heraus, daß die Anordnung zur Abschiebung rechtswidrig ist. Die Familie wird freigelassen. Die Mutter erleidet einen Nervenzusammenbruch und muß in eine psychiatrische Klinik zur stationären Behandlung eingeliefert werden.

HSt 23.4.98; Rhein-Neckar-Ztg 30.4.98

 

Frühjahr 98

 

Die Kurdin Yazgül E. wird nach abgelehntem Asylantrag in die Türkei abgeschoben. Dort wird sie von türkischen Verfolgungsbehörden auf verschiedenste Weise gefoltert und mehrfach vergewaltigt.

    Im Oktober 2001 gelingt ihr die erneute Flucht in die BRD, und sie stellt einen Asylfolgeantrag. Ärzte und Psychologen attestieren ihr noch im Oktober "teilweise noch nicht abgeheilte Brandwunden" und bescheinigten, daß "ein Zustand schwerer psychischer Belastungsreaktion nach erheblicher Traumatisierung durch Folterung" vorliegt.

    Trotzdem wird Yazgül E. auf Betreiben der Ausländerbehörde Ammerland und der Bezirksregierung Weser-Ems unmittelbar nach ihrer Anhörung durch das Bundesamt in Abschiebehaft genommen. Sie wird zunächst in der JVA Vechta inhaftiert – anschließend in der JVA Langenhagen Hannover. Sie ist schwerkrank Sie leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Sie hat in der Haft mehrmals das Bewußtsein verloren, sie weint ständig und kann keine Nahrung aufnehmen.

    Der Amtsarzt der JVA Hannover im Dezember: "Vom psychiatrischen Befund her darf Frau E. nicht abgeschoben werden, weil sie sonst in Lebensgefahr geriete. Es besteht dringende Suizidgefahr."

    Schließlich wird Frau E. aus gesundheitlichen Gründen aus der Abschiebehaft entlassen.

Dr. H. Nitz – Rechtsanwalt; FRat NieSa 8.1.02

 

Anfang Mai 98

 

Bei einem drei Tage (!) andauernden Polizeieinsatz in der Flüchtlingsunterkunft im baden-württembergischen Kornwestheim werden 45 afrikanische Flüchtlinge, auch gegen den ausdrücklichen Willen einzelner, mit einer Polaroid-Kamera fotografiert und ihre Fingerabdrücke genommen.

    16 Personen, mutmaßlich sudanesische und nigerianische Staatsangehörige, werden zur Bezirksstelle für Asyl nach Ludwigsburg gebracht und dort Botschaftsangehörigen der beiden Länder vorgeführt. Die Vertreter der Botschaften entscheiden dort über die Staatsangehörigkeit der Flüchtlinge, um im Zuge der Abschiebevorbereitungen entsprechende Paß-Ersatzpapiere auszustellen.

Kornwestheimer Ztg 10.7.98;

in: AK Asyl Ba-Wü Juli-September 1998

 

1. Mai 98

 

Im sächsischen Bad Schandau, unweit der deutsch-tschechischen Grenze gelegen, wird ein rumänischer Mann auf der Flucht vor BGS-Beamten durch einen Diensthund verletzt.

BT-Drucksache 14/1850

 

2. Mai 98

 

Kronach in Bayern. Der 26-jährige Nouredine El Amrani, Flüchtling aus Marokko, erhängt sich in Abschiebehaft in der JVA mit seinem Hosengürtel.

    Nouredine El Amrani aus Tanger hatte Marokko verlassen, nachdem er nach der Teilnahme an einer Demonstration von der Polizei verfolgt worden war. Mit einem Fischerboot floh er nach Spanien und kam über Frankreich nach Deutschland. Im April 1993 gelang ihm die Einreise in die BRD, wo er Asyl beantragte.

    Als nach Ablehnung des Asylantrags ein legaler Aufenthalt für Nouredine El Amrani nicht mehr möglich war, tauchte er unter. Vor diesem Schritt schrieb er "Scheiß Ausländeramt" und den Namen eines Sachbearbeiters an die Wände des Flüchtlingslagers. An der deutsch-französischen Grenze wurde er verhaftet und in Abschiebehaft genommen. Er betonte immer wieder, daß er nicht nach Marokko zurückgehen wolle.

taz 18.5.98; IMEDANA 26.10.00;

JWB 2.6.04; ;

Herzog/Wälde: "Sie suchten das Leben"

 

2. Mai 98

 

Im sächsischen Krippen bei Bad Schandau wird ein LKW geöffnet und vier türkische, vier mazedonische und 28 afghanische Flüchtlinge werden befreit und dadurch vor dem drohenden Erstickungstod bewahrt.

BT-Drucksache 14/1850

 

5. Mai 98

 

Der kurdische Flüchtling Yüksel Kücük wird nach sechsjährigem Deutschland-Aufenthalt und abgelehntem Asylantrag in die Türkei abgeschoben. Auf dem Flughafen erfolgt die sofortige Festnahme, und er wird der Anti-Terror-Abteilung überstellt. Über eine Woche lang wird er unter schwerer Folter verhört. Ihm wird Mitgliedschaft bei der HEP im Jahre 1991/92, Beteiligung an PKK-Aktivitäten in Deutschland und sein nicht abgeleisteter Militärdienst vorgeworfen.

    Nach einer Vorführung bei der Staatsanwaltschaft wird er in Polizeibegleitung nach Elazig gebracht. Hier kommt er wieder zur Anti-Terror-Abteilung. Dreimal wird er hier, wie er sagt, unter grausamen Bedingungen verhört und gefoltert. Er soll seine exilpolitischen Aktivitäten in Deutschland benennen, und er soll Menschen denunzieren. Als er sich weigert, als Spitzel zu arbeiten, wird er noch einmal gefoltert. Am siebenten Tag wird er gezwungen, ein vorgefertigtes Protokoll zu unterschreiben, und mit der Aufforderung, sich beim Militär zu melden, kommt er frei.

    Sein Vater hat ihn freigekauft, indem er einem Kommissar eine beträchtliche Summe Geld gab. Dieser Kommissar rät Yüksel Kücük, das Land zu verlassen, und organisiert für ihn die Flucht.

    Nach einigen Tagen in einem Versteck flieht Yüksel Kücük dann Ende Juni 98 erneut in die BRD. Hier erhält er im Februar 2000 schließlich Abschiebeschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG.

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000;

Dokumentation vom FRat NieSa, Juli 2002

 

8. Mai 98

 

Nach einem Bericht des Zweiten Deutschen Fernsehens wurde im Hamburger Hafen vor einiger Zeit ein Westafrikaner unter Deck eines Frachtschiffes tot aufgefunden.

    Sein Leichnam lag zwischen vielen Konservendosen. Der Mann hatte bei seiner Flucht offensichtlich einen Dosenöffner vergessen, und es war ihm nicht gelungen, die Dosen zu öffnen. Er war verhungert.

ZDF-reportage "Zwischen Traum und Alptraum 8.5.98

 

11. Mai 98

 

In einer Straßenbahn in Halle wird ein Flüchtling aus Sierra Leone von zwei deutschen Männern zunächst beschimpft, dann geschlagen und getreten. Sie verfolgen ihn auch noch, als er die Bahn verläßt. Er wird leicht verletzt.

taz 13.5.98

 

14. Mai 98

 

In der Nähe von Müllrose im Kreis Oder-Spree in Brandenburg werden im Kofferraum eines Personenkraftwagens vier Flüchtlinge aus Sri Lanka entdeckt.

BeZ 16.5.98; MOZ 16.5.98

 

14. Mai 98

 

Zwei junge Männer versuchen, in die einsam gelegene Flüchtlingsunterkunft im schwäbischen Aichach einzudringen. Sie schlagen Scheiben ein, zertrümmern Türen und brüllen "Ausländer raus!"

    Die Polizei fährt daraufhin verstärkt Streife, kann allerdings den Brandanschlag am nächsten Tag auch nicht verhindern.

SZ 20.5.98

 

15. Mai 98

 

Vier Skinheads im Alter zwischen 16 und 32 Jahren versuchen, die Flüchtlingsunterkunft im schwäbischen Aichach mit Molotow-Cocktails in Brand zu setzen. Die BewohnerInnen entdecken die Flammen rechtzeitig und können sie löschen. Niemand der 32 afrikanischen Flüchtlinge wird verletzt.

    Im Januar 99 werden die Täter vom Landgericht Augsburg wegen versuchten Mordes in mindestens 20 Fällen und versuchter schwerer Brandstiftung schuldig gesprochen. Sie erhalten Haftstrafen zwischen fünfeinhalb und sieben Jahren.

BeZ 19.5.98; FR 19.5.98; SZ 20.5.98;

FR 7.8.98; SZ 7.8.98; BeZ 8.8.98; taz 8.8.98;

FR 28.1.99; BT-Drucksache 14/480

 

15. Mai 98

 

Eine Gruppe von sechs Jugoslawen, fünf Mazedoniern und einem polnischen Fluchthelfer – unter ihnen auch ein vier Monate alter Säugling – gelangt mit zwei Schlauchbooten über die Oder auf deutsches Gebiet. Als Beamte des BGS die Menschen abends um 23.30 Uhr festnehmen wollen, flüchtet ein Mazedonier ins Landesinnere. Nach einer mehrstündigen Suchaktion wird der Mann um 4.20 Uhr vom Grund der nahegelegenen Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße tot geborgen.

    Der Fundort befindet sich nur wenige Meter von einer Brücke bei Schöneberg entfernt, die von der Polizei abgesperrt war. Der Flüchtling sei in einer Kurzschlußhandlung ins Wasser gesprungen, um sich der Festnahme zu entziehen, berichten das Hauptzollamt Schwedt und die Bundesgrenzschutzinspektion Oderberg später gegenüber der Presse.

    An der Verfolgungs- und Suchaktion waren Hubschrauber, Beamte des Zolls, des BGS, der Wasserschutzpolizei und der örtlichen Feuerwehren beteiligt.

    Die elf festgenommenen Flüchtlinge werden nach Polen zurückgebracht.

MOZ 16.5.98; MOZ 20.5.98;

BT-Drucksache 14/1850

 

17. Mai 98

 

Ein Flüchtling aus Tunesien verläßt um 17.30 Uhr zusammen mit seinem Freund in Dresden eine Straßenbahn. Noch an der Haltestelle werden beide von einem angeblichen Kontrolleur angehalten – zur Fahrscheinkontrolle.

    Die beiden Asylbewerber steigen in eine andere Straßenbahn und fahren in Richtung Hauptbahnhof. Die Bahn wird nach kurzer Zeit von einem Polizeifahrzeug angehalten, die Beamten besteigen die Bahn, überprüfen die Papiere der beiden Freunde, legen ihnen Handschellen an und führen sie am Hauptbahnhof aus der Bahn heraus. Dort werden sie neben einem Polizeifahrzeug mit erhobenen Händen und gespreizten Beinen gründlich durchsucht. Dann werden sie zum Revier gebracht, müssen sich ausziehen. Erst um 23.30 Uhr werden sie ohne weitere Erklärung wieder entlassen.

Polizeiübergriffe 1999

 

21. Mai 98

 

"Himmelfahrtstag". Ein 32-jähriger Asylbewerber aus Aserbaidschan wird im thüringischen Mühlhausen von drei jugendlichen Deutschen zusammengeschlagen und bestohlen.

taz 23.5.98; ZDK (BeZ 22.5.)

 

22. Mai 98

 

Feuer im Flüchtlingsheim im rheinischen Viersen. Es wird Brandstiftung vermutet, und die Polizei nimmt einen

28-jährigen Heimbewohner unter "verdächtigen Umständen" fest. Die rund 120 BewohnerInnen müssen in anderen Gebäuden untergebracht werden. Verletzt wird niemand.

taz 23.5.98

 

27. Mai 98

 

Busbahnhof in Aachen. In einem Bus der Linie 51 fordern eine Polizistin und ein Polizist einen nigerianischen Flüchtling auf, Ausweis und Fahrkarte vorzuzeigen. Die Polizistin nimmt die Papiere und verläßt den Bus, und auch der Überprüfte soll den Bus verlassen. Als er aufsteht, greift ihn der Polizist mit beiden Händen von hinten um den Nacken und hält den Kopf in der Armbeuge. Dann stößt er sein Knie in den Magen seines Opfers und sagt dabei: "Scheiß Schwarzer, mach hier keine Probleme und geh zurück in dein Land...", und draußen sagt er zu seiner Kollegin: "Guck dir den komischen Ausweis an; Scheiß-Flüchtling".

    Dem Flüchtling werden die Papiere zurückgegeben, und weil sein Bus inzwischen abgefahren ist, setzt er sich in den nächsten Bus nach Würselen. Um 22 Uhr fährt dieser ab.

    An der Haltestelle "Tivoli" betreten zwei Zivilisten den Bus, zeigen ihre Polizeimarken und fordern den Flüchtling auf, seine Papiere vorzuzeigen und mit ihnen den Bus zu verlassen. Draußen warten bereits die Polizistin und der Polizist, die ihn schon am Busbahnhof kontrolliert und mißhandelt haben. Ihm werden brutal Handschellen angelegt, und er muß zur Wache mitfahren. Dort soll er seine Taschen leeren, er wird durchsucht und dann in Zelle 16 gesperrt. Er bemerkt eine blutende Verletzung an seinem rechten Handgelenk.

    Um 0.08 Uhr wird er entlassen, und da zu dieser Zeit keine Busse mehr fahren, muß er zu Fuß nach Würselen gehen. Die Verletzung am Hals, die ihm durch die brutale Behandlung des Polizisten zugefügt wurde, bereitet ihm auch noch drei Wochen nach dem Übergriff Schmerzen beim Schlucken und Schmerzen bei Berührung.

Polizeiübergriffe 1999

 

29. Mai 98

 

In dem bayerischen Dorf Ösbühl in unmittelbarer Nähe der deutsch-tschechischen Grenze wird ein rumänischer Flüchtling bei seiner Festnahme durch BGS-Beamte von deren Diensthund am Oberarm gepackt und verletzt.

BT-Drucksache 14/1850

 

Ende Mai 98

 

Der Flüchtling Fatmir Sahiti, Albaner aus dem Kosovo, wird aus Baden-Württemberg abgeschoben. Als sein Dorf Kopiliq von serbischen Streitkräften unter Granaten-Beschuß genommen wird, kommt er ums Leben.

FRat Bayern, Infodienst, Nr. 62/63

 

Mai 98

 

Die 35-jährige Jamal E. aus dem Libanon versucht, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen; sie überlebt knapp. Eine Verzweiflungstat, weil der Frau – sollte sie abgeschoben werden – ihre vier Kinder von der Familie ihres Mannes nach islamischem Recht weggenommen werden können.

taz 23.7.98

 

Mai 98

 

Nasik Chatchaturjan wird mit ihrer Tochter Knarik und ihrem Sohn Johannes nach Armenien abgeschoben, während ihr Mann Samuel in Deutschland noch im Krankenhaus liegt. Nach ihrer Ankunft wird sie festgenommen, verhört und gefoltert, weil sie den Aufenthaltsort ihres Mannes preis

geben soll.

    Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wird auch Herr Chatchaturjan umgehend abgeschoben und schon auf dem Flughafen Erivan verhaftet und gefoltert.

    Die Familie gehört den Zeugen Jehovas an und war schon 1995 in die BRD geflohen, nachdem Herr Chatchaturjan wegen seiner Militärdienstverweigerung desertiert war, festgenommen und durch Folter schwer traumatisiert worden war.

    Der Familie gelingt erneut die Flucht nach Deutschland. (siehe auch: 7. Dezember 99)

Pro Asyl 9/00

 

Anfang Juni 98

 

Der seit zehn Jahren in der BRD lebende Kurde Necmeddin Aslan wird in die Türkei abgeschoben. Entgegen der Verabredung meldet er sich nicht bei seiner Frau, die mit dem einjährigen Sohn zurückgeblieben war.

Spiegel 22.6.98

 

1. Juni 98

 

Der kurdische Flüchtling Hasan Akdag übergießt sich in der niedersächsischen Vollzugsanstalt Lingen mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündet sich an. Er stirbt am gleichen Tage in einem Krankenhaus in Hannover.

    Der jetzt 21-jährige Akdag hatte 1996 aus seinem Dorf in der Nähe von Diyarbakir fliehen müssen, nachdem zwei seiner Angehörigen erschossen worden waren und ihm Unterstützung der PKK vorgeworfen worden war. Das Asylgesuch in der BRD wurde abgelehnt, Akdag tauchte unter, wurde eingefangen und eingesperrt.

    Eine 120-tägige Haftstrafe sollte Akdag absitzen, weil er als Asylbewerber den ihm zugewiesenen Landkreis ohne Erlaubnis verlassen und die verhängten Geldstrafen nicht bezahlt hatte.

    Sein Asylfolgeantrag, den er in Abschiebehaft gestellt hatte, wurde einige Tage vor seiner Selbsttötung abgelehnt.

    "Gesicherte Hinweise auf das Motiv des Selbstmordes" gebe es nicht, so die Sprecherin des Innenministeriums.

taz 10.6.98; BeZ 10.6.98;

ND 10.6.98; TS 10.6.98;

UNITED (Frat NieSA)

 

4. Juni 98

 

Ein Mitglied der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" und zwei andere Deutsche greifen ein Flüchtlingsheim im sächsischen Kamenz an. Sie versuchen mit sechs Benzinbomben, das Wohnheim in Brand zu setzen. Von den 29 BewohnerInnen wird niemand verletzt.

taz 11.6.98; FR 12.6.98;

Konkret 10/00, S. 16;

BT-Drucksache 14/480

 

4. Juni 98

 

76 Flüchtlinge aus Nigeria und aus anderen westafrikanischen Ländern werden mit einem Abschiebesonderflug von Düsseldorf nach Lagos in Nigeria abgeschoben. Einige von ihnen sind minderjährig (z.B. der 15-jährige Evbagharu).

    Viele der Flüchtlinge werden während der Abschiebung von Beamten des Bundesgrenzschutzes mit Schlägen traktiert.

    Alle Flüchtlinge werden in Lagos sofort in Haft genommen.

Prison Watch International 9.6.98;

Roma-UnterstützerInnen-Gruppe Bochum

 

4. Juni 98

 

Unter den 76 nach Nigeria Abgeschobenen befindet sich Paul Agbebako. Nach Verfolgung und Haft in Nigeria war er im Mai 95 in die BRD geflohen, wurde im März 98 verhaftet und kam in die Abschiebehaft in Büren. Nach Protesten der Gefangenen (skandalöse Haftbedingungen und Behördentaktik) dort wurde er am 7. April in die JVA Bochum verlegt. Auf dem Transport dorthin mußte er eine sechsstündige Schaukelfesselung erleiden (Handschellen hinter dem Rücken – mit den Fußschellen verbunden). In Bochum verbrachte er 16 Tage im sogenannten Bunker.

    Den Tag seiner Abschiebung beschreibt er als einen seiner schrecklichsten. Er wird vor und während der Abschiebung dermaßen geschlagen und mißhandelt (sein Arm wird ausgekugelt), daß er den Flug nur verschwommen wahrnimmt: "Ich brauchte drei Tage, um zu begreifen, daß ich immer noch lebte." In Lagos wird er für drei Tage in Haft genommen.

Roma-UnterstützerInnen-Gruppe Bochum

 

5. Juni 98

 

Der 27-jährige kurdische Flüchtling Hüsni Almaz kehrt nach abgelehntem Asylgesuch zunächst unbehelligt in die Türkei zu seiner Mutter und zu seinen Geschwistern in den Kreis Kiziltepe der Provinz Mardin zurück. Am 19. Juli wird er in Bozok bei Sürekli von Polizisten der Gendarmerie Derik festgenommen, verhört und schwer gefoltert: "Sie banden mich an ein Holzkreuz fest und zogen mich nach oben, unter die Decke. Sie hatten mich nackt ausgezogen. Dann gaben sie mir Elektroschocks an den Zehen. So hing ich in der Luft, und sie gaben mir wieder Stromschläge.Dann ließen sie mich ein wenig runter, und ich bekam von neuem Elektroschocks, diesmal an den Hoden und am Penis. Sie spielten mit meinen Hoden und dann auf einmal schlugen sie drauf."

     Hüsni Almaz "gesteht" daraufhin, in der BRD an Versammlungen und Demonstrationen der PKK teilgenommen zu haben. Dieses "Geständnis" muß er mit verbundenen Augen unterschreiben.

    Zwei Tage nach seiner Verhaftung legt er Beschwerde gegen den Haftbeschluß ein, weil er durch Folter zu dem Geständnis gezwungen worden war. Die Beschwerde ist erfolglos. Am 10. August wird gegen Herrn Almaz Anklage erhoben wegen Unterstützung einer bewaffneten Vereinigung. Das Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir übernimmt das Verfahren. Am 9.2.99 wird Herr Almaz nach Art. 169 TürkStGB und Art. 5 ATG zu einer Haftstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, und tatsächlich wird Herr Almaz noch am Abend der Urteilssprechung auf freien Fuß gesetzt.

    Ihm gelingt erneut die Flucht in die BRD. Er stellt einen Asylfolgeantrag, und ihm wird im November 1999 das "kleine Asyl" gewährt.

    Im März 2000 bestätigt das türkische Kassationsgericht die Entscheidung des Staatssicherheitsgerichts in Diyarbakir und verurteilt Hüzni Almaz rechtskräftig zu drei Jahren und neun Monaten Haft.

Pro Asyl 10.9.98; taz 11.9.98; FR 11.9.98;

taz-Ffm 11.9.98; jW 12.9.98; taz 21.9.98;

Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, Sept. 98;

Dokumentation vom FRat NieSa, Januar 1999;

Pro Asyl 23.2.99; ND 8.3.99; ARD "Monitor" 22.7.99;

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Juni 1999;

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000;

Dokumentation vom FRat NieSa, Juli 2002

 

5. Juni 98

 

Bedburg-Hau in Nordrhein-Westfalen. Ein 52 Jahre alter Deutscher entzündet seine eigene Wohnung, die sich in einem Flüchtlingsheim befindet. Dann flüchtet er. Später gibt er an, daß er die HeimbewohnerInnen aus Haß töten wollte.

    Das Feuer kann frühzeitig gelöscht werden, so daß niemand verletzt wird.

BeZ 8.6.98; FR 8.6.98; taz 8.6.98;

BT-Drucksache 14/480

 

6. Juni 98

 

Anklam in Mecklenburg-Vorpommern. Sieben afrikanische Flüchtlinge werden von 15 bis 20 Deutschen beschimpft, attackiert und mit Gegenständen beworfen. Zwei der Angegriffenen müssen ihre Verletzungen im Krankenhaus behandeln lassen.

taz 8.6.98; ZdK (NK 2.6.)

 

10. Juni 98

 

Ein 17-jähriger Asylbewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien wird im brandenburgischen Fürstenwalde, Landkreis Oder-Spree, während eines Volksfestes von fünf einheimischen Jugendlichen geschlagen, getreten und von einem Angreifer mit der Faust ins Gesicht geboxt. Der Jugoslawe erleidet Verletzungen, die ärztlich behandelt werden müssen.

RA 12.6.98; BeZ 12.6.98

 

11. Juni 98

 

Der kurdische Flüchtling Mehmet Ali Klay Metin soll in einem dritten Abschiebeversuch in die Türkei geflogen werden. Bereits in der Untersuchungs- und Strafanstalt Uelzen wird er einer gründlichen Leibesvisitation unterzogen.

    Gleiches geschieht durch die BGS-Beamten auf dem Flughafengelände Hannover. Als Herr Metin aufgefordert wird, die Kleidung wieder anzuziehen, weigert er sich, weil es sich dabei um die Anstaltspyjamas des Gefängnisses handelt. Er verlangt nach seiner eigenen Kleidung. Ein Beamter steckt ihm daraufhin einen elektrischen Schlagstock in den Mund und schlägt seinen Kopf vier bis fünf Mal gegen eine gekachelte Wand. Herrn Metin läuft Blut aus dem Mund. Andere Beamten packen ihn und ziehen ihm die Anstaltskleidung wieder an und legen ihm Handschellen hinter seinem

Rücken an.

    Nach ca. einer Stunde wird er über den Hintereingang in eine Maschine der Istanbul Airlines gebracht, in einen Sitz gezwungen und festgezurrt. Mehmet Ali Klay Metin beginnt zu schreien. Drei Beamte beugen seinen Oberkörper nach vorne und halten ihm den Mund zu. Sie schlagen ihm gegen den Rücken und gezielt in den Unterleib.

    Als Herr Metin weiter schreit, packt ein Polizist ihn an seinen langen Haaren und schlägt seinen Kopf immer wieder gegen den Vordersitz. Ein anderer Beamter schlägt ihm in den Magen.

    Jetzt erheben sich zwei Passagiere – eine Journalistin und ein Arzt – und protestieren gegen die Mißhandlung. Die Journalistin verlangt auch die Dienstnummer eines Polizisten.

    Herr Metin schreit die Parolen: "Es lebe die PKK!", "Nieder mit dem Faschismus!", "Schulter an Schulter gegen den Faschismus!". Er bekommt ein Klebeband über den Mund – wird weiter geschlagen.

    Endlich wird er – wieder unter Mißhandlungen – aus dem Flugzeug geführt und zurück in die Haftanstalt Uelzen gebracht. Nicht der Arzt der Anstalt ("... keine Zeit"), sondern der Anstaltsleiter veranlaßt, daß der aufs Doppelte seiner sonstigen Größe geschwollene Arm von Mehmet Ali Klay Metin versorgt wird.

Bericht des Betroffenen in:

Pro Asyl-Infomappe 11.6.99; IPPNW 1.6.99

 

15. Juni 98

 

Fürstenwalde in Brandenburg. Als ein 21 Jahre alter Flüchtling aus Indien sich weigert, zwei Deutschen sein Geld, Zigaretten und Bier auszuhändigen, wird er von einem Angreifer mit einem Hosengürtel gewürgt, von dem anderen mit Füßen getreten. Er muß seine Verletzungen ambulant behandeln lassen.

BeZ 17.6.98; taz 17.6.98;

Konkret 10/00, S. 16

 

Mitte Juni 98

 

Hungerstreik im Abschiebegefängnis Berlin-Grünau seit dem 16. Juni. Als der türkische Flüchtling X. X. beim Wachpersonal nach einem Glas Zuckerwasser fragt, wird er von einem Beamten ins Gesicht und an den Kopf geboxt. Ein Sanitäter, der sich als Arzt ausgibt, behandelt die Augenverletzung des Gefangenen. N.N. wird Ende Juni in die Türkei abgeschoben.

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin;

Kurdisches Zentrum Berlin

 

16. Juni 98

 

JVA Büren – Abschiebegefängnis. Unmittelbar vor seiner geplanten Abschiebung setzt sich ein 36-jähriger kurdischer Abschiebegefangener selbst in Flammen. Er hatte sich mit Fett eingerieben und das T-Shirt dann angezündet.

    Er kommt aufgrund seiner Brandverletzungen ins Bürener St. Nikolaus-Hospital und später ins Justizkrankenhaus. 10 Prozent seiner Haut sind verbrannt. Dazu Verwaltungsleiter der JVA Wehrmeier: "eine ernsthafte Selbstbeschädigung, aber nicht so dramatisch".

NW 17.6.98;

AZADI informationen Nr. 10 Mai/Juni 1998

 

16. Juni 98

 

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Der psychisch kranke Flüchtling N.N. schluckt sechs oder sieben Beruhigungstabletten (Diazepam). Erst vier Wochen nach seiner Ankunft am Flughafen kommt er in die Psychiatrie.

FSD-Ffm Okt. 98

 

17. Juni 98

 

Polizei-Razzia im Flüchtlingsheim Gehren in Thüringen. Als die BewohnerInnen dieses Container-Heimes durch den Lärm morgens um 6 Uhr erwachen, ist das Heim von Polizisten regelrecht besetzt.

    Mindestens zwei Beamte stehen vor jedem Zimmer; weitere vor den Fenstern und am Stacheldrahtzaun. Die BewohnerInnen werden gezwungen, in ihren Zimmern zu bleiben, und mit einer Video-Kamera werden die Menschen abgelichtet. Eine erniedrigende Situation, weil nicht nur die Menschen in ihrer Schlafkleidung und mit ihrem "ungekämmten Aussehen", sondern auch die zerzausten Betten und sogar Kochtöpfe gefilmt werden.

    Nach Beendigung der Filmerei werden die BewohnerInnen, die sich inzwischen anziehen durften, in den Fernsehraum geführt. Hier werden sie alle fotografiert und aufgefordert, ihre Personalien anzugeben.

    Danach werden die Menschen in ihre Zimmer zurückgeführt und einzeln Leibesvisitationen unterzogen. Dann erfolgt die sehr genaue Durchsuchung der Zimmer. Der Besuch der Toilette ist während der Aktion untersagt.

    Einer der Bewohner, der Flüchtling Mandit Singh aus dem Punjab in Indien, der schon seit längerem krank im Bett liegt, wird von den Beamten aus dem Bett gezwungen. Er erhält einen Stoß in die rechte Seite des Unterleibs. Obwohl Mandit Singh vor Schmerzen schreit, weigern sich die Beamten, einen Krankenwagen zu rufen.

    Erst als die Polizei das Gelände verlassen hat, kann die Sozialarbeiterin einen Krankenwagen rufen, der Mandit Singh ins Krankenhaus fährt.

Bericht eines Betroffenen in: FRat Thür Info Nr. 7

 

22. Juni 98

 

Drei Rechtsradikale überfallen auf dem Schulhof in Cottbus einen 16-jährigen Kurden. Erst als die Lehrer dem Schüler zur Hilfe kommen, fliehen die Angreifer.

FR 23.6.98; BeZ 23.6.98

 

25. Juni 98

 

In Anklam in Mecklenburg-Vorpommern wird ein 21-jähriger Flüchtling aus Sarajevo beim Verlassen eines Supermarktes von fünf bis sechs Jugendlichen überfallen und mit dem Messer angegriffen. Er wird leicht verletzt.

NK 29.6.98

 

26. Juni 98

 

Der 31 Jahre alte kurdische Flüchtling Ferit M. wird zum zweiten Mal in die Türkei abgeschoben. Sein Asylantrag in der BRD war vom Verwaltungsgericht mit dem Hinweis abgelehnt worden: "Ihm drohen dort keine gravierenden Beeinträchtigungen individuell konkreter Art."

    Nach Überprüfung seiner Papiere auf dem Flughafen Ankara wird er zunächst freigelassen. Als Ferit M. am Busbahnhof aus einem Taxi steigt, fordern ihn zwei Zivilpolizisten auf mitzukommen. Er muß in einen PKW mit abgedunkelten Scheiben einsteigen, bekommt Handschellen, und die Augen werden ihm verbunden. Er wird an einen Ort gebracht, wo er zehn Tage lang verhört und so schwer mißhandelt wird, daß er mehrmals das Bewußtsein verliert. Er wird geschlagen, der Falaka und der Stromfolter unterzogen; er wird mit Hochdruckwasserstrahlen abgespritzt. Er selbst fleht seine Folterer an, daß sie ihn töten mögen. Ferit M. kann der Folter wiederstehen, ohne die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe, PKK-Mitgliedschaft und PKK-Unterstützung, zu bestätigen.

    Er wird bewußtlos in einem Wald abgelegt. Es gelingt ihm dann zu einer Straße zu kriechen, wo er einen Autofahrer findet, der ihn zu seiner Schwester nach Istanbul fährt. Dort liegt er zwei Tage lang bewußtlos im Bett. Er wendet sich später an den Menschenrechtsverein und läßt sich bei der Menschenrechtsstiftung psychisch und medizinisch versorgen.

    Mit Fluchthelfern gelingt ihm erneut die Flucht ins Ausland. Am 13. August 98 wird er in Köln festgenommen und sofort in Abschiebehaft gebracht. Die Abschiebung wird auf den 28. August festgelegt. Erst nach einstweiligen Verfügungen und mehrfachen Überprüfungen der Folterspuren wird Ferit M. ab dem 26. Februar 99 Abschiebeschutz ("Kleines Asyl") gewährt.

    Da Ferit M. durch falsche Aktenversendungen immer noch nicht aus der Fahndungsliste der Polizei gestrichen ist, wird er noch mehrfach von deutschen Polizisten festgenommen.

ZDF "Kennzeichen D" 31.3.99;

FR 29.4.00; taz 29.4.00; BeZ 5.5.00;

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000;

 

27. Juni 98

 

Bernau in Brandenburg. Ein nigerianischer Flüchtling wird von zwei Männern in Springerstiefeln und Bomberjacken verfolgt und gejagt, beschimpft und getreten. Durch die herbeigerufene Polizei kann der Angriff unterbrochen werden.

    Ein Täter wird wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte am 11.1.99 zu einer Haftstrafe von acht Monaten und zu einer Geldbuße verurteilt.

ALB (BM; MOZ);

 Bürgerrechte & Polizei/CILIP 62/1999

 

27. Juni 98

 

Saal im Landkreis Nordvorpommern. Am Rande eines Dorffestes wird ein 20-jähriger algerischer Flüchtling von ca. 50 jugendlichen Deutschen beleidigt und auf dem Heimweg überfallen. Er erleidet leichte Verletzungen.

NK 29.6.98

 

27. Juni 98

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein türkischer Gefangener, der sich im Hungerstreik befindet, wird in die Türkei abgeschoben. Es geht ihm psychisch sehr schlecht, und er wurde während seines Hungerstreikes von Anstaltsangehörigen mißhandelt.

AZADI informationen Nr. 10 Mai/Juni/Juli 1998;

(Ad-Hoc-Bündnis zur Unterstützung

der Hungerstreikenden Berlin)

 

28. Juni 98

 

Vor dem Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick findet eine Solidaritätskundgebung für die hungerstreikenden Gefangenen statt. Als ein Mann den KundgebungsteilnehmerInnen durch das vergitterte Fenster zuwinkt, wird er von Beamten in den Keller gebracht und dort mißhandelt.

AZADI informationen Nr. 10 Mai/Juni/Juli 1998;

(Ad-Hoc-Bündnis zur Unterstützung

der Hungerstreikenden Berlin)

 

29. Juni 98

 

Schwarzenberg bei Zwickau in Sachsen. Ein 25-jähriger türkischer Asylbewerber wird am Busbahnhof von vier Männern bedroht. Er flieht in einen Linienbus und versucht die Tür von innen zu verriegeln. Es gelingt ihm nicht, so daß er von den Tätern aus dem Bus gezerrt werden kann. Einer der Angreifer schlägt ihm mit einem zusammengeklappten Messer auf den Kopf. Noch am Boden liegend wird weiter auf ihn eingeschlagen und getreten. Er kommt schwer verletzt in ein Krankenhaus.

LKA – Sachsen 15.7.98; FR 17.7.98;

FP 17.7.98; Konkret 10/00, S. 17

 

Juni 98

 

JVA Büren – Abschiebegefängnis. Zwei junge kurdische Männer versuchen sich umzubringen. Einer schneidet sich die Pulsadern auf, der zweite schluckt eine Überdosis von Medikamenten.

AZADI informationen Nr. 10 Mai/Juni/Juli 1998

(Yek-Kom Bülteni 25)

 

Juni 98

 

Berlin. Auf dem Weg zum Flughafen, über den er abgeschoben werden soll, rammt sich ein kurdischer Flüchtling ein Messer in den Bauch und verletzt sich schwer. Er kommt bewußtlos in ein Berliner Krankenhaus.

    Seine Frau und seine drei Kinder, die bei dem Vorfall dabei sind, werden am gleichen Tag in die Türkei abgeschoben.

Antirassistische Initiative Berlin

 

Sommer 98

 

Thomas Ayayo Amaglo, der vor kurzem bereits zum zweiten Mal nach Togo abgeschoben worden war und danach kurzzeitig in Lomé in Haft war, wird erneut festgenommen. Thomas Ayayo Amaglo, der Bruder eines CAR-Abgeordneten (Comité d'Action pour le Renouvellement), kommt in die Gendarmerie Nationale nach Lomé, wo er unter Folter verhört wird. Während seiner anschließenden Gefangenschaft im Zentralgefängnis von Lomé (maison d'arrêt) erkrankt er schwer. Im Oktober wird er nach einer Verurteilung freigelassen und erliegt kurze Zeit später den Folgen der Folter und der harten Haftbedingungen.

ai 19.1.99; ai-Rapport Mai 1999

 

Anfang Juli 98

 

Drei deutsche Rechtsradikale überfallen auf dem Marktplatz in Boizenburg zwei nigerianische Asylbewerber. Der Angriff kann durch zwei Polizeibeamte unterbrochen werden. Die Ermittlungen der Polizei werden wegen des Verdachts auf schwere Körperverletzung geführt.

SVZ 21.7.98

 

1. Juli 98

 

Mecklenburg-Vorpommern. Ein nigerianischer Flüchtling wird in Schwerin von einem Deutschen auf der Straße

überfallen.

    Gegen den Täter ergeht Haftbefehl wegen schwerer Körperverletzung und der Verwendung von Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen in der Öffentlichkeit.

ZDK (NK 4.7.)

 

1. Juli 98

 

Im Krankenhaus Altenburg in Thüringen wird der Tod des kurdischen Flüchtlings Haydar Findik festgestellt.

    Ab 29. Juni hatte der 27-Jährige die Ärztin der Landessammelunterkunft wegen seiner Halsschmerzen zweimal konsultiert. Seine Erkrankung verschlechterte sich trotz der verabreichten Antibiotika am Abend des 30. Juni so sehr, daß Freunde und Mitbewohner Angehörige des Heim-Wachdienstes "Industrie- und Transportschutz Thüringen" baten, einen Ambulanzwagen zu rufen. Mit dem Hinweis, daß dies 150 DM Kosten verursachen würde, geschah dies nicht.

    Am 1. Juli suchte der Kranke in Begleitung eines Mitbewohners wieder die Ärztin auf und bat diese nochmals um die Überweisung an einen Facharzt. Mit dem Verweis auf die Kosten lehnte die Medizinerin dieses ab.

    Stunden später bricht Haydar Findik auf dem Flur des Wohnheims zusammen, bekommt keine Luft mehr, und sein Körper "verfärbt sich gelb". In den 50 Minuten, die es dauert, bis der Ambulanzwagen kommt, atmet Herr Findik "noch nicht einmal".

    Am 2. Juli erstatten 65 BewohnerInnen des Flüchtlingsheimes Anzeige gegen die Heimärztin wegen vorsätzlicher Tötung.

    Drei Flüchtlingsfamilien, die sich besonders intensiv um die Aufklärung der Todesursache bemühen, werden auf Geheiß der Ausländerbehörde des Landratsamtes Altenburger Land in drei andere Flüchtlingsheime zwangsweise umverteilt. Begründung der Ausländerbehörde: "... da ein erhebliches öffentliches Interesse daran besteht, die Ordnung und Sicherheit in der Landesgemeinschaftsunterkunft in 04600 Altenburg, Leipziger Straße 64 zu gewährleisten..."

    Die Ermittlungen gegen die Ärztin werden von der Staatsanwaltschaft Gera mit folgender Begründung eingestellt: "... war der damalige Krankheitsverlauf kaum erkennbar. Auch wenn die Ärztin den Mann ins Krankenhaus überwiesen hätte, wäre es vermutlich nicht anders ausgegangen."

A. Lucifero 5.7.98; taz 6.7.98;

AZADI informationen Nr. 10 Mai/Juni/Juli 1998 (taz 8.7.98);

Augenzeugenbericht 8.7.98; taz 10.7.98;

F. Vohla 21.7.98; FR 21.11.98;

FRat Thür Info Nr. 7; FRat Thür. Info Nr. 4/98; TA 6.1.99

 

1. Juli 98

 

JVA Büren Abschiebegefängnis. Ein 33 Jahre alter Abschiebegefangener aus Sri Lanka wird von seinem psychisch schwerkranken Mitgefangenen, einem 50 Jahre alten Tamilen, mit einem Ledergürtel erdrosselt. Der Kranke selbst gibt um 11 Uhr morgens Alarm, und es gelingt, den Bewußtlosen wiederzubeleben und intensiv notärztlich zu versorgen. Trotz der Bemühungen erliegt das Opfer am Nachmittag den schweren Verletzungen.

    Im Verhör gibt der Kranke an, den Befehlen von Phantomstimmen aus Nachbarzellen gehorcht zu haben. Seine Abschiebung stand unmittelbar bevor.

    Der Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren" kritisiert die fehlende fachärztliche Betreuung von verhaltensauffälligen Gefangenen – und deren "Ruhigstellung" mit Psychopharmaka.

    "Die Abschiebehaft ist schon für psychisch gesunde Gefangene eine Ausnahmesituation, da der überwiegenden Zahl der Gefangenen nicht klar ist, warum sie im Gefängnis sind. Sie haben in der überwiegenden Zahl keine Straftaten begangen, und die Abschiebehaft trifft sie vollkommen unvorbereitet. Zusätzlich belastet sind sie durch ausgeprägte Ängste, da viele nach ihrer Abschiebung mit Gefängnis, Folter und Schlimmerem rechnen müssen. Besonders für psychisch Kranke wächst die Belastung ins Unerträgliche."

NW 2.7.98; WV 2.7.98; NW 3.7.98; WV 3.7.98;

NW 9.7.98 (Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren)

 

1. Juli 98

 

Aus Verzweiflung wegen der ihr drohenden Abschiebung versucht die 28-jährige Emilia A. aus Ghana zweimal, ihre kleine 2-jährige Tochter auszusetzen. Die Mutter wird ins Wohnheim zurückgeschickt, das Kind kommt in ein Heim.

BeZ 3.7.98

 

2. Juli 98

 

Schwarzenberg bei Zwickau in Sachsen. Ein 34-jähriger Flüchtling aus Pakistan wird nachts in der Nähe des Busbahnhofs von vier jungen Frauen und vier jugendlichen Männern umringt und aufgefordert, seinen Rucksack herauszugeben. Als er dieser Aufforderung nicht nachkommt, wird er durch den Faustschlag einer 15-Jährigen zu Fall gebracht. Ihm gelingt die Flucht in eine nahegelegene Gaststätte, und er findet dort Schutz.

    Der gerufene Notarzt überweist den Mann ins Krankenhaus, wo seine Verletzungen stationär behandelt werden müssen.

    Der Haftrichter weist die 15-jährige Haupttäterin in ein Heim ein.

LKA – Sachsen 15.7.98;

FR 17.7.98; FP 17.7.98

 

10. Juli 98

 

Überfallartig werden in der Nacht zum 10. Juli 137 Kriegsflüchtlinge aus Bosnien in den verschiedenen Wohnheimen und Wohnungen Berlins festgenommen. Zwischenstation ist der Polizeigewahrsam in Tempelhof. 74 Menschen werden dann um 16.45 Uhr vom Flughafen Schönefeld nach Sarajewo abgeschoben.

    Unter ihnen ist auch das Roma-Ehepaar Munevera und Rifet Redzic. Die 51-jährige Munevera R. ist kriegstraumatisiert und schwer herzkrank. In Abschiebehaft bekommt sie in den geschlossenen Räumen vor den Augen der Uniformierten einen Herzanfall. Ein Polizist schiebt ihr zwei Tabletten in den Mund.

    In ihren ehemaligen Wohnort Bjelina können sie nicht zurückkehren, weil sie dort nicht geduldet sind. In Sarajewo finden sie keinen Wohnraum, ohne Wohnraum können sie sich nicht krankenversichern.

    Die Anwältin des Ehepaares verklagt das Land Berlin im November wegen illegaler Ausweisung einer kranken Frau.

    Im Mai 99 gelingt es Frau Redzic erneut, nach Berlin zu kommen, wo noch ihr Sohn lebt. Obwohl das Verwaltungsgericht die Abschiebung im Juli 98 – zwar zu spät, denn das Flugzeug war schon auf der Rollbahn – für rechtswidrig befunden hat, droht Frau Redzic im Juni 99 erneut die Abschiebung.

BeZ 31.7.98; BeZ 24.11.98;

ND 17.6.99; taz 18.6.99

 

12. Juli 98

 

Zwischen Sohland und Taubenheim in Sachsen, nahe der deutsch-tschechischen Grenze, wird ein rumänischer Flüchtling bei seiner Festnahme durch einen Diensthund des BGS durch Biß verletzt.

BT-Drucksache 14/1850

 

14. Juli 98

 

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Der nigerianische Flüchtling A. wird bewußtlos aufgefunden. Nach einer neurologischen Untersuchung kommt er zurück in die

Unterkunft.

    Als ihm am nächsten Tag die Ablehnung seines Asylantrags ausgehändigt wird, bricht er zusammen. Er wirft sich auf den Boden, schlägt sich selbst mit den Fäusten, schlägt seinen Kopf auf den Boden. Nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie wird er nach Lagos zurückgeschoben.

FSD-Ffm Okt. 98

 

14. Juli 98

 

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Der nigerianische Flüchtling D. versucht, sich mit einem Schnürsenkel an einem Lüftungsrohr zu erhängen. Beim Versuch, ihn abzunehmen, reißt der Schnürsenkel. Auf dem Tisch liegt ein Abschiedsbrief.

    Nach einem eintägigen Aufenthalt in der Psychiatrie kommt er zurück in die Unterkunft und wird am 17. Juli nach Lagos zurückgeschoben.

FSD-Ffm Okt. 98

 

14. Juli 98

 

Ca. 20 deutsche Polizeibeamte stürmen die Gemeinderäume der protestantischen Gemeinde in Mutterstadt im Landkreis Ludwigshafen. Der 26 Jahre alte kurdische Flüchtling Abdul Menaf Düzenli wird zusammen mit seiner hochschwangeren Frau und ihren drei kleinen Kindern (zwei bis fünf Jahre alt) mit Polizeigewalt aus dem Kirchenasyl geholt, festgenommen und über Frankfurt mit der Turkish Airlines direkt nach Istanbul abgeschoben.

    Herr Düzenli, der aus dem Dorf Hanla bei Midyat stammt, war 1992 aus der türkischen Armee desertiert. Das Dokument, das belegte, daß das Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir Anklage auf der Grundlage des Art. 8 Anti-Terror-Gesetz, Nr. 3713 (separatistische Propaganda) gegen den Flüchtling erhoben hatte, wurde vom Verwaltungsgericht Neustadt ohne Prüfung als Fälschung eingestuft. Der zuständige Richter konnte deshalb eine Verfolgung des Kurden durch türkische Organe "mit Sicherheit" ausschließen.

Am Flughafen Istanbul wird Herr Düzenli der Anti-Terror-Polizei übergeben. Hier und in anderen Abteilungen der türkischen Militärpolizei wird Herr Düzenli schwer mißhandelt und systematisch gefoltert. Mit Hilfe eines Bestechungsgeldes von 1500 DM erreicht ein Verwandter, daß Herr Düzenli wieder zur Flughafenpolizei kommt. Diese übergibt ihn den Militärbehörden in Istanbul, wo er unter schwerer Folter (u.a. Stromfolter) verhört wird. Dann wird er – eine Woche nach der Abschiebung – zu seiner ehemaligen Militär-Einheit nach Besiktas überstellt. Dort verbringt er fünf Tage in Handschellen. Danach kommt er in das Militärgefängnis Izmir-Sirinyer und wird am 23.11.98 zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft wegen Desertion und Flucht ins Ausland verurteilt.

    Am 11.2.99 wird Herr Düzenli aus dem Militärgefängnis in das Gefängnis Buca in Izmir verlegt. In einem zweiten Verfahren vor dem Staatssicherheitsgericht Diyarbakir wird Herr Düzenli am 9.3.99 vom Vorwurf des Separatismus freigesprochen. Nach der Haftstrafe wegen Desertion wird er erneut zum Militärdienst eingezogen werden.

    Frau Düzenli wird nach der Abschiebung von ihren Kindern getrennt und der Anti-Terror-Abteilung der Polizei überstellt. Nach zweieinhalb Tagen Verhören und Haft wird sie freigelassen und kann zu der Familie ihres Mannes nach Midyat. Aber auch dort wird sie – im Dezember vor und nach der Geburt ihres Kindes – mehrmals vorgeladen und verhört. Auch der Vater von Herrn Düzenli wird mehrmals von der Polizei in Idil verhört. Unmittelbar nach einem solchen Verhör stirbt er. Aus Angst vor weiterer Verfolgung läßt die Familie keine Obduktion durchführen. Das Auswärtige Amt setzt sich daraufhin mit dem Dorfvorsteher von Midyat in Verbindung, um die Todesumstände zu erfahren. Dieser informiert die Gendarmerie, woraufhin die Familie wieder massiv unter Druck gerät und erneut gefährdet wird.

    Der Asylfolgeantrag der Familie wird vom Verwaltungsgericht Neustadt abgelehnt. Die Angaben über Folterungen von Herrn Düzenli werden für unglaubwürdig gehalten. In der Türkei seien "Schläge im Polizeigewahrsam und rüde Verhörmethoden leider an der Tagesordnung. Dies ändert aber nichts daran, daß solche Maßnahmen noch nicht die Schwelle zur Asylrelevanz überschreiten", so das Gericht.

Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 11, 21.4.98;

Gegenwind 9807 – Mannheimer Kommunal-Info;

ND 16.7.98; FR 17.7.98; JWB 22.7.98;

FR 19.8.98; jW 20.8.98;

Kurdistan-Rundbrief, Nr. 17, Jg. 11, 26.8.98;

Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, Sept. 98; FR 11.11.98;

Dokumentation vom FRat NieSa, Januar 1999;

Pro Asyl 23.2.99; FR 3.3.99;

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Juni 1999;

Pro Asyl Dez. 1999;

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000

 

16. Juli 98

 

Eine Stunde nach seiner eigentlich geplanten Abschiebung vom Flughafen Tegel in Berlin wird der kurdische Flüchtling Recep Öz aus dem Abschiebegefängnis Grünau entlassen.

    Nach 32 Tagen Hungerstreik und einer Woche Durststreik hatte sich sein Gesundheitszustand in der Nacht zuvor dermaßen verschlechtert, daß die Gefängnisleitung ihn ins Köpenicker Krankenhaus bringen lassen muß. Die dortigen Ärzte erklären Herrn Öz für nicht reisefähig (= nicht abschiebefähig).

    Der Asylantrag des politisch verfolgten und in der Türkei per Haftbefehl gesuchten Imams, der auch den Militärdienst in der türkischen Armee verweigert hatte, war abgelehnt worden.

Antirassisitsche Initiative Berlin;

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin;

BeZ 17.7.98; jW 17.7.98

 

16. Juli 98

 

Berlin. Knapp eine Woche nach der Massenabschiebung von bosnischen Kriegsflüchtlingen wird eine dreiköpfige Familie morgens um 4 Uhr von der Polizei in ihrem Wohnheim im Wedding aus den Betten geholt und zur Abschiebung festgenommen.

    Das 66-jährige Ehepaar ist kriegstraumatisiert; ihnen werden schwere psychosomatische Störungen, Asthma und Wirbelsäulenschäden attestiert.

    Nur durch die Intervention einer Flüchtlingsberaterin kann die rechtswidrige Abschiebung gestoppt werden.

ND 18.7.98

 

20. Juli 98

 

Ein 29 Jahre alter Flüchtling aus Syrien soll im Rahmen der Amtshilfe für das Ausländeramt Gießen auf dem Landratsamt Marburg festgenommen werden, um dann am gleichen Tage abgeschoben werden zu können. Er erkennt die beiden Zivilbeamten, flieht auf einen kleinen Balkon, versucht sich von der Brüstung nach unten zu hangeln, stürzt aus dem zweiten Stock ab und erleidet neben einem Armbruch zahlreiche Prellungen.

    Wegen Suizidgefahr wird er in die Psychiatrie eingeliefert.

FR 22.7.98; JWB 29.7.98

 

25. Juli 98

 

Einen Tag nach seiner Ankunft in der baden-württembergischen Landesaufnahmestelle für Asylbewerber wird der

24-jährige kurdische Mehmet K. wegen seines verwirrten Zustandes in das Klinikum Karlsruhe eingeliefert. Wenige Stunden später stirbt er.

    Der Mann aus Elbistan, der selbst in der Türkei gefoltert worden war, hatte kurz vor seinem Tod erfahren, daß sein Bruder in der Türkei in Polizeihaft gestorben war. Er gerät durch diese Nachricht in extreme Angstzustände, die dann zu seinem Tod führen.

FR 11.8.98;
UNITED

 

28. Juli 98

 

Der 16-jährige kurdische Flüchtling Burhan S. wird aus dem Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick in die Türkei abgeschoben.

    Burhan S., der seit 2 Jahren in Berlin lebt, ist in der kurzen Zeit der Abschiebehaft psychisch schwer erkrankt. Er spricht nicht mehr und ist auch nicht ansprechbar, er verletzte sich ("schlug immer mit dem Kopf an die Wand"), er griff seine Mitgefangenen an und "verharrte immer wieder in minutenlanger Körperstarre".

    Ein Arzt, der ihn noch am Tage seiner Abschiebung besucht, stellt folgende Verdachtsdiagnosen "Autoaggressionshandlungen, Introversion, Autismus, Selbstmordbereitschaft" und weist auf die Dringlichkeit einer neurologisch-psychiatrischen Behandlung des offensichtlich reiseunfähigen Jugendlichen hin.

    Burham S. wird in Begleitung von drei Polizeibeamten abgeschoben und kommt, laut telefonischer Auskunft seiner Freundin, nach mehrtägigem Koma bei seinen Verwandten in der Südosttürkei an.

Pax Christi-Berlin 19.9.98; FR 7.4.99

 

28. Juli 98

 

Am Nachmittag wird ein 53 Jahre alter Gambier im brandenburgischen Bernau von vier Rechtsradikalen überfallen und mit Fäusten mehrfach in den Bauch geschlagen. Dabei erleidet der Angegriffene eine Nierenprellung.

    Zwei der Täter kommen in Untersuchungshaft, ein anderer wird unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt.

taz 30.7.98; FR 30.7.98; RA 31.7.98;

FR 22.3.99; Konkret 10/00, S. 17

 

29. Juli 98

 

Im bayerischen Thiersheim an der deutsch-tschechischen Grenze werden zwei rumänische Männer nach ihrem "unerlaubten" Grenzübergang bei der Festnahme durch den BGS von einem Diensthund durch Bisse an Armen und Beinen verletzt.

BT-Drucksache 14/1850

 

30. Juli 98

 

Der Klein-LKW, der für acht Mitreisende zugelassen ist, transportiert 27 Flüchtlinge aus dem Kosovo. Um 4.45 Uhr fällt der Wagen dem Bundesgrenzschutz durch die abgedunkelten Scheiben in der sächsischen Ortschaft Frauenstein auf, so daß Beamte versuchen, den Wagen am Ortseingang von Weißenborn zu stoppen.

    Der 18-jährige tschechische Fahrer gerät in Panik, gibt Gas und rast in die Ortschaft hinein. Der Wagen prallt mit ca. 100 Stundenkilometer gegen eine Mauer und kommt so zum Stehen.

    Sechs Flüchtlinge sterben am Unfallort, ein Mensch auf dem Weg ins Krankenhaus, elf Menschen kommen mit schweren, neun Menschen mit mittelschweren Verletzungen in Krankenhäuser. Der verletzte tschechische Beifahrer wird am Ort verhaftet, der geflüchtete Fahrer Stunden später.

    Die Toten sind: Isuf Kosumi aus Dardhista, Valdet Rezita aus Dorbreva, Sali Emini (Eminoviq) aus Lagja e spitalit in Prishtina, Lumni Brahimi, Artan Dauti, Zaim Dauti und Xhevdet Krasnici aus Ferizaj.

    Die verletzten Flüchtlinge werden in Krankenhäuser gebracht; sie stehen dort unter ständiger Bewachung des BGS. Es gibt eine Kontaktsperre für alle Kranken, wodurch es für Verwandte und AnwältInnen schwierig, z.T. unmöglich wird, die Kranken zu besuchen. Unmittelbar nach dem Unfall führt der BGS mehrstündige Verhöre mit einigen Flüchtlingen durch.

    Einen Tag nach dem Unfall wird Hizri Bunjaku (25), Flüchtling aus Sallaboja, nach Tschechien abgeschoben. Der Versuch des BGS, auch die beiden Verletzten Afran Gashi (26) und Milaim Shalaku (26) nach Tschechien zu bringen, scheitert, weil die tschechischen Beamten am Grenzübergang Bahratal Zweifel äußern, ob die beiden überhaupt transportfähig seien. Ihre Abschiebung erfolgt dann am 3. August.

    Latif Shala und Ganimete Berisha werden aus dem Krankenhaus Freiberg ins Haftkrankenhaus Berlin-Moabit verlegt und von dort aus – Herr Berisha frisch operiert – abgeschoben. Im Haftkrankenhaus Leipzig liegen Hatixhe Saha, Naser Beka, beide aus Prishtina, und Isuf Ceni aus Cermjani. Naser Shahini (41) aus Zhitija befindet sich in BGS-Haft in Cämmerswalde, wo Besuch nur in Gegenwart eines selbstbezahlten Dolmetschers erlaubt wird. Besim Shalaku (23) befindet sich auf der Intensivstation der Uniklinik in Dresden. Xhevdet Bunjaku aus Sallaboja liegt im Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt. Im Krankenhaus von Zschopau befinden sich Imer Shala, Tahir Rizahi und Bekim Gashi – alle aus Barileva. Im Chemnitzer Klinikum befindet sich die 22-jährige Aferdita Mehai auf der Intensivstation. Im Krankenhaus Bethanien in Chemnitz liegt der 17-jährige Dardan Kosumi im Koma. Im Krankenhaus Dippoldiswalde befinden sich Bashkim Puschkoli (23) aus Zhitija und Agim Bajrami (28) aus Ferizaj. Enver Bytyqi (21) aus Ferizaj wird aus dem Krankenhaus Olbernhaus in die Justizvollzugsanstalt Leipzig verlegt und von dort aus am 11. September nach Tschechien abgeschoben. Im Frankenberger Krankenhaus wird der 25-jährige Arsim Beqiraj aus Ferizaj medizinisch behandelt.

    Fahrer und Beifahrer des Unglücksautos werden im Januar 99 wegen fahrlässiger Tötung in sieben Fällen, der Einschleusung von Ausländern und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu je vier Jahren Haft verurteilt. Ein 36-jähriger Mann aus Bremerhaven wird im Juli 1999 zu

16 Monaten Haft verurteilt, weil er den Klein-LKW angemietet hatte.

FFM; KMii-Hamburg;

BeZ 31.7.98; taz 31.7.98; FR 31.7.98; SD 31.7.98; ND 31.7.98;

Die Welt 31.7.98; taz 1.8.98; ND 1.8.98;

SaN 4.8.98; FP 4.8.98; Pro Asyl 5.8.98;

FP 6.8.98; Spiegel 10.8.98; jW 28.8.98;

Kleine Anfrage Bündnis 90/Die Grünen 13/11428 ;

BeZ 27.1.99; BeZ 9.7.99

 

31. Juli 98

 

Der 43 Jahre alte politische Flüchtling und abgelehnte Asylbewerber, der Kurde Abdulcabbar Akyüz, wird zusammen mit zwei anderen Kurden vom Flughafen Frankfurt abgeschoben. Bei der Ankunft um 16 Uhr auf dem Flughafen Istanbul werden die Männer in Handschellen gelegt und zu einer Polizeistation auf dem Flughafengelände gebracht. Abdulcabbar Akyüz wird von einem höheren Polizeibeamten als "armenischer Terrorist" beschimpft und dann in einer Zelle in den nächsten zwei Tagen von Soldaten mit Fäusten und Gummiknüppeln geschlagen. Am dritten Tag wird er zu einem Busbahnhof im Istanbuler Stadtteil Esener gebracht und muß drei Fahrkarten kaufen. Eine für sich und zwei für die ihn begleitenden Soldaten. Nach 20 Stunden Busfahrt erreichen sie die Militärkaserne Estel, die im Osten der Stadt Midyat liegt.

    Hier wird Abdulcabbar Akyüz in Verhören nach seinen beiden Söhnen Süleyman und Lokman befragt. Er wird immer wieder geschlagen und getreten. Er muß sich nackt ausziehen und sich in eine Wasserlache auf den Boden legen, dann legt ein Unteroffizier ein Stromkabel ins Wasser. Diese Folter wird mehrmals wiederholt, bis Abdulcabbar Akyüz entgegen der Wahrheit aussagt, daß seine Söhne in den Bergen kämpfen würden. Nachdem er sich bereit erklärt, als Dorfschützer zu arbeiten, wird er ins Gefängnis von Midyat gebracht, aus dem er erst im März 99 wieder entlassen wird.

    Erst jetzt gelingt es Abdulcabbar Akyüz, sich bei seiner in Wiesbaden lebenden Familie zu melden. Seine Frau und seine Kinder hatten seit der Abschiebung vor acht Monaten kein Lebenszeichen erhalten.

    Abdulcabbar Akyüz versucht einen weiteren Fluchtversuch, der in Rumänien scheitert, so daß er wieder in die Türkei abgeschoben wird. Er wird drei Tage lang wieder mit Elektroschocks gefoltert – dann zu seiner Überraschung freigelassen. Die nächste Flucht mit einem Schiff nach Italien, dann mit einem Auto nach Deutschland gelingt ihm schließlich, so daß er seine Frau und seine Kinder am 3. Januar 2000 wiedersehen kann.

    Bereits am 26. Januar wird er wieder von deutscher Polizei festgenommen und in Abschiebehaft genommen. Als sich hier schwere Herzprobleme einstellen, wird er in die Krankenstation der JVA Höchst verlegt und nach seiner Genesung – trotz laufenden Asylverfahrens – am 17. Februar 2000 abgeschoben. In Istanbul empfängt ihn erneut die Anti-Terror-Einheit, und er erleidet erneut schwere Folter. Auch nach seiner Freilassung wiederholen sich Festnahme und Folter in seinem Dorf Sivrice und in der Kreisstadt Midyat. Seither hält sich Abdulcabbar Akyüz versteckt.

    Vom Psychosozialen Zentrum für Folteropfer liegen ausführliche Gutachten vor, die bei Emine Akyüz und dem ältesten Sohn eine schwere Traumatisierung, verursacht durch Folter und sexuelle Gewalt, belegen. Dennoch werden die Eilanträge auf Abschiebeschutz im April vom Verwaltungsgericht Wiesbaden abgelehnt, so daß sich die Familie vor dem Zugriff deutscher Behörden verstecken muß. Mit Unterstützung zweier Wiesbadener Kirchengemeinden erhalten sie Kirchenasyl. Als jedoch die Kirchengemeinden ihren Schutz aufheben wollen, flieht die Familie Akyüz im August 2000 aus dem Asyl und lebt seither weiterhin versteckt und in "unerträglicher Angst vor Entdeckung und Abschiebung" (FRat Wiesbaden).

    Erst im Juli 2001 gewährt das Verwaltungsgericht Wiesbaden in sieben Eilentscheidungen den elf Mitgliedern der Familie vorläufigen Abschiebeschutz. Dies geschieht aufgrund von neuen Gutachten, die die schwere Traumatisierung durch sexuelle Folter belegen.

Eidesstattliche Erklärung von Abdulcabbar Akyüz 7.1.00;

FRat Wiesbaden 28.1.00;

IMK-Wocheninformationsdienst Nr. 55-56, 9./16. März 2000;

KMii und AG Für Freies Fluten; JWB 19.7.00;

Karawane – Bremen;

FRat Wiesbaden 10.7.01;

AZADI informationen Nr. 25 Juli/August 2001

 

Juli 98

 

Der 18 Jahre alte kurdische Flüchtling und abgelehnte Asylbewerber Osman Demir wird in die Türkei abgeschoben. Zunächst versteckt er sich bei Verwandten und Freunden in Istanbul, dann kehrt er im August zu seinen Eltern in das Dorf Düzova in der Nähe von Cizre zurück. Am 25. August wird er festgenommen und in das Polizeihauptquartier in Cizre gebracht. Amnesty International schließt nicht aus, daß er hier gefoltert wird. Er kommt in Untersuchungshaft – später ins Gefängnis in Diyarbakir.

    Das Staatssicherheitsgericht Diyarbakir erhebt Anklage nach Art. 125 TürkStGB wegen "Separatismus". Osman Demir werden PKK-Aktivitäten in Deutschland und in der Türkei zur Last gelegt. Der Prozeß wird auf den 15. Oktober vertagt.

ai 3.2.99;

 

1. August 98

 

Der Flüchtling N. N. befindet sich seit vier Monaten in der Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Anläßlich zweier schwieriger Zurückschiebungen von Landsleuten erleidet er einen schweren Nervenzusammenbruch. Er schlägt um sich, hat Schaum vor dem Mund, schwitzt stark und versucht sich die Haare büschelweise auszureißen. Er schreit dabei auf arabisch nur noch "nein" und "Mama". Er wird in die Psychiatrie verlegt und erhält am 4. August die Erlaubnis, in die BRD einzureisen.

FSD-Ffm Okt. 98

 

2. August 98

 

In der bayerischen Stadt Selb nahe der deutsch-tschechischen Grenze werden zwei Flüchtlinge aus Moldawien bei ihrer Festnahme durch den BGS von einem Diensthund an Armen und Beinen verletzt.

BT-Drucksache 14/1850

 

4. August 98

 

Auf der Flucht vor der Polizeikontrolle rast ein Kleintransporter abends auf der Bundesstraße 283 in der Nähe der Ortschaft Aue in ein Bushalte-Häuschen.

    Der vietnamesische Fahrer kommt schwer verletzt in ein Haftkrankenhaus; drei weitere Insassen werden leicht verletzt. Gegen Fahrer und Beifahrer wird Haftbefehl erlassen. Alle Flüchtlinge, zehn chinesische und drei vietnamesische, werden umgehend nach Tschechien zurückgeschoben.

ARD "Morgenmagazin" 5.8.98;

taz 6.8.98; taz 7.8.98; FP 6.8.98; FR 6.8.98;

BeZ 6.8.98; taz 7.8.98

 

10. August 98

 

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Der 17-jährige unbegleitete Flüchtling N. N. schneidet sich die Pulsadern auf. Die Universitätsklinik diagnostiziert mehrmals Suizidgefährdung. Nach Kompetenz- und Zuständigkeitsgerangel um die ordnungsgemäße Versorgung des Kranken und die Kontrolle der Medikamenteneinnahme – alles vor dem Hintergrund des laufenden Asylverfahrens (BGS beantragt zwischenzeitlich Haft) – wird N. N. die Einreise in die BRD am 18. September gestattet.

FSD-Ffm Okt. 98

 

12. August 98

 

Der Kosovo-Albaner Asman Morina wird vom Nürnberger Flughafen abgeschoben, obwohl die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach schon Stunden vor dem Flug die Abschiebung untersagt hat.

    Nach der Abschiebung wird Herr Morina mißhandelt. Später gelingt ihm die erneute Flucht in die BRD, wo er einen Asylfolgeantrag stellt und eine Strafanzeige wegen der Mißachtung des Gerichtsurteils stellt.

FRat Bayern, Infodienst, Nr. 62/63

 

13. August 98

 

Cottbus in Brandenburg. Die 26-jährige Asylbewerberin Elinam D. aus Togo wird in einer vollbesetzten Straßenbahn von fünf Skinheads als "Scheiß Neger" beschimpft. Die Rassisten drohen, ihre sechs Monate alte Tochter aus dem Fenster zu werfen. Als die Mutter sich schützend über das Kind im Kinderwagen beugt, wird ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Niemand aus dem Waggon schreitet ein, und keiner der zahlreichen Fahrgäste folgt den Tätern, als diese die Tram verlassen. Elinam D. selbst verständigt die Polizei.

    Ein Jahr später werden zwei der Täter zu einem Jahr bzw. acht Monaten Haft verurteilt.

BeZ 13.3.99; BeZ 13.4.99;

MAZ 29.6.99; BeZ 10.8.99;

 MAZ 19.8.99; RA 19.8.99; BeZ 19.8.99

 

14. August 98

 

In einer Gaststätte im brandenburgischen Hohenleipisch greift ein Deutscher nach einer zunächst verbalen Auseinandersetzung einen kenianischen Flüchtling körperlich an. Dieser erleidet durch Kopfstöße und Faustschläge einen Unterkieferbruch und verliert zwei Schneidezähne.

    Der Täter wird im November 2001 vom Amtsgericht Cottbus zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem muß er dem Opfer 7000 DM Schmerzensgeld zahlen.

ND 30.11.01; taz 30.11.01;

BeZ 30.11.01

 

15. August 98

 

Bei einem Altstadtfest im sächsischen Radeberg entwickelt sich eine Massenschlägerei zwischen Deutschen und einer Gruppe Asylbewerbern. Teilweise prügeln sich bis zu

100 Männer, fünf Personen werden verletzt. Ein algerischer und zwei libysche Flüchtlinge, die diese Schlägerei durch Angriffe auf deutsche Jugendliche angefangen haben sollen, werden festgenommen. Die Polizei ermittelt gegen sie wegen Landfriedensbruchs.

FR 17.8.98; BeZ 17.8.98; taz 17.8.98; JWB 26.8.98

 

18. August 98

 

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Der 23-jährige Flüchtling Tarik T. aus Algerien versucht, sich mit seinem eigenen Gürtel zu erwürgen. Andere Flüchtlinge halten ihn sofort fest und versuchen, den Gürtel abzustreifen.

    Er kommt in die psychiatrische Klinik und versucht dort am nächsten Tag erneut, sich umzubringen. Sein Aufenthalt in der Psychiatrie unter BGS-Bewachung hält an.

    Kurz danach findet ein erneuter Selbsttötungsversuch statt.

FR 24.8.98; JWB 1.9.98;

FSD-Ffm Okt. 98; FR 26.10.98

 

18. August 98

 

Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin – morgens um

10 Uhr. Der Gefangene N.N. aus Nigeria erbittet wegen einer hartnäckigen Magen-Darm-Erkrankung eine Visite bei der Ärztin der Anstalt. Der angesprochene Beamte schlägt daraufhin den Flüchtling. Obwohl viele Wärter den Vorfall beobachten, greift keiner ein.

    N.N. wird dann für einen Tag in eine Einzelzelle in den Keller gebracht.

    Auch ein Mitgefangener, der sich einmischt und gegen die Schläge protestiert, wird in eine Einzelzelle im Keller gesperrt. Am nächsten Tag kommt er in eine andere Abteilung des Gefängnisses.

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin

 

20. August 98

 

In der Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt verletzt sich ein ca. 30 Jahre alter algerischer Flüchtling vermutlich in Selbsttötungsabsicht mit einem Plastikmesser an Bauch und Unterarm. Er erleidet einen großen Blutverlust.

    Er kommt in die psychiatrische Uni-Klinik und wird dort vom BGS bewacht. Am 24. September gelingt ihm die Flucht aus der Psychiatrie.

FR 24.8.98; JWB 1.9.98;

FSD-Ffm Okt. 98

 

25. August 98

 

In den frühen Morgenstunden überfällt ein Unbekannter eine 21-jährige sudanesische Asylbewerberin vor dem Flüchtlingsheim in der Michendorfer Chaussee in Potsdam und zieht sie in den angrenzenden Wald. Hier versucht er, sie zu vergewaltigen. Ein Wachmann, der durch die Hilfeschreie der Frau hinzukommt und eingreifen will, wird am Kopf verletzt. Der Täter flieht auf einem Motorrad.

Ethnische Säuberungen in Berlin und Brandenburg 1999, S. 61

 

28. August 98

 

Nachmittags um 15 Uhr auf dem Parkplatz eines Supermarktes Schwanebecker Chaussee in Bernau. Der 28-jährige Flüchtling Le L. aus Vietnam wird von drei Männern "in weißen Latzhosen" angegriffen und mit einem Kantholz niedergeschlagen. Als er fliehen will, wird er erneut zu Boden gerissen. Erst das laute Schreien des Verletzten veranlaßt die Angreifer zur Flucht.

    Le L., der erst am 2. Juli in die BRD eingereist war, kommt mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus. Die Polizei hat größte Probleme, Zeugen dieses Überfalls zu finden. Erst aufgrund eines anonymen Hinweises wird drei Wochen später ein 25-jähriger Täter aus Zerpenschleuse festgestellt. Im November wird er zu einer 10-monatigen Bewährungsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

FR 29.8.98; BeZ 29.8.98; taz 29.8.98; BeZ 31.8.98;

JWB 1.9.98; BeZ 23.9.98; BeZ 5.11.98

 

28. August 98

 

Der Flüchtling Abane soll nach Algerien abgeschoben werden. Bei einer Zwischenlandung in Lyon wird er von deutschen BGS-Beamten verletzt. Als er in die Abschiebehaft der JVA Mannheim wieder zurückkommt, hat er ein Informationsblatt über den Umgang mit Kopfverletzten in der Hand, das ihm vom Medizinischen Dienst des Frankfurter Flughafens gegeben worden war.

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim 1.11.98

 

29. August 98

 

Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim im westfälischen Warburg. Eine 22-jährige Frau und ein 26-jähriger Mann gestehen den Anschlag. Ihr Tatmotiv sei "Haß auf Ausländer", und es sei ihnen egal gewesen, ob Hausbewohner ums Leben kommen.

BeZ 2.9.98; FR 2.9.98

 

August 98

 

Auf dem Parkplatz einer Raststätte bei Bonn entdecken Polizisten 33 Menschen, die auf einer acht Quatdratmeter großen LKW-Ladefläche ausharren mussten. Sie sind kurdisch-syrische Flüchtlinge und waren tagelang unter katastrophalen hygienischen Bedingungen unterwegs.

FR 20.6.00

 

August 98

 

Frau O., eine 33 Jahre alte Frau aus dem Kosovo, schließt sich einer Flüchtlingsgruppe an, um die Oder-Neiße-Grenze zu überqueren. Bei der Flußdurchquerung trägt sie ihre jüngste Tochter auf dem Arm. Aufgrund ihrer Erschöpfung rutscht ihr das Kind aus dem Arm und fällt ins Wasser. Voller Entsetzen und völlig entkräftet kann die Mutter nicht um Hilfe rufen und sinkt selber in die Knie. Nur durch die schnelle Reaktion eines anderen Flüchtlings wird das Mädchen vor dem Ertrinken gerettet. Der Mann hilft Mutter und Tochter dann, den Rest der Strecke bis zum Ufer zu bewältigen.

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin

 

1. September 98

 

Der 18-jährige Flüchtling Abdallah B. aus Algerien wird an einer Straßenbahn-Haltestelle in Frankfurt an der Oder von Deutschen angegriffen. Er erleidet eine Platzwunde an der Lippe.

Opferperspektive

 

2. September 98

 

Bei einem Feuer im Flüchtlingsheim der westfälischen Kleinstadt Bönen werden elf Menschen verletzt, einer davon schwer. Durch Sprünge aus den Fenstern, um sich vor den Flammen zu retten, waren die meisten Verletzungen entstanden. Alle zur Zeit des Brandes im Haus weilenden 43 Menschen werden gerettet, darunter sieben Familien aus dem Kosovo.

    Das Haus brennt völlig aus, und alle 93 in dem Haus gemeldeten Flüchtlinge verlieren ihre Habe.

SZ 3.9.98; FR 3.9.98;

taz 3.9.98; BeZ 3.9.98; taz 4.9.98

 

3. September 98

 

Gladenbach im Kreis Marburg-Biedenkopf. Als die beiden Polizeibeamten im Flüchtlingsheim eintreffen, um eine

30-jährige Jugoslawin zur Abschiebung abzuholen, klettert diese aus dem Fenster im zweiten Stock und versucht, am Fallrohr der Dachrinne zu fliehen. Sie stürzt ab und wird mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht.

FR 4.9.98

 

4. September 98

 

Berlin-Hohenschönhausen. An einer Bushaltestelle fordern zwei deutsche Männer abends um 22.30 Uhr von drei Asylbewerbern Geld und Bier. Wenig später bewerfen sie die Flüchtlinge mit Steinen und bedrohen sie, sie umzubringen.

BeZ 7.9.98; FR 7.9.98

 

4. September 98

 

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Der tunesische Flüchtling Herr N.N. – schon in seinem Herkunftsland in psychiatrischer Behandlung – schluckt seinen gesamten Vorrat an Psychopharmaka. Nach seiner Lebensrettung im Krankenhaus kommt er in die Psychiatrie und wird eine Woche später nach Tunis zurückgeschoben.

FSD-Ffm Okt. 98

 

5. September 98

 

Sachsen. An der Bundesstraße 174 im Großraum Reitzenhain wird ein "unerlaubt" eingereister rumänischer Flüchtling verletzt aufgegriffen. Er hat einen Unterschenkelbruch.

BT-Drucksache 14/1850

 

7. September 98

 

Der 26 Jahre alte kurdische Flüchtling Mesut Yusufoglu wird vom Berliner Flughafen Tegel in die Türkei abgeschoben. In Istanbul erfolgt noch auf dem Flughafen die Festnahme. Nach einigen Tagen im Flughafengefängnis wird er dem Militär übergeben und kommt in Militärhaft. Hier erwartet er seinen Prozeß. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe.

AZADI informationen Nr. 15 Juni-Juli 1999;

Antirassistische Initiative Berlin 17.9.98

 

10. September 98

 

Fünf jugendliche Deutsche dringen in ein Wohnheim in der Rostocker Innenstadt ein, zerschlagen mit Baseballschlägern das Mobiliar und zerstören Strom- und Telefonanlagen. Dann bedrohen sie die elf BewohnerInnen aus Vietnam, Laos und Kambodscha mit den Worten: "Wenn Ihr nicht bis Freitag verschwindet, wird die Hütte abgefackelt."

taz 11.9.98; BeZ 11.9.98

 

10. September 98

 

Ein tunesischer Flüchtling wird in Dresden von zwei deutschen Jugendlichen auf offener Straße angegriffen, geschlagen und getreten. Die Täter kommen auf Weisung der Staatsanwaltschaft wieder auf freien Fuß. Ihr Motiv sei "unklar".

BeZ 11.9.98

 

10. September 98

 

Ein Jahr nach seiner Flucht in die Bundesrepublik wird der politische Flüchtling Mehmet Ö. von Hannover nach Istanbul abgeschoben. Zwei Monate vor der Abschiebung ist er in Abwesenheit vom Staatssicherheitsgericht Diyarbakir wegen Unterstützung der PKK rechtskräftig zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden.

    Weil er als Asylbewerber in Deutschland zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes lediglich Gutscheine, jedoch keine Barmittel zur Verfügung hatte, Herr Ö. also keine Rechtsanwaltskosten mehr bezahlen konnte, hatte sein Rechtsanwalt die Arbeit eingestellt.

    Auf dem Flughafen in Istanbul wird Herr Ö. zunächst einen Tag und eine Nacht von der Flughafenpolizei auf der Wache festgehalten und mit Fußtritten und Faustschlägen traktiert. Dann wird er mit verbundenen Augen in einem Polizeiwagen an einen anderen Ort gebracht. "...sie folterten mich fünf oder sechs Tage lang.. Sie quetschten meine Fußsohlen und gaben mir Elektroschocks an den Fußsohlen, in den Achselhöhlen und an den Ohren. Ich konnte die Folter nicht aushalten...."

    Als Herr Ö. aufgrund eines noch fehlenden Haftbefehls freigelassen wird, taucht er unter und lebt unter schwierigsten Bedingungen als Müllsammler in Istanbul. Inzwischen wird er per Haftbefehl gesucht.

    Seine Ehefrau wurde im Januar und Februar 1999 zu gynäkologischen Untersuchungen gezwungen, weil die Verfolger so einen Kontakt zu ihrem Mann nachweisen wollten.

Dokumentation vom FRat NieSa, Januar 1999;

Pro Asyl 23.2.99;

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Juni 1999

 

11. September 98

 

Vor dem Bahnhof im brandenburgischen Jüterbog werden am späten Abend drei Flüchtlinge aus Vietnam von mehreren Deutschen belästigt und verfolgt. Während zwei Vietnamesen fliehen können, wird der 30-jährige Phan T. zu Boden geschlagen und am Boden liegend getreten. Er erleidet Platzwunden und Verletzungen am Arm.

MAZ 14.9.98; Opferperspektive (BM 14.9.98);

Konkret 10/00, S. 17

 

11. September 98

 

Im sächsischen Mittelherwigsdorf, nahe der deutsch-tschechischen Grenze, erleidet ein rumänischer Flüchtling durch einen Diensthund des BGS bei seiner Festnahme Bißverletzungen.

BT-Drucksache 14/1850

 

13. September 98

 

Berlin. Der nigerianische Abschiebegefangene N.N. soll der nigerianischen Botschaft vorgeführt werden. In einer Polizeizelle am Flughafen Tempelhof wird er von einem Polizisten so sehr geschlagen, daß er offene Gesichtsverletzungen erleidet. Da aufgrund dieser blutenden Wunden die Mißhandlung des Gefangenen so offensichtlich ist, wird auf die Vorführung in der Botschaft verzichtet, und N.N. kommt zurück in das Abschiebegefängnis Köpenick.

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin

 

14. September 98

 

Abschiebehaft in der JVA Mannheim. Bei einem Versuch, den 38-jährigen B K. abzuschieben, wird der Gefangene von zwei BGS-Beamten geschlagen und gegen die Wand gestoßen. Dadurch erleidet er Schädel- und Brustkorbprellungen und kommt mit blutverschmiertem Hemd zurück ins Gefängnis.

    Ein vorheriger Abschiebeversuch von B. K. war bereits gescheitert, so daß er dadurch in Abschiebehaft genommen worden war.

    Da er in Guinea gefoltert wurde, hat er panische Angst vor der Abschiebung – ein entsprechendes Attest lag bereits zwei Jahre vor der Inhaftierung vor. B. K. lief zeitweilig mit einer Rasierklinge im Mund herum, um im Fall einer drohenden Abschiebung "reagieren zu können". Trotz der offenkundigen Suizidgefahr gab es für ihn jedoch keine medizinische Versorgung; und die Bemühungen von UnterstützerInnen, eine Untersuchung durch das Zentrum für Folteropfer zu organisieren, scheiterten wegen der Inhaftierung.

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim

 

17. September 98

 

Nahe der deutsch-polnischen Grenze in Brandenburg. In der Wehranlage bei Bahren-Zelz wird der Leichnam einer aus Mazedonien stammenden Person geborgen. Todesursache: vermutlich ertrunken.

BT-Drucksache 14/1850

 

18. September 98

 

Ein 33-jähriger Flüchtling aus Marokko versucht, vom Transitbereich des Frankfurter Flughafens "illegal" in die BRD zu gelangen. Morgens um 2 Uhr wird er verletzt auf der Straße vor Tor 2 des Airports gefunden. Er hatte versucht, sich von der Trasse der Hochbahn Sky-Line mit seinem Hosengürtel und einem drei Meter langen Elektrokabel aus etwa 17 Metern über dem Boden zu einer Straßenlaterne abzuseilen. Das Kabel riß, er konnte den Lampenmast noch umklammern, rutschte dann mit ungebremster Wucht zu Boden. Mit einem Beinbruch und inneren Verletzungen kommt er ins Krankenhaus.

FR 21.9.98; taz 21.9.98

 

19. September 98

 

Der togoische Flüchtling Jean Olympio wird aus der Abschiebehaft in der Bremer JVA-Oslebshausen nach Lomé abgeschoben.

    Jean Olympio ist ein Neffe des bekannten Oppositionspolitikers Gilchrist Olympio, auf den schon mehrere Mordanschläge verübt worden waren, die er zum Teil nur schwer verletzt überlebt hatte.

    Weil Jean Olympio in der BRD unterschiedliche Identitäten angegeben hat, ist sein Name in den Abschiebepapieren Madjri Ohin.

    Als die Polizei vor kurzem aktuelle Paß-Fotos für die Abschiebung von ihm herstellen wollte, hatte er sich vehement geweigert, still zu halten. Als Folge seiner Weigerung wurde er so heftig geschlagen, daß er stark am Kopf blutete.

    Die Anzeige wegen Körperverletzung im Amt, die sein Anwalt erstattete, wird mit der Abschiebung des Hauptzeugen hinfällig.

taz 11.9.98; taz 21.9.98

 

22. September 98

 

Zwei Polizisten und eine Polizeibeamtin werden vom Kasseler Amtsgericht vom Vorwurf "Körperverletzung im Dienst" aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Ein Bürgerkriegsflüchtling aus Somalia hatte gegen die Polizei Anzeige erstattet, weil er nachts, im Beisein seiner Frau, auf der Straße schwer mißhandelt worden war.

    Auf der Suche nach Drogen hatte die Beamtin den Mann gewürgt und ihm zwangsweise den Mund geöffnet. Ihre männlichen Kollegen hatten auf ihn eingeschlagen und ihn zu Boden gebracht. Noch drei Tage später stellte ein Arzt eindeutige Würgemale am Hals des Somaliers fest und attestierte auch diverse andere Verletzungen.

FR 23.9.98; FR 17.2.99

 

24. September 98

 

Aus Angst vor ihrer bevorstehenden Abschiebung fliehen sechs algerische Flüchtlinge aus der Flüchtlingsunterkunft am Frankfurter Flughafen. Sie bauen die Klimaanlage aus und gelangen so durch das 60 mal 70 Zentimeter große Loch ins Freie. Vom Dach des Gebäudes springen sie auf das Vorfeld, wobei sich einer am Bein verletzt, so daß er zurückbleiben muß. Er kommt zur Behandlung seiner Verletzung in die Universitätsklinik – danach in Abschiebehaft.

FR 28.9.98; FR 20.10.98

 

25. September 98

 

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Frau N. N. versucht, sich an der Decke zu erhängen. Als ein Mitgefangener das bemerkt, packt er sie an den Beinen, um sie abzustützen. Frau N. N. erleidet einen Nervenzusammenbruch. Im Beisein von BGS und Flughafen-Sozialdienst versucht sie, sich erneut Schaden zuzufügen, indem sie ein Glas auf dem Boden zerschlägt und in die Scherben greift. Sie kommt für vier Tage in die Psychiatrie – dann wieder zurück in den Transitbereich.

FSD -Ffm 11.10.98

 

26. September 98

 

Zwei junge iranische Flüchtlinge werden in Leipzig spätabends aus einer etwa 19-köpfigen Gruppe Deutscher heraus angegriffen. Während der 18-jährige Iraner noch flüchten kann, wird sein jüngerer Begleiter brutal zusammengeschlagen.

    Die Täter traktieren den 16-Jährigen mit Schlägen, Tritten, einem Baseballschläger und Eisenstangen. Der Jugendliche wird so schwer verletzt, daß er in Lebensgefahr schwebt. Spätfolgen dieser schweren Verletzungen sind nicht auszuschließen, so das LKA.

    Gegen vier ermittelte Angreifer ergeht Haftbefehl wegen versuchten Mordes.

Reuters 5.10.98; BeZ 5.10.98;

BeZ 6.10.98; taz 6.10.98; ZDK (FR 6.10);

BT-Drucksache 14/480; Konkret 10/00, S. 17

 

29. September 98

 

Frankfurt an der Oder. Ein 34-jähriger indischer Flüchtling wird im Plattenbauviertel Neuberesinchen vor einem Supermarkt von etwa 15 jugendlichen Deutschen überfallen und mißhandelt. Dann fliehen die Täter und lassen ihr Opfer verletzt zurück.

    Ein 21-jähriger Tatverdächtiger wird bereits zwei Tage nach diesem Überfall in einem Schnellverfahren verurteilt. Er erhält eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt ist. Da er zur Tatzeit betrunken war, lautet der Tatvorwurf nur auf "Vollrausch".

FR 1.10.98; TS 1.10.98; BeZ 1.10.98;

ND 1.10.98; taz 1.10.98; BeZ 5.10.98;

Ethnische Säuberungen in Berlin und Brandenburg 1999, S. 34

 

30. September 98

 

Im sächsischen Seifhennersdorf, an der Grenze zur Tschechischen Republik, wird ein rumänischer Flüchtling nach seinem "unerlaubten" Grenzübertritt bei der Festnahme durch den Biß eines Zollhundes verletzt.

BT-Drucksache 14/1850

 

September 98

 

Landesgemeinschaftsunterkunft "Neues Haus" in der Gemeinde Georgenthal bei Tambach-Dietharz in Thüringen. An einem Sonntagmorgen stürmen zwei Polizisten und ein Sicherheitsmann in ein Zimmer, in dem sich neben einem anderen Flüchtling und dessen deutscher Freundin auch der 18 Jahre alte Flüchtling Cherif Moriba aus Côte d´Ivoire (Elfenbeinküste) aufhält. Die Eindringlinge verwüsten das Zimmer, und als sie nichts finden, befehlen sie den Afrikanern, sich vor der jungen Frau auszuziehen.

    Als Cherif Moriba nur noch seine Unterhose anhat, sagt ein Polizist, daß er sich nicht weiter ausziehen müßte, stattdessen zieht er dessen Unterhose zur Seite und schaut hinein. Cherif Moriba fragte fassungslos vor Erniedrigung: "Warum machen die das? Sind wir Untermenschen?"

FR 30.9.98

 

September 98

 

Der vor vier Jahren in die BRD geflohene kurdische Flüchtling Ahmet Angay wird nach abgelehntem Asylantrag nach Istanbul abgeschoben. Nach Verlassen des Flugzeugs wird er direkt von der Polizei festgenommen und neun Tage lang gefangen gehalten. Er wird beleidigt, und ihm werden PKK-Aktivitäten vorgeworfen.

    Nach seiner Freilassung geht Ahmet Angay nach Enez in die Provinz Edirne, wo er am 6. Dezember erneut festgenommen wird. In der Anti-Terror-Abteilung wird er unter Folter verhört. "Ich wurde mit kaltem Wasser bespritzt, nackt ausgezogen, ständig geschlagen, beleidigt. Man brachte mich in der Nacht an das Ufer der Meriç, hielt mir dort eine Waffe an den Kopf und sagte mir, man würde mich töten. Meine Augen waren ständig verbunden."

    Am 25. Dezember erhebt das Staatssicherheitsgericht Istanbul Anklage wegen Mitgliedschaft in der PKK gemäß Art. 168 TStGB. Am 10. Mai 2000 wird er wegen seiner angeblichen exilpolitischen Aktivitäten zu 12 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Die "Beweise", die zu diesem Urteil führten, sind Denunziationen und ein von ihm unter Folter erpreßtes Geständnis. Ahmet Angay kommt ins Gefängnis in Kirklareli.

    Zwei Monate nach diesem Urteil in der Türkei gewährt das Bundesamt für die Anerkennung für ausländische Flüchtlinge dem bereits zwei Jahre zuvor abgeschobenen und nach der Abschiebung eingekerkerten politischen Flüchtling Abschiebeschutz.

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000;

FR 29.7.00; Dokumentation vom FRat NieSa, Juli 2002

 

2. Oktober 98

 

Es ist der fünfte Versuch, den algerischen Flüchtling Mokthar Dahmane abzuschieben. Er wird wie ein Frachtstück gefesselt und geknebelt nach Rom gebracht. Als sich dort der Flugkapitän der Air Algérie weigert, ihn mitzunehmen, wird der immer noch geknebelte Gefangene von vier BGS-Beamten und zwei italienischen Polizisten mit Faustschlägen mißhandelt. Danach kommt er zurück nach Deutschland in Abschiebehaft in der JVA Mannheim.
(siehe auch: 28. April 98)

    Nach der Rückkehr von einem Abschiebeversuch mit deutlich sichtbaren Verletzungen an den Handgelenken erfolgt eine ärztliche Behandlung lediglich in der Weise, daß ihm eine Salbe verabreicht wird. Eine gründliche Untersuchung findet nicht statt, so daß die Verletzungen nicht attestiert werden und im Ermittlungsverfahren gegen die BGS-Beamten nur durch Augenzeugenberichte nachgewiesen werden können; das Verfahren wird eingestellt.

    Ungeachtet solcher Umstände, der langen Haftdauer von acht Monaten und der Äußerung von Mokthar Dahmane, lieber in Deutschland zu sterben als nach Algerien zurückzukehren, erfolgt während der Haftzeit keine psychiatrische Untersuchung oder Behandlung.

    Nach der Haftentlassung fügt er sich bei einem weiteren Abschiebungsversuch zwei Monate später eine gravierende Messerstichverletzung zu. Das zuständige Gesundheitsamt diagnostiziert bei ihm unter anderem eine mittelschwere depressive Episode, erhebliche Suizidalität bei drohender Abschiebung und die Notwendigkeit psychiatrischer Behandlung.

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim 1.11.98;

FR 25.7.00; AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim

 

6. Oktober 98

 

Die Polizei bringt eine 38-jährige Bulgarin ins Sankt-Joseph-Krankenhaus in Berlin-Tempelhof. Sie hatte auf dem Weg zum Flughafen Schönefeld, über den sie abgeschoben werden sollte, einen Selbsttötungsversuch unternommen. Sie kommt auf die Intensivstation, wo zwei Polizeibeamte sie bewachen.

    Als der Direktor des Krankenhauses Prof. K. Schäfer die Beamten bittet, das Krankenzimmer zu verlassen, da der Zustand der Frau einen Fluchtversuch ausschließen würde, erwidern diese, sie hätten die Anweisung, "mit dem Objekt ständigen Blickkontakt zu halten". Als Alternative schlagen sie vor, die Frau mit Handschellen zu "fixieren".

    Daß dieses Verhalten kein Einzelfall ist, bestätigt der Diplompsychologe D. Koch von der psychosozialen Beratungsstelle XENION: "Die Behandlung von Flüchtlingen seitens der Polizeibehörde ist in der Regel eine Neuauflage der Traumatisierung, die sie im Heimatland erlitten haben."

FRat Berlin 16.9.98; Pax Christi – Berlin;

BeZ 12.10.98; Zitty Nr. 22, 1998

 

6. Oktober 98

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Der Nigerianer George O. wird um 5 Uhr morgens jäh aus dem Schlaf gerissen. Polizisten legen ihm Hand- und Fußschellen an. Er wird zum Flughafen Tegel gebracht, soll ins Flugzeug nach Paris steigen. Die Beamten stoßen und drängen ihn auf die Gangway, einer brüllt: "Du Arschloch steigst jetzt ins Flugzeug!"

    O. – an Händen und Füßen gefesselt – stolpert und fällt hin. Die Beamten treten und schlagen auf ihn ein, zerren an seiner Kleidung. Kurz darauf ist O. völlig nackt. Hose und Slip hängen an seinen Fußschellen. Ein Mann zieht die Schellen enger, bis die Knöchel bluten.

    Als ein Beamter drohend an seine Pistole faßt, verliert O. die Nerven: "Warum erschießt Du mich nicht. Ich gehe nicht ins Flugzeug, lieber lasse ich mich hier erschießen." In seiner Todesangst fängt er laut an zu schreien. Erst jetzt wird er ins Abschiebegefängnis zurückgebracht.

    Herr O., der nach diesen Mißhandlungen über starke Bauch- und Magenschmerzen klagt und auch Blut im Urin hat, wird erst 13 Tage später ins Haftkrankenhaus Moabit gebracht, wo er auf innere Verletzungen untersucht wird.

    Am 7. Dezember wird er über Düsseldorf zusammen mit ca. 60 weiteren Flüchtlingen nach Nigeria abgeschoben. Seither gibt es keinen Kontakt mehr zu ihm.

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin; ND 19.11.98

 

6. Oktober 98

 

Sachsen-Anhalt außerhalb von Magdeburg. Der 32-jährige äthiopische Flüchtling Daniel Kassa Mehari springt vom Geländer einer Eisenbahnbrücke gegen den vorbeifahrenden Zug und erliegt seinen schweren Verletzungen.

FRat Sachsen-Anhalt;

Antirassistische Initiative Berlin;

Polizeidirektion Magdeburg – Pressestelle, 12.10.99

 

6. Oktober 98

 

Prenzlau in Brandenburg. An der Bushaltestelle Brüssower Allee beschimpft ein jugendlicher Deutscher eine Asylbewerberin aus Mali. Er reißt sie zu Boden und tritt dann mit den Stiefeln auf sie ein. Die Überfallene erleidet Verletzungen im Gesicht.

    Gegen Auflagen wird der Haftbefehl gegen den Täter vorerst ausgesetzt.

BeZ 16.1.99; SZ 15.2.99

 

7. Oktober 98

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein Gefangener aus Ägypten schneidet sich die Pulsadern auf. Nach der Behandlung im Haftkrankenhaus Moabit wird er aus der Abschiebehaft entlassen.

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin

 

9. Oktober 98

 

Drei afrikanische Flüchtlinge werden in Jena von 12 vermummten Personen überfallen und mit Flaschen, Knüppeln, Messern und einer Gaspistole angegriffen.

ZDK (JWB 28.10.98)

 

11. Oktober 98

 

Eine Gruppe von 20 Deutschen greift während einer Tanzveranstaltung im brandenburgischen Rhinow drei Bosnier und zwei Mazedonier an. Dabei schlägt ein Deutscher einem

26 Jahre alten Bosnier mit einem Holzstil oder einem Baseballschläger mit Wucht auf den Kopf. Mit einem weiteren Schlag wird der Schädel des Opfers "regelrecht zertrümmert". Ein zweiter Angreifer kommt hinzu und tritt mit seinen Springerstiefeln dem Bosnier mehrmals ins Gesicht. Dieser kommt lebensgefährlich verletzt ins Krankenhaus, wo er erst vier Monate später aus dem Koma erwacht.

    Eineinhalb Wochen nach der Tat wird ein Hauptverdächtiger in Untersuchungshaft genommen.

    Im Juni 1999 werden beide Hauptverdächtige von der Jugendstrafkammer des Landgerichtes Potsdam der gefährlichen Körperverletzung und des schweren Landfriedensbruches schuldig befunden und zu fünf und sechs Jahren Gefängnis verurteilt.

taz 14.10.98; MAZ 15.10.98;

RA 20.10.98; MAZ 23.10.98;

MAZ 18.5.99; RA 10.6.99;

FR 10.6.99;

BT-Drucksache 14/480;

Bürgerrechte & Polizei/CILIP 63/1999

 

11. Oktober 98

 

Bei einem Brand in einem zweigeschossigen Flüchtlingsheim in Hannover werden 35 Menschen verletzt. 15 HeimbewohnerInnen müssen mit Rauchvergiftungen ins Krankenhaus. Die BewohnerInnen hatten einen Knall aus dem Erdgeschoß gehört, und im gleichen Augenblick stand der ganze Flur in Flammen. "Brandstiftung werde nicht ausgeschlossen", allerdings gebe es "keine Hinweise auf fremdenfeindliche Hintergründe", heißt es.

ZDF "Morgenmagazin" 12.10.98;

taz 13.10.98; BeZ 13.10.98; JWB 21.10.98

 

16. Oktober 98

 

Drei Männer dringen in den Keller eines Flüchtlingsheimes in Hofbieber im Kreis Fulda ein und zünden dort eine Gaspatrone. Von den BewohnerInnen wird niemand verletzt.

FR 19.10.98

 

17. Oktober 98

 

Bei der Routinekontrolle eines LKWs im oberpfälzischen Mitterteich/Tirschenreuth nahe der tschechischen Grenze werden 75 Flüchtlinge aus dem Kosovo entdeckt. Auf einer Ladefläche von acht Quadratmetern sollten neun Frauen im Alter von 25 bis 35 Jahren, fünf Kinder und 61 Männer in die BRD gebracht werden. 19 Menschen, darunter fünf schwangere Frauen, kommen ins Krankenhaus. In dem fast luftdicht mit einer Hydraulik-Klappe verschlossenen LKW und auch durch die räumliche Enge erlitten viele Flüchtlinge Schwächezustände, Panikgefühle, Atem- und Kreislaufprobleme.

Tagesschau 17.10.98;

SiZ 18.10.98;

BeZ 19.10.98; taz 19.10.98;

IHF-HR annual report 1999

 

18. Oktober 98

 

Eschenburg im Lahn-Dill-Kreis in Hessen. Eine 16-jährige Frau und ein 20-jähriger Mann legen im Eingangsbereich des Flüchtlingsheimes ein Feuer. Der Brand kann sich nicht ausbreiten, so daß die zur Tatzeit im Hause befindlichen 50 BewohnerInnen unverletzt bleiben.

FR 20.11.98

 

18. Oktober 98

 

Frankfurt-Fechenheim. Brandanschlag auf eine Roma-Familie, die in einem zum Abriß bestimmten Haus untergebracht ist. Eine Flasche mit einer brennenden Lunte fliegt durch ein Fenster ins Zimmer der Familie Caldaras. Herr C. verhindert eine Entflammung, indem er die Flasche wieder hinauswirft.

FR 22.10.98; FR 23.10.98; FR 11.11.98

19. Oktober 98

 

Cottbus in Brandenburg. Ein schwarzer Asylbewerber wird von mehreren Skinheads vom Bahnhof zur Straßenbahn-Haltestelle verfolgt. Als er die Bahn besteigt, wird diese mit Flaschen beworfen.

Ethnische Säuberungen in Berlin und Brandenburg 1999, S. 45

 

22. Oktober 98

 

Auf der Flucht vor dem Bundesgrenzschutz im oberpfälzischen Landkreis Hof verliert der Fahrer eines Kleinlastwagens die Kontrolle über den Wagen, so daß dieser sich überschlägt. Aus dem Laderaum werden elf z.T. schwer verletzte rumänische Flüchtlinge, darunter auch Kinder, geborgen. Sie kommen alle ins Krankenhaus.

FR 23.10.98; BeZ 23.10.98

 

22. Oktober 98

 

Hungerstreik im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Der Gefangene Mohamed Sad aus Ägypten verletzt sich in Selbsttötungsabsicht am Hals und an den Handgelenken. Als er nach medizinischer Versorgung durch einen Sanitäter wieder in seine Zelle gesperrt wird, versucht er, sich selbst zu verbrennen.

    Er wird ins Haftkrankenhaus Moabit verlegt und einen Tag später aus der Abschiebehaft entlassen.

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin

 

25. Oktober 98

 

Dritter Selbsttötungsversuch innerhalb kurzer Zeit im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Der ägyptische Gefangene Mohamed Aldeleni öffnet sich die Pulsadern und kommt ins Krankenhaus.

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin

 

27. Oktober 98

 

Der Kurde Sinan Sicak, der im April 1993 mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in die BRD geflüchtet war, wird nach abgelehntem Asylantrag in die Türkei abgeschoben. Bereits auf dem Flughafen Ankara wird er festgehalten und einer dreitägigen Überprüfung unterzogen. Unter Schlägen werden ihm Unterstützung der PKK und Beteiligung an Aktionen vorgeworfen.

    Nach seiner Freilassung fährt er in seinen Herkunftsort Nergizli im Kreis Viransehir zu seiner Mutter. Schon nach einer Woche wird er dort durch Staatsbeamte abgeholt, zur Polizeiwache in der nahe gelegenen Stadt Karakuzu verschleppt und drei bis vier Tage lang ständig mit dem Terrorismusvorwurf konfrontiert.

    Am 28. Mai 99 wird Sinan Sicak im Rahmen einer Razzia festgenommen, beschimpft, bedroht und heftig geschlagen. Als er sich seine Wunden nach dem Überfall von einem Arzt behandeln lassen will, findet er keinen, weil diese ihm nur durch vorgelegte staatsanwaltliche Anordnungen helfen würden, da es sich um Verletzungen durch staatliche Mitarbeiter handelt. Aus Angst vor weiteren Repressalien geht Sinan Sicak erst nach eineinhalb Wochen zur Staatsanwaltschaft in Viransehir. Auch hier wird er zunächst bedroht, dann aber doch zu einer Untersuchung zum Gesundheitsamt überwiesen.

    Er wendet sich an die Zeitung Bakis in Sanliurfa, berichtet dort von seiner Folter und läßt seine Wunden auch fotografieren. Nachdem sich die Schlinge seiner Verfolgung bedrohlich zuzieht, entschließt er sich erneut zur Flucht.

    Am 2. August 99 gelingt es ihm, mit einem gefälschten Paß in die BRD einzureisen, und er stellt erneut einen Antrag auf Asyl. Das Attest vom Gesundheitsamt Viransehir wird für nicht "glaubwürdig" gehalten und der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt.

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000;

Dokumentation vom FRat NieSa, Juli 2002

 

Oktober 98

 

Berlin – Prenzlauer Berg. Der Flüchtling Paulos N. aus Äthiopien erhält vom Sozialamt einen Ablehnungsbescheid auf seinen Antrag, in eine andere Wohnung ziehen zu dürfen. Das Amt bietet alternativ einen Platz im Wohnheim an.

    Die Familie N. wird seit langer Zeit von deutschen rechtsradikalen Nachbarn belästigt, beleidigt und bedroht. Die Deutschen schmieren Hakenkreuze ins Treppenhaus und brüllen "Scheiß Neger!" Eines Nachts standen die Rassisten mit Knüppeln bewaffnet vor der Wohnungstür von Paulos N. und versuchten, die Tür aufzutreten.

    Paulos N., der schon einmal von sieben Deutschen am

U-Bahnhof Eberswalder Straße überfallen und zusammengeschlagen worden war, lebt in ständiger Angst um sein Leben und seine Gesundheit.

Ethnische Säuberungen in Berlin und Brandenburg 1999, S. 77

 

1. November 98

 

Gefängnis Stuttgart-Stammheim. Der 23 Jahre alte kurdische Abschiebehäftling Berzan Öztürk ("Murad") zündet sich selbst an und erleidet lebensgefährliche Verletzungen. Er tat dies aus "Protest gegen die jahrzehntelange Unterdrückung seines Volkes durch den türkischen Staat und Solidarität mit Selbstverbrennungen politischer Häftlinge in türkischen Gefängnissen" (Abschiedsbrief).

    Berzan Ö. hatte bereits ein Jahr lang in türkischer Haft gesessen, mußte wegen seiner PKK-Aktivitäten die Türkei verlassen und stellte im August in der BRD einen Asylantrag.

    Ende Oktober mußte er sich wegen "illegaler Einreise und Urkundenfälschung" vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Obwohl er zu einer 8-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde, wurde er noch im Gerichtssaal verhaftet und nach Stammheim in Abschiebehaft gebracht.

    Am 4. Januar 1999 erliegt er seinen schweren Verletzungen. (siehe dort)

ND 4.11.98; FR 6.1.99;

FR 7.1.99; FR 8.1.99; FR 9.1.99;

AZADI informationen Nr. 13 Januar-März 1999

 

2. November 98

 

Der Kurde und abgelehnte Asylbewerber Seyhmuz R. wird in die Türkei abgeschoben.

    Bereits 1993 war er in die BRD geflohen, weil er und seine Familie in der Türkei massiv bedroht und verfolgt wurden. Sein Schwiegervater war an den Folgen von Folterungen gestorben; sein Dorf war 1994 niedergebrannt worden; seine Eltern gelten als verschwunden. Er selbst wurde in der Anti-Terror-Abteilung in Istanbul eine Woche lang festgehalten und unter Schlägen verhört.

    Jetzt nach der Abschiebung erfolgt die erneute Festnahme durch die Flughafenpolizei, und zwei Zivilpolizisten bringen ihn in eine entfernte Wache, wo er unter schwerer Folter nach seinen Kontakten in Deutschland gefragt wird. Nach fünf Tagen Folter und Verhören erklärt er sich bereit, mit den türkischen Behörden zu kooperieren und als Spitzel zu arbeiten. Daraufhin wird er entlassen.

    Er flieht zu seiner Schwester nach Viransehir und hält sich versteckt. Nach einiger Zeit nimmt er Kontakt zur HADEP auf. Im Frühjahr erfolgen mehrere Verhaftungen und Verhöre mit schwerer Folter.

    Im April 1999 gelingt Seyhmuz R. zum zweiten Mal die Flucht in die BRD. Sein Oberkörper ist – auch noch drei Wochen nach den Folterungen – übersät mit über 40 Brandwunden bis zum Grad drei. Ein Arzt überweist ihn mit dem Verdacht auf eine erhebliche psychische Traumatisierung an das Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin.

    Am 3. August 1998 erhält Seyhmuz R. vom Bundesamt "kleines Asyl", das allerdings erst nach der Ablehnung der Klage des Bundesbeauftragten durch das Verwaltungsgericht Kassel und nach drei mündlichen Verhandlungen im Januar 2001 rechtskräftig wird.

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Juni 2001

 

2. November 98

 

Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Sechs Deutsche überfallen zwei irakische Flüchtlinge (18 und 22 Jahre alt), beschimpfen sie und schlagen sie zusammen.

    Die Täter werden nach der Vernehmung wieder freigelassen.

BeZ 4.11.98; FR 4.11.98; taz 4.11.98;

ZDK (ND 4.11.)

 

5. November 98

 

Abschiebehaft in der JVA Mannheim. Der 30-jährige iranische Flüchtling Shariar Jafarpour fügt sich selbst in Tötungsabsicht tiefe Schnittwunden mit einer Glasscherbe am Bauch, an den Pulsadern und in der linken Ellenbeuge zu, als er erfährt, daß er abgeschoben werden soll. Ohne ärztliche Untersuchung oder Betreuung wird er der Polizei übergeben, die ihn zum Flughafen Stuttgart bringt.

    Im Privatjet wird ihm von BGS-Beamten immer wieder ein Tuch auf den Mund gepreßt, bis der Pilot angesichts der Luftnot des Gefangenen die Mitnahme des Flüchtlings verweigert. (siehe auch: 9. Februar 98)

    Am 8. Dezember beschreibt das Landgericht Mannheim nach einer persönlichen Anhörung seinen Zustand wie folgt: "Der Beteiligte......war völlig abgemagert, entkräftet, psychisch am Ende seiner Kräfte und kaum noch verhandlungsfähig", er habe sich in einem "erschreckend schlechten psychischen und physischen Zustand" befunden.

    Bevor jedoch das vom Landgericht geforderte psychiatrische Gutachten erstellt ist, wird der Gefangene am

29. Dezember abgeschoben.

    Die Mißhandlungen durch die BGS-Beamte bei beiden Abschiebeversuchen von Shariar Jafarpour bleiben für diese ohne juristische Konsequenzen.

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim 11.11.98;

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim Mai 1999;

Antifaschistische Nachrichten 10.12.98; IPPNW 1.6.99;

ai 30.12.99; jW 22.7.00; FR 25.7.00

 

5. November 98

 

Der 20 Jahre alte kurdische Flüchtling Mehmet Sait Demir wird nach abgelehnten Asylanträgen in die Türkei abgeschoben. Nach einem eintägigen Aufenthalt im Polizeigewahrsam des Istanbuler Flughafens wird Herr Demir zum Wehrdienstbüro Bakirköy gebracht. Von dort kommt er nach Malkara, um seinen Militärdienst abzuleisten. Hier wird bekannt, daß er schon vor längerer Zeit einen Antrag auf Wehrdienstverweigerung an das Türkische Konsulat in Deutschland geschickt hatte. Herr Demir wird vom Schwurgericht Midyat angeklagt und kommt sofort ins Militärgefängnis der Brigade. Dem Rat eines kurdischen Feldwebels folgend bestreitet Herr Demir, den Brief geschrieben zu haben ("Wenn Du sagst, dass er Dir gehört, dann gehst Du wieder ins Gefängnis oder sie bringen Dich um").

    In den folgenden drei Wochen wird Mehmet Sait Demir intensiv geschlagen, gedemütigt und gefoltert. Immer wieder wird ihm befohlen, seinen Brief abzuschreiben – einmal mit der linken, dann wieder mit der rechten Hand. Auch vor dem Landgericht Malkara wird ihm erneut sein Brief diktiert.

    Er kommt zu seiner Einheit zurück, muß seine Waffe abgeben, erhält Ausgangssperre, wird bewacht, gedemütigt, geschlagen, schikaniert, mißhandelt. Zwei Monate vor Beendigung seiner Militärzeit wird er vom Militärgericht freigesprochen.

    Seine Mutter berichtet ihm telefonisch von den häufigen Besuchen der Militärangehörigen, die nach ihm und seinem nach Deutschland geflüchteten Bruder Mehmet Selim fragen. Auch erfährt er, daß seine Cousine und sein Cousin von türkischen Soldaten ermordet wurden.

    Er selbst war vor seiner Flucht nach Deutschland im Jahre 1995, zusammen mit seinem Vater gefangen genommen und 5-6 Tage lang gefoltert worden. Der damals 17-Jährige war gezwungen worden, die Mißhandlungen seines Vaters mit anzusehen. Nachdem die beiden freigelassen worden waren, starb sein Vater in seinem Beisein an den schweren Folterverletzungen in dem Taxi, das ihn zum Krankenhaus bringen sollte.

    Als kranker und gebrochener Mann beendet Mehmet Sait Demir im Frühjahr 2000 seinen Militärdienst. Aus Angst vor weiteren Repressalien geht er nach Istanbul und arbeitet hier als Kellner in einem Restaurant.

    Am 10 Juli 2001 wird er nach Feierabend auf der Straße von drei Männern aufgefordert sich auszuweisen. Sie zwingen ihn in einen weißen PKW, verbinden ihm die Augen und bringen ihn in einen Keller, der zur Instanbuler Polizeistation Gayretepe gehört. Hier wird Mehmet Sait Demir in den folgenden fünf Tagen mißhandelt, mißbraucht, entwürdigt und immer wieder zu seinem Antrag auf Wehrdienstverweigerung und zum Verbleib seiner Brüder verhört. Mit einem glühenden Messer werden ihm schwere Brandverletzungen beigebracht. Mit der Drohung, ihn demnächst wieder festzunehmen und dann umzubringen, wird Mehmet Sait Demir freigelassen.

    Mehmet Sait Demir flieht erneut aus der Türkei und erreicht am 8. September 2001 die Bundesrepublik Deutschland zum zweiten Mal. Im November 2001 begibt er sich wegen seiner schweren seelischen Verletzungen in psychotherapeutische Behandlung.

    Trotz vorliegender Atteste über folterbedingte Hautverbrennungen und eine schwere Posttraumatische Belastungsstörung wird die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ohne persönliche Anhörung Demirs zunächst abgelehnt.

    Erst durch die von Pro Asyl und Connection e.V. eingereichte Petition beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg wird Mehmet Sait Demir am 10. Oktober 2002 als politischer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt (§ 51 Abs. 1 Ausländergesetz).

Connection e.V. und Pro Asyl 3.6.02;

Connection e.V. und Pro Asyl im November 2002;

FR 6.6.02; FR 7.11.02

 

6. November 98

 

Der 15 Jahre alte Solomon Mforbei Fusi aus Kamerun stirbt den Kältetod im Radkasten eines Flugzeuges, in dem er sich in Douala versteckte, um nach Europa zu gelangen. Beim Landeanflug auf den Flughafen Zürich fällt der Tote aus ca. 500 m Höhe auf ein Feld bei Lauchringen in Südbaden. Dort wird er zwei Tage später von einem Spaziergänger gefunden.

    Der Junge wird in dem kleinen Ort Lauchringen post mortem adoptiert. Er wird feierlich bestattet und erhält einen Grabstein aus Granit, in dem Afrika eingraviert und Kamerun gekennzeichnet ist.

BeZ 10.11.98; Badische Ztg 10.11.98;

Dokumentation von Ulrike Westermann 2003

 

7. November 98

 

Martini-Markt im brandenburgischen Neuruppin. Zu einer Zeit, in der sich 200 bis 300 Gäste auf dem Markt befinden, wird der 34-jährige türkische Flüchtling Rüstem Karakas von einer größeren Gruppe Skins mindestens 20 Minuten über den Platz gehetzt und attakkiert. Der Versuch, sich in ein Bierzelt zu retten, mißlingt, weil der Betreiber dem Gehetzten den Zutritt verweigert. Auch ein Spielautomaten-Aufsteller gestattet dem Hilfesuchenden keine Zuflucht. Ein anderer Budenbesitzer, den Rüstem K. um Hilfe bittet, weigert sich, die Polizei anzurufen.

    Der Gejagte wird mit Schlägen auf den Hinterkopf und ins Gesicht mißhandelt, und als er am Boden liegt, treten die Rassisten mit Springerstiefeln auf ihn ein. Rüstem K. gelingt die Zuflucht in einen türkischen Imbiß. Er kommt schwer verletzt ins Krankenhaus. Er hat Kopfverletzungen, und seine Schulter ist gebrochen. Sie muß zweimal operiert werden, aber auch ein halbes Jahr später ist sie noch nicht geheilt. Er muß sich wegen des erlittenen Traumas einer psychotherapeutischen Behandlung unterziehen.

    Obwohl sich der Überfall auf einem belebten Markt ereignete, hat die Polizei größte Schwierigkeiten, ZeugInnen zu finden. Von den ursprünglich ca. 20 Tätern werden zwei Männer angeklagt. Einer wird – unter Einbeziehung einer anderen Strafe – zu 32 Monaten Haft und ein zweiter Schläger zu 10 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

MAZ 9.11.98; RA 9.11.98; BeZ 9.11.98;

MAZ 10.11.98; RA 10.11.98; BeZ 10.11.98;

MAZ 11.11.98; RA 11.11.98; BeZ 11.11.98; MAZ 16.11.98;

RA 16.2.99; MAZ 20.5.99; RA 20.5.99; BeZ 20.5.99;

MAZ 28.5.99; RA 28.5.99; BeZ 28.5.99; ORB "Klartext" 14.7.99

 

13. November 98

 

Bei einem Brand im Flüchtlingsheim Dahlemer Weg in Berlin-Zehlendorf wird ein dreijähriges Kind an Armen und Beinen schwer verbrannt. Die Mutter erleidet einen Schock. Die Bauaufsicht wird informiert, um eventuelle Sicherheitsmängel zu ermitteln.

BeZ 14.11.98

 

13. November 98

 

Der kurdische Flüchtling und abgelehnte Asylbewerber N. B., der 1993 nach Deutschland geflohen war, wird über Hannover in die Türkei abgeschoben und dort den türkischen Beamten direkt übergeben. Neun Tage lang wird er auf der Flughafenpolizeiwache festgehalten, gefoltert und verhört. Ihm wird Unterstützung der PKK in Deutschland vorgehalten.

    Nach seiner Freilassung sucht er seine Mutter auf und versteckt sich bei ihr in der Kreisstadt Idil.

    Am 20. Januar 99 stürmen Uniformierte die Wohnung und nehmen ihn erneut fest. 27 Tage lang wird er gefangen gehalten, verhört und gefoltert. Dann wird er unter Meldeauflagen wieder entlassen.

    Aus Angst vor erneuter Festnahme taucht N. B. unter – versteckt sich bei seiner Schwester. Er entschließt sich erneut zur Flucht nach Deutschland, als er erfährt, daß seine Mutter zweimal von Militärs abgeholt und nach seinem Aufenthalt befragt worden war.

    Im Mai 99 stellt er einen Asylfolgeantrag, und ihm wird im Oktober Abschiebeschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG gewährt.

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000

 

14. November 98

 

Potsdam in Brandenburg. Aus einem Auto heraus werden zwei afrikanische Flüchtlinge und ein britischer Tourist rassistisch beschimpft. Als die Angegriffenen den Fahrer des Wagens an der nächsten Ampel zur Rede stellen wollen, steigt dieser aus und hält einer Person eine Pistole an den Kopf. Der Bedrohte kann den Angreifer überwältigen, und seine Begleiter können verhindern, daß die restlichen Fahrzeuginsassen aussteigen.

    Die einzige Zeugin äußert sich dann in Gegenwart der Polizei den Angegriffenen gegenüber, daß sie doch hier "nichts zu suchen" hätten und "verschwinden" sollten.

jW 28.11.98;

Ethnische Säuberungen in Berlin und Brandenburg 1999, S. 62

 

14. November 98

 

Harrinder Singh Cheena (Balvinder Cheema), jugendlicher Flüchtling (16 oder 18 Jahre alt) aus Indien, seit 59 Tagen in Deutschland und davon seit 55 Tagen in Abschiebehaft, wird erhängt in der Zelle 322 der JVA Halle aufgefunden. Er hatte sich aus einem Bettuch ein Seil geknüpft.

    Cheena ist Sikh und stammt aus einem Bauerndorf im Punjab. In seinem Asylantrag gibt er an, daß sein Vater von Polizisten umgebracht worden ist. Er will auf keinen Fall nach Indien zurück, und vor allem will er aus dem Gefängnis raus, vermittelt er dem Dolmetscher. Als er seinen Kopf an einer Stahltischkante blutig schlägt, wird er in den Sanitätstrakt gebracht und dort mit Händen und Füßen ans Bett gefesselt.

    Cheena kommt später noch öfter in die Sanitätsstation und wird dort jedesmal "fixiert", nachdem er sich mit Scherben an Bauch und Brust verletzte oder sich die Pulsadern aufschnitt. Cheena verweigert zeitweise die Nahrungsaufnahme. Einer der Anstaltspsychologen sieht dreimal nach ihm, hat aber keinen Dolmetscher dabei, und der junge Inder spricht weder Deutsch noch Englisch.

    Drei Tage nach seiner Selbsttötung finden die Ermittlungsbehörden in seiner Hosentasche einen Abschiedsbrief. Der Text ist auf dem Papier des Asyl-Ablehnungsbescheides geschrieben: über dem letzten Lebenszeichen Cheenas prangt der offizielle Briefkopf des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.

    Bemerkenswert ist die Pressemitteilung des Justizministeriums von Sachsen-Anhalt am Tag nach der Selbsttötung von Cheena: "Im Vorfeld gab es keine

Anzeichen für eine Suizidgefahr."

BeZ 16.11.98; taz 16.11.98; BeZ 17.11.98;

BeZ 18.11.98; ND 19.11.98; SZonNet 3.12.98;

FR 6.2.99; taz 9.2.99; Gegenwehr Frühjahr 1999;

FRat NieSa Heft 60/61 Mai/Juni 1999

 

Mitte November 98

 

Ein 31-jähriger russischer Abschiebegefangener ist seit drei Wochen im Hungerstreik. Er sagt, er wolle lieber sterben, als nach Rußland zurückgebracht zu werden. Der Deserteur der sowjetischen Armee war bereits 1993 nach der Abschiebung aus der BRD in Moskau ins Gefängnis gekommen. Später floh er nach Frankreich, wo der Asylantrag abgelehnt wurde. Im Sommer wurde der Mann ohne gültige Aufenthaltspapiere in Thüringen aufgegriffen und in Abschiebehaft genommen.

FR 13.11.98

 

16. November 98

 

Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Nachts zwischen

1 und 2 Uhr findet ohne Begründung die Durchsuchung einiger Zellen statt.

    Weil er nicht schnell genug erwacht, wird der 32-jährige Gefangene N.N. aus Nigeria von einem Beamten aus dem Bett gezerrt. Das Hemd zerreißt und er bekommt einen heftigen Schlag zwischen die Augen. Der schlagende Beamte wird dann von seinem Kollegen zurückgerufen.

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin

 

17. November 98

 

Frankfurt am Main. Dem 27-jährigen Sudanesen Abdellah F. wird beim dritten Abschiebeversuch eine Mütze über den Kopf gezogen, die ihm die Luft nimmt. Dann wird ihm mit der Faust auf den Penis geboxt.

    Wegen akuter Atemnot muß er in die Flughafenklinik gebracht werden.

IPPNW 1.6.99

 

20. November 98

 

Eine vierköpfige bosnische Familie aus Gelnhausen im Main-Kinzig-Kreis wird nach Sarajewo abgeschoben, obwohl Atteste über die psychische Traumatisierung von Mutter und Tochter vorliegen.

FR 25.11.98

 

20. November 98

 

Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg. Als die Polizeibeamten morgens um 6.15 Uhr das Ehepaar Fadime und Cafer Bay und deren drei Kinder aus ihrer Unterkunft in der Remsstraße zur Abschiebung abholen wollen, bekommt Fadime Bay einen Schreikrampf und fällt daraufhin um. Der sofort gerufene Notarzt weist sie umgehend mit Verdacht auf eine Herzattacke in die Stauferklinik ein. Fadime Bay, die sich bereits 1992 einer Herz-Operation unterziehen mußte, ist seit Jahren in ärztlicher Behandlung. Obwohl dieses den Behörden bekannt ist, hatten sie die geplante Abschiebung den Betroffenen nicht angekündigt.

    Cafer Bay und sein Sohn Ümüt werden noch an diesem Tag in die Türkei abgeschoben. Die beiden Töchter bleiben noch bei der Mutter. Einige Tage später erfahren sie, daß der 16-jährige Ümüt bei Verwandten in der Türkei untergekommen ist, Cafer Bay allerdings im Gefängnis sitzt.

    Die Mitglieder der Familie Bay sind alevitische Kurden, und ihr Asylantrag war schon vor Jahren abgelehnt worden. In der letzten Zeit hatten sie von der Gmünder Ausländerbehörde wöchentlich befristete Duldungen ausgestellt bekommen.

Remz-Ztg 24.11.98;

Gmünder Tagespost 24.11.98

 

21. November 98

 

Justizvollzugsanstalt Leipzig in Sachsen. Ein 39 Jahre alter Algerier schneidet sich aus Angst vor der angekündigten Abschiebung die Pulsadern auf.

    Nach insgesamt sieben Abschiebeversuchen und einer Haftdauer im Abschiebegefängnis von zwölf Monaten wird der Algerier entlassen.

Abschiebehaft-Gruppe beim FRat Leipzig

 

November 98

 

Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main, Gebäude C 182. Während einer Zählung der Flüchtlinge sprüht ein BGS-Beamter ohne Grund und "ohne dienstliche Veranlassung" aus einem mitgebrachten Reizstoffsprühgerät eine "nicht geringe" Menge Reizgas (CN-Lösung) in die Kabine der Herrentoilette, in der sich ein algerischer Flüchtling befindet.

    Die Beamten erklären dazu, das Tränengas sei "aus Versehen" versprüht worden.

    Am 28. November 2000 wird einer der Beamten vom Amtsgericht Frankfurt zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

taz 18.11.98;

UNBEQUEM 12/98;

Bürgerrechte & Polizei/CILIP 68/2001;

ai Januar 2004

 

November 98

 

Obwohl er sich in "Schaukelfesselung" befindet, gelingt es dem abgelehnten Asylbewerber H., sich während seiner Abschiebung die Pulsadern aufzuschneiden. Herr H. ist Deserteur der algerischen Armee und beantragte 1993 in der BRD Asyl. Nach seiner Abschiebung droht ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit Militärgewahrsam.

    Daraufhin wird die Abschiebung abgebrochen und in der Abschiebehaft stellt ein Gutachter ein "reaktives depressives Syndrom" fest, und auch das Verwaltungsgericht Dresden räumt die "Gefahr einer Selbst- und möglicherweise auch Fremdgefährdung" ein. Dennoch bleibt Herr H. in Abschiebehaft zur Vorbereitung seiner Abschiebung.

    Ende März 99 beginnt H. einen Hungerstreik, so daß die für Mitte April 99 geplante Abschiebung wegen seines körperlichen Zustandes nach dreiwöchigem Streik vorerst ausgesetzt werden muß.

FR 5.5.99

 

November 98

 

Sammelabschiebung nach Angola. Der junge Angolaner Bernado I., der als Minderjähriger in die BRD geflohen war, "verschwindet" nach der Abschiebung am Flughafen Luanda. Auch ein anderer Abgeschobener, Edgar J., meldet sich nie wieder bei seinen Angehörigen in Angola oder seinen Freunden in der BRD. Im Januar 2001 gehen ihre Familien davon aus, daß sie nicht mehr am Leben sind.

Antirassistische Initiative Berlin;

I.A.A.D.H.

 

2. Dezember 98

 

Der 27-jährige Igor N. soll von Frankfurt am Main nach Minsk abgeschoben werden. Während des Fluges schneidet sich der Weißrusse mit dem Plastikbesteck die Pulsadern auf. Da eine Rettung des Mannes im Flugzeug nicht möglich erscheint, muß die Maschine auf dem Warschauer Hauptflughafen Okecie notlanden. Der Verwundete kommt in das Krankenhaus in der Banacha Straße.

Gazeta Wyborcza 3.12.98;

Nachrichten im Radiosender rs2 94,3 am 3.12.98

 

2. Dezember 98

 

Landkreis Märkisch-Oderland im Bundesland Brandenburg. Ein 26 Jahre alter jugoslawischer Asylbewerber wird in Müncheberg von zwei deutschen Männern auf offener Straße mit einem Baseballschläger angegriffen und geschlagen. Er kommt mit einem Schädel-Hirn-Trauma, Prellungen, einer Platzwunde und Blutergüssen ins Krankenhaus.

    Die Täter werden zu Bewährungsstrafen zwischen 10 und 12 Monaten verurteilt.

RA 4.12.98; MAZ 4.12.98; BeZ 4.12.98;

Opferperspektive;

Die Welt 26.5.99; BeZ 27.5.99; Die Welt 27.5.99

 

5. Dezember 98

 

Sonntagmittags in der niedersächsischen Ortschaft Brake. Ein 33 Jahre alter kurdischer Flüchtling steigt auf das Dach seiner Unterkunft, dem "Frisenmoorer Hof". Dort übergießt er sich mit Benzin und droht, sich anzuzünden. Der seit vier Jahren in Deutschland lebende Mann fühlt sich total isoliert. Erst nach zweieinhalbstündigen Verhandlungen, als der Bürgermeister ihm den Umzug in eine andere Unterkunft zusichert, klettert er wieder herunter.

taz 8.12.98

 

7. Dezember 98

 

Sammelabschiebung von 60 Flüchtlingen über den Flughafen Düsseldorf. Unter den Flüchtlingen befindet sich der Liberianer E. S. M., der 10 Monate in Abschiebehaft in Berlin in der Kruppstraße einsaß. Dies auch deshalb, weil die deutschen Behörden ihm seine liberianische Nationalität nicht glaubten.

    Nachdem Herr M. am 30. November eine tätliche Auseinandersetzung mit einem Polizisten hatte, war er in einen Zustand der vollkommenden Apathie gefallen. Er reagierte auf keine äußeren Reize oder Ansprachen mehr. Er nahm weder Essen noch Trinken selbständig zu sich – noch erhob er sich aus eigener Kraft. Sein Blick war leer und orientierungslos. Er lag fortan nackt in einem Bett ohne Bettbezüge in seinem eigenen Urin. Das Wachpersonal hatte ihn in eine Einzelzelle verlegt, so daß die Mitgefangenen ihn nur noch durch ein Guckloch beobachten konnten.

    Trotz Interventionsversuchen von Flüchtlingsunterstützergruppen wird Herr M., der sich seit acht Tagen in diesem hilflosen Zustand befindet, in ein ihm fremdes Land (Nigeria) abgeschoben.

AG Medizin im FRat Berlin

 

11. Dezember 98

 

Ein abgelehnter 33-jähriger Asylbewerber aus Nigeria verübt einen Brandanschlag auf das Ausländeramt der Kreisverwaltung Borken. Er bespritzt einen Sachbearbeiter und die Möbel mit Benzin und entzündet es. Der Beamte kann noch rechtzeitig flüchten.

taz 12.12.98

 

Mitte Dezember 98

 

Bundesland Thüringen – Landkreis Gotha. Der 17-jährige Flüchtling Kisema Kamara aus Sierra Leone muß seit langem mit ungeheuren Schmerzen leben, denn seit Ende des Jahres 1997 wird ihm eine notwenige Operation seines Unterschenkels verweigert. Bereits im März 98 wurde die Operation seines gebrochenen und deformierten Beines von amtsärztlicher Seite für notwendig befunden.

    Erst als Kisema Kamara aufgrund seiner starken Schmerzen und aufgrund der Ignoranz der Behörden die Kontrolle verliert und die Fensterscheiben des Büros im Gehrener Flüchtlingsheim zerstört, wird seine Situation bekannter.

    Nachdem ein Mitarbeiter der Kirchlichen Hochschule Wuppertal eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung gegen die verantwortlichen MitarbeiterInnen im Landratsamt Ilm-Kreis gestellt hat, werden der Flüchtling selbst und der ihn unterstützende Asylbewerber Julius B. mit Anzeigen wegen Verleumdung bedroht.

    In seiner Verzweiflung und in seinem Zorn beginnt Kisema Kamara ein zweites Mal, die Fenster der Sozialstation zu zerstören. Umgehend kommt er für eine Nacht in Polizeigewahrsam und wird dann in die Landesgemeinschaftsunterkunft "Neues Haus" nach Georgenthal bei Tambach-Dietharz zwangsverteilt. Sein Freund Julius B. kommt in ein anderes Heim.

    Kisema Kamara sieht sich inzwischen einer Strafanzeige wegen Verleumdung, Sachbeschädigung und Körperverletzung gegenüber. Gegen Julius B. wurde Strafanzeige wegen Verleumdung gestellt.

    Erst durch ein Gutachten der Jenaer Universitätsklinik kann die notwendige Operation im Januar 1999 durchgesetzt werden.

    Am 5. Juni 2000 verhängt das Amtsgericht Ilmenau gegen die Vorsitzende des Flüchtlingsrates Thüringen wegen "übler Nachrede" einen Strafbefehl über 60 Tagessätze zu 50 DM. Der Flüchtlingsrat hatte in einer Pressemitteilung Aussagen Kisema Kamaras zitiert (!).

BeZ 19.11.98; FR 21.11.98;

FR 26.11.98; FR 27.11.98; jW 5.12.98; FR 16.12.98;

FRat Thür Info Nr. 9; FRat Thür Info Nr. 4/98;

FRat Thür Info Nr. 1/99; TA 6.1.99;

FRat Thüringen 25.9.00; D.I.R. 11.10.00

 

17. Dezember 98

 

Prenzlau in Brandenburg. Eine afrikanische Asylbewerberin wird in einem Linienbus von mehreren Deutschen beschimpft und beleidigt. Sie wird mit Gegenständen beworfen, und sie wird getreten.

BeZ 24.12.98;

Ethnische Säuberungen in Berlin und Brandenburg 1999 , S. 19

 

17. Dezember 98

 

Rüsselsheim in Hessen. Morgens um 5.30 Uhr kommt die Polizei ins Flüchtlingsheim am Flörsheimer Weg, um das kurdische Ehepaar S. und ihre drei Kinder zur Abschiebung abzuholen. Die Familie versucht, die Eingangstür mit einem Schrank zu blockieren, was nur kurzfristig gelingt. Die Eltern und die 12, 15 und 18 Jahre alten Kinder werden zum Teil nur leicht bekleidet, aber in Handschellen zur Rüsselsheimer Polizeiwache gebracht. Von dort erfolgt die Abschiebung über den Flughafen Frankfurt am Main nach Istanbul.

    Noch auf dem Flughafen wird Herr S. festgenommen. Ihm wird Unterstützung der kurdischen Befreiungsbewegung vorgehalten. Als er nach mehreren Wochen aus der Haft entlassen wird, bleibt er weiter unter Polizeiaufsicht.

    Die Familie, die zunächst unter unwürdigen Bedingungen in Istanbul lebt, kehrt im Laufe des Jahres 2000 in ihre Heimatregion in den Osten der Türkei zurück.

    Hier geschieht es, daß Herr S. auf offener Straße von mehreren Männern in Zivil angegriffen und durch viele Schüsse niedergestreckt wird. Die Verletzungen sind so schwer, daß er sich noch Ende des Jahres 2001 im Krankenhaus befindet – er kann sich weder bewegen noch sprechen.

    Im September 2002 erliegt er seinen schweren Verletzungen.

Rüsselsheimer Echo 9.1.99; VDAS

 

21. Dezember 98

 

Ein 16-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan wird im brandenburgischen Rathenow von vier Deutschen überfallen und beraubt und durch Schläge und Tritte verletzt.

    Unmittelbar nach der Tat werden die Täter festgenommen.

Opferperspektive;

FR 23.12.98; BeZ 23.12.98;

MAZ 23.12.98; BeZ 24.12.98

 

24. Dezember 98

 

Zwei jugendliche Flüchtlinge aus der Mongolei (14 und 15 Jahre alt) werden nachts in der Nähe des Bahnhofs von Königs Wusterhausen angegriffen und ins Gesicht geschlagen. Sie erleiden Prellungen.

Opferperspektive

 

26. Dezember 98

 

Der äthiopische Flüchtling Tesfa Bizuneh stürzt sich im Universitätsklinikum München aus dem Fenster des 3. Stockes und erliegt seinen Verletzungen.

    Sein Suizid wurde von der All Amhara Peoples Organisation (AAPO), der er angehörte, bekannt gemacht und auf Angst vor Abschiebung und Verfolgung zurückgeführt.

IMEDANA 26.2.00 (AAPO);

Herzog/Wälde: "Sie suchten das Leben"

 

27. Dezember 98

 

Im baden-württembergischen Kehl an der deutsch-französischen Grenze wird ein Flüchtling aus Mazedonien verletzt aufgefunden. Er hat Schürfwunden am Rücken, an der linken Schulter und auf der Schädeldecke.

BT-Drucksache 14/1850

 

28. Dezember 98

 

Ahmed Tebbal, algerischer Flüchtling in Abschiebehaft in Hamburg, befindet sich seit zwei Wochen im Hungerstreik. Er sitzt im Untersuchungsgefängnis, ein Ort, in den er nach seinem letzten Abschiebeversuch verlegt wurde.

    Ahmed T. sagt, er werde lieber sterben, als abgeschoben zu werden. Er hat in den letzen Monaten drei Abschiebungen verhindern können. Einen über den Flughafen Hamburg und zwei über Berlin. Auf dem Weg von Hamburg nach Berlin wurde Ahmed T. beide Male während der gesamten Fahrtdauer an Händen und Füßen gefesselt. Aufgrund seiner Gegenwehr verweigerten die Piloten jedesmal die Mitnahme des Algeriers.

    Ahmed T. floh 1993 in die BRD, nachdem sein Vater in Algerien verhaftet worden war und seither verschwunden ist. Seine Mutter floh mit seinen drei Geschwistern nach Frankreich.

FR 28.12.98;

Glasmoorgruppe 12.1.99

 

 

 

 

Im Jahre 1998

 

Der Kurde Mustafa Boylu, der wegen Verfolgung, Festnahme und Folterung in der Türkei 1994 einen Asylantrag gestellt hatte, wird abgeschoben.

    Nach der Abschiebung wird er festgenommen und von der Staatsanwaltschaft beim Staatssicherheitsgericht Istanbul vernommen. Ihm wird PKK-Mitgliedschaft vorgeworfen.

    Am 21. Juni 99 wird er wieder festgenommen, in der Anti-Terror-Abteilung Bingöl verhört und unter Folter zu umfangreichen Aussagen gezwungen.

    Eine Widerrufung dieser Aussagen nützt Mustafa Boylu nichts, denn am 23. Juni 99 wird er wegen der "Schwere der Schuld" in Haft genommen. Auch das Staatssicherheitsgericht Diyarbakir verlängert diese Haft noch einmal mit derselben Begründung. Später wird Mustafa Boylu freigesprochen.

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000

 

 

Im Jahre 1998

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Der Kurde Ba. (Haftbuchnummer 3054) hat ein Monokelhämatom. Die offizielle Erklärung, der Bluterguß sei als Folge eines Sturzes oder einer Selbstschädigung entstanden, wird vom Beirat des Abschiebegefängnisses angezweifelt. Der Gefangene wird trotz seines schlechten psychischen Zustandes kurz darauf in die Türkei abgeschoben.

Bericht des Beirates für den Abschiebegewahrsam 24.9.99

 

 

Im Jahre 1998

 

Abschiebehaft in der JVA Mannheim. Bei dem siebten Versuch, den Flüchtling Mohammed Makkar abzuschieben, wird ihm in Frankfurt ein Zettel in die Hand gedrückt, auf dem steht: "Ich bin ein Esel, und ich will nicht fliegen." Dieser Zettel wird ihm später wieder weggenommen. Auf die Dienstaufsichtsbeschwerde der Rechtsanwältin hin wird die Existenz dieses Zettels von einer Polizeibeamtin in Mannheim und von mehreren Beamten der Abschiebegruppe Rastatt bestätigt.

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim 1.11.98

 

 

Im Jahre 1998

 

Abschiebehaft in der JVA Mannheim. Obwohl ärztliche Atteste dem Gefangenen I. D. eine paranoide Schizophrenie bescheinigen und die Notwendigkeit medikamenteller Behandlung beschreiben, wird I. D. weder psychisch behandelt noch werden ihm die Medikamente gegeben.

    Die Behandlung beginnt erst, als er während eines Hungerstreiks ins Gefängniskrankenhaus Hohenasperg verlegt wird.

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim, Mai 99

 

 

Im Jahre 1998

 

Der Flüchtling P. B. befand sich ein Jahr lang in Abschiebehaft in der JVA Mannheim. In dieser Zeit scheiterten zwei Abschiebungen, weil er nervlich zusammenbrach. Erst nach seiner Entlassung aus der Abschiebehaft wird ihm mit dem Attest einer unabhängigen psychiatrischen Klinik fachärztliche Behandlungsbedürftigkeit bescheinigt. Seine schwere Psychose war in der Haft nur mit ruhigstellenden Medikamenten behandelt worden.

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim, Mai 99

 

 

Im Jahre 1998

 

Abschiebehaft in der JVA Mannheim. Ein Flüchtling wird bei einem Abschiebeversuch mißhandelt. Eine Amtsärztin attestiert, daß keine sichtbaren äußeren Verletzungen vorliegen. Erst eine Woche später stellt ein Unfallchirurg fest, daß er eine Schädelprellung und eine Brustkorbprellung links erlitten hat – Verletzungen, die in der Abschiebehaft weder erkannt noch behandelt wurden.

AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim, Mai 99

 

 

Im Jahre 1998

 

Mustafe Bajraktari wird aus Kronach – getrennt von seiner Familie – nach Belgrad abgeschoben. Dann wird er über zwei Wochen lang in einem Polizeikeller in Mitrovica mißhandelt. Nur durch eine sofortige Such-meldung, die die Familie aufgegeben hat, und wahrscheinlich durch die Anwesenheit einer ausländischen Delegation vor Ort kommt Mustafe Bajraktari frei.

    Er flieht erneut in die BRD und stellt hier einen Asylfolgeantrag.

FRat Bayern, Infodienst, Nr. 62/63

 

 

Im Jahre 1998

 

Der kurdische Flüchtling und abgelehnte Asylbewerber Özcan Yildiz wird in die Türkei abgeschoben. Unmittelbar nach der Landung des Flugzeugs in Istanbul erfolgt seine Verhaftung durch die Polizei.

    Nach einer einjährigen Haft kommt er frei und flieht erneut in die BRD. Erst jetzt erhält er politisches Asyl.

Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum

 

 

Im Jahre 1998

 

Jena in Thüringen. Ein 35 Jahre alter togoischer Flüchtling, abgelehnter Asylbewerber, reist aufgrund der Ausweglosigkeit seiner Situation und aus Angst vor einer gewaltsamen Abschiebung "freiwillig" nach Togo zurück. Einige Monate später erfolgt seine Verhaftung und dann seine Unterbringung in einem illegalen Gefängnis. Hier erleidet er Folter und andere Mißhandlungen und muß Zwangsarbeit leisten. Nach zweieinhalb Jahren gelingt ihm die Flucht, und mit der Unterstützung von Freunden erreicht er im Januar 2001 die BRD. Im Januar 2005 wird sein Asylfolgeantrag abgelehnt.

Antirassistische Initiative Berlin

 

 

Im Jahre 1998

 

Berlin. Im Jahre 1998 haben drei Selbsttötungsversuche in Abschiebehaft stattgefunden. Die Jahre 1990 bis 1997 sind statistisch von den Behörden nicht erfaßt.

(hier dagegen sind vier Fälle dokumentiert)

Kleine Anfrage der PDS-Fraktion in Berlin Nr. 923 – 18.7.00