zur Hauptseite                                                       Zusammenfassung  1993 - 1995

Kürzel-Erklärung

Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und
ihre tödlichen Folgen 
1994

 

1. Januar 94

Brandanschlag auf einen von mehr als vierzig Flüchtlingen bewohnten Wohncontainer in Speyer in Rheinland-Pfalz. BewohnerInnen können das Feuer frühzeitig löschen.

taz 3.1.94; Konkret 3/94, S. 35

 

1. Januar 94

Etwa zehn deutsche Frauen und Männer dringen in ein Flüchtlingsheim im niederbayerischen Straubing ein und treten acht Türen ein. Die Polizei nimmt drei Personen fest.

taz 3.1.94; Konkret 3/94, S. 35

 

1. Januar 94

Sechs Deutsche greifen ein Flüchtlingsheim in Eppertshausen im Landkreis Darmstadt-Dieburg an.

taz 3.1.94

 

4. Januar 94

Weil sein Asylantrag abgelehnt wurde, versucht der Flüchtling Fessou Lawson-Djecky, heimlich nach Togo über Cotonou (Benin) zurückzukehren. Er war vor seiner Flucht als Mitglied der Union Togolais Démocratique (UTD) verfolgt worden, und auch jetzt erfährt er schon drei Tage nach seiner Einreise, daß Militärs zu Hause nach ihm gesucht haben.

    Er muß untertauchen und flieht erneut in die BRD.

Aktion Abschiebestop

 

5. Januar 94

Nachdem der Asylantrag abgelehnt worden ist, werden Abdurrahman und Ayse T. und ihre sieben Kinder in die Türkei abgeschoben. Sie werden alle direkt am Flughafen Istanbul verhaftet und ohne Essen und Trinken in einen Keller gesperrt. Herrn T. wird vorgeworfen, die PKK unterstützt zu haben. Nach der Freilassung am nächsten Tag wird Abdurrahman T. am Busbahnhof von drei Zivilisten in ein Auto gezerrt und mit verbundenen Augen an einen Ort gebracht, wo er 14 Tage lang verhört und gefoltert wird, bis er – wieder mit verbundenen Augen – weggefahren und in Bayrampasa aus dem Auto geworfen wird.

    Nachdem Abdurrahman T. seine Familie wiedergefunden hat, fahren alle in ihren Heimatort Handak bei Cizre. Dort ist ihr Haus inzwischen von sogenannten Dorfschützern besetzt. Als sie auf ihr Wohnrecht hinweisen, schlägt ein Dorfschützer Frau T. mit einem Gewehrkolben ins Gesicht, so daß sie einen Nasenbeinbruch erleidet und ohnmächtig wird. Herr T. flieht.

    Ayse T. kommt zunächst bei ihrer Mutter in der Provinz Idil unter, wird jedoch weiterhin ständig von Militär und Dorfschützern bedroht. Sie wird mehrmals nachts von Soldaten abgeholt und muß sich gynäkologische Zwangsuntersuchungen gefallen lassen.

    Im August 1995 flüchtet Ayse T. mit zwei ihrer Kinder erneut in die BRD. Ihr Mann flieht zunächst in den Irak. Erst im April 1996 gelingt auch ihm die Flucht nach Deutschland.

    Im Oktober 1999 stellt das Verwaltungsgericht Freiburg bei Herrn T. die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG fest. Die Geschichte von Frau T. hält das Gericht zwar für glaubwürdig, jedoch nicht für asylrelevant. Die Zwangsuntersuchungen seien nur durchgeführt worden, um Herrn T.s habhaft zu werden. Da dieser sich aber nun in Deutschland befinde, seien "derartige Maßnahmen aus Sicht der türkischen Sicherheitskräfte nicht mehr erforderlich."

FRat Bayern, Dokumentation Mai 95;

FRat NieSa, Rundbrief 33, Febr. 96;

Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, April 97 und Sept. 98;

Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000;

Dokumentation vom FRat NieSa, Juli 2002

 

6. Januar 94

Kressbronn in Baden-Württemberg. Das Auto eines Flüchtlings aus dem ehemaligen Jugoslawien wird von einem Unbekannten direkt vor dem Flüchtlingsheim mit einem Molotow-Cocktail in Brand gesteckt.

Konkret 3/94, S. 35

 

12. Januar 94

Der Flüchtling Comla Gbati Nadjombe aus Togo wird über Frankfurt und Amsterdam nach Lomé abgeschoben. Die ihn begleitenden deutschen Polizisten übergeben ihn und 20 weitere Abgeschobene am Flughafen Lomé direkt dem Militär. Die Unterlagen über die Asylverfahren werden an die togoischen Beamten übergeben.

    Die Gefangenen kommen in verschiedene Lager und Gefängnisse. Comla Gbati Nadjombe ist in einer Gruppe, die zum Arbeitsdienst in Ketten tags und nachts gezwungen werden. In Kara wird er vom Sohn des Diktators Eyadema persönlich gefoltert. Dieser schneidet ihm immer wieder in den Bauch und gibt dann Chili in die offenen Wunden.

    Er muß erleben, wie einer seiner Mitgefangenen im Camp RIT in Lomé den Raubtieren vorgeworfen wird. Als ein anderer Mitgefangener stirbt, wird er gezwungen, die Leiche den Raubtieren zum Fraß vorzuwerfen.

    Nach 19 Monaten in Gefangenschaft gelingt ihm mit Hilfe eines Offiziers die Flucht aus dem Gefängnis und außer Landes. Er flüchtet erneut in die BRD.

Aktion Abschiebestop;

Oldenburger Stachel Nr. 2/98

 

14. Januar 94

Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Ludwigshafen-Oppau in Rheinland-Pfalz. Durch die entstehende Panik unter den BewohnerInnen werden zwei Personen verletzt, und acht Personen kommen wegen Rauchvergiftung in medizinische Behandlung.

taz 15.1.94; BeZ 15.1.94;

Konkret 3/94, S. 36; BeZ 18.7.00

 

14. bis 16. Januar 94

Abschiebegefängnis Herne in Nordrhein-Westfalen. An drei aufeinanderfolgenden Tagen setzen mehrere Abschiebegefangene ihre Zellen in Brand. Sie verletzen sich dabei teilweise schwer.

Off limits Nr. 6 Okt. 1994*, Aktion Knastmucke

 

15. Januar 94

Hamburg. Als der 44-jährige Asylbewerber Dialle D. aus dem Senegal abends an der Nachthaltestelle "Neuer Pferdemarkt" wartet, kommen zwei Männer auf ihn zu, packen ihn und schlagen ihm ins Gesicht. "Solche Mütze darfst du nicht tragen," sagt einer und zeigt auf D.'s Mütze, die den Schriftzug trägt: "Gebt Nazis keine Chance". Dann zerren sie ihn in einen Baucontainer und traktieren ihn weiter mit Schlägen.

    D.'s Hilferufe werden von einem Taxifahrer gehört, der die Polizei ruft. Wegen seines blutenden Auges und seines schmerzenden Fußes läßt sich Dialle D. ins Krankenhaus fahren.

    Als er am nächsten Morgen in einer Polizeiwache Anzeige erstatten will, stellt sich heraus, daß die Täter selbst Polizisten waren. D.'s Paß wird einbehalten, sein Aufenthaltsstatus wird neu überprüft, und am 11. April erhält er von der Ausländerbehörde die Ausreiseaufforderung.

    Sieben Monate nach dem Überfall erfährt der Anwalt von Dialle D. durch Akteneinsichtnahme, daß die polizeilichen Täter zu Geldstrafen verurteilt werden sollten.

    Als das Geschehnis im September in die Schlagzeilen gerät, werden andere Rechtsbrüche der Polizei bekannt. Es stellt sich heraus, daß in den letzten sechs Jahren 130 Strafverfahren gegen Beamte wegen Körperverletzung im Amt, Strafvereitelung, Freiheitsberaubung und Nötigung gestellt wurden und keiner von den Beamten aufgrund seiner Taten verurteilt wurde. Hamburgs Innensenator tritt daraufhin zurück.

taz 8.9.94;

Polizeiübergriffe 1996;

Herzog/Wälde: "Sie suchten das Leben"

 

15. Januar 94

Nach einer Protestaktion der Gefangenen im Abschiebegefängnis Herne wird Youssef L. in das Gefängnis Krümmede nach Bochum verlegt. Dort muß er drei Tage lang halbnackt im sogenannten Bunker verbringen. Er bekommt Angst um sein Leben, als am dritten Tag 15 Schließer in die Zelle kommen und ihn zusammenschlagen.

Off limits Nr. 6 Okt./Nov. 1994

 

19. Januar 94

Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Dannstadt bei Ludwigshafen durch eine selbstgebastelte Rohrbombe. Von den 100 BewohnerInnen wird niemand verletzt.

taz 20.1.94; Konkret 3/94, S. 36

 

19. Januar 94

Ein 27-jähriger Flüchtling aus dem Iran droht auf dem Dach eines fünfstöckigen Hauses in der Grindelallee in Hamburg, sich das Leben zu nehmen. Er kann durch seinen Rechtsanwalt von seinem Vorhaben abgebracht werden und kommt ins Krankenhaus..

    Sein Asylantrag war nach 10 Jahren im Dezember zum zweiten Mal abgelehnt worden.

taz 21.1.94

 

19. Januar 94

Zwei Brandanschläge auf ein Gebäude des Gutes Uslar-Reitliehausen in Niedersachsen, in dem bosnische Kriegsflüchtlinge untergebracht sind. Die Anschläge wurden vorher telefonisch angekündigt. Es wird niemand verletzt.

Konkret 3/94, S. 36

 

21. Januar 94

Murtaza Özüner, kurdischer Flüchtling, wird aus Hildesheim in die Türkei abgeschoben, nachdem er drei Tage zuvor auf der Ausländerbehörde von zwei Zivilbeamten festgenommen worden war. Noch auf dem Flughafen Istanbul wird er auf die Polizeiwache gebracht und dann eine Woche lang festgehal-

ten. Ihm wird vorgeworfen, daß er durch die Antragstellung auf Asyl das "Ansehen" der Türkei schwer geschädigt habe, und er wurde zu eventuellen politischen Aktivitäten in der BRD gefragt. Er wird beleidigt und beschimpft.

    Auch nach seiner Freilassung wird er beobachtet, verfolgt, von der Polizei "besucht", zu Verhören vorgeladen, als Lügner bezeichnet und zu seinem in der BRD lebenden Bruder ausgefragt. Er fühlt sich dermaßen bedroht, daß er erneut an Flucht denkt.

FRat Bayern, Dokumentation Mai 95

 

26. Januar 94

In der Flüchtlingsunterkunft in Humboldt-Gremberg wird gezielt ein Brandanschlag gegen eine bosnische Roma-Familie verübt. In der Folge dieses Anschlags sterben am 7. Februar die 61-jährige Raina Jovanovic und am 12. März die

11-jährige Jasminka.

Nazi-Morde 1989-1999

 

27. Januar 94

Der 25-jährige Son Ha Hoang übergießt sich im Ostpark in München-Ramersdorf mit Benzin und tötet sich durch Selbstverbrennung. Er sollte nach Vietnam abgeschoben werden, wo er wegen seiner oppositionellen Arbeit im Gefängnis gesessen hatte. In der BRD erfuhr er, daß seine Familie in Vietnam unter Druck gesetzt wurde und daß seine Mutter sich inzwischen das Leben genommen hatte.

    Son Ha Hoang hatte als Vertragsarbeiter seit Juli 1987 in der DDR gelebt. Ende 1990 kehrte er nach Vietnam zurück, inwieweit "freiwillig", ist nicht bekannt. Im Winter 1991 floh er über Moskau, Polen und die damalige Tschechoslowakei wieder nach Deutschland zurück und beantragte Asyl. Gegen den negativen Bescheid des Bundesamtes hatte er Klage eingereicht, über die vermutlich noch nicht entschieden war, denn seine Aufenthaltsgestattung wurde am 11. Januar bis Mitte Mai verlängert.

Münchner Abendzeitung 28.1.94;

 SD 11.2.94; Spiegel 27.6.94;

FRat NRW; Pro Asyl*; UNITED (IRR; CARF; ESG);

"Polizeiübergriffe gegen Ausländerinnen und Ausländer" 1994 ;

Herzog/Wälde: "Sie suchten das Leben"

 

1. Februar 94

Ein unbekannter Flüchtling aus Zaire, der als "blinder Passagier" auf einem deutschen Frachtschiff entdeckt wird, wird von der Mannschaft über Bord geworfen und ertrinkt.

UNITED (Off limits);

Nazi-Morde 1989-1999

 

2. Februar 94

Der 31 Jahre alte russische Flüchtling Jourii Wladimirowitz N. übergießt sich im Ausländeramt im niederbayerischen Pfarrkirchen mit Benzin und zündet sich an. Ihm war in dem Amt mitgeteilt worden, daß er innerhalb eines Monats die BRD zu verlassen habe, da sein Asylantrag abgelehnt sei. Er kommt mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus.

    Nach seiner Genesung wird er abgeschoben.

BeZ 3.2.94; taz 3.2.94;

 Polizeiübergriffe 1994;

Ökumenisches Kirchennetzwerk Bayern

 

4. Februar 94

In Uslar bei Northeim in Niedersachsen zünden unbekannte Täter ein von sechs bosnischen Flüchtlingen bewohntes dreigeschossiges Haus an. Es wird niemand verletzt.

taz 7.2.94; Konkret 4/94, S. 22

 

6. Februar 94

Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Geisenheim in Hessen. Die Täter legen mit einem Brandsatz im Treppenhaus Feuer. Es wird entdeckt und gelöscht, bevor größerer Schaden entstehen kann.

Konkret 4/94, S. 22

 

7. Februar 94

Der Kurde Riza Askin wird nach Ablehnung seines Asylantrages in die Türkei abgeschoben. Als die türkischen Beamten in seinem Gepäck Gegenstände mit PKK-Emblemen finden, wird er mit Schlägen traktiert. Nach Übergabe an die politische Polizei wird er nackt ausgezogen, an ein Metallkreuz gebunden und dann mit eiskaltem Wasser abgespritzt. Als er weiterhin schweigt, bekommt er Kabel an die Augenlider, den Penis und die Zehen gelegt, und dann werden Stromschläge durch seinen Körper geleitet. Nach zwei Tagen Folterungen unterschreibt er ein Geständnis.

    Er wird zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Kurz nach der Verurteilung gelingt Herrn Askin die Flucht in die Schweiz, wo er als Asylberechtigter anerkannt wird. Unterdessen hatte auch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Ablehnungsbescheid seines Asylantrages in Abwesenheit aufgehoben.

    Riza Askin erhebt schwere Vorwürfe gegen Beamte der "Abschiebegruppe" Rastatt, ihm das belastende Material in den Koffer gelegt zu haben.

    Gleiche Vorwürfe werden von anderen Betroffenen im Sommer 1997 erhoben.

FRat Bayern, Dokumentation Mai 95;

nah & fern Heft 17 Februar 1995;

Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, April 97 und Sept. 98;

FR 12.9.97

 

9. Februar 94

Eine Flüchtlingsunterkunft in Mainz brennt vollständig nieder. Die 40 BewohnerInnen können sich unverletzt ins Freie retten. Die Brandursache bleibt unklar.

Konkret 4/94, S. 23

 

10. Februar 94

Brandstiftung in einem von Flüchtlingen aus dem Libanon und Syrien bewohnten Haus in Berlin-Neukölln. Verletzt wird niemand.

Konkret 4/94, S. 23

 

19. Februar 94

Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Tübingen, in dem bosnische Familien untergebracht sind. Das Feuer wird frühzeitig entdeckt, so daß nur Sachschaden entsteht.

taz 21.2.94;

Konkret 4/94, S. 23

 

25. Februar 94

In einem Wald bei Trebnitz in Brandenburg überprüfen Polizisten einen PKW, in dem drei rumänische Männer nächtigen. Die Beamten eröffnen gegen die unbewaffneten Rumänen das Feuer, wodurch ein 18-jähriger Mann tödlich in den Rücken getroffen wird.

    Am 29. Dezember 95 werden die Polizisten zu Bewährungsstrafen von sieben bzw. zehn Monaten verurteilt.

MOZ 28.2.94;

BeZ 1.3.94; MOZ 1.3.94; MOZ 3.3.94;

Polizeiübergriffe 1994;

taz 19.10.95; taz 30.12.95;

Bürgerrechte & Polizei/CILIP 50/1995;

Polizeiübergriffe 1996

 

Februar 94

Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Ein Flüchtling aus dem Sudan wird in der Diskothek Space von Deutschen brutal zusammengeschlagen. Die Polizei nimmt das blutüberströmte Opfer, nicht die Täter fest. Ärztliche Hilfe bekommt der Sudanese erst, als sein Mitbewohner in der Flüchtlingsunterkunft einen Krankenwagen ruft.

Polizeiübergriffe 1994

 

11. März 94

In der Nähe der sächsischen Ortschaft Zittau wird ein unbekannter männlicher Flüchtling tot aus der Neiße geborgen. Er ist ertrunken.

Antirassistische Initiative Berlin; FFM; BGS

 

13. März 94

Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Vellmar bei Kassel. Die Täter schieben eine brennende Tapete durch ein Fenster, wobei das Bett eines 23-jährigen schlafenden Türken Feuer fängt. Er kann das Feuer löschen.

taz 14.3.94; Konkret 4/94, S. 40

 

15. März 94

Flüchtlingsheim Reinsdorf bei Zwickau in Sachsen – abends um 23.00 Uhr. Aufgrund eines Streites zwischen der palästinensischen Familie Kafafis und einer türkischen Frau innerhalb des Heimes wird die Polizei gerufen. Es erscheinen ca. 30 Beamte und wollen den sofortigen Umzug der Eheleute Kafafis und ihrer sieben Kinder durchsetzen. Die Bitten von Abdul Rahman Kafafi, bis zum nächsten Tag zu warten, werden nicht gehört. Drei Kinder werden geschlagen, dem Vater werden stählerne Handschellen angelegt. Er wird – zusammen mit seiner Frau – in den Zwickauer Polizeigewahrsam gebracht. Die Kinder schreien, fliehen in Planik und müssen "eingefangen" werden. Der 18-jährige Marwan Kafafi, schwer körperbehindert und stumm, versucht sich in seiner Angst mit einem Feuerzeug anzuzünden. Das Feuer wird frühzeitig gelöscht – er muß mit schweren Herzbeschwerden ins Krankenhaus.

    Auf der Polizeiwache wird Herr Kafafi mit einem zusätzlichen Plastikseil gefesselt und dann von drei Polizisten in den Magen geboxt und getreten. Er erbricht Blut. Ein Arzt wird auch auf sein Bitten hin nicht geholt. Er muß die Nacht – nackt ausgezogen – in der Gewahrsamszelle verbringen.

    Unter dem Vorwand, die Familie hätte fünf Kilogramm Sprengstoff und drei Pistolen versteckt, werden die Räume der Familie im Heim durchsucht. Die Beamten finden drei Spielzeugpistolen aus Plastik.

taz 10.8.94

 

16. März 94

Bad Endorf in Bayern. Nach einer nächtlichen Verfolgungsjagd stoppt eine Polizeistreife den Wagen eines 22-jährigen albanischen Asylbewerbers aus dem Kosovo. Als der Fahrer trotz Aufforderung nicht aussteigt, schießt ihn ein Polizeibeamter in den Kopf. Der Flüchtling stirbt.

taz 18.8.94; taz 19.3.94;

Polizeiübergriffe 1994;

Bürgerrechte & Polizei/CILIP 50/1995

 

16. März 94

Bei einem Großbrand in der Stuttgarter Altstadt, Geißstraße 7, sterben zwei Kinder, fünf Erwachsene und ein ungeborenes Kind. Sechzehn Personen müssen zum Teil schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht werden; 27 Personen kommen körperlich unversehrt davon.

    Das Feuer war gegen 3.30 Uhr im hölzernen Treppenhaus ausgebrochen, hatte sich schnell auf alle fünf Stockwerke ausgebreitet und versperrte den BewohnerInnen damit den einzigen Fluchtweg.

    Eine Mutter, ihre zweijährige Tochter, ein kroatisches Ehepaar, eine im neunten Monat schwangere Türkin und deren vierjährige Tochter kommen in den Flammen um. Eine 57 Jahre alte Frau stirbt bei dem Sprung aus dem Fenster.

    Nach dem Brand kommen die dubiosen Machenschaften des Pächters an die Öffentlichkeit. In dem Haus lebten ausschließlich MigrantInnen – einige Zimmer waren an Pakistani ohne Papiere vermietet. Von den 50 Menschen, die in dem Gebäude lebten, waren nur 27 gemeldet. Keine der Personen hatte einen Mietvertrag.

    Oberbürgermeister Manfred Rommel gibt sich erleichtert: "Gott sei Dank" gebe es keine Hinweise auf eine ausländerfeindliche Tat.

    Erst im Juli 1995 wird ein 25-jähriger Deutscher als mutmaßlicher Täter ermittelt. Die Anklage geht von siebenfachem Mord aus. Ihm werden 16 weitere Brandstiftungen in Baden-Württemberg zur Last gelegt, und sein häufigstes Motiv ist: "Haß auf Ausländer". Oft hinterließ er an seinen Tatorten Zettel, auf die Hakenkreuze gemalt oder Parolen wie "Kanaken raus" geschrieben waren. Trotzdem geht die Staatsanwaltschaft davon aus, "daß für den Anschlag" auf das Haus in der Geißstraße "kein ausländerfeindliches Motiv zu erkennen ist".

    Im Mai 1996 wird er zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.

taz 19.7.95; taz 24.4.96; taz 24.5.96;

StN 16.3.00; Eßlinger Ztg 16.3.04

 

17. März 94

Pirna in Sachsen. In den frühen Morgenstunden wird der 43-jährige Kurde Murat Fani mit seiner Frau Ayse und ihren fünf Kindern in Polizeibegleitung nach Istanbul abgeschoben, nachdem die Asylanträge abgelehnt worden sind. Schon am Flughafen Istanbul wird die ganze Familie für 24 Stunden festgenommen. Nachdem sie am nächsten Tag freikommen, wird Murat Fani noch am Flughafen von der politischen Polizei festgenommen. An den ersten drei Verhörtagen wird er so geschlagen, daß ihm ein Zahn im Unterkiefer zerbricht. Nach neun Tagen Haft wird er mit einer Augenbinde versehen, an einen unbekannten Ort gebracht und dort freigelassen.

    Am 9. November kommt Polizei in die Wohnung der Familie Fani in Mersin am Mittelmeer. Die Beamte schlagen auf die Eheleute ein und nehmen schließlich Herrn Fani mit. Er wird mit Elektroschocks gequält, wird an den Händen aufgehängt, mit Eiswasserstrahlen beschossen und immer wieder geschlagen. Mit dem Vorwurf, Angehöriger der PKK zu sein oder Angehörigen der PKK Unterschlupf geboten zu haben, wird er in Untersuchungshaft behalten. Im Laufe des Verfahrens vor dem Staatssicherheitsgericht in Konya kommt Murat Fani auf freien Fuß.

    Im Herbst 1995 flieht er erneut in die BRD und wird hier als Asylberechtigter anerkannt.

taz 16.4.94, taz 18.4.94, taz 24.4.94,

taz 6.5.94, taz 21.6.94;

FRat Bayern, Dokumentation Mai 95;

nah & fern Heft 17 Februar 1995;

Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, April 97 und Sept. 98

 

22. März 94

Ein männlicher Flüchtling wird in der Nähe der brandenburgischen Stadt Guben gefunden. Er ist beim Grenzübertritt in der Neiße ertrunken.

Antirassistische Initiative Berlin; FFM; BGS

 

März 94

Obwohl das Asylverfahren des kurdischen Flüchtlings Ismet Bozdag noch nicht abgeschlossen ist, wird er in die Türkei abgeschoben. Dort erfolgt die Verhaftung und Mißhandlung durch Angehörige staatlicher Organe. Als er nach 15 Tagen freigelassen wird, flüchtet er in den Untergrund. Der für die Abschiebung verantwortliche Landkreis Osterholz bei Bremen entschuldigt sich mit der Begründung, die Abschiebung sei "aus Versehen" geschehen. Erst am 5. November 1996 (!) gelingt es nach mehreren Versuchen und nochmaliger Abschiebung am Frankfurter Flughafen, Ismet Bozdag nach Deutschland zurückzuholen.

jW 7.11.96; FR 8.11.96

 

6. April 94

Morgens um 6.00 Uhr kommt die Polizei in drei Mannschaftswagen und mit Hunden in das Flüchtlingsheim in Pirna bei Dresden und teilt der Familie Cetin mit, daß sie in einer Stunde ihre Sachen gepackt haben müsse, denn sie sollen abgeschoben werden. Noch am gleichen Morgen werden Ramazan und Zybeyde Cetin zusammen mit ihren fünf Kindern von Berlin-Schönefeld über Warschau in die Türkei geflogen. Auf dem Flughafen Istanbul werden alle sofort verhaftet und in eine Polizeikaserne gebracht. Dort verbringen sie drei Tage in einem Kellerraum – ohne zu essen und zu trinken zu bekommen. Auch der Gang zur Toilette wurde ihnen verwehrt. Herr Cetin wird oft aus der Zelle geholt und mit Gummiknüppeln und Fäusten ins Gesicht, auf die Fußsohlen und in die Nierengegend geschlagen. Ein einziges Mal durfte Herr Cetin mit seinem sechsjährigen Sohn auf die Toilette gehen. Als sie wieder zurückgehen wollten, wurde der Vater festgehalten und verprügelt – immer wieder wurde sein Kopf gegen die Wand geschlagen. Auch der weinende Mükail wird geschlagen. Die neunjährige Nursel erzählt später, daß die Mutter von einem Polizisten geschlagen worden ist und daß ihr Blut aus dem Mund gelaufen sei. Herr Cetin wurde an den Handgelenken unter Strom gesetzt.

    Nach drei Tagen wird die Familie entlassen – ihr Geld wurde einbehalten. Sie müssen sich bei Verwandten Geld für die Fahrkarten leihen, um nach Adana zu fahren, wo sie sich aus Angst vor weiterer Verfolgung verstecken.

taz 16.4.94; taz 18.4.94; taz 25.4.94;

taz 5.5.94; taz 6.5.94; taz 21.6.94;

Polizeiübergriffe 1994;

FRat Bayern, Dokumentation Mai 95

 

8. April 94

In Gräveneck im Kreis Limburg-Weilburg in Hessen legt ein 30-jähriger aus Weinbach vor einem Flüchtlingsheim Feuer. Es wird in seinen Anfängen entdeckt und gelöscht.

Konkret 6/94, S. 25

 

9. April 94

Strullendorf im Kreis Bamberg in Bayern. Vier jugendliche Deutsche überfallen ein Flüchtlingsheim und bedrohen einen Algerier mit einem Messer. HeimbewohnerInnen können die Angreifer vertreiben.

taz 11.4.94; Konkret 6/94, S. 25

 

12. April 94

In Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern werden in der Nacht vier afrikanische Flüchtlinge von mehreren Deutschen mit Motorrädern verfolgt und mit Knüppeln und Steinen angegriffen. Zwei Flüchtlinge werden schwer verletzt – die Täter entkommen.

taz 13.4.94

 

12. April 94

Die Kurdin Gülizan Doruk wird mit ihren fünf minderjährigen Kindern von Nienburg über Hannover nach Istanbul abgeschoben. Nach ihrer Ankunft werden sie alle in einer Haftanstalt in der Nähe des Flughafens 11 Tage lang festgehalten. Es gibt hier keine Waschgelegenheit – auch kein Wasser. Verpflegung muß Frau Doruk von einem vorbeikommenden Mann kaufen. Es ist sehr heiß in der Zelle, und die Fenster dürfen nicht geöffnet werden. Als die beiden Söhne, Hassan und Ali, vor Angst Brech-Durchfälle bekommen, wird die Luft zur Qual.

    Vor den Augen ihrer Kinder wird Frau Doruk geschlagen, bespuckt, beleidigt und bedroht, weil die Beamten den Aufenthaltsort ihres Mannes erfahren wollen. Auch ihre älteste Tochter Fidan wird geohrfeigt, geschubst und beleidigt, als sie ihre Mutter verteidigen will.

    Nach ihrer Freilassung hält sich die Familie versteckt – flüchtet später erneut in die BRD.

    Erst aufgrund eines Hungerstreikes des in Deutschland zurückgebliebenen Ehemannes und Vaters Ibrahim Doruk und aufgrund der engagierten Unterstützung einer Bürgerinitiative am Wohnort Uchte wird die Familie nach zweieinhalb Jahren als asylberechtigt anerkannt.

FRat Bayern, Dokumentation Mai 95;

FRat NieSa, Rundbrief Nr. 33, Febr. 96; FR 6.2.97;

Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, April 97 und Sept. 98;

 

13. April 94

Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in der Ortschaft Windeck bei Siegburg in Nordrhein-Westfalen. Aus einem vorbeifahrenden Wagen wird eine Brandflasche ins Haus geworfen. Menschen kommen nicht zu Schaden.

taz 14.4.94; Konkret 6/94, S. 26

 

14. April 94

Einem 32-jährigen Asylbewerber aus Vietnam wird in Groß-Ziethen bei Berlin von einem Unbekannten mit einer Luftdruckwaffe direkt ins Gesicht geschossen. Er erleidet schwerste Augenverletzungen.

BeZ 16.4.94

 

Mitte April 94

Bundesland Brandenburg, polnisch-deutsche Grenze nahe der polnischen Stadt Gubin. Die Rumänen Petrică Asaftei und C. U. durchqueren die Neiße, um das deutsche Ufer zu erreichen. C. U. hat einen Plastiksack bei sich, in dem sich die Kleider und Papiere der beiden befinden. Petrică Asaftei erreicht nicht das andere Ufer – er gilt seitdem als vermißt.

    Der 19-Jährige Petrică Asaftei – geboren in Fălticeni, Kreis Suceava – war am 6. April 94 zusammen mit drei Rumänen von seinem Wohnort Suha (Kreis Suceava) nach Deutschland aufgebrochen. Die vier Männer kamen gegen den 9. April in der Nähe von Gubin an. Wenige Tage später wurden Petrică Asaftei und C. U. von der polnischen Polizei verhaftet, am selben Tag wieder freigelassen und mit einem Zug Richtung Rumänien zurückgeschickt. Beide stiegen jedoch an der nächsten Bahnstation wieder aus, fuhren zurück an die Grenze und versuchten den Grenzübertritt durch die Neiße, bei dem Petrică Asaftei verschwand.

    Die anderen beiden Rumänen erreichen einen Tag später die deutsche Seite.

    Nachdem die drei Rumänen in die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt kommen, werden sie ca. zwei Wochen später nach Rumänien zurückgeschoben.

    Nachforschungen zum Verbleib von Petrică durch seinen Bruder beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes, bei ITAKA (Centrum Poszukiwań Ludzi Zaginionych – Zentrum für die Suche nach Vermißten) sowie bei der deutschen und polnischen Grenzpolizei bleiben bis ins Jahr 2014 erfolglos.

Bericht des Bruders Neculai Asaftei; BAMF 3.3.14;

Polizei Eberswalde (Vermißtenstelle) 4.4.14;

DRK-Suchdienst 7.11.14;

Antirassistische Initiative Berlin

 

15. April 94

Gegen 15 Kurden, die nach den Protesten und Widerstandsaktionen vom 19. März (Newroz-Fest) festgenommen wurden, hat das Land Bayern Ausweisungen verfügt. Aus Angst vor der Abschiebung hat ein Gefangener einen Selbsttötungsversuch unternommen.

taz 16.4.94

 

15. April 94

Ein Flugkapitän der Lufthansa im Interview im Hessischen Rundfunk: "...Vor der hinteren Treppe lag ein Nigerianer in Rückenlage, die Hände auf dem Rücken gefesselt, die Augen weit aufgerissen, die Hose durch das Handgemenge tief heruntergeschoben. Ein BGS-Beamter mit einem Knie auf der Brust des Nigerianers war damit beschäftigt, den hilflosen Mann mit einem Klebeband einzuwickeln. Die Nasenlöcher des Mannes waren gerade noch frei – zum Luftschnaufen. Blut am Klebeband. Auch die Beine wurden mit Klebeband umwickelt, Oberschenkel, die Füße und nochmals von oben nach unten, wie eine Rolle Teppichboden für den Transport fertiggemacht...".

    Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem Nigerianer um Kola Bankole. Nachdem er sich bei einem ersten Abschiebeversuch heftig gewehrt hatte, war ihm jetzt eine mittlere Dosis des Antidepressivums Doxepin verab-reicht worden. Trotzdem wehrte er sich wieder heftig, so daß auch diese Abschiebung abgebrochen wurde.

    Bei dem sechsten Versuch, Kola Bankole abzuschieben, stirbt er im Flugzeug. (siehe 30. August 94)

IPPNW 1.6.99; UNBEQUEM 12/99

 

17. April 94

Senden bei Ulm in Baden-Württemberg. Morgens um 6.45 Uhr treffen zehn Polizeibeamte der Polizeidirektion Krumbach in der Brahmsstraße in Senden ein. Sie treten die Haustür ein, denn die kurdische Familie Ay soll abgeschoben werden. Ali Ay ist schon auf dem Weg zur Arbeit, seiner Frau Seyran und den sechs Kindern wird gesagt, daß sie ihre Sachen packen sollen. Dann kommen sie ins Sendener Rathaus in Abschiebehaft. Alle haben große Angst vor der Abschiebung. Frau Ay wehrt sich nach Kräften, sie schreit, weint, tritt um sich. Ihre Hände werden ihr auf dem Rücken in Handschellen gebunden, und auch ihre größere Tochter wird mit Gewalt abgeführt. In Panik und Verzweiflung schlägt sie immer wieder den Kopf gegen die Scheibe des Einsatzfahrzeuges.

    Enge Familienmitglieder des Ehepaares waren in der Türkei ermordet worden. Frau Ays Eltern wurden im Südosten der Türkei gefoltert, und Ali und Seyran Ay hatten berechtigte Angst, in die Türkei zurückkehren zu müssen. Seyran Ay und die Kinder werden noch am gleichen Tag über den Franz-Josef-Strauß-Flughafen in München in die Türkei abgeschoben.

    In Istanbul lebt die Familie unter ständiger Bewachung und Beobachtung durch die türkische Polizei – und immer in der ständigen Angst, ins Kriegsgebiet nach Kurdistan abgeschoben zu werden. Den vier älteren Kindern gelingt dann im Juli 94 erneut die Flucht in die BRD, wo sie mit ihrem inzwischen asylberechtigten Vater wieder zusammenkommen. Frau Ay sitzt nach einem mißglückten Fluchtversuch weiterhin mit ihren zwei jüngsten Kindern in Istanbul fest

FRat Bayern, Dokumentation Mai 95

 

20. April 94

Bei einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft in Gieboldehausen bei Göttingen kommt ein 40 Jahre alter albanischer Flüchtling ums Leben. Das Opfer soll den Brand selbst gelegt haben.

taz 22.4.94; Konkret 6/94, S. 26

 

21. April 94

Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in der Kleinstadt Zeithain in Sachsen. BewohnerInnen des Heimes, in dem 200 Menschen leben, können das Feuer löschen.

taz 4.6.94; Konkret 6/94, S. 26

 

21. April 94

Komlan Kotor, Flüchtling aus Togo, wird nach Moskau abgeschoben, nachdem er zwei Tage vorher in Frankfurt am Main Asyl erbeten hatte. Ihm wurde nicht die Möglichkeit gegeben, Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.

    Nach mehrtägigem Aufenthalt in Moskau landet seine Maschine am 28. April in Lomé. Noch auf dem Flughafen wird er festgenommen. Beamte finden seine Asylunterlagen, aus denen hervorgeht, daß er als Mitglied der Convention Démocratique des Peuples Africains (CDPA) und der Egpemog verfolgt wurde, und verhören ihn unter Schlägen.

    Er kommt in das Gefängnis von Adidogome und muß sich eine 5-Quadratmeter-Zelle mit 15 Personen teilen. Schlafen ist nur in der Hocke möglich, wodurch seine Knie stark geschädigt werden. Er muß Zwangsarbeit leisten und erlebt, wie einige Mitgefangene durch Strapazen und Krankheiten sterben.

    In der Nacht zum 28. August 95 wird er von einem Wachsoldaten befreit. Am 16. September erreicht er zum zweiten Mal die Bundesrepublik Deutschland.

Aktion Abschiebestop

 

22. April 94

Um 20.30 Uhr werden in Burg bei Magdeburg zwei Flüchtlinge aus Togo von vier Jung-Nazis beschimpft, gestoßen und mit Eisenstangen, einem Messer und mit einer Schußwaffe bedroht. Beim Weglaufen werden ihnen die Eisenstangen hinterhergeworfen. Die Opfer flüchten in eine Polizeiwache und bitten dort um Hilfe. Sie sind über eine Stunde in der Wache – aber Hilfe wird ihnen nicht gewährt. Sie müssen allein und zu Fuß zurück in ihre Unterkunft.

    Es ist das zweite Mal, daß die beiden Togoer von Deutschen durch die Stadt gehetzt wurden. Bereits am 26. Februar wurden sie nahe der Diskothek "Flickschuhpark" von sechs Männern verfolgt.

taz 10.6.94;

Polizeiübergriffe 1994

 

25. April 94

Paderborn in Nordrhein-Westfalen. Auf dem Hinterhof des Flüchtlingsheimes beschimpfen vier Nazi-Schläger zwei Jungen aus dem ehemaligen Jugoslawien und bedrohen sie mit einer Schußwaffe. Auf die Hilferufe hin kommen BewohnerInnen hinzu und vertreiben die Angreifer.

taz 26.4.94;

Konkret 6/94, S. 26

 

25. April 94

Eine Rumänin wird in der Nähe der sächsischen Ortschaft Rothenburg tot aus der Neiße geborgen. Ihr Ehemann und ihr Kind erreichten das deutsche Ufer lebend.

Antirassistische Initiative Berlin; FFM; BGS;

Kleine Anfrage PDS-Fraktion in Brandenburg Nr. 996

 

27. April 94

Die Polizei erscheint um 4.30 Uhr im Flüchtlingsheim im Kasseler Stadtteil Harleshausen und gibt der Familie Baysan wenige Minuten Zeit, ihre Sachen zu packen. Herr Baysan ist vorerst nicht betroffen, denn er hat einen Asylfolgeantrag gestellt, dessen Entscheid noch aussteht.

    Doch die 39-jährige Halmine Baysan und ihre fünf Kinder im Alter zwischen sieben und fünfzehn Jahren müssen das Flugzeug nach Istanbul besteigen. In Istanbul gelandet werden alle sechs Familienmitglieder sofort in Haft genommen. Frau Baysan und zwei ihrer älteren Kinder erleiden in den nächsten drei Tagen schwerste Folter. Am vierten Tag werden sie mittellos entlassen.

    Frau Baysan ist am Kopf verletzt, und ihr Arm wird gebrochen. Einen Monat später kann sie immer noch nicht auf ihren Füßen stehen, denn sie hat infolge der Mißhandlungen in Haft massive Rückenprobleme und Lähmungserscheinungen. Da ihnen alles Geld abgenommen wurde, können sie sich keine medizinische Behandlung leisten.

    Frau Baysan lebt dann mit ihren Kindern kurze Zeit bei Verwandten in der Nähe von Izmir. Als sie merkt, daß sie von Polizeispitzeln ständig verfolgt und beobachtet wird, fährt sie zu Verwandten in den Bezirk Bingöl. Aber auch hier wird nach ihr gefahndet, und sie flieht wieder zurück in den westlichen Teil der Türkei.

FRat Bayern, Dokumentation Mai 95

 

28. April 94

In der Gemeinde Kenzingen bei Emmendingen in Baden-Württemberg brennt ein Flüchtlingsheim völlig aus. Niemand wird verletzt. Die Polizei hält Brandstiftung für möglich.

BeZ 29.4.94;

Konkret 6/94; S. 26

 

April 94

Ein Flüchtling aus Zaire wird morgens um 5.00 Uhr aus seiner Unterkunft abgeholt und in Begleitung von zwei Polizisten nach Kinshasa abgeschoben. Dort erfolgt seine sofortige Verhaftung durch Soldaten, und er kommt in eine Arrestzelle am Flughafen.

    Nach drei Tagen erfolgt seine Verlegung in das Camp Mobutu, wo er in eine kleine Zelle über lange Zeit eingesperrt wird.

    Mit Hilfe eines Offiziers, mit dem seine Familie bekannt ist, kann er fliehen. Von Angola aus gelingt es ihm durch Unterstützung der Kirche, wieder nach Deutschland zu kommen.

Aktion Abschiebestop

 

5. Mai 94

Owusu Mensa aus Ghana, 26 Jahre alt, erhängt sich mit Handtüchern an einem Fensterkreuz in der JVA Stadelheim in München.

    Owusu Mensa kam im Februar 1992 nach Deutschland und lebte in München. Als er im Januar 1994 von der Ausländerbehörde eine Ausreiseverfügung erhielt und die Aufforderung, sich um Heimreisedokumente zu kümmern, tauchte er unter. Einige Wochen später wurde er von der Polizei auf der Straße kontrolliert, verhaftet und nach Stadelheim gebracht. Nach vier Wochen beendete er sein Leben.

    Die Polizei schreibt in ihrem Bericht: "Abschiedszeilen wurden nicht gefunden. Das Motiv dürfte in der drohenden Abschiebung zu suchen sein."

Pro Asyl*; Berl. Ztg 4.6.94;

SZ 9.9.95; UNITED (ESG);

LT DS Bayern 14/3299;

IMEDANA 26.10.00 ;

Herzog/Wälde: "Sie suchten das Leben"

 

5. Mai 94

Als dem 23 Jahre alten kurdischen Journalisten Abdul Mecit Duman eröffnet wird, daß seine Abschiebung bevorsteht, bittet er den zuständigen Grenzschutzbeamten, ihn lieber in Deutschland lebenslänglich einzusperren oder ihn in jedes andere Land zu schicken, aber keinesfalls in die Türkei zurückzuschieben, da er dort um sein Leben fürchte. Seine Bitten bleiben ungehört. Er landet am selben Tag um

14.55 Uhr mit der Linienmaschine LH 3812 in Istanbul.

    Abdul Mecit Duman wird am Flughafen nicht verhaftet, hält sich allerdings sofort versteckt, weil im Zusammenhang anderer Verhaftungen in Adana nach ihm gefahndet wird. Er soll seine Schreibmaschine PKK-ERNK-Aktivisten zur Verfügung gestellt haben.

FRat Bayern, Dokumentation Mai 95

 

6. Mai 94

In Berlin-Weißensee überfallen 15 Skinheads Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Sie treten die Wohnungstür ein, demolieren die Kücheneinrichtung. Die Täter können – bis auf zwei Mädchen, die festgenommen werden – fliehen.

taz 9.5.94; Konkret 7/94, S. 30

 

9. Mai 94

Ein 20-jähriger Flüchtling aus Algerien erliegt seinen Verletzungen, die er durch einen Zellenbrand in der Justizvollzugsanstalt Dresden am 1. Mai erlitten hat. Er befand sich hier seit dem 23. April in Abschiebehaft.

    Nach dem Brand, der schon am 23. April war, hieß es in den Pressemitteilungen: "Nach bisherigen Erkenntnissen liegt eine Suizidhandlung vor".

Sächsisches Staatsministerium für Justiz, 11.5.94

 

12. Mai 94

"Herrentag" in Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Bei rassistischen Überfällen machen 50–60 Deutsche, unterstützt von Mitläufern aus der Bevölkerung, Jagd auf MigrantInnen und Flüchtlinge. Den Angreifern stellen sich nur Ausländer und wenige Deutsche entgegen. Gegen die Polizei werden u.a. folgende Vorwürfe erhoben:

    Ein 20-jähriger afrikanischer Asylbewerber wird von Skinheads getreten und flüchtet direkt in die Arme eines Polizisten. Dieser stößt ihn auf den Boden, bringt ihn in die Polizeidirektion, wo er sich bis auf die Unterhose ausziehen muß und sich erst nach Stunden wieder ankleiden darf. Er wird verhört und bittet wiederholt um ärztliche Hilfe, die ihm jedoch verwehrt wird. Bis zur Freilassung am nächsten Morgen um 5.00 Uhr muß er die Nacht mit anderen Gefangenen in einer kalten Zelle ohne Sitzgelegenheiten, ohne Versorgung und auch zunächst ohne Decken zubringen.

    Ein irakischer Asylbewerber wird beim Verlassen eines Restaurants von Deutschen brutal mit Baseballschlägern mißhandelt. Polizisten nehmen das Opfer fest. Sowohl bei der Festnahme als auch auf dem Revier schlagen und treten die Beamten auf den Iraker ein.

    Ein 20-jähriger Araber wird in Magdeburg-Cracau von einem Skin angegriffen, geboxt und geschlagen, bis ihm die Flucht vor dem viel stärkeren Deutschen gelingt.

    Der irakische Flüchtling Yusef Barzan ist auf der Flucht vor Baseball schwingenden Jugendlichen, als er zwei Polizeiautos sieht, aus denen drei Beamte aussteigen. Statt ihm zu helfen, wird er von einem Polizisten zu Boden geworfen, ein anderer versetzt ihm mit dem Gummiknüppel einen Schlag gegen die Schulter und tritt ihm in die Hoden. Als Yusef Barzan protestiert, wird ihm geantwortet: "Halt die Klappe, Hund." Er wird ins Polizeiauto geworfen und erhält auch hier weiterhin Schläge durch die Beamten. Er wird zur Wache mitgenommen, muß sich dort ohne Begründung nackt ausziehen und wird dann in einer anderen Wache zusammen mit ca. 15 weiteren Ausländern untergebracht. In der Zelle gibt es keine Betten, und erst morgens um 5.00 Uhr wird er entlassen.

    Yusef Barzan ist ein Mann, der bereits 10 Monate in irakischen Gefängnissen einsaß und dort schwer gefoltert worden war. Im August 1991 hatte er Finger an beiden Händen verloren, als er versucht hatte, eine Bombe zu entschärfen. Seit 1992 lebt er in der BRD.

Nach den Krawallen werden 15 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet. Alle beschuldigten Beamten werden entlastet. Ein Beamter, der zunächst suspendiert worden war, wird 1995 freigesprochen.

    Es werden 86 mutmaßliche Täter der Krawalle ermittelt. Bis 1995 werden davon acht zum Teil zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sechs von ihnen gehen in Berufung. Sieben Verfahren werden eingestellt.

Spiegel 21/94; taz 3.6.94; taz 9.6.94; BeZ 9.6.94;

taz 10.6.94; taz 13.6.94; BeZ 14.6.94; taz 17.6.94;

Polizeiübergriffe 1994;

BeZ 8.6.95; ak 380/1995¸ ai Mai 95;

Polizeiübergriffe 1996; MVZ 14.5.04

 

16. Mai 94

Mit einem Brandbeschleuniger werden die Holzfassaden des Containerdorfes Schulteßdamm 18 in Hamburg-Wellingbüttel in Brand gesetzt. Zufällig bemerkt ein Bewohner der Flüchtlingsunterkunft das Feuer, so daß es gelöscht werden kann. Im Heim leben Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus der Republik Moldau.

taz 19.5.94

 

17. Mai 94

In Lüneburg schießen zwei Männer aus einem fahrenden Auto auf eine Flüchtlingsunterkunft. Es wird niemand verletzt.

Konkret 7/94, S. 30; BeZ 18.5.94

 

20. Mai 94

Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Zwei Flüchtlinge werden auf dem Weg in ihre Unterkunft aus einem langsam neben ihnen fahrenden Klein-LKW heraus zunächst beleidigt (Fuck-off-Zeichen) und dann bedroht, indem der Fahrer einen Baseballschläger hervorholt. Als die Bedrohten fliehen wollen, versperrt der Wagen ihnen den Weg und kommt so zum Stehen.

    Aus dem hinteren Teil des LKW steigen mehr als vier deutsche Männer aus, bewaffnet mit Baseballkeulen und Bierflaschen und gehen auf die Asylbewerber zu. Diese drehen sich um, rennen in die entgegengesetzte Richtung und hören noch Bierflaschen neben sich zerschellen. In dem Krankenhaus Pfeifferstraße finden sie Schutz vor den Angreifern.

taz 10.6.94

 

21. Mai 94

Berlin-Wedding. Zwei Polizisten nehmen einen vietnamesischen Asylbewerber auf der Seestraße fest und durchsuchen ihn. Im Polizeiwagen wird der Mann von einem Beamten so heftig in den rechten Bauchbereich geboxt, daß er ohnmächtig wird. Dann stoßen sie ihn aus dem Wagen. Passanten rufen einen Rettungswagen. Im Krankenhaus wird bei dem Vietnamesen ein Rippenbruch festgestellt.

Polizeiübergriffe 1994;

BeZ 15.4.95; taz 14.10.95; Polizeiübergriffe 1996

 

21. Mai 94

Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Hauzenberg im Kreis Passau. Im Heim leben 77 Menschen, von denen niemand verletzt wird.

    Als Täter wird ein 18-jähriger Deutscher ausgemacht.

taz 24.5.94; BeZ 24.5.94;

Konkret 7/94, S. 30

 

22. Mai 94

Ein 27-jähriger Asylbewerber aus dem Tschad wird vor einer Diskothek in Halle in Sachsen von 10 bis 15 Deutschen zusammengeschlagen. Er erleidet schwere Schädelverletzungen und Prellungen und muß ins Krankenhaus eingeliefert werden.

    Auch eine 23-jährige Frau aus Erlangen, die ihm zu Hilfe kommen will, wird zu Boden geschlagen. Die umstehenden ca. 30 Personen greifen nicht ein.

BeZ 24.5.94; BeZ 25.5.94; BeZ 27.5.94;

taz 25.5.94; taz 27.5.94; Konkret 7/94; S. 30;

Polizeiübergriffe 1994

 

22. Mai 94

Im Magdeburger Stadtteil Cracau werden zwei afrikanische Flüchtlinge aus einem vorbeifahrenden Auto heraus mit einer Flasche beworfen.

Konkret 7/94; S. 31

 

24. Mai 94

In der Nähe von Görlitz im Bundesland Sachsen wird ein unbekannter männlicher Flüchtling aus der Neiße geborgen. Er ist ertrunken.

Antirassistische Initiative Berlin; FFM; BGS;

Kleine Anfrage der PDS-Fraktion in Brandenburg Nr. 996

 

26. Mai 94

In einem von Flüchtlingen und SozialhilfeempfängerInnen bewohnten Haus in Linz am Rhein in Rheinland-Pfalz bricht ein Feuer aus. Ursache unbekannt.

Konkret 7/94, S. 31

 

29. Mai 94

Der zwei Tage zuvor aus der Abschiebehaft in Wuppertal abgeschobene Inder Kuldeep Singh wird von der Flughafenpolizei in Neu-Delhi ermordet. Sein Leichnam weist Spuren von Elektroschocks und schweren Schlägen auf. Die Polizei hatte für seine Freilassung 500,- DM "Lösegeld" verlangt, die seine Eltern allerdings nicht aufbringen konnten.

UNITED (Pro Asyl);

 Off limits Nr. 6 Okt./Nov. 1994;

Spiegel 27.6.94; FR 27.6.95;

Komitee f. Grundrechte u. Demokratie 4.12.98

 

Mai 94

Im Berliner Stadtteil Pankow werden die zwei vietnamesischen Asylbewerber L. und T. von vier Zivil-Polizisten verfolgt. Es gelingt ihnen, sich längere Zeit in einem Abwasserkanal zu verstecken. Als sie jedoch wieder herauskommen, fallen die Polizisten über sie her. L. wird mehrmals ins Gesicht geschlagen und dann zurück in den Kanal gezerrt. Hier versetzt ihm ein Beamter Karateschläge in den Nacken.

    Als polizeiliche Verstärkung eintrifft, wird L. gefragt, wo seine Zigaretten seien. Er antwortet nicht und wird wieder geschlagen und schließlich gezwungen, ca. 20 Minuten lang in dem kniehohen Wasser des Abwasserkanals hin- und herzulaufen.

    Seinem Begleiter T. wird von einem Beamten die Pistole gegen den Magen gehalten, während er durchsucht wird. Dann erhält er einen Tritt gegen den Oberschenkel, so daß er zu Boden fällt. Der Polizist packt T. am Genick und versetzt ihm einen schweren Fausthieb gegen das Kinn, so daß T. Blut spucken muß. Inzwischen fleht er den Beamten an, mit den Schlägen aufzuhören. Ein anderer Polizist nimmt ihn hoch und wirft ihn in den Abwasserkanal.

    Nachdem die Polizisten wieder abgezogen sind, hat L. derart große Schmerzen im Gesicht, daß er nicht essen kann. Herr T. behandelt seine Verletzungen selbst und traut sich die nächsten zwei Monate nicht mehr auf die Straße.

ai Mai 95

 

Mai 94

Der Vietnamese N., der sich ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde seines Landkreises in einem östlichen Berliner Bezirk aufhält (Residenzpflicht), wird von zwei Zivil-Beamten angehalten, die ihn zu zwei uniformierten Kollegen bringen.

    Einer packt ihn an seiner Jacke und fragt: "Wo sind die Zigarretten?" Als N. sagt, daß er keine habe, wird er zu Boden geworfen. Dann wird er hochgezerrt und in einen Polizeikombi gebracht. Auch im Wagen wird er auf den Boden gestoßen und dann brutal in die Rippen und den Magen geschlagen. N. schreit vor Schmerzen und verliert das Bewußtsein. Schließlich wird N. aus dem Bus geworfen. Passanten, die seine Hilfeschreie hören, bringen ihn in ein nahegelegenes Schwimmbad und rufen einen Notarzt.

    Ein medizinisches Gutachten, das noch am Nachmittag gemacht wird, bestätigt, daß N. eine Rippenfraktur davongetragen hat.

    Im September 1994 wird ein Beamter wegen Körperverletzung im Amt, ein anderer wegen Strafvereitelung angeklagt.

ai Mai 95

 

1. Juni 94

Als ein kurdischer Asylbewerber in Wiesloch bei Heidelberg von der Polizei zur Abschiebung abgeholt werden soll, beginnt er, sich gegen den Abtransport zu wehren. Ein Polizeibeamter schießt ihm zunächst in die Beine und anschließend in den Bauch. Er kommt schwerverletzt ins Krankenhaus.

BeZ 2.6.94

 

2. Juni 94

Der abgelehnte Asylbewerber Zhou Zhe Gun (Zhe Gun Thou) aus China, 43 Jahre alt, tötet sich nach dreimonatiger Abschiebehaft in der JVA Volkstedt (Halle).

    Nach Auskunft der Gefängnisleitung erhängte er sich im Waschraum mit zusammengeknoteten Socken an einem herunterhängenden alten Kabel. Als die Selbsttötung bekannt wird, verbarrikadieren sich die übrigen 30 Abschiebegefangenen, zerstören die Fensterscheiben ihrer Zellen und drohen, die Abschiebebaracke anzuzünden.

    Der Direktor des Gefängnisses hatte die Ausländerbehörde über die Selbsttötungsabsichten des Gefangenen informiert und gebeten, dessen Abschiebehaft zu beenden. Die Ausländerbehörde hatte darauf ablehnend reagiert.

taz 4.6.94, taz 15.6.94;

VM 4.6.94; Pro Asyl*;

UNITED (Off limits; CARF);

BeZ 4.6.94; Spiegel 27.6.94;

Polizeiübergriffe 1994;

nah & fern Heft 17 Februar 95

 

6. Juni 94

Ein Asylbewerber wird im brandenburgischen Luckenwalde von vier Neonazis angegriffen und verletzt. Die Täter entkommen unerkannt.

Chronik rechtsextremer Gewalt in Deutschland seit 1990

 

15. Juni 94

Ein 19-jähriger Mann, der "illegal" aus Rumänien eingereist ist, wird von einem Polizisten in Kyritz im Landkreis Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg durch einen Kopfschuß getötet. Der Beamte spricht von einem Unfall, denn der Schuß aus der entsicherten Pistole habe sich bei einem Schlag ins Genick des Rumänen gelöst. Im rumänischen Konsulat wird von einem Mord ausgegangen und die mangelnde Kooperationsbereitschaft der deutschen Behörden verurteilt.

    Am 20.8.96 wird der Beamte vom Landgericht Neuruppin wegen fahrlässiger Tötung zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

KlaroFix; Konkret 8/94, S. 26; BeZ 18.6.94;

BeZ 21.6.94; BeZ 29.6.94;

Polizeiübergriffe 1994;

Bürgerrechte & Polizei/CILIP 50/1995;

FR 30.6.99

 

22. Juni 94

Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in der Herner Straße 87 in Bochum. Der 9-jährige Esam Chandin erstickt im brennenden Haus. Sein Vater und seine fünf Geschwister kommen mit Verletzungen ins Krankenhaus. 27 Menschen werden obdachlos.

Nazi-Morde 1989-1999;

"hoch die – kampf dem" CD Bild Nr. 83_07

 

23. Juni 94

Brandstiftung im Flüchtlingsheim im Knabeweg in Hamburg-Osdorf. Die nur sechs Personen, die in dem Gebäude wohnen, werden von den Flammen überrascht und können sich in letzter Minute retten. Der Westflügel des Gebäudes wird durch das Feuer völlig zerstört.

taz 24.6.94; taz 25.6.94;

Konkret 8/94, S. 27

 

29. Juni 94

Als der 28-jährige Algerier Moussa Daoudi in der Ausländerbehörde Homberg in Hessen erfährt, daß sein Asylantrag abgelehnt worden ist, durchquert er den Raum und springt durch das offene Fenster in die Tiefe. Er ist sofort tot.

ZDF "Kennzeichen D", 16.11.94;

Pro Asyl

 

29. Juni 94

Aus Angst vor Abschiebung erhängt sich ein 19-jähriger kurdischer Asylbewerber in der JVA Vechta in Niedersachsen. Er saß in Einzelhaft, weil er zu mehreren Gerichtsterminen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht erschienen war.

KlaroFix;

Komitee f. Grundrechte u. Demokratie 4.12.98

 

30. Juni 94

Bundesland Niedersachsen. In Hannover wird der 17-jährige kurdische Asylbewerber Halim Dener beim Kleben von ERNK-Plakaten erwischt, verfolgt und von einem Polizei-Beamten in Zivil erschossen. Ein Gutachten des Landeskriminalamtes ergibt, daß sich Halim Dener im Polizeigriff befunden haben muß, als ihn die tödliche Kugel in den Rücken traf.

    Der Schütze, Klaus T., Beamter eines Sondereinsatzkommandos (SEK), wird am 27.Juni 97 von dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung von der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Hannover freigesprochen. Das Gericht billigt dem Todesschützen zu, sich in einer Streßsituation befunden zu haben, in der er "deutlich überfordert" gewesen sei. Bei der Schußabgabe habe "die waffenführende Hand nicht mehr der bewußten Kontrolle des Beamten" unterlegen .

    Zitat aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung am 28. Juni 97: "Wenn SEK-Beamte mit der Verfolgung eines unbewaffneten 16-Jährigen hoffnungslos überfordert sind, wenn es nach Zeugenaussagen vorkommen kann, beim Laufen den Revolver zu verlieren, dann sollte der Bürger künftig in Dekkung gehen, wenn die angeblich so hochqualifizierten Spezialkommandos unterwegs sind."

    Halim Dener war als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland geflohen, nachdem sein Dorf in der Nähe von Cewlik (türkisch Bingöl) von türkischem Militär zerstört worden war und er selbst nach einer Festnahme eine Woche lang verhört und gefoltert wurde.

    Seit dem PKK-Verbot im November 1993 durch das Bundesinnenministerium ist auch die ERNK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê - Nationale Befreiungsfront Kurdistans) mit einem Unterstützungs- und Betätigungsverbot belegt.

taz 2.7.94; taz 4.5.94; taz 5.7.94;

FR 8.7.94; 12.7.94; 13.7.94;

Konkret 9/94, S. 29;

Bürgerrechte & Polizei/CILIP 50/1995;

taz 28.6.97; jW 8.10.97; HAZ 9.10.97;

Polizeiübergriffe 1998;

AZADI infodienst Nr. 136/137 April/Mai 2014

 

Juni 94

Berlin im Bezirk Pankow. Der vietnamesische Asylbewerber Nguyen T. wird zusammen mit seiner Frau am U-Bahnhof Vinetastraße von Polizeibeamten in Zivil angehalten. Nguyen T. bejaht die Frage nach unverzollten Zigaretten und will die Stange Zigaretten dem Beamten übergeben. Der Beamte ignoriert diese Geste jedoch und beginnt, auf den Vietnamesen einzuschlagen. Als dieser zu Boden stürzt, tritt der Beamte mit Füßen auf ihn ein. Sein Kollege hält währenddessen die Frau von Nguyen T. fest.

    Nguyen T. wird jetzt auf einen Hinterhof gebracht, wo er weiter mißhandelt wird. HausbewohnerInnen, die durch die Schreie des Vietnamesen aufmerksam gemacht wurden, rufen den Zivil-Beamten zu, daß sie aufhören sollen. Einer von ihnen ruft sogar die Polizei.

    Nguyen T. muß sich dann mit auf dem Rücken gefesselten Händen mit dem Gesicht nach unten auf den Rücksitz eines Polizeiwagens legen. Zwei Beamte setzen sich auf seinen Rücken, so daß er kaum Luft bekommt. Während der Fahrt zur Wache erhält er von einem Beamten immer wieder Schläge.

    Als die Schläge in der Wache fortgesetzt werden, wird Herrn Nguyen T. derart übel, daß er sich übergeben muß.

    Dann wird er unter Androhung weiterer Mißhandlungen gezwungen, ein Papier zu unterschreiben, daß die Beamten mehrere Stangen unverzollter Zigaretten bei ihm gefunden haben.

    Einen Tag später werden bei Nguyen T. zahlreiche Prellungen und eine Haarriß-Fraktur des linken Jochbeines diagnostiziert.

    Im Januar 1996 werden zwei der Polizisten, die der Körperverletzung angeklagt sind, von einem Berliner Gericht freigesprochen. Das Gericht hält die Aussagen von Nguyen T. und seiner Frau, die zum Prozeß nicht erschienen sind, für unglaubwürdig. Auch einer Augenzeugin, die die Mißhandlungen beschreibt, wird nicht geglaubt.

 ai Mai 95;

ai-Jahresbericht 1996;

ai 3.7.97

 

Juni 94

Die abgelehnte Asylbewerberin Sadi Mama wird nach Togo abeschoben. Ein Togoer, der im gleichen Flugzeug sitzt, informiert ihre Eltern. Diese stellen Nachforschungen an und fragen sogar die Polizei. Es gelingt ihnen nicht, den Verbleib ihrer Tochter aufklären. Sie gilt auch im Februar 98 noch als verschwunden.

Aktion Abschiebestop

 

Sommer 94

Frankfurt in Hessen – Straßenbahn-Haltestelle Lokalbahnhof. Mit den Worten "Haste mal 'ne Zigarette, Nigger?" wird ein 42-jähriger Afrikaner aus Sierra Leone von zwei deutschen Männern beleidigt und sofort mit schweren Schlägen und Tritten mißhandelt. Er wird mit einem komplizierten Kieferbruch und Augenverletzungen ins Krankenhaus gebracht.

FR 6.12.94

 

Sommer 94

Ein leitender Beamter der Berliner Senatsverwaltung für Inneres ordnet an, die seit Jahren übliche Praxis, rumänische Abschiebegefangene in Lumpen einzukleiden, unverzüglich zu beenden.

    Bis dato hatten männliche und weibliche Gefangene aus Rumänien anstelle ihrer eigenen Kleidung lediglich ausgemusterte Polizei-Trainingsanzüge tragen müssen. Taschen und Reißverschlüsse waren entfernt, so daß große Löcher zurückblieben und die Kleidungsstücke nicht zu schließen waren. Viele der Gefangenen trugen noch nicht einmal Unterwäsche.

    In diesen Lumpen wurden die Gefangenen für die offiziellen Polizeiakten fotografiert.

ai 3.7.97

 

3. Juli 94

Hattorf im Landkreis Osterode in Niedersachsen: Der abgelehnte Asylbewerber Sinathamby Mohanadas (Sinnathamby Shanmuganathan) aus Sri Lanka tötet sich kurz vor seiner vorgesehenen Abschiebung in einem Wald durch Erhängen. Er wurde 26 Jahre alt.

taz 8.7.94; Pro Asyl*;

SZ 9.9.95; 45/94

 

3. Juli 94

Ein nicht benannter Iraner erhängt sich in der JVA Bützow in Mecklenburg-Vorpommern.

wib 17.11.94;

 FRat NieSa, Rundbrief 30, Nov. 95

 

9. Juli 94

Zur Abschiebung werden einem Mann auf dem Flug Hände und Füße gefesselt, und er wird vom Oberkörper bis über den Mund mit Klebeband umwickelt.

IPPNW 1.6.99

 

9. Juli 94

Weil sein Asylantrag in Berlin abgelehnt wurde, springt Gabriel Juliäo Mavonda aus Angola von einem Baugerüst in den Tod. Er wurde 21 Jahre alt.

taz 18.7.94; ZAG Nr. 12*; Pro Asyl

 

9. Juli 94

In Berlin wird ein 17-jähriger Bosnier von unbekannten Tätern aus dem fahrenden S-Bahn-Zug geworfen. Die Polizei ermittelt wegen versuchten Totschlags.

Konkret 9/94, S. 29

 

12. Juli 94

Daoud Moulay, algerischer Flüchtling und seit 1992 in der BRD, wird abgeschoben und gilt seitdem als "verschwunden".

    Obwohl vier seiner Brüder sowie seine ehemaligen Arbeitgeber, die in engem Zusammenhang mit seinem Asylbegehren stehen, ermordet bzw. verschleppt wurden, betrachtet das Bundesamt das Asylbegehren von Daoud Moulay als unbeachtlich, da "der Antragsteller auch weiterhin keine Gründe vorgetragen hat, die einer Abschiebung in seine Heimat entgegenstehen".

nah & fern Heft 17 Februar 1995

 

15. Juli 94

Ein 28-jähriger Palästinenser, ein 24-jähriger Libanese und ein 24-jähriger Algerier erklettern einen Baum im Innenhof des Abschiebegefängnisses Berlin-Kruppstraße und drohen, sich zu erhängen. Sie fordern die Freilassung aller Gefangenen. Noch eine Woche vorher hatten über 50 Häftlinge mit einem Hungerstreik auf die katastrophalen Bedingungen in Abschiebehaft aufmerksam gemacht.

taz 17.7.94

 

16. Juli 94

Das Flüchtlingsheim im brandenburgischen Vetschau, in dem ca. 20 rumänische Flüchtlinge wohnen, wird von ca. 15 Deutschen mit Steinen angegriffen. Es wird niemand verletzt.

taz 18.7.94; Konkret 9/94, S. 29

 

24. Juli 94

Untersuchungshaftanstalt Kassel. Im Anschluß an eine Freistunde, um ca. 11.00 Uhr vormittags, überwältigen Abschiebegefangene einen Schließer, nehmen ihm die Schlüssel ab und öffnen die Zellentüren anderer Gefangener. Die rund 40 Abschiebegefangenen, die sich an der Revolte beteiligen, sperren den Justizvollzugsbeamten schließlich in einen Sanitätsraum und fordern zunächst ihre kollektive Ausreise in ein anderes europäisches Land.

    Kurz vor 16.00 Uhr zeigen sich einige Meuterer mit ihrer Geisel auf dem Dach. Nach 16.00 Uhr bricht im Arbeitstrakt des Gefängnisses Feuer aus. Die Männer, die aus Algerien, Marokko und wenige aus Polen stammen, sitzen zum Teil seit über einem Jahr in der Abschiebehaft. Im Laufe der zermürbenden Verhandlungen mit der Polizei reduzieren sie ihre Forderungen immer mehr und am frühen Morgen des nächsten Tages sind sie schließlich bereit, gegen Freilassung der Geisel in ein Gefängnis nach Wiesbaden gebracht zu werden.

    Als die Gefangenen mit ihrer Geisel um 9.00 Uhr in den bereitgestellten Bus einsteigen wollen, geschieht der Angriff durch eine GSG 9-Einheit. Die Gefangenen werden überwältigt und als "verschnürte Pakete" auf den Boden gelegt. Bei dieser Aktion haben die Beamten – nach Aussagen eines AP-Fotografen – "ziemlich draufgeschwartet".

    Von den 16 Männern, die angeklagt werden, sind zu Prozeßbeginn im September 1995 zwei bereits abgeschoben, zwei weitere haben sich dem Zugriff der Behörden entzogen. Acht Algerier erhalten Freiheitsstrafen von bis zu fünfeinhalb Jahren. In zwei Fällen ging der zuständige Richter weit über das beantragte Strafmaß der Staatsanwaltschaft hinaus.

    Im Januar 96 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Körperverletzung im Amt gegen zwölf Justizbeamte. Ihnen wird vorgeworfen, in den nach der Revolte folgenden zwei Tagen die Gefangenen, die am Tag nach der Revolte in die JVA Kassel-Wehlheiden verlegt worden waren, mißhandelt zu haben. Das Spektrum der Erniedrigungen reicht von "Ohrfeigen" bis zum "Spießrutenlaufen". So mußten die Gefangenen z.B. durch ein Spalier von 10 bis 20 Beamten gehen und wurden während dieses »Gassenlaufs« und auf dem Weg in die Zellen schwer geschlagen und getreten, so daß einige der Mißhandelten dauerhafte Hör- und Sehschäden davontrugen.

    Von den zehn Gefangenen, die Mißhandlungen ausgesetzt waren und dieses auch bezeugt haben, sind im Mai 1996 einige schon abgeschoben worden. Den anderen wird es nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe ebenso ergehen.

taz 26.7.94;

FR 17.1.96;

'Elwe'-Reader, Teil II, Mai/Juni 1996

 

25. Juli 94

Ein Kriegsflüchtling aus Kroatien bringt sich in einem bayerischen Polizeigewahrsam um – zwei Tage vor seiner geplanten Abschiebung.

UNITED (Jelpke); wib 17.11.94;

 BT DS 12/8583; BT DS 13/1166

 

25. Juli 94

Wasserburg am Inn – Bayern. Der Flüchting J. K. aus Jugoslawien erhängt sich an seinem Hosengürtel im Bezirkskrankenhaus Gabersee.

Bayerischer Landtag DS 14/3299;

IMEDANA 26.10.00

 

Juli 94

Im Flüchtlingslager Seeligstadt bei Bischofswerda in Sachsen werden zwei Fensterscheiben durch Gewehrschüsse zerstört.

taz 10.8.94

 

Anfang August 94

Der tamilische Flüchtling Chintana Jayasena aus dem Flüchtlingsheim Seeligstadt in Sachsen berichtet, daß er aus einem Auto heraus von Nazis mit einer Pistole bedroht wurde. Er kann fliehen.

taz 10.8.94

 

2. August 94

Der libanesische Abschiebegefangene Mohammed S. (Mahmoud S., Antirassistische Initiative Berlin) droht mit Selbsttötung durch Herunterschlucken einer zerkleinerten Rasier-klinge. Mahmoud war als einer der "Rädelsführer" der Hungerstreikenden im Abschiebegefängnis Berlin-Kruppstraße in den Polizeigewahrsam Gothaer Straße verlegt worden, um ihn zu isolieren.

    Die Beamten hätten "körperlichen Zwang" anwenden müssen, um S. die Klingenteile wieder abzunehmen, so eine Polizeisprecherin.

taz 5.8.94

 

10. August 94

Der lettische Staatsangehörige A. M. versucht sich im Haftraum der Polizeiinspektion Roding in Bayern selbst zu töten, indem er sich mit einem herausgebrochenen Stück eines Glas-bausteines eine tiefe Schnittverletzung in der Armbeuge beibringt. A. M. war zur Durchführung der Abschiebung festgenommen worden.

BT DS 13/3567

 

16. August 94

Brandstiftung in einer Unterkunft für Flüchtlinge und AussiedlerInnen in Berlin-Schöneberg. Ein politischer Hintergrund wird von der Polizei ausgeschlossen. Eine Person wird leicht verletzt.

taz 17.8.94;

Konkret 10/94, S. 20

 

20. August 94

Bei Staßfurt in Sachsen-Anhalt. Fünf Deutsche im Alter von 14 bis 21 Jahren werfen mit Steinen die Fenster des Flüchtlingsheimes in Egeln ein und demolieren vor dem Hause geparkte Autos.

Konkret 10/94, S. 20

 

21. August 94

Der kurdische Flüchtling Veysel Sarikayalar wird aus der Abschiebehaft Emden über Hannover in die Türkei abgeschoben. Auf dem Flughafen Istanbul erfolgt seine Verhaftung. Nach einer Woche, in der er auch mißhandelt wurde, wird er vom Beyolu-Gericht zur Zahlung von 1500 DM verurteilt. Er hat allerdings nur 150 DM bei sich, die ihm abgenommen werden. Mit Hilfe von Verwandten wird er dann aus der Haft entlassen. Er fährt zu seiner Schwester nach Malatya und ist kurze Zeit später verschwunden. Auch im Januar 95 weiß von seiner Familie niemand, wo er sich aufhält.

FRat Bayern, Dokumentation Mai 95

 

22. August 94

In der Nähe von Guben in Brandenburg wird ein unbekannter männlicher Flüchtling tot aus der Neiße geborgen.

Antirassistische Initiative Berlin; FFM; BGS

 

22. August 94

Zwei Abschiebegefangene in der JVA Uelzen in Niedersachsen stecken nachts ihre Zelle in Brand, wodurch sich einer von ihnen, ein 26-jähriger Mann, lebensgefährliche Rauchvergiftungen zuzieht.

Off limits Nr. 6 Okt./Nov. 1994;

 FR 23.8.94; radikal 4/95*

 

23. August 94

Während der Abschiebung – im Gewahrsam des BGS am Flughafen Frankfurt – schneidet sich der 33-jährige Flüchtling A. R. aus Usbekistan die Pulsadern auf. Die Abschiebung findet nicht statt, weil der Flugkapitän sich weigert, den Flüchtling mitzunehmen.

BT DS 13/3567

 

25. August 94

Ein algerischer Flüchtling wird in der Nähe der brandenburgischen Stadt Guben aus dem Wasser der Neiße gezogen. Er ist ertrunken.

Antirassistische Initiative Berlin; FFM; BGS;

Kleine Anfrage der PDS-Fraktion in Brandenburg Nr. 996

 

30. August 94

Rhein-Main-Flughafen Frankfurt. Es ist der sechste (!) Versuch, den 30 Jahre alten Kola Bankole nach Nigeria abzuschieben. Weil er sich auch diesmal wehrt, wird er schon massiv gefesselt von Polizeibeamten aus Rheinland-Pfalz zum 19. Polizeirevier am Flughafen Frankfurt am Main gebracht.

    Gegen 12.45 Uhr wird Bankole in einen separaten Raum getragen, um die Abschiebung vorzubereiten. Obwohl er gehunfähig gefesselt ist, versucht er sich verzweifelt zu wehren. Ihm wird für "drei bis vier Minuten" ein Knebel in den Mund gesteckt, bis er sich augenscheinlich beruhigt hat. Nach Entfernung dieses "Beißschutzes" spuckt er Blut.

    Dann wird er in verschnürter Hockstellung durch ein Spalier filmender und fotografierender BGS-Beamten getragen – dahinter folgen der Arzt Dr. Hoffmann, der Schubwesenleiter Örter und der stellvertretende Grenzschutzamtsleiter Wache.

    Als Kola Bankole im Flugzeug in den Sitz der vorletzten Reihe gezwungen werden soll, lösen die Beamten das 1 cm dicke Nylonseil, das seine Handgelenke in den Kniekehlen fixiert hatte. Der Gefangene streckt sich und zerreißt vier Plastikfesseln im Bereich der Beine. Fünf Plastikbänder, vier breite Klettbänder und die Handschellen bleiben unversehrt. Bankole wird erneut ein Knebel eingesetzt. Das ist diesmal ein 5,5 cm dickes Skisockenknäuel, durch das ein Rolladengurt gezogen ist. Dieser Knebel wird – ähnlich einer Trense beim Pferd – zwischen die Zähne geschoben – der Rolladengurt dient als Zügel. Der hinter Kola Bankole sitzende Beamte zieht diese "Zügel" dann 10 bis 15 Minuten straff und stemmt anfangs noch seine Knie gegen die Rückenlehne Bankoles.

    Während des heftigen Kampfes, bei dem es den Beamten nicht gelingt, den Flugsitzgurt zu schließen, injiziert Dr. Hoffmann dem Gefesselten und Geknebelten den Inhalt einer bereitliegenden Mischspritze (Haloperidol und Psyquil) in den linken Oberarm.

    Ein bis zwei Minuten später sackt der Körper Bankoles zusammen und der Puls wird schwächer. Der Arzt deutet dies als "nigerianertypische Selbsthypnose" und unternimmt keine Wiederbelebungsmaßnahmen. Erst nach der Feststellung fehlender Reflexe läßt der Dr. Hoffmann Knebel und Fessel entfernen, um ein EKG abzuleiten.

    Als die gerufenen Rettungssanitäter Wiederbelebungsversuche einleiten wollen, lehnt der Arzt dies – nach einer halben Stunde Reglosigkeit Bankoles – als aussichtslos ab. Kola Bankole ist tot.

    Nach Angabe der Organisation Internationale Ärzte zur Verhinderung des Atomkrieges (IPPNW) und dem Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte ist Kola Bankole erstickt.

    Pro Asyl und Kritische ÄrztInnen zitieren in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft einen Kopiloten, der berichtete, daß in einem anderen Abschiebefall ein zu einer "Paketrolle" verschnürter Mensch im Flugzeug "angeliefert" worden war. Beamte hätten den Mann geschlagen und ihn mit einem Knebel aus Textilband über den Mund "und zum Teil auch über die Nasenlöcher" ruhiggestellt.

    Laut Innenministerium sind seit dem 11. November 1994 dem BGS "alle Maßnahmen untersagt, bei denen der Mund eines Betroffenen durch Anwendung unmittelbaren Zwanges geschlossen wird."

    Im Januar 97 berichten im Bankole-Begleitarzt-Prozeß aussagende BGS-Beamten, daß sie von einem Knebelverbot nichts wüßten und Knebelungsmethoden bei Abschiebungen als Zwangsmaßnahmen nach wie vor schätzten.

    Das Verfahren gegen den Arzt wird unter Zahlung von 5000 DM wegen "geringer Schuld" eingestellt. Gegen die tatbeteiligten BGS-Beamten wird nie Anklage erhoben.

Claus Metz – AK Flüchtlinge Frankfurt;

taz 1.9.94, taz 2.9.94, taz 3.9.94,

 taz 9.9.94, taz 6.10.94, taz 14.11.94; taz 6.1.95;

BT DS 13/1166; jW 23.10.95 (Gutachten);

Pro Asyl 30.8.96; taz 18.1.97;

Pro Asyl 4.2.97; FR 5.2.97; FR 18.1.98;

Polizeiübergriffe 1998; IPPNW 13.6.99; UNBEQUEM 12/99

 

30. August 94

Ein Mann aus Nepal ertrinkt beim versuchten Grenzübertritt in der Neiße. Am 30. August treibt sein Körper bei Forst / Bademeusel nahe der deutsch-polnischen Grenze ans Ufer.

Antirassistische Initiative Berlin; FFM; BGS;

Kleine Anfrage der PDS-Fraktion in Brandenburg Nr. 996

 

August 94

Gelsenkirchen. Ein unbenannter bosnischer Flüchtling bringt sich um, nachdem ihm der Aufenthalt bei seinen Verwandten in der BRD verweigert worden ist.

UNITED (ESG)

 

Erste Woche im September 94

Das hessische Sozialministerium bemängelt, daß im Abschiebetrakt des Bundesgrenzschutzes im Flughafen Frankfurt drei afghanische Waisenkinder tagelang unter unzumutbaren Bedingungen eingesperrt sind.

taz 17.9.94

 

2. September 94

Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Romrod im Kreis Vogelsberg in Hessen. Ein direkt vor dem Heim abgestellter PKW wird mit einem Molotow-Cocktail in Brand gesetzt, und an einem zweiten Wagen sind die Benzinleitungen abgerissen. Der Täter wird festgenommen.

taz 3.9.94; Konkret 11/94, S. 20

 

4. September 94

Sechs Flüchtlinge aus Sri Lanka werden in der Nähe von Zasieki an der deutsch-polnischen Grenze tot aus der Neiße gezogen.

    Sicher identifiziert werden konnten: Sutharsan Kanthasamy, Sellaiah Subathira, Mosses Raian und Arunagiri Rasaiah. Nicht eindeutig identifiziert wurde Pava Sathiarathi.

    Nicht identifiziert, aber vermißt – und eventuell auch später aus der Neiße geborgen – sind: Lampo Kanapathippillai, Alosies Jeyaratnam und Thevek Pathmanathan.

Antirassistische Initiative Berlin; FFM; BGS

 

10. September 94

Gardelegen in Sachsen-Anhalt. Als die drei 17 und 18 Jahre alten Flüchtlinge aus Ghana, dem Sudan und Sri Lanka nachts die Straße entlang gehen, werden sie von 10 Deutschen beleidigt, beschimpft und geschlagen. Einer der Angegriffenen muß im Krankenhaus behandelt werden.

    Die Täter werden festgenommen – jedoch am nächsten Tag gegen Auflagen wieder entlassen.

taz 13.9.94; Konkret 11/94, S. 21

 

12. September 94

In der sächsischen Stadt Löbau greifen ca. 20 Deutsche das Flüchtlingsheim mit Steinen an. Die daraus folgende Massenschlägerei mit den sich wehrenden Flüchtlingen wird nach Stunden von BGS und Polizei beendet.

Konkret 12/94, S. 20

 

12. September 94

Vor dem Bahnhof in Strausberg in Brandenburg wird ein vietnamesischer Flüchtling von Deutschen überfallen. Die Täter bedrohen ihr Opfer mit dem Messer, zerreißen seine Kleidung und rauben ihm sein Bargeld. Dann stoßen sie ihn aus dem fahrenden Fahrzeug.

Konkret 11/94, S. 21

 

15. September 94

Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main. Drei Mädchen aus der Türkei im Alter von neun bis 13 Jahren werden unmittelbar nach ihrer Ankunft umgehend zurückgeschickt.

taz 17.9.94

 

Mitte September 94

Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main. Drei nigerianische Asylbewerber springen aus einem Fenster, um so ihrer Abschiebung zu entkommen. Sie werden von Beamten des Bundesgrenzschutzes verfolgt und schließlich festgenommen.

    Einer von Ihnen, ein 21-jähriger Flüchtling, kommt schwer verletzt ins Krankenhaus und muß dort operiert werden. Er bleibt auch hier unter Bewachung.

taz 17.9.94

 

17. September 94

Der 25-jährige Martin Agyare (Katom J.), Flüchtling aus Ghana, wird an einer S-Bahnstrecke nördlich von Berlin bei Hohen Neuendorf bewußtlos und lebensgefährlich verletzt aufgefunden. Sein linker Unterschenkel und zwei Zehen des rechten Fußes müssen amputiert werden. Er hat Stichverletzungen und einen Schädelbruch. Er berichtet, daß sechs Skins ihn beschimpft, geschlagen und auf ihn eingestochen hätten, bevor sie ihn aus dem fahrenden Zug stießen.

    Nach den ca. 15 AugenzeugInnen des Überfalls auf Martin Agyare, die im Zugabteil waren, wird gesucht.

(siehe auch: 22. November 97)

BeZ 24.9.94; BeZ 27.9.94;

Konkret 12/94; S. 20; taz 25.11.97;

BeZ 25.11.97; taz 26.11.97

 

18. September 94

Brand in einer Flüchtlingsunterkunft in Hamm in Westfalen. Fünf Personen erleiden Rauchvergiftungen. Nach Angaben der Polizei kann Brandstiftung nicht ausgeschlossen werden.

taz 20.9.94; Konkret 12/94, S. 20

 

19. September 94

Halle in Sachsen-Anhalt. Ein 21 Jahre alter Asylbewerber aus Marokko wird in der Innenstadt von sechs bis acht jugendlichen Deutschen überfallen. Zunächst fordern sie Zigaretten, dann wird er unter den Beschimpfungen "Kanake" und "Ausländerschwein" getreten und mit einem Rohr geschlagen

    Erst als eine 28-jährige Frau dem Marokkaner zu Hilfe kommt, flüchten die TäterInnen.

    Der Angegriffene erleidet eine Platzwunde am Hinterkopf und Prellungen im Gesicht und im Brustbereich.

taz 21.9.94; taz 22.9.94

 

25. September 94

Brandanschlag auf das Haus einer neunköpfigen Flüchtlingsfamilie aus dem ehemaligen Jugoslawien in Kirchlinteln, Kreis Verden, in Niedersachsen. Die Eltern entdecken das Feuer und können es frühzeitig löschen.

taz 26.9.94;

Konkret 12/94, S. 21

 

27. September 94

Bayrischzell. Auf dem Weg durch die Alpen stürzt ein bosnisches Ehepaar – beide um die 70 Jahre alt – in unwegsamem Gelände in eine Schlucht ab und kommt um. Sie wollten zu ihrer Tochter nach Hessen.

BT DS 13/1166;

Spiegel 3.3.97; UNITED (ZDF)

 

27. September 94

Der 30-jährige Algerier Farid Boukhit erliegt seinen schweren Verletzungen, die er am 12. Mai durch prügelnde Neonazis in Magdeburg erlitten hatte. Die Täter waren während der Krawalle am "Himmelfahrtstag" aus der Straßenbahn auf Farid Boukhit zugestürzt und hatten ihn mit Holzknüppeln zusammengeschlagen.

Was geht ab? BeZ 3.12.94;

Nazi-Morde 1989-1999

 

28. September 94

Die 23-jährige Romni Bukurjie Haliti und ihr 11-jähriger Bruder Navgim sterben in einer brennenden Flüchtlingsunterkunft bei Herford in Nordrhein-Westfalen. 74 Menschen können sich aus der Container-Wohnanlage retten. Sie und auch die beiden Toten sind Flüchtlinge aus dem Kosovo. Ursache des Feuers: Brandstiftung.

    In den letzten Jahren hat es mehrere Angriffe – auch Brandanschläge – auf die Container-Siedlung gegeben.

UNITED (taz; Jelpke; CARF);

ZDF "heute" 28.9.94; ARD "tagesthemen" 28.9.94;

 taz 29.9.94; BeZ 29.9.94 und 30.9.94

 

28. September 94

Brand in einem Flüchtlingsheim in Hannover. Aus ungeklärter Ursache gerät ein Wohnblock für zehn Personen in Brand. Es wird niemand verletzt.

Konkret 12/94, S. 21

 

30. September 94

Bei einem Brand in einem Wohnhaus in Völklingen im Saarland sterben zwei Menschen. Nach Angaben der Polizei leben in dem Hause auch AsylbewerberInnen. Die Brandursache ist unklar.

Konkret 12/94, S. 21

 

30. September 94

Brandanschlag auf ein Fachwerkhaus im niedersächsischen Bad Gandersheim, das bis vor drei Wochen noch von Flüchtlingen bewohnt war.

taz 1.10.94; Konkret12/94, S. 21

 

September 94

Die Bürgerrechtlerin Louise Peme Eseka kann durch einen Selbsttötungsversuch auf dem Flughafen Düsseldorf ihre Abschiebung stoppen und erreichen, daß ihr Asylantrag noch einmal überprüft wird. Sie wird als politisch Verfolgte anerkannt.

Off limits Nr. 6 Okt./Nov. 1994;

 FR 8.9.94*

 

September 94

Der Pakistani Peter Gill wird nach einjähriger Inhaftierung im Abschiebegefängnis Herne nach Indien abgeschoben. Auf Veranlassung der Zentralen Ausländerbehörde in Münster wird ihm ein Paß mit einem anderen Namen und mit dem Foto eines anderen Mannes mitgegeben.

    In Neu-Delhi wird er von der Polizei gewaltsam, das heißt unter Drohungen und Schlägen, verhört und nach der Herkunft des mitgeführten Passes gefragt. Nach Aussagen seiner Peiniger gehöre der Paß einem Sikh, der als Staatsfeind und Terrorist gesucht werde.

    Nach drei Tagen wird Peter Gill von den indischen Behörden nach Deutschland zurückgeschickt.

    Die versuchte Abschiebung und die tagelangen Verhöre haben ihn "extrem traumatisiert", wie ein Therapeut vom Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf bescheinigt. "Er leidet an Angstzustand und Verfolgungswahn (vor Polizisten), Schlafstörungen, begleitet von Alpträumen, Schwitzen mit Herzrasen, Hilf- und Hoffnungslosigkeit".

FRat NieSa Rundbrief 30, Okt. 95

 

3. Oktober 94

Das Flüchtlingsheim in Siendenbrünzow in Mecklenburg-Vorpommern wird von 20 Deutschen angegriffen. Die Eingangstür und eine Satellitenanlage werden zerstört.

    Eine Heimbewohnerin erleidet einen Schock. Die meisten Täter werden vorübergehend festgenommen.

Konkret 12/94, S. 21

 

5. Oktober 94

Einem Nigerianer, der sich mit aller Kraft gegen seine Abschiebung wehrt, werden auf dem Flug von Frankfurt nach Lagos Hände und Füße gefesselt, und er wird vom Oberkörper bis über den Mund mit Klebeband umwickelt.

IPPNW 1.6.99

 

6. Oktober 94

Die Leiche eines ertrunkenen Mannes aus Sri Lanka wird in der Nähe der brandenburgischen Ortschaft Groß-Gastrose aus der Neiße geborgen. (siehe auch: 4. September 94)

Antirassistische Initiative Berlin; FFM

 

6. Oktober 94

Augsburg: Ein 31 Jahre alter chinesischer Asylbewerber wird von einem Polizisten angeschossen und dabei schwer verletzt.

taz 8.10.94; Konkret 12/94, S. 22

 

9. Oktober 94

Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Vier afrikanische Flüchtlinge werden von fünf Skinheads an einer Straßenbahn-Haltestelle in der Innenstadt überfallen. Unter "Ausländer raus"-Rufen schlagen sie mit Fäusten und einer abgebrochenen Bierflasche auf ihre Opfer ein. Ein Flüchtling erleidet tiefe Schnittwunden am Oberarm.

    Erst als die Angegriffenen beginnen sich zu wehren, fliehen die Täter.

taz 10.10.94;

Konkret 12/94, S. 22

 

10. Oktober 94

JVA Bützow in Mecklenburg-Vorpommern. Der 33-jährige Flüchtling aus Usbekistan, A. R., schneidet sich mit einem unbekannten Gegenstand die Blutgefäße in den Ellenbogen auf. Dies geschieht bei dem zweiten Versuch des Landesamtes für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten, ihn abzuschieben.

    Am 27. Oktober wird A. R. dann – in polizeilicher Begleitung – nach Taschkent in Usbekistan ausgeflogen.

(siehe 23. August 94)

BT DS 13/3567

 

16. Oktober 94

Polizeigewahrsam Ludwigsburg in Baden-Württemberg. Der 35-jährige Flüchtling Abdullah J. aus Marokko erhängt sich mit seinem Unterhemd drei Stunden nach seiner Verhaftung. Er sollte abgeschoben werden, obwohl die Heirat mit seiner deutschen Verlobten kurz bevorstand.

    Unklar bleibt, warum er überhaupt in Haft genommen wurde. Es wird vermutet, daß ein "Computerfehler" zur Verhaftung führte.

Pro Asyl*;BeZ 18.10.94;

taz 19.10.94; taz 22.10.94;

SZ 9.9.95; Konkret 1/95, S. 17; Polizeiübergriffe 1994;

Komitee f. Grundrechte u. Demokratie 4.12.98

 

18. Oktober 94

Brandstiftung in einer Flüchtlingsunterkunft in Tübingen. Das Feuer bricht in einem unbewohnten Zimmer aus. Es wird niemand verletzt.

Konkret 12/94, S. 17

 

24. Oktober 94

Der abgelehnte Asylbewerber und erst vor ein paar Wochen heimlich nach Togo zurückgekehrte Traore X. wird in der Nacht von Soldaten abgeholt.

    Er kommt in die Brigade de Recherche und wird jeden Morgen regelmäßig mit Elektroschocks und mit Peitschen schwer gefoltert, und muß lange Zeiträume in unnatürlicher, schmerzhafter Körperhaltung gefesselt verbringen.

    Mit Hilfe eines Wachsoldaten gelingt ihm am 24. Dezember 95 die Flucht. Im Januar kommt er zurück in die BRD und heiratet seine deutsche Freundin.

Aktion Abschiebestop

 

Oktober 94

Die Abgeordnete der Grün-Alternativen Liste Hamburg (GAL) Anna Bruns berichtet, daß es vom Januar 1993 bis Oktober 1994 in Abschiebehaft zehn Selbsttötungsversuche gegeben hat. Neun davon im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis.

taz 11.4.95

 

Anfang November 94

Abschiebegefängnis Glasmoor in Norderstedt bei Hamburg. Der Abschiebegefangene Kwame Nantwi wird von mehreren Wärtern brutal ins Gesicht geschlagen. Drei Gefangene bestätigen und bezeugen den Tatbestand. Obwohl sein Anwalt und sogar die Anstaltsleitung Strafanzeige gegen die Täter erstattet haben, wird Kwame Nantwi am 6. Januar 95 aus der Zelle geholt und nach Ghana abgeschoben. Er wurde zu dem Überfall nicht ein einziges Mal angehört.

Glasmoorgruppe; taz 8.2.95

 

8. November 94

Abschiebegefängnis Glasmoor in Norderstedt bei Hamburg. Zwei Gefangene werden von mehreren Schließern zusammengeschlagen, nachdem sie gefragt hatten, warum der Hofgang getrennt nach den zwei Trakten erfolgt.

Glasmoorgruppe

 

9. November 94

Brandanschlag auf ein von bosnischen Flüchtlingen und SozialhilfeempfängerInnen bewohntes Haus in Hamburg.

Konkret 1/95, S. 18

 

9. November 94

Der Flüchtling E. E. reist mit falschen Papieren vom Flughafen Stuttgart nach Lomé. E. E. war in Togo als Angehöriger des Militärs in Gefahr geraten, weil ihm die Schuld an einer mißlungenen Militäraktion gegen den Premierminister Koffigoh (3.12.91) zugesprochen worden war. Zudem war er Mitglied der für ihn als Angehörigen des Militärs verbotenen oppositionellen Parti pour Démocratie et le Renouveau (PDR). Aus diesen Gründen hatte er in der BRD einen Asylantrag gestellt, der als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war.

    Am Flughafen werden fünf vor ihm in der Schlange wartende Personen festgenommen – er kommt vorerst unbehelligt davon. Drei Tage später erfährt er, daß Soldaten in seinem Hause nach ihm gesucht haben. Er taucht unter und flieht erneut in die BRD.

    Im November 97 erfolgt die zweite Abschiebung nach Togo. Er konnte weder Geld noch Gepäck mitnehmen und wird auf dem Flughafen verhaftet und "scharf" verhört. Nach zwei Tagen kann seine Freilassung durch Unterstützung von außen erreicht werden.

Aktion Abschiebestop

 

15. November 94

Der an AIDS schwer erkrankte Ahmad A. T., Palästinenser aus dem Libanon und abgelehnter Asylbewerber, der seit fast einem Jahr in Berlin in Abschiebehaft sitzt, bekommt nachts einen Asthma-Anfall. Da ihm sein Notfall-Spray aus "Sicherheitsgründen" weggenommen worden war, die Beamten das Spray nicht finden, kommt er in den Zustand akuter Atemnot – und erst, als er blau angelaufen und fast nicht mehr ansprechbar ist, wird er in Handschellen in einen Polizeitransporter getragen, um ihn dem Arzt vorzustellen. Auch als er nach der medizinischen Behandlung wieder in die Zelle gesperrt wird, nimmt man ihm erneut den Spray ab.

Berliner Ärzteblatt 8/95;

Imke Juretzka – Rechtsanwältin

 

18. November 94

Mitten in der Nacht kommt die Polizei in die Unterkunft in Mannheim und nimmt die Eheleute Mustafa Kaya (39 Jahre alt), Hatice Kaya (35 Jahre alt) und ihre drei minderjährigen Kinder fest. Noch am gleichen Tag werden sie über Stuttgart in die Türkei abgeschoben. Auf dem Flughafen Istanbul wird die Familie festgenommen und erst nach 13 Stunden Verhören wieder entlassen. Sie fahren dann in die West-Türkei, wo Herr Kaya bezüglich seiner Rückkehr gewarnt wird. Nach 1-2 Tagen taucht er unter und hält sich versteckt.

    Acht Soldaten besuchten seinen Vater, und als dieser keine Auskunft über den Verbleib des Sohnes machen konnte, wurde dieser als Lügner beschimpft und zusammengeschlagen.

FRat Bayern, Dokumentation Mai 95

 

19. November 94

Ein Flüchtling aus Sri Lanka wird in der Nähe von Forst tot aus der Neiße geborgen. (siehe auch: 4. September 94)

Antirassistische Initiative Berlin; FFM;

ND 22.11.94

 

22. November 94

Der angolanische Flüchtling Alvat Matondo (Tsukke Ifonge) wird über Moskau nach Zaire abgeschoben. Zwei vorhergehende Abschiebeversuche wurden wegen der verzweifelten Gegenwehr von Herrn Matondo abgebrochen.

    Auf Nachfrage der "Weißen Väter" (katholischer Orden in Zaire) bei den Behörden wird zunächst behauptet, daß Herr Matondo gar nicht in Zaire angekommen sei. Dann wurde ihnen der "Freikauf" gegen die Zahlung eines "Lösegeldes" angeboten. Als die 1000 US $ überwiesen waren, wurde den "Weißen Vätern" Herr Matondo übergeben: halb totgeprügelt und schwer mißhandelt.

    Nach wenigen Tagen wird Herr Matondo erneut festgenommen und bleibt im Gefängnis von Kinshasa bis zum Januar 95. Er wird freigelassen, nachdem die Behörden feststellen, daß er angolanischer Staatsbürger ist. Eine Tatsache, die auch die Berliner Behörden ignoriert hatten.

EKD, S. 40 (Pax Christi, Berlin)

 

28. November 94

Ein Mann aus Sri Lanka wird in der Nähe der brandenburgischen Ortschaft Forst tot aus der Neiße geborgen.

(siehe auch: 4. September 94)

Antirassistische Initiative Berlin; FFM

 

1. Dezember 94

Der 28-jährige Flüchtling Yoka da Silva aus Angola wird in einer geheimen Aktion von einem Rollkommando der Polizei in seiner Zelle der JVA Vechta verprügelt und gefesselt, zum Flughafen gebracht, hier erneut schwer mißhandelt, geknebelt und – von mehreren Beamten des niedersächsischen LKA "begleitet" – abgeschoben.

    Yoka da Silva war seit September 92 in der BRD, verbrachte nahezu 2 Jahre (!) in Abschiebehaft und stand jetzt unmittelbar vor seiner Heirat mit seiner deutschen Freundin. Schon am 15. Juli war er zwangsweise zum Flughafen Frankfurt gebracht worden, wo die Abschiebung in letzter Minute durch Interventionen des Flüchtlingsrates und amnesty international verhindert werden konnte. Am 21. November wurde da Silva in der Ausländerbehörde in Handschellen gelegt und sofort zum Flughafen Frankfurt transportiert. Wegen seiner verzweifelten Gegenwehr weigerte sich schließlich die Flugzeugbesatzung, ihn an Bord zu nehmen.

    Eine Woche nach seiner jetzt endgültigen Abschiebung meldet er sich telefonisch aus Luanda. Er ist untergetaucht.

FR 2.12.94; jW 10.12.94;

 taz 12.12.94

 

7. Dezember 94

Der kurdische Flüchtling Müslim Atis wird mit seiner Frau und ihrem 4-jährigen Sohn in die Türkei abgeschoben. Von der Polizei in Istanbul wird Herr Atis aufgefordert, in seinen Heimatort in der Provinz Tunceli zurückzukehren, was er nicht tut.

    Als er am 7. Juli 95 in Antalya einen neuen Paß abholen will, wird er festgenommen und zur Anti-Terror-Abteilung gebracht. Die Augen werden ihm verbunden und er wird vier Tage lang mit Schlägen und der Bastonade (Schläge auf die Fußsohlen) gefoltert und immer wieder nach Personen aus dem Umfeld der PKK, TIKKO, Dev Sol und Dev Yol befragt.

    Der Prozeß gegen Herrn Atis beginnt Ende August 95 und endet mit einem Freispruch.

    Müslim Atis flieht erneut in die BRD, wo er im August 96 als asylberechtigt anerkannt wird.

Büro A. Dietert-Scheuer, MdB, Sept. 98

 

13. Dezember 94

In Anklam in Mecklenburg-Vorpommern greifen ca. 20 Deutsche das Flüchtlingsheim an. Die Täter schlagen mit Knüppeln und Steinen die Fensterscheiben ein und werden dann vom Wachpersonal in die Flucht geschlagen.

taz 14.9.94;

Konkret 12/94, S. 20

 

17. Dezember 94

Bei einem Angriff mit Steinen und Flaschen auf ein Flüchtlingsheim in Bandelin bei Anklam in Mecklenburg-Vorpommern durch eine größere Gruppe Jugendlicher werden eine 13-jährige Asylbewerberin und ein 18-jähriger Kriegsflüchtling – beide aus dem ehemaligen Jugoslawien – verletzt.

taz 19.12.94; jW 19.12.94;

BeZ 19.12.94

 

18. Dezember 94

Brand in einer zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebauten Scheune im bayerischen Kammeltal im Landkreis Günzburg. Eine dreiköpfige Familie aus Jugoslawien und die Besitzerin des Anwesens können sich unverletzt ins Freie retten. Die Brandursache ist unklar.

jW 19.12.94; BeZ 19.12.94;

 Konkret 4/95, S. 24

 

18. Dezember 94

Unbekannte Täter dringen in eine Flüchtlingsunterkunft in Rosendahl-Holtwick im Kreis Coesfeld (Westfalen) ein und legen an mehreren Stellen Feuer. Das Feuer wird von BewohnerInnen entdeckt und gelöscht. Eine Jugoslawin und ihre beiden Kleinkinder erleiden Rauchvergiftungen.

 BeZ 19.12.94; TS 19.12.94;

Konkret 4/95, S. 24;

 

27. Dezember 94

Der 35-jährige Kurde Talip Dogan wird aus München in die Türkei abgeschoben.

    Als aktives Mitglied der PKK hatte Talip Dogan in der Türkei mehrere Jahre in Haft gesessen. In der BRD wurde der Asylbewerber in Folge seiner politischen Arbeit hier (Protestkundgebungen und Demonstrationen der PKK in Augsburg) verhaftet und wegen schweren Landfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstrekkungsbeamte zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.

    Das Augsburger Verwaltungsgericht warnte vor einer Abschiebung Talip Dogans in die Türkei. Die Richter äußerten, daß Talip Dogan "bei einer Rückkehr in die Türkei konkrete Foltergefahr droht".

taz 28.12.94

 

Dezember 94

Auch vier Wochen nach der zwangsweisen Abschiebung des iranischen Flüchtlings Arsalan Ahadi-Bonab nach Teheran gibt es kein glaubwürdiges Lebenszeichen von ihm. Schon in der BRD war er bei einem Besuch im iranischen Generalkonsulat in Hamburg stundenlang festgehalten, verhört, bedroht und geschlagen worden. Nach Auskunft seiner Verwandten sei Arsalan Ahadi-Bonab unmittelbar nach seiner Ankunft in Teheran von "Revolutionswächtern" verhaftet worden und seither nicht wieder aufgetaucht.

FR 19.12.94

 

Dezember 94

Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Rendsburg in Schleswig-Holstein. Eine Brandflasche landet im Kinderzim-mer einer Familie aus Sri Lanka, in dem die Mutter und ihre vier und fünf Jahre alten Söhne schlafen. Weil die Frau den Brandsatz sofort löschen kann, wird niemand verletzt.

    Das Landgericht Kiel verurteilt einen 20-jährigen Skinhead wegen versuchter Brandstiftung und Sachbeschädigung zu drei Jahren Jugendstrafe.

taz 13.5.95;

Konkret 6/95, S. 25

 

Dezember 94

Ein Deserteur des togoischen Militärs kehrt nach abgelehntem Asylantrag mit seiner Frau und seinen Kindern "freiwillig" zurück. Er kommt bei einem befreundeten Nachbarn unter, da sein Haus versiegelt ist.

    Eines Tages wird er von Soldaten verprügelt, weil sie behaupten, er hätte sie mit Steinen beworfen. Nach einem weiteren Überfall durch Soldaten im Januar 95 stellt sich heraus, daß der rückgekehrte Flüchtling ein ehemaliger Armeeangehöriger ist. Seiner angekündigten Verhaftung entkommt er durch frühzeitige Flucht.

    Er kehrt nach Deutschland zurück und wird am 13. März 96 als Asylberechtigter anerkannt.

Aktion Abschiebestop

 

Dezember 94

Ein Flüchtling aus Niger wird nach abgelehntem Asylantrag und mit von der Nigrischen Botschaft in Bonn ausgestelltem Paß direkt nach Niamey abgeschoben. Auf dem Flughafen werden ihm alle Papiere abgenommen, und er kann mit der Auflage, sich am nächsten Morgen bei der Polizei zu melden, das Gelände verlassen. Als er dieser Aufforderung nachkommt, wird er festgenommen. Mit Hilfe von Freunden, gelingt es ihm, aus der Gefangenschaft zu fliehen. Im Februar 98 lebt er in der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire).

Aktion Abschiebestop

 

Ende 1994

Mecklenburg-Vorpommern. Der kurdische Flüchtling A. A. wird in die Türkei abgeschoben, nachdem sein Antrag auf politisches Asyl am 11.10.94 abgelehnt wurde. Noch am Flughafen Istanbul erfolgt seine Verhaftung, und während der nächsten fünf Monate in Gefangenschaft wird er schwer gefoltert. Er wird mit kaltem Wasser abgespritzt und immer wieder an den zusammengebundenen Händen aufgehängt. Wegen der Unterstützung der PKK war A. A. verfolgt worden und hatte deshalb 1994 auch die Türkei verlassen müssen.

    A. A. stammt aus dem Dorf Karacocan im Bezirk Elazig im Südosten der Türkei. Als er nach seiner Entlassung aus der Haft seine Familie aufsuchen will, ist das Elternhaus zerstört, sein Vater von Soldaten verschleppt und verschwunden und die Mutter mit zwei seiner Geschwister zu einem Onkel nach Mersin gezogen. Auch A. A. wird zunächst von seinem Onkel aufgenommen.

    Im Mai 1996 beginnt sein Militärdienst, den er allerdings wegen einer Muskelschwäche in den Armen nach 15 Monaten beenden kann. Die Kraftlosigkeit, die durch Muskelschwund bedingt ist, war während der Folter (Aufhängen an den Händen) erstmals aufgetreten.

    Infolge einer Demonstration in Mersin gegen die Verhaftung des PKK-Führers Abdullah Öchalan im Februar 1999 werden 200 Menschen festgenommen. Unter ihnen befindet sich auch A. A.

    Nach seiner Entlassung sechs Monate später versucht er erneut, das Land zu verlassen. Im Januar 2000 gelingt ihm die Flucht in die BRD, und er wird zunächst von Freunden im niedersächsischen Stade aufgenommen. Ein Woche später wird er am Bahnhof ohne gültige Papiere festgenommen und in Abschiebehaft in die Außenstelle Cuxhaven der JVA Stade gebracht. Der Asylantrag, der am 2. Februar beim Bundesamt eingeht, wird am gleichen Tag abgelehnt.

    Eine vom Unterstützerkreis durchgesetzte Untersuchung bei einem niedergelassenen Neurologen ergibt eine angeborene erbliche Muskelschwunderkrankung. Obwohl der Neurologe nicht ausschließen kann, daß die Schwere der Muskelveränderungen in den Armen durch die beschriebene Folter ausgelöst worden sein könnte, wird Herr A. zwei Tage später, nach dreimonatiger Haft, in Deutschland am 28. April in die Türkei abgeschoben.

Gisela Penteker – Ärztin

 

 

Im Jahre 1994

Ein Flüchtling aus Peru tötet sich, indem er während einer Verlegung durch den Bundesgrenzschutz nach Basel in der Nähe von Freiburg aus dem fahrenden Zug springt (IC 501).

wib 5.5.95; BT DS 13/1166

 

 

Im Jahre 1994

Niesky in Sachsen. Ein junger Rumäne, der durch die Neiße auf bundesdeutsches Territorium gelangte, verirrt sich und versteckt sich in einem Abfallcontainer. Als am nächsten Morgen der Müllwagen den Container auflädt, wird der darin schlafende Flüchtling zerquetscht.

Spiegel, 23.9.96

 

 

Im Jahre 1994

Als der 21-jährige Nigerianer Bakara Vale (phonetisch) erfährt, daß sein Asylantrag abgelehnt worden ist, stürzt er sich durch ein Fenster in die Tiefe, um sich zu töten. Er kommt schwer verletzt ins Krankenhaus.

ZDF "Kennzeichen D", 16.11.94

 

 

Im Jahre 1994

Transitbereich im Flughafen Frankfurt am Main. Der nigerianische Flüchtling K. D. unternimmt verschiedene Suizidversuche. Er öffnet sich die Pulsadern oder versucht, sich die Treppe hinunterzustürzen. Er kommt in die Psychiatrie.

AK-INFO AK-Asyl BaWü Okt.-Dez. 96

 

 

Im Jahre 1994

Unmittelbar vor seinem Abschiebeflug zurück in sein Herkunftsland fügt sich ein junger Kurde mit einer Rasierklinge eine schwere Schnittverletzung am Bauch zu. Erst bei der Wundversorgung entdeckt ein Arzt auf seinem Rücken Narben früherer Folterungen.

Spiegel 27.6.94

 

 

Im Jahre 1994

Aus Protest gegen die Mißhandlung durch einen Wachmann des "security service Kötter" schneidet sich ein junger Algerier beide Halsschlagadern und die Brust auf und kommt mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus.

Off limits Nr. 6 Okt./Nov. 1994

 

 

Im Jahre 1994

Das Landgericht Leipzig verurteilt einen Polizisten wegen Aussageerpressung, gefährlicher Körperverletzung und weiterer Delikte zu einer Strafe von drei Jahren und neun Monaten Haft. Der Beamte hat Asylbewerber willkürlich festgenommen und mit einem Schlagstock auf sie eingeprügelt.

BeZ 21.2.03

 

 

Im Jahre 1994

Im Bundesland Thüringen hat sich im Jahre 1994 ein Mensch in der Vorbereitungsphase seiner Abschiebung umgebracht. Zwei Fälle sind bekannt, bei denen die Selbsttötung angekündigt wurde.

BT DS 13/3567

 

 

Im Jahre 1994

Im Jahre 1994 sind 19 Menschen beim versuchten Grenzübertritt in die BRD umgekommen. Die wirkliche Anzahl der ertrunkenen Menschen wird weitaus höher liegen, da zumindest von den Oder-Ufern bekannt ist, daß ertrunkene und angetriebene tote Flüchtlinge "mit Bohnenstangen" wieder zurück ins Wasser gestoßen werden. So ersparen sich die anliegenden Gemeinden die Beerdigungs- und eventuell die Rückführungskosten. (17 Todesfälle an den Ost-Grenzen sind hier dokumentiert)

taz 3.8.95

 

 

In den Jahren 1993 und 1994

Im Zeitraum vom März 1993 bis Juni 1994 werden mehr als 20 vietnamesische Asylbewerber auf einer Polizeiwache im brandenburgischen Bernau nach ihren Festnahmen systematisch mißhandelt und gedemütigt.

Polizeibeamte der berüchtigten Schicht D haben die Vietnamesen nicht nur geschlagen und getreten. Einige der Festgenommenen mußten sich nackt ausziehen und wurden dann mißhandelt. In einem Fall war ein Vietnamese eine Stunde lang nackt am offenen Fenster angekettet worden. Einem anderen Festgenommenen hielten die Beamten ein Klappmesser an die Genitalien und drohten ihm, sie abzuschneiden. Einige der Festgenommenen wurden nackt fotografiert, andere wurden gezwungen, Grimassen zu schneiden. Der

42-jährige Quan N. wurde nach seiner Festnahme pausenlos mit Fäusten und Stiefeltritten traktiert. Dann mußte er sich nackt ausziehen und sich zur Belustigung der Beamten einen Damenslip überziehen.

    Nachdem vier Polizeibeamte wegen Mangel an Beweisen ein Jahr vorher freigesprochen werden, erfolgt am 4. Mai 1998 nach mehr als zweijähriger Verhandlung vor der 3. Strafkammer Frankfurt (Oder) die Urteilsverkündung gegen vier weitere Beamte:

Der Hauptangeklagte wird wegen Körperverletzung im Amt in neun Fällen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung,

sein Kollege in drei Fällen zu einem Jahr Haft auf Bewährung und ein dritter Kollege wegen zweifacher Körperverletzung zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ein vierter Angeklagter erhält eine Geldstrafe in Höhe von 5400 DM.

Die Haftstrafen werden im Revisionsverfahren im Jahre 2000 bei den zwei letztgenannten Tätern um jeweils einen Monat reduziert.

taz 28.2.97;

taz 9.9.97; jW 9.9.97; jW 5.5.98;

BeZ 11.11.00; ND 15.11.00

 

 

In den Jahren 1992 bis 1994

In Bremen wurden in der Zeit von Mitte 92 bis Ende 94 ca. 400 mal Brechmittel verabreicht. Recherchen des Antirassismus Büros Bremen ergaben, daß diese Prozedur sich fast ausschließlich gegen "Schwarze" richtete, die im Verdacht standen, Drogen-Portionen verschluckt zu haben. Die meisten von ihnen waren Flüchtlinge.

    Die "Verabreichung" erfolgte in der Regel mit Gewalt und hatte für die Betroffenen immer erhebliche gesundheitliche Folgen.

ARAB 3/95