zur Hauptseite Zusammenfassung 2011
Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und 5. Januar 11 Landkreis Leipzig im Bundesland Sachsen. Auf dem Bahnsteig
des Bahnhofes von Böhlen wird gegen 14.00 Uhr ein 13 Jahre alter
Flüchtlingsjunge aus Tunesien von einem Jugendlichen und zwei Mädchen
geschlagen und gekratzt. Dem tätlichen Angriff ging eine verbale
Auseinandersetzung voraus. Polizei
Westsachsen 5.1.11 11. Januar 11 Lübeck in Schleswig-Holstein. Es ist eine halbe Stunde
nach Mitternacht, als ein 30 Jahre alter Flüchtling aus Afghanistan von zwei
Männern verfolgt wird, die ihn mit nationalsozialistischen und rassistischen
Parolen beleidigen. Als er sich am Steinrader Weg zu ihnen umdreht, zieht
einer der Verfolger, ein 49 Jahre alter Deutscher, ein Klappmesser hervor und
sticht mehrmals gezielt zu. Der Angegriffene kann die Stiche, die gegen
Oberkörper und Bauch gerichtet sind, durch eine Körperdrehung abwenden,
erleidet aber trotzdem eine schwere Schnittverletzung am Unterarm. Als die
Täter ihren Weg fortsetzen, folgt der Flüchtling ihnen bis zu deren
vermeintlicher Wohnung in die Ritterstraße. Dann informiert er die Polizei.
Ein Rettungswagen bringt ihn ins Krankenhaus, wo seine Verletzung operativ
und stationär versorgt werden muß. Gegen
den polizeibekannten und mehrfach vorbestraften Täter erläßt die
Staatsanwaltschaft Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung und
Beleidigung – sein 43-jähriger Begleiter, der den Afghanen ebenfalls
beleidigte, bleibt auf freiem Fuß. Polizei Lübeck
11.1.11; Die Welt
12.1.11; stern 12.1.11; HL-live 13.1.11; LN 5.7.11; dapd
17.10.11 21. Januar 11 Flughafen Frankfurt am Main. Ein 16-jähriges Mädchen aus
Liberia wird nach Italien (Mailand) im Rahmen der Dublin-II-Verordnung
ausgeflogen. Sie war als Prostituierte festgenommen worden und kam dann in
der JVA Ingelheim in Abschiebehaft. Sie hat große Angst vor der
Rückschiebung, denn sie fühlt sich in Italien bedroht. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 29. Januar 11 Bundesland Brandenburg. In seiner Flüchtlingsunterkunft in
Waßmannsdorf bittet der 19 Jahre alte Kenianer Isaac N. um 10.00 Uhr einen
Wachmann, die Dusch- und Waschräume aufzuschließen. Diese sind in der Regel
um diese Zeit sowieso geöffnet (von 8.00 bis 11.00 Uhr und von 18.00 bis
23.00 Uhr). "Du schwarzer Affe, kannst wieder nach Afrika gehen!"
lallt ihm der Wachmann entgegen und beleidigt ihn weiterhin. Auf dem Weg zu
den Waschräumen dreht sich der Wachmann unvermittelt um und schlägt Isaac N.
mit der Faust gegen die Stirn. Auch als weitere HeimbewohnerInnen
hinzukommen, setzt er seine Beleidigungen fort und weigert sich, die
Waschräume aufzuschließen. Aus
Angst vor weiteren Repressalien traut sich erst am Abend einer der Bewohner,
die Polizei zu rufen. Diese stellt einen erheblichen Blutalkoholwert bei dem
Täter fest. Der
Wachmann wird umgehend vom Dienst suspendiert und der Flüchtling zu einem
Arzt gebracht, der einen Bluterguß im Bereich der Schläfe diagnostiziert. Schlimmer
als die körperlichen Folgen der Gewalttat sind die psychischen für Isaac N.
Nach der Präsidentschaftswahl in Kenia hatten sich dort blutige Unruhen
entwickelt, und Isaac N. war durch die brutalen Geschehnisse traumatisiert
worden. Aus diesem Grunde war er nach Deutschland geflüchtet, um hier in
Sicherheit leben zu können. Durch die Gewalt des Wachmanns kann er sich auch
hier nicht mehr sicher fühlen. Opferperspektive
9.2.11; ND 10.2.11; MAZ
10.2.11; jW 10.2.11; rbb –
Brandenburg aktuell 14.2.11 Januar 11 Bundesland Niedersachsen. Ein 35 Jahre alter Kurde wird
nach 11-jährigem Deutschland-Aufenthalt und abgelehntem Asylantrag nach
Syrien abgeschoben. Dies ist vor allem deshalb möglich, weil der Landkreis
Göttingen sich verpflichtet, die Medikamente für den an Hepatitis B
Erkrankten zwei Jahre lang zu finanzieren. Da
aber weder der Geldtransfer vom Landkreis aus klappt, noch die Medikamente in
Syrien in der benötigten Dosierung erhältlich sind, ist der Mann lange Zeit
nach der Abschiebung ganz ohne Medikation. Er flieht – auch vor dem
Bürgerkrieg – in den Libanon, und erhebt von dort aus eine Klage gegen den
Landkreis. Das
Verwaltungsgericht Göttingen verpflichtet im September 2012 das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) dazu, die Abschiebungsverfügung aufzuheben
und festzustellen, daß ein Abschiebungsverbot vorliegt. HAZ 19.9.12 Januar 11 Bei seinem ersten Versuch, von Griechenland nach Italien
zu kommen, gerät der 15-jährige Amin F. aus Afghanistan zusammen mit vielen
anderen Flüchtlingen in akute Lebensgefahr. Er befindet sich mit, wie er
selbst schätzt, 200 anderen Personen in einem LKW. Schnell wird der
Sauerstoff knapp und die ersten Menschen werden besinnungslos – andere
schreien um Hilfe und schlagen mit den Fäusten gegen die Wände – doch der
Fahrer reagiert nicht. Schließlich bleibt ihnen nichts anderes mehr übrig,
als die Polizei per Handy um Hilfe zu bitten. Der LKW wird daraufhin gestoppt
und die Menschen werden befreit. Nach einer Nacht auf der Wache werden sie
wieder sich selbst überlassen. Der
zweite Versuch, das Land zu verlassen, beginnt in Igoumenitsa mit einem
desolaten Schiff. An die 260 Personen, die meisten aus Afghanistan, sind an
Bord, als das Boot ablegt. Amin hat einen Platz im Unterdeck und versucht zu
schlafen, was ihm vor lauter Angst nicht gelingt. Dann tritt Wasser ins Boot
und Risse werden entdeckt. Die Besatzung versucht, das Wasser hinauszupumpen,
Amin und vier andere Flüchtlinge schaufeln das Wasser mit Eimern hinaus. Aber
erst als sich Holzplanken lösen und der Bootsrumpf tief abgesackt ist,
versucht schließlich um 7.30 Uhr der Kapitän Hilfe zu rufen. Einige
Flüchtlinge rufen die italienische Küstenwache an, aber sie können nicht
erklären, wo sie sich befinden. Die See wird immer stürmischer – Land ist
nicht in Sicht. Amin hat, wie die meisten anderen auch, Todesangst. "Nur
noch ein Schreien und Beten." sagt er später. Er übergibt sich ständig
und zum Schluß bricht er nur noch Blut. Die
Hoffnung auf Rettung steigt, als ein Militärschiff näher kommt. Aber es fährt
vorbei. Der Motor im Flüchtlingsboot fällt aus. Eine
halbe Stunde später wird ein großes holländisches Schiff gesichtet, dessen
Besatzung auf das Winken und
Schreien der Menschen reagiert, Scheinwerfer ausrichtet und Netze und Seile
rüberwirft. Bei dieser Aktion ertrinken über 20 Menschen, weil die Panik
derart groß ist, sie sich gegenseitig wegstoßen und ins Wasser stürzen. Amin
ist einer der letzten, der gerettet wird. Ein paar Minuten später sinkt das
Boot vor ihren Augen. Da
die italienische Küstenwache die Aufnahme der Flüchtlinge verweigert, muß das
holländische Schiff mit den frierenden und völlig erschöpften Menschen zurück
nach Griechenland fahren, wo sie nach einer 12-stündigen Fahrt auf Korfu
anlanden. Dort
erwarten sie viele JournalistInnen, MitarbeiterInnen des UNHCR, aber auch ein
Großaufgebot an Polizei. Die Polizei verbietet den Flüchtlingen, mit der
Presse oder anderen zu sprechen. Sie
kommen in ein Lager und dann für eine Woche in ein Gefängnis, wo es nur
einmal am Tag etwas zu essen gibt und die Behandlung sehr schlecht ist.
Danach werden sie aufs Festland gebracht und sich selbst überlassen. Amin
F. gelingt es dann tatsächlich, Griechenland zu verlassen – im Mai erreicht
er die Bundesrepublik. Seither lebt er in einer Unterkunft für unbegleitete
Minderjährige in Hessen. Lostatborder
Dez. 12 1. Februar 11 Landkreis Hildesheim in Niedersachsen. In der kleinen
Ortschaft Giesen rückt morgens vor dem Wohnhaus der kurdisch-yezidischen
Flüchtlingsfamilie Naso eine Polizeistaffel mit Hunden an. Nachdem das Haus
umstellt ist, werden die Eheleute Bashe Hasso und Badir Naso und ihr 15 Jahre
alter Sohn Anuar festgenommen. Zurück in der Wohnung bleibt die 18-jährige
Tochter Schanas. Diese Polizeiaktion geschieht für die Familie, die seit 10
Jahren in der Bundesrepublik lebt, völlig überraschend, denn die
Ausländerbehörde hat bewußt auf eine vorherige Ankündigung verzichtet. Am
Flughafen Frankfurt am Main erleidet die 56 Jahre alte Bashe Hasso einen
Schwächeanfall, wird von Sanitätern umgehend in die Flughafenklinik gebracht
und anschließend ins Sachsenhausener Krankenhaus transportiert. Ohne die
kranke Bashe Hasso wird dann Badir Naso mit seinem minderjährigen Sohn über
den Flughafen Frankfurt am Main nach Syrien abgeschoben. Damit ist die
Familie getrennt, denn noch weitere sieben erwachsene Kinder der Eheleute und
viele Enkelkinder leben in Niedersachsen. Noch
auf dem Flughafen von Damaskus werden Vater und Sohn festgenommen und der
Auswanderungs- und Paßbehörde unterstellt. Der Grund dafür soll die angeblich
ungeklärte Identität des 15-jährigen Anuar Naso sein, weil in seinem von syrischen
Behörden ausgestellten Paßersatzpapier ein Alter von 19 Jahren angegeben ist.
Der 62 Jahre alte Badir Naso wird dem Direktorat für politische Sicherheit
vorgeführt und verhört – dann erfolgt seine Verlegung in das Adra-Gefängnis
bei Damaskus. Von dort wird er am 11. Februar in die Haftanstalt seines
Geburtsortes Hasseke verlegt und zwei Tage später nach Zahlung
"erheblicher Geldmittel" an die Polizei (so die Familie) unter
Auflagen entlassen. Ein Strafverfahren ist gegen ihn anhängig. Am
25. Februar wird Anuar Naso in das Gefängnis von Hasseke verlegt. Hier haben
Angehörige erstmals die Gelegenheit, kurz und unter Bewachung mit ihm zu
sprechen. Seine Freilassung erfolgt am 3. März unter Auflagen. Weder Vater
noch Sohn äußern sich telefonisch zu ihren Haftbedingungen. Einzig die
Äußerung des Vaters an seine Tochter Schanas läßt erahnen, wie es ihnen in
den Knästen des Regimes Assad erging, in denen körperliche und psychische
Folter an der Tagesordnung ist. Er sagte ihr am Telefon: "Sei glücklich,
daß Du nicht erlebt hast, was wir hier durchgemacht haben." Später wird
bekannt, daß beide in der Haft mißhandelt wurden. Nach
der Abschiebung werden Einzelheiten über die Entscheidungskriterien der
Ausländerbehörde Hildesheim bekannt. Die Frage der Integration des
15-jährigen Anuar Naso spielte dabei eine entscheidende Rolle. Nach einem
Erlaß des Niedersächsischen Innenministeriums hatte die Ausländerbehörde
Hildesheim geprüft und entschieden, daß Anuar aufgrund angeblich mangelnder
Integration keine Aufenthaltsperspektive eröffnet werden könne. Grundlagen
für diese Entscheidung waren einerseits eine Stellungnahme der Schule -
andererseits ein anhängiges Ermittlungsverfahren gegen den Jungen. Obwohl die
Rektorin der Molitoris-Schule in der Stellungnahme von einem erfolgreichen
Hauptschulabschluß ausging, bezog sich die Ausländerbehörde auf Kopfnoten,
die "wenig Arbeitseinsatz", "für Arbeiten nicht gelernt"
oder "Hausaufgaben fehlen häufig" beinhalten. Auch das
Ermittlungsverfahren, das nach Aussage der Staatsanwaltschaft eine maßvolle
Strafe in Form einer Verurteilung zu gemeinnütziger Arbeit nach sich ziehen
könne, wurde negativ gegen den Jungen und die Familie ausgelegt. Vor diesem
Hintergrund sei "nicht davon auszugehen, daß Anuar Naso sich in die
hiesigen Lebensverhältnisse dauerhaft vollständig einfügen wird", so der
Aktenvermerk der Ausländerbehörde vom 20. Januar 2011. Nach
Recherchen des Flüchtlingsrats Niedersachsen weist das Paßersatzpapier des
staatenlosen Badir Naso eine Reihe von Merkmalen auf, die den Verdacht einer
Fälschung nahelegen. Die ausstellende Behörde mit dem Namen "Arabische
Republik Syrien Außenministerium Generalkonsulat" (mit handschriftlicher
Ergänzung "Berlin") existiert in der BRD gar nicht. Der Geburtsort
wird mit Haifa in Israel angegeben statt richtigerweise Hasske in Syrien. Als
Staatsangehörigkeit ist "Syrer", als Beruf "Ausländer"
eingetragen. Die Personalmerkmale und eine Unterschrift von Badir Naso
fehlen. Im
April 2011 verweigert die Ausländerbehörde Hildesheim der 18-jährigen Schanas
Naso eine Arbeitserlaubnis mit der Begründung, daß sie keinen Paß aus Syrien
habe. Damit ignoriert die Behörde ein Schreiben der Landesaufnahmebehörde vom
4. Februar, in dem erklärt wird, daß sie staatenlos sei und somit gar keinen
Paß vorlegen könne. Mit
Hilfe des Flüchtlingsrates Niedersachsen gelingt es schließlich, ihr einen
Ausbildungsplatz zu beschaffen. Einen dauerhaften Aufenthaltstitel, den ihr –
vor laufenden Kameras – der Hildesheimer Landrat Reiner Wegner (SPD) vor über
einem Jahr in Aussicht gestellt hatte, hat sie immer noch nicht, so daß sie
weiterhin von der Abschiebung bedroht ist. Am
20. Dezember 11 entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF), daß bei einer eventuellen Abschiebung nach Syrien Frau Bashe Hasso
eine menschenrechtswidrige Behandlung drohe. Damit steht ihr nach 11-jährigem
Kampf um ein Bleiberecht jetzt eine Aufenthaltserlaubnis zu. Nach
ihrer Freilassung aus syrischer Haft gelingt Badir und Anuar Naso die Flucht
über die Türkei, doch kurz hinter der bulgarischen Grenze werden sie entdeckt
und kommen für vier Monate in Gefangenschaft. Als sie danach wieder
versuchen, das Land in Richtung Deutschland zu verlassen, erfolgt erneut die
Festnahme. Badir Naso wird im Spätsommer 2011 wegen "versuchten illegalen
Grenzübertritts" zu einer Haftstrafe verurteilt, die er bis zum Oktober
2012 im Zentralgefängnis in Sofia absitzen muß. In der Zeit der
Gefangenschaft des Vaters ist Anuar in Sofia auf sich selbst gestellt. Ende
Dezember 2012 leben Badir Naso und Sohn Anuar in einer kleinen Wohnung im
Stadtteil Nadeshda von Sofia unter prekären Lebensverhältnissen. Sie warten
auf die Erlaubnis der Einreise in die Bundesrepublik. Immer wieder werden die
Verantwortlichkeiten zwischen der Deutschen Botschaft und dem Landkreis
Hildesheim hin- und hergeschoben. Die in Deutschland lebende Familie versucht
alles, den formalen Anforderungen für die Rückkehr nachzukommen. Sie bezahlen
sogar die Kosten der Abschiebung und stimmen einer Altersfeststellung Anuars
durch einen bulgarischen Arzt zu. Dieser schätzt den 16-Jährigen anhand von
Röntgenaufnahmen auf "mindestens 17 Jahre" alt und in einer zweiten
Einschätzung auf "mindestens 19,5 Jahre" alt ein. Ein Radiologe der
Medizinischen Hochschule Magdeburg kommt allerdings zu dem Ergebnis, daß die
bulgarischen Aufnahmen des Knochenbaus von Anuar durchaus noch zu einem
16-jährigen Jungen passe. Dieses Gutachten und auch die Originalunterlagen
aus Syrien werden vom Landkreis Hildesheim schlichtweg ignoriert. Am
18. Februar 13 wird Frau Bashe Hasso in einem weiteren Asylverfahren vom
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als Flüchtling nach der Genfer
Flüchtlingskonvention anerkannt, wodurch die rechtliche Grundlage einer
Familienzusammenführung vorliegt. Doch "Nachzugsanspruch" bestehe,
laut Landkreis, nur für den Vater, weil der Sohn "mindestens 19,5"
Jahre alt und damit erwachsen sei. Eine
Unterstützungskampagne von Schanas für ihren Bruder mit
Facebook-Demonstrationen und E-Mail-Aktionen an den Landkreis Hildesheim und
einer Petition, die 18.232 Unterschriften trägt, führen letztlich zu einem
persönlichen Gespräch mit dem Innenminister Pistorius, der Schanas und ihren
MitschülerInnen zusagt, sich persönlich für eine Lösung einzusetzen. Am
18. April erklärt sich der Landkreis öffentlich bereit, "... in diesem
besonderen Einzelfall zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte ... die
Zustimmung zur Erteilung des Visums" zu erteilen. Um
16.55 Uhr des 1. Juni – auf den Tag genau 28 Monate nach der Abschiebung –
landet die Lufthansa-Maschine (LH 2098) auf dem Rollfeld in
Hannover-Langenhagen. Vater und Sohn werden von einem großen Familien-,
Freundes- und UnterstützerInnenkreis im Blitzlicht-Gewitter der bundesweiten
Presse tränenreich begrüßt. FRat NieSa 4.2.11; FRat NieSa 8.2.11; HiZ 8.2.11; FRat
NieSa 10.2.11; jW 10.2.11; Kurdwatch 13.2.11; Kehrwieder am
Sonntag 13.2.11; MI NieSa Fragestunde Nr. 60 18.2.11; MI NieSa 18.2.11; FRat NieSa 23.2.11; FRat NieSa 28.2.11; HAZ 1.3.11; FRat NieSa
4.3.11; Kurdwatch 15.3.11; FRat NieSa
18.4.11; MI NieSa 27.5.11; Der Schlepper
Nr. 55/56 Sommer 2011; taz 30.12.11; FRat NieSa 20.1.12; FRat NieSa 23.1.12; FRat NieSa 1.6.13; ND 1.6.13; HAZ 3.6.13 8. Februar 11 Am Berliner Ostbahnhof wird der ca. 30 Jahre alte Flüchtling
B. O. aus Luckenwalde um 14.00 Uhr von einem Polizisten angehalten und
aufgefordert, seine Papiere zu zeigen. Nachdem der Kenianer dies getan hat,
fordert der Beamte ihn auf, mit zur Wache zu kommen. Dort befinden sich fünf
weitere Polizisten. Nach
Aufforderung zieht er seine Jacke aus, aber als er sich weiter ausziehen soll
und dies verweigert, werden drei weitere Beamte hinzugeholt. Sie drücken ihn
an die Wand, dann auf den Boden und ziehen ihm die Kleidung mit Gewalt aus.
Danach kann er sich wieder anziehen und wird mit der Aufforderung, Berlin
umgehend zu verlassen, weggeschickt. Ein
von der Polizei angekündigtes Schreiben zu diesem Geschehnis erhält er nicht. Refugees
Emancipation 10.2.11 8. Februar 11 Bundesland Bayern. In
seiner Zelle auf der Etage der Abschiebegefangenen der JVA München-Stadelheim
nimmt sich ein Mann aus dem Iran das Leben. Er sollte nach zwei Monaten
Abschiebehaft gemäß dem Dublin-II-Verfahren
nach Bulgarien zurückgeschoben werden. Jesuiten-Flüchtlingsdienst 21. Februar 11 Landkreis Ansbach im Bundesland Bayern. Um 10.00 Uhr
morgens erscheinen Polizisten in der Flüchtlingsunterkunft Windsbach und
lesen einem 40 Jahre alten russischen Flüchtling den Haftbefehl zur
Abschiebehaft vor. Da greift dieser zu einem Küchenmesser und hält es seinem
18 Monate alten Sohn in drohender Haltung an den Hals. Als
einer der Beamten versucht, die Hand des Vaters mit dem Messer von dem Kind
wegzuziehen, erleidet das Kind eine Schnittverletzung an der Hand. Es wird
zur medizinischen Versorgung in ein Krankenhaus gebracht. Der Vater des
Kindes kommt in Abschiebehaft. Polizei
Mittelfranken 22.2.11; dapd 22.2.11 24. Februar 11 Braunschweig in Niedersachsen. Als ein 10-jährige Junge im
Stadtteil Kralenriede einen unbeschrankten Bahnübergang überquert, verhaken
sich die Räder seines Puppenbuggys in den Schienen. Er bückt sich, versucht
die Räder zu lösen und wird dann vom Regionalzug aus Gifhorn erfaßt und
getötet. Der
Vater des Jungen, ein 32-jähriger serbischer Flüchtling, und ein 36-jähriger
Bekannter hatten die Gleise ca. 10 Meter vor dem Jungen überquert. Sie alle
kamen vom Einkaufen. Die Erwachsenen schoben ein beladenes Fahrrad und einen
Einkaufsroller und wollten zur Landesaufnahmebehörde für Asylbewerber in der
nahe gelegenen Boeselagerstraße, in der die Familie seit Januar untergebracht
ist. Gegenüber
der Presse und der Polizei erheben AnwohnerInnen den Vorwurf, daß zumindest
eine der beiden Warnglocken seit längerer Zeit nicht funktioniert. (siehe auch: 3. Dezember 11) newsclick.de 26.2.11; newsclick 4.12.11; T-online
29.12.11 27. Februar 11 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 30 Jahre alter
irakischer Gefangener verletzt sich selbst durch das Verschlucken eines
"gefährlichen Gegenstandes". Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 Februar 11 Der 16 Jahre alte afghanische Flüchtling Reza X. wird nahe
der serbischen Grenze in Ungarn – zusammen mit zwei weiteren minderjährigen
Flüchtlingen – von der Polizei festgenommen. Alle drei werden brutal
geschlagen und gezwungen, sich vollständig zu entkleiden, was sie als sehr
beschämend empfinden. Am
folgenden Tag wird Reza X. in das Gefängnis von Kiskunhalas gebracht und
leidet dort unter großer Angst und vor allem auch unter Hunger, denn er
bekommt hier wenig zu essen. Was ihn zusätzlich beunruhigt, ist die Tatsache,
daß die Beamten ihn durch den Eintrag seines Geburtsdatums älter gemacht
haben (25.7.1993) als er ist. Erst
einige Tage später besucht ihn eine Rechtsanwältin des Helsiniki Komitees, so
daß er an einem der folgenden Tage ins serbische Subotica zurückgeschoben
wird. Hier erfolgt erneut seine Inhaftierung. Nach seiner Entlassung gelingt
ihm die Flucht aus Serbien nach Hamburg. Damit
ist er am Ziel seiner Reise, denn hier lebt sein Bruder seit drei Jahren mit
einem sicheren Aufenthaltsstatus. Die
Festnahme in Ungarn ist nicht Rezas erste Inhaftierung. In der
türkisch-griechischen Grenzregion des Evros-Gebietes wurde er von einer
griechischen Grenzpatrouille festgenommen und in ein völlig überfülltes Gefängnis
gebracht. Mit der Aufforderung, Griechenland innerhalb von vier Wochen zu
verlassen, erfolgte einige Tage später seine Entlassung. Da es ihm nicht
gelang, das Land über Patras zu verlassen, entschied er sich, über
Mazedonien, Kosovo, Serbien und Ungarn nach Deutschland zu gelangen. In allen
diesen Ländern wurde er inhaftiert und machte Gewalterfahrungen. Die
Folgen dieser schweren Menschenrechtsverletzungen, die der Jugendliche auf
seiner Flucht von Afghanistan nach Hamburg erlitten hat, sind schwerwiegende Posttraumatische
Belastungsstörungen. Bundesfachverband
für UMF 18.4.11; Februar 11 Bundesland Hessen. Als die Iranerin R. M. in die
Bundesrepublik einreist und einen Asylantrag stellt, um bei ihrem Ehemann in
Nürnberg leben zu können, wird sie nach Hessen umverteilt. Aufgrund der
Residenzpflicht darf Frau M. den Main-Kinzig-Landkreis nur mit Erlaubnis der
Ausländerbehörde verlassen. Ihr Mann, der eine Aufenthaltserlaubnis hat, ist
berufstätig. Da
ihre Ehe nach traditionellem Recht geschlossen wurde, wird ein Antrag auf
Umverteilung nach Nürnberg abgelehnt. Zitat aus der Ablehnung: "Ihre
freundschaftliche Beziehung können sie neben wenigen Besuchen ... auch
telefonisch oder schriftlich aufrechterhalten ..." Als
Frau M. im April schwanger wird und ein erneuter Antrag zusammen mit der
förmlichen Vaterschaftsanerkennung und der gemeinsamen Sorgerechtserklärung
gestellt wird, bekommen sie wieder eine Absage. Zitat: "Da derzeit nicht
von einer anerkannten Eheschließung ausgegangen werden kann, greift Art. 6
GG, durch den 'Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen
Ordnung stehen' hier nicht." Seit
der Geburt des Kindes im Januar 2012 leben Mutter, Vater und Kind offiziell
zusammen. Alternativer
Menschenrechtsbericht 2011 Februar 11 Flughafen Hamburg. In einem zweiten Versuch soll Herr O.
nach Ghana abgeschoben werden. Er wird im Auto der Ausländerbehörde
transportiert und ist an Händen und Füßen gefesselt – er blutet aus dem Mund.
Er
kann sein linkes Bein nicht belasten, schleift es über den Boden. Im
Durchsuchungsraum rutscht er vom Stuhl, im Gewahrsamsraum von der Bank, bis
er in einen Raum kommt, wo er sich hinlegen kann. Er
jammert laut über starke Schmerzen in seinem Bein. Herr O. legt eine
ärztliche Bescheinigung vom September 2009 vor, in der eine
Hüftgelenksdysplasie, ein Hüftschiefstand und zwei weitere Diagnosen bzgl.
des Beines bestätigt sind. Herr O. hat auch entsprechende Medikamente dabei.
Der Bundespolizei liegt ein Attest vom Oktober 2010 vor, das besagt, daß Herr
O. uneingeschränkt reisefähig sei. Mit
der Begründung, daß die Reisefähigkeitsbescheinigung zu alt sei und somit für
heute nicht mehr aussagefähig ist, bricht der Leiter der Rückführungsstelle
die Abschiebung ab. Herr
O. berichtet den Sanitätern, daß er bei der Abholung aus der
Justizvollzugsanstalt am frühen Morgen von einem Mitarbeiter der
Ausländerbehörde – der jetzt auch noch anwesend ist – so heftig von der Liege
gezogen wurde, daß er mit dem Gesicht auf den Boden fiel. Die Sanitäter
untersuchen seinen Mund und bestätigen, daß die unteren Schneidezähne locker
und blutig sind. Zwischen
Abschiebungshaft und freiwilliger
Ausreise 13.1.14 1. März 11 Bundesland Niedersachsen. Auf dem Bahnhof Gifhorn in der Nordhoffstraße
beobachten zwei 14- und 15-jährige Schülerinnen um 15.40 Uhr, wie sich ein
Mann in das Gleisbett begibt und seinen Kopf auf eine Schiene legt. Die Jugendlichen
versuchen verzweifelt, den Mann zu warnen, aber als der nicht reagiert und
sich ein Güterzug aus Hannover nähert, laufen sie in Panik weg. Der Mann wird
von dem Zug überrollt und ist augenblicklich tot. Es
ist der 40 Jahre alte Flüchtling Shambu Lama aus Nepal, der nach 15 Jahren
Deutschland-Aufenthalt und 15 Jahren Leben als Geduldeter in
Flüchtlingslagern am 24. Februar von der Ausländerbehörde Gifhorn erfahren
hatte, daß er jetzt abgeschoben würde. Der Behörde war es gelungen, ein
Paßersatzpapier für ihn zu besorgen. Shambu
Lama war Vater eines zehn Monate alten Sohnes. Aufgrund der Tatsache, daß die
Mutter des Kindes eine Deutsche ist, hätte er gute Chancen gehabt, einen
Aufenthalt zu bekommen. Obwohl der zuständige Sachbearbeiter Sven Ring
versuchte, ihm das Besuchsrecht oft zu verweigern (Residenzpflicht), pflegte
er regelmäßigen Kontakt und hatte eine liebevolle Beziehung zu seinem Kind
Joshua Chris, das in Bad Harburg bei seiner Mutter lebt. Doch "sein
deutsches Kind und seine Vaterschaft interessieren nicht", zitiert die
Rechtsanwältin Daniela Öndül die Auffassung der Ausländerbehörde. Noch am
Morgen des Suizids hatte Sven Ring ihm erneut angedroht, daß er in zwei Tagen
abgeschoben würde. Um 11.41 Uhr des Todestages antwortete die Behörde auf die
Bitte des Verwaltungsgerichts Braunschweig, "bis zur Entscheidung des Ge
über den Eilantrag von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen", per Fax, daß
man nicht überzeugt sei, daß zwischen Herrn Lama und dem Kind eine
"schützenswerte Beziehung" bestehe. Um
14.14 Uhr schickt Shambu Lama eine letzte SMS an die Mutter seines Kindes,
Nadine Tannenberg: "Der liebe Gott hat es so gewollt. Ich kann Euch
nicht wiedersehen, aber bis zum letzten Atemzug wünsche ich Euch alles
Gute." "Niemals
hätte er Selbstmord begangen, wenn er eine Chance gehabt hätte, seinen Sohn
aufwachsen zu sehen, und ihm die Behörde nicht mit Abschiebung gedroht
hätte", sagt Nadine Tannenberg gegenüber der Tageszeitung junge Welt. Erst Wochen später wird bekannt,
daß auch das Verwal-tungsgericht Braunschweig, bei dem Shambu Lama Ende
Februar Klage gegen die drohende Abschiebung erhoben hatte, von einem
erfolgreichen Klageverfahren ausging. So hatte das Gericht die
Verfahrenskosten der Klage dem Landkreis Gifhorn auferlegt. Es stellte
weiterhin fest, daß die Ausländerbehörde über die Vaterschaft des Flüchtlings
schon monatelang Bescheid wußte und trotzdem die Abschiebung nicht aussetzte.
Auch die Äußerung der Ausländerbehörde, Shambu Lama könne sein Umgangsrecht
mit dem Sohn von Nepal aus gestalten, wurde von den Richtern gerügt. Ende
März reicht die Anwältin Daniela Öndül eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen
zwei Sachbearbeiter der Gifhorner Ausländerbehörde ein. Am
29. März erfolgt die Einäscherung und Beisetzung des Leichnams in Hasede bei
Hildesheim. Aus
einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Frankion DIE
LINKE wird deutlich, daß sowohl das Innenministerium als auch die
Ausländerbehörde jegliche Mitverantwortung an der Situation, die Shambu Lama
in den Tod trieb, von sich weisen. Im Gegenteil, es werden Behauptungen
aufgestellt, die nach Aussagen der Rechtsanwältin und der ehemaligen
Lebensgefährtin schlichtweg falsch sind. So behauptete das Innenministerium,
die Ausländerbehörde habe von der Vaterschaft des Shambu Lama nichts gewußt,
obwohl die Mutter bereits Mitte Oktober 2010 die Vaterschaftsanerkennung an
die Landesausländerbehörde gefaxt hatte, und die Anwältin Daniela Öndül dies
der Behörde am 6. Januar 11 erneut schriftlich mitgeteilt hatte. Für die Flüchtlinge im Flüchtlingslager
Meinersen, wo auch Shambu Lama zuletzt leben mußte, steht seine Verzweiflungstat
in engem Zusammenhang mit der besonders restriktiven Flüchtlingspolitik des
Kreises und der üblen Zustände in dem Sammellager. Bereits am 12. Februar
hatten sie sich in einem Offenen Brief an die Betreiberfirma, die
Unternehmensgruppe K&S (Dr. Krantz Sozialbau und Betreuung), gewandt und
die Mißstände angeprangert. Sie
nannten unter anderem: völlige Isolierung vom gesellschaftlichen Leben am
äußersten Rand eines Dorfgewerbegebietes, 14 Kilometer von Gifhorn entfernt,
4-5 Personen pro 20 Quadratmeter großem Zimmer, schutzlos der Willkür von
Heimleitung und Behörden ausgeliefert sein, Verletzung des Postgeheimnisses
durch die Heimleitung, Gutscheine statt Bargeld, Verweigerung von
Arbeitserlaubnissen, auch wenn jemand ein Einstellungsangebot vorweisen kann,
ständige Verweigerung der Anträge zum Verlassen des Landkreises
(Residenzpflicht) – ständige Angst vor einer Abschiebung. Im
April 2013 findet ein Prozeß gegen einen Unterstützer der Gifhorner
Flüchtlingsproteste statt. Er erhielt mehrere Strafanzeigen und ein Bußgeld
wegen angeblicher Beleidigung. Die Strafanzeige der Mutter des gemeinsamen
Sohnes gegen die verantwortlichen Behördenmitarbeiter ist seit langem
abgewiesen. Offener Brief
der Flüchtlinge aus Meinersen 12.2.11; WoAZ 1.3.11;
FRat NieSa 3.3.11; WoAZ 3.3.11; taz 3.3.11; jW 5.3.11; WoAZ
6.3.11; MaN 7.3.11; jW 19.3.11; HAZ
26.3.11; FRat NieSa 28.3.11; taz 1.4.11;
newsclick.de 4.4.11; FRat NieSa 15.4.11; ND 18.4.11; taz 3.5.11; taz 22.7.11; LT DS
Niedersachsen 16/3820; Nadine Tannenberg 7.4.11; Karawane Hamburg
14.4.13 8. März 11 Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Ein 30 Jahre alter
irakischer Gefangener verletzt sich durch das Schlagen seines Kopfes gegen
die Gitter. Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 21, März 11 Bundesland Sachsen. In der JVA Zwickau fügt sich ein
Abschiebegefangener in selbsttötender Absicht Verletzungen mit einer
Rasierklinge zu. BT DS 17/10597 25. März 11 Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. In der Nacht
gelingt es einem Gefangenen aus Georgien, zunächst die Fenstergitter
durchzusägen und sich dann aus dem 5. Stock des Gebäudes abzuseilen.
Anschließend überwindet er die Gefängnismauer und springt auf das Dach eines
abgestellten LKW-Anhängers. Er
sollte am nächsten Tag abgeschoben werden. BZ 28.3.11; BK
28.3.11; BM 28.3.11 März 11 Bundesland Niedersachsen. Vier erwachsene Kinder der
Familie Begani aus Baddeckenstedt im Landkreis Wolfenbüttel sitzen in
Hannover-Langenhagen in Abschiebehaft und sollen nach elf Jahren
Deutschland-Aufenthalt abgeschoben werden. Dadurch wird ihr pflegebedürftiger
Vater, der sich jetzt allein um die zwei jüngeren Geschwister kümmern sollte,
völlig überfordert. Als die Mutter im Jahre 2009 starb, hatten die
erwachsenen Kinder sich sowohl um den Vater als auch um die Geschwister
gekümmert. Am
11. April wird gerichtlich entschieden, daß die vier festgenommenen Personen
zunächst nicht abgeschoben werden dürfen. alle bleiben!
22.3.11; Projekt Roma
Center Göttingen 12.4.11 6. April 11 Landkreis Gifhorn in Niedersachsen.
Morgens um 8.21 Uhr erscheinen Polizeibeamte bei der Familie I., empfehlen,
daß sie sich zu essen mitnehmen sollen, weil es länger dauern würde, und
fahren mit dem Ehepaar und einer Unterstützerin zur Landesaufnahmebehörde
nach Lüneburg zu einer Vernehmung. Die Unterstützerin wird von den Beamten
schon am Anfang aus dem Haus gedrängt. Herr
I., der aus der russischen Teilrepublik Dagestan kommt, hatte das Land im
Jahre 2000 verlassen, weil er sich von fundamentalistischen Islamisten
bedroht gefühlt hatte. Seine Frau und die beiden Kinder reisten zwei Jahre
später nach. Ihre Asylanträge wurden allesamt abgelehnt. Da
sie keine Papiere besitzen und die russischen Behörden ihre Identität bisher
nicht klären konnten, kann die Familie nicht abgeschoben werden. Die
Befragung durch die Sachbearbeiter in Lüneburg soll zur Beschaffung von
Paßersatzpapieren dienen. Von
Beginn an schlägt dem Ehepaar eine ausgesprochen aggressive Stimmung
entgegen. Sie werden getrennt verhört. Als Herr I. sich weigert, irgend etwas
zu sagen, geschweige denn zu unterschreiben, wird er von dem leitenden
Sachbearbeiter verbal und körperlich bedroht und beleidigt. Zitate
des wütend schreienden Beamten: "Seit 9 Jahren machen sie so ein
Affentheater hier." – "Aber nicht mit mir." – "Du
Arschloch, Du bist kein Mensch, Du bist ein Schwein. Ein russischer Idiot
bist Du. Dir werde ich‘s noch zeigen. Ich werde Dich und Deine Familie
zerstören. Wenn du nicht sofort redest, wirst du hier den ganzen Tag ohne
Essen und ohne Toilette bleiben, und deine Frau wird zu Fuß nach Gifhorn
gehen." – "Ich werde dich für 6 Jahre ins Gefängnis stecken, du
Vollidiot." – "Ich
mach dich alle, du russisches Schwein"...... Und
zu dem Dolmetscher sagt der Beamte: "Dieses Arschloch werde ich ins
Gefängnis stecken. Er kann noch was erleben, dieses russische Schwein." Als
Herr I. weiterhin nichts sagt, obwohl ein hereingerufener Sicherheitsbeamter
sich vor ihm aufbaut und eine Hand auf die Pistole legt, hält ihm der Beamte
seine Faust direkt vors Gesicht. Als er zuschlagen will, geht der Übersetzer
dazwischen und verhindert den Angriff. Dann wird Herr I. aus dem Raum
hinausgeworfen. Frau
I., die getrennt von ihrem Mann verhört wird, muß sich ähnliche Bedrohungen
anhören: "Dein Mann ist ein großer Idiot, Euch muss man ins Gefängnis
stecken und sofort abschieben, Ihr Schweine". "Deine Tochter hat
alles kaputt gemacht. Auch wenn sie ne Aufenthaltserlaubnis bekommen sollte,
werde ich dafür sorgen, dass sie abgeschoben wird. Sie hat alles
kaputtgemacht." Der
Beamte zeigt die Familie wegen "Verstoß gegen die
Mitwirkungspflicht" und die sie begleitende Unterstützerin wegen
"Beihilfe zum Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht" an. Der
Rechtsanwalt der Familie erstattet Strafanzeige gegen den Beamten wegen
Beleidigung, Nötigung und Bedrohung. Am
31. August 11 stehen bei Familie I. um 6.00 Uhr morgens Polizisten der
Staatsschutzabteilung zusammen mit Beamten des Landkreises mit einem
Durchsuchungsbeschluß vor der Tür. Die Familie hätte
eine Ordnungswidrigkeit nach dem Aufenthaltsgesetz begangen, weil sie keine
vollständigen oder korrekten Angaben über ihre Identität mache und auch keine
Unterlagen, die zur Identitätsklärung dienlich sein könnten, vorlegen würde. Die
Beamten verbieten Telefonate mit dem Rechtsanwalt der Familie, es darf immer
nur eine Person bei der Durchsuchung zugegen sein, die Familienmitglieder
dürfen nur in Begleitung eines Beamten oder einer Beamtin zur Toilette gehen. Da
Familie I. bei den Protesten gegen die Zustände im Wohnheim Meinersen sehr
aktiv ist, liegt der Schluß nahe, daß diese Hausdurchsuchung ein zusätzlicher
Versuch der Behörde ist, die Familie einzuschüchtern, zumal am 3. September
eine Kundgebung stattfinden wird. FRat NieSa 20.5.11; HAZ 20.5.11; Landeszeitung Lüneburg 22.5.11; FRat NieSa 15.9.11; Karawane f. d. Rechte d. Flüchtlinge u.
MigrantInnen 6. April 11 Bundesland Rheinland-Pfalz. Die Romni Snezana X., die mit
ihrer Tochter und deren drei Kindern in Rheinzabern lebt, reist aufgrund
einer Abschiebungsandrohung der Ausländerbehörde Trier "freiwillig"
nach Serbien aus. Sie ist schwer krebskrank. Sie
berichtet, daß sie Ende 2010 im Krankenhaus von Kandel am Bauch operiert
worden sei. Als sie Anfang des Jahres 2011 große Schmerzen bekam, verweigerte
die Klinik ihre erneute Aufnahme – auch ein praktischer Arzt meinte, daß er
ihr nicht helfen könne. Zwei Wochen später – als die Behörde die Abschiebung
androhte – entschloß sich die Tochter, ihre Mutter nach Serbien zu begleiten,
damit diese nicht völlig allein sei. Sie fanden in Vranska Banja eine
Unterkunft. Bei
einem Besuch von Mitgliedern der Organisation Roma in Hamburg erzählt Snezana
X., daß sie einen Monat nach der Rückkehr wieder Wasser im Bauch hatte, daß
sie Blut gespuckt habe und sich ständig übergeben müsse. Am schlimmsten
jedoch seien die Schmerzen. Sie kam kurz ins Krankenhaus – für einen längeren
Aufenthalt oder weitere Behandlungen fehlte das Geld. "Wenn Du hier in
Serbien keine Geld hast, dann stirbst Du einfach." Im Oktober erliegt
Snezana X. ihrem Leiden. Der
Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz erhält auf seine Nachfragen von der
zuständigen Kreisverwaltung Germersheim die Antwort, daß dem Amt eine
Erkrankung der Frau X. nicht bekannt gewesen sei – und da dies so sei, konnte
ihr auch nicht geholfen werden. Zudem bestreitet die Verwaltung vehement,
irgendeinen Druck auf die ausreisepflichtige Frau ausgeübt zu haben. AK Asyl
Rheinland-Pfalz; Roma in Hamburg
– Dokumentationsreise August 2011; Roma in Hamburg 14.10.11 6. April 11 Flughafen Frankfurt am Main. Eine 34 Jahre alte Chinesin
wird ohne Ankündigung und ohne einen Cent aus der Abschiebungshaft in München
nach Peking ausgeflogen. Die
Frau war vor sechs Monaten ohne gültiges Visum in München festgenommen worden
und saß seither – zusammen mit Untersuchungsgefangenen – in Abschiebehaft.
Sie konnte nur Chinesisch sprechen und hatte keinerlei Kontakt zu anderen
Personen. Sie
war nach Deutschland gekommen, um für ihre in China zurückgelassenen Kinder
Geld zu verdienen. Eine Sozialarbeiterin am Flughafen Frankfurt, die der Frau
noch 100 Euro für ihren langen Weg von Peking zu ihrem Heimatort geben
wollte, konnte dies nicht rechtzeitig tun. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 12. April 11 Nordrhein-Westfalen. Sammelabschiebung von 43 Roma aus
mindestens fünf Bundesländern (Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen)
vom Flughafen Düsseldorf nach Prishtina. Unter
den Flüchtlingen befindet sich ein Vater mit seiner 20-jährigen schwangeren
Tochter. Seine Frau ist mit fünf jüngeren Kindern im Landkreis Steinfurt
geblieben, wo die Familie seit 21 Jahren gelebt hat. Aktion
Sühnezeichen Friedensdienste 12. April 11 Landkreis Harburg in Niedersachsen. Die 25 Jahre alte
Romni Sevlije Begani aus Tostedt wird mit ihren vier kleinen Töchtern im
Alter von einem bis fünf Jahren in den Kosovo abgeschoben. Dies geschieht zu
einer Zeit, in der ihr Mann und Vater der Kinder, Gani Rama, mit einer
lebensgefährlichen Lungen-Tuberkulose in einem bayerischen Krankenhaus liegt.
Damit ist die Familie weiterhin getrennt. Frau
Begani war mit ihrem Lebensgefährten im Jahre 2001 vor dem Bürgerkrieg im
Kosovo geflohen. Seither lebten sie als Geduldete in der Bundesrepublik – die
Kinder wurden alle hier geboren. Bereits
2010 erfolgte die Abschiebung von Gani Rama. Danach lebte er ca. fünf Monate
als Obdachloser, bis es ihm gelang, wieder in die BRD einzureisen. In Bayern
wurde er festgenommen und kam umgehend in Abschiebehaft. Als Ärzte dort seine
schwere Erkrankung feststellten, wurde er in ein Krankenhaus eingewiesen. Frau
Begani wird zusammen mit weiteren 43 Menschen aus Nordrhein-Westfalen und
Niedersachsen über den Flughafen Düsseldorf in einer Chartermaschine nach
Prishtina abgeschoben. Allein
aufgrund von Spendengeldern, die UnterstützerInnen in der BRD sammeln, kann
sie in einem Haus in Podujevo unterkommen, das sie mit anderen Familien
teilt. Als allein lebende Romni mit vier kleinen Kindern im Kosovo ist es ihr nicht
möglich, sich durch Arbeit selbst zu finanzieren. Auch die medizinische
Versorgung muß direkt bezahlt werden, weil eine Krankenversicherung nicht
bezahlbar ist. Als
es Gani Rama gesundheitlich besser geht und er aus dem Krankenhaus entlassen
wird, erfolgt erneut seine umgehende Einweisung in die Abschiebehaft. Obwohl
die behandelnde Ärztin eine dreimonatige ambulante Weiterbehandlung
verordnet, wird für den 7. Juli 11 um 10.55 Uhr sein Abschiebeflug nach
Belgrad in Serbien gebucht. Im
Sommer bekommt die Familie Besuch von UnterstützerInnen aus Deutschland. Sie
erzählen von rassistischen Angriffen – auch in Form von Steinwürfen - auf sie
und auf ihre Unterkunft, so daß auch die Vermieterin Angst bekommen hat, weil
die Familie bei ihr wohnt. Gani Rama zeigt Narben am Hals und am Arm, weil er
zusammengeschlagen wurde. Im
Mai 2012 besucht eine Delegation des Innenausschusses des Niedersächsischen
Landtags abgeschobene Roma-Familien im Kosovo. Die Familie Begani / Gani lebt
jetzt in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Pristina. Herr Gani sammelt Aluminium
und anderen Schrott und leidet unter einer Lebererkrankung und braucht zudem
dringend Hörgeräte, aber medizinische Versorgung kann sich die Familie nicht
leisten. Projekt Roma Center 12.4.11; thecaravan.org
12.4.11; alle-bleiben! 13.4.11; taz 13.4.11; alle bleiben!
6.6.11; alle bleiben! - Reisebericht 9.9.11; alle bleiben! -
Reisebericht 25.1.12; DIE LINKE LT
NieSa 2.5.12 13. April 11 Bundesland Saarland. Der abgelehnte Asylbewerber Khalid
Hamid Hamid wird nach 9-jährigem Deutschland-Aufenthalt nach Damaskus
abgeschoben. Er war am Vortag in der Ausländerbehörde Lebach festgenommen
worden, als er seine Duldung verlängern lassen wollte. Noch
auf dem Flughafen Damaskus erfolgt seine Verhaftung durch syrische Militärs,
die ihn ins Gefängnis Fara' Filastin bringen. Hier wird er von Angehörigen
des Militärischen Nachrichtendienstes zu seinen exilpolitischen Aktivitäten
unter systematischer Folter verhört. Dabei wenden seine Peiniger den
sogenannten Deutschen Stuhl (al-kursi al-almani) an. Er ist dabei auf einem
beweglichen Stuhl festgebunden, der seine Wirbelsäule Stück für Stück nach
hinten biegt. Am
20. April wird Khalid Hamid Hamid aus dem Gefängnis entlassen. Nûçe Nr. 512; Kurdwatch 14.4.11; Kurdwatch
28.4.11 14. April 11 Nordrhein-Westfalen. Morgens um 4.00 Uhr kommen Polizisten
in das Oberhausener Flüchtlingsheim. Die Beamten, die Polizei-Hunde dabei
haben, öffnen alle Zimmertüren von Roma-Familien und gehen in die Räume
hinein. Die BewohnerInnen sind völlig verstört und verängstigt – die Kinder
schreien. Der
Familie L. zeigen die Polizisten einige Tüten und fordern sie auf, ihre
Sachen dort hineinzupacken. Herr L. wird in Handschellen gelegt und im Bus in
einen separaten Bereich eingesperrt. Frau L. muß mit ihren drei kleinen erschrockenen
Kindern, das jüngste ist ein Jahr alt, auf der anderen Seite des Busses Platz
nehmen. Insgesamt nehmen die Beamten an diesem Morgen sechs Roma-Familien zur
Abschiebung mit. Bei
Familie L. ist es der zweite Abschiebungsversuch – beim ersten hat ein Arzt
die Aktion abgebrochen, weil Herr L. an Bluthochdruck leidet. Dokumentationsreise
2011 16. April 11 Auf der saarländischen Rastanlage Neunkirchen-Kohlhof an
der Bundesautobahn 8 öffnet der Fahrer eines Kühltransporters seinen Sattelauflieger, weil er
Klopfgeräusche gehört hat. Er befreit einen Mann aus dem auf minus 6 Grad
temperierten Anhänger, der so schwere Unterkühlungen hat, daß er umgehend ins
Städtische Krankenhaus Neunkirchen eingeliefert werden muß. Es
handelt sich um einen staatenlosen Flüchtling mit Geburtsort Gaza, der
wahrscheinlich bei einem Tankstopp in Frankreich selbst in den
Kühltransporter geklettert war. BT DS 17/8704 16. April 11 Am griechischen Fährhafen Patras wird auf der Ladefläche
eines LKW mit deutscher Zulassung eine leblose Person gefunden.
Reanimierungsversuche bleiben erfolglos. Die
Person war mit drei weiteren Flüchtlingen durch das Aufschneiden der Plane
des Aufliegers auf die Ladefläche gelangt. BT DS 17/8704 . 17. April 11 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Solinger
Flüchtlingsheim in der Focher Straße entsteht ein Feuer im Keller, in dessen
Verlauf vor allem Sperrmüll verbrennt. Zu Schaden kommt niemand. Die
Polizei schließt zunächst Brandstiftung aus, weil vermutet wird, daß das
Feuer sich von einer Couch aus entwickelte. STB 19.4.11 22. April 11 Bundesland Bayern. Der 51 Jahre alte Kurde Hanifi Bulu
wird aus der Abschiebehaft in der JVA München-Stadelheim heraus in die Türkei
abgeschoben und somit von seinen zwei minderjährigen Kindern getrennt. Der
politische Aktivist und PKK-Unterstützer, der seit 21 Jahren in München lebt,
war am 29. März 11 verhaftet worden. Aus Protest gegen die Inhaftierung und
die angedrohte Abschiebung begann er sofort einen Hungerstreik. In dieser
Phase seines Widerstands ist er einmal von einem Bewacher am Hals gepackt und
fixiert worden. Als
er am 5. April abgeschoben werden sollte, gelang es ihm, sich erfolgreich
dagegen zu wehren. Zurück in Stadelheim setzte er seinen Hungerstreik fort,
beendete ihn jedoch nach einer Woche aufgrund der körperlichen Strapazen. Nachdem
Herr Bulu nach der Abschiebung im Süden der Türkei untergetaucht ist, hat
sich seine Spur verloren. Hanifi
Bulu hatte 1995 an einer Besetzung des kurdischen Elternvereins teilgenommen
und war daraufhin zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Den Abschiebeschutz
verlor er allerdings erst im Juni 2008 aufgrund einer Gesetzesänderung. Jetzt
wurde die Teilnahme an der Aktion von 1995 als terroristisch bewertet und
Asyl abgelehnt. Weil Herr Bulu die Frist für die Klage gegen den Widerruf
versäumte, wurde er schließlich abgeschoben. Karawane –
München 11.4.11; jW 12.4.11; Gariban Arikan -
Rechtsanwältin 27. April 11 Landkreis Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz. Der 20 Jahre
alte Aserbaidschaner Wladimir Sogomonjan aus Hassloch wird aus dreiwöchiger
Abschiebehaft heraus nach Armenien abgeschoben und damit von seiner Verlobten
getrennt, die ein Kind von ihm erwartet. Zuvor war er in Handschellen und
Fußfesseln zur Vaterschaftsfeststellung vorgeführt worden. Auf dem Flughafen von Eriwan lehnen die
armenischen Behörde seine Einreise ab, so daß er sich – völlig mittellos –
auf unbestimmte Zeit im Transitbereich aufhalten muß. Allein die Menschen der
Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) – Sektion Armenien –
versorgen ihn mit Lebensmitteln und Getränken, intervenieren bei Schikanen
der Grenzbeamten und helfen bei den Kontakten mit dem Außenministerium
Armeniens und der Deutschen Botschaft in Eriwan. Hier besuchen ihn auch zwei Menschen, die schon
im Dezember 2009 in der Clearingstelle Trier als "armenische
Experten" tätig gewesen waren (siehe unten). Sie setzen Herrn Sogomonjan
derart unter Druck, daß sogar einige Grenzschutzbeamte sie abmahnen müssen.
Sie bezeichnen ihn als "verrückt" und als "Lügner" und
fordern ihn auf zuzugeben, daß er aus Armenien stamme. Weil
die Bundesrepublik mit Armenien ein Rückübernahmeabkommen abgeschlossen hat,
geschieht es nicht zum ersten Mal, daß Flüchtlinge aus Aserbaidschan mit von
den Behörden umkonstruierten Identitäten (= Fälschungen) nach Armenien
abgeschoben werden. Wladimir
Sogomonjan war im Alter von 12 Jahren mit seiner Mutter Gajane Ossipjan und
den beiden Geschwistern Maksim und Magda aus Aserbaidschan in die
Bundesrepublik geflüchtet, nachdem sie dort bedroht und verfolgt worden
waren. Die vorhandene Geburtsurkunde der Mutter, die im
Original vorlag, wurde von "Experten" aus Armenien zur Fälschung
erklärt – und galt dann bei der Behörde als nicht mehr auffindbar. Weiterhin
behaupteten die "Experten", daß Frau Ossipjan tatsächlich
"Hakobyan" heiße und der Wohnort Gagarin, den sie angegeben hatte,
auf armenischem Territorium liege. Ebenso verfuhren sie mit den Geburtsorten
der Kinder: Surnabad und Chanlar (heute: Göygöl) wurden kurzerhand Armenien
zugeordnet. Tatsächlich liegt Gagarin in Usbekistan und die Geburtsorte der
Kinder befinden sich in Aserbaidschan. Die
Internationale Gesellschaft für Menschenrechte schickte eine Kopie der
Geburtsurkunde von Frau Ossipjan nach Usbekistan und erhielt eine Abschrift
aus dem Einwohnermelderegister, die belegt, daß Frau Ossipjan dort geboren
und aufgewachsen ist. Zudem konnte die IGFM am 14. Dezember 2010
Zeugenerklärungen von vier in Griechenland anerkannten Flüchtlingen vorlegen,
die mit Unterschrift und Foto bestätigten, daß Frau Ossipjan aus Usbekistan
stammt und 1988 nach Aserbaidschan gezogen war. Als
die Familie am 11. Oktober 2010 abgeschoben werden sollte, trennte sie sich
und war damit für die Behörden nicht mehr greifbar. Bis dahin waren Maksim
und seine Schwester Magda geförderte Nachwuchstalente im Galaxy-Boxclub
Speyer und wurden von dem international bekannten Siggi Weickemeier
trainiert. Schließlich gelingt es Wladimir Sogomonjan und
den UnterstützerInnen, seine Rückreise in die BRD durchzusetzen. Am Abend des
21. Juni 11 landet er auf dem Flughafen Frankfurt am Main. SOZ 29.4.11,
IGFM 30. April 11 Frankfurt an der Oder in Brandenburg. In der Nähe des
Supermarktes Kaufland (West) wird ein 46 Jahre alter Flüchtling aus Kamerun
aus einer Gruppe Feiernder heraus zunächst rassistisch beleidigt. Als drei
Personen auf ihn zustürmen, versucht er per Handy die Polizei zu rufen. Die
Angreifer nehmen ihm das Telefon ab, schlagen ihn nieder. Am Boden liegend
wird er weiter geschlagen und mit Füßen getreten. Auch
die Intervenierungsversuche eines Paares, das mit dem Auto und lautem Hupen
auf die Angreifer zufährt, halten die Täter nicht von ihrem Gewalt-Exzeß ab. Durch
sein weiter auf Verbindung gestelltes Handy wird die Tat akustisch in die
Notrufzentrale der Polizei übertragen und mitgeschnitten. Worte wie
"Kanacke!", "Bimbo!" und "Neger" sind somit
dokumentiert. Zwei
Täter können in der Nähe des Tatortes von der Polizei gestellt werden. Die
Männer sind bereits früher durch rechtsmotivierte Straftaten in Erscheinung
getreten. Der
Kameruner erleidet Verletzungen im Mund und an den Lippen und Prellungen im
Gesicht, an den Beinen und auf dem Rücken. Er muß sich im Krankenhaus
behandeln lassen. Am
14. Dezember verurteilt das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die 29 und 30 Jahre
alten Täter wegen gefährlicher Körperverletzung zu Haftstrafen von je acht
Monaten auf Bewährung und zur Zahlung von insgesamt 500 Euro Schmerzensgeld.
Der dritte Gewalttäter bleibt unbekannt, weil die Angeklagten seinen Namen
nicht nennen. Auch bestreiten sie, aus rassistischer Motivation heraus
gehandelt zu haben. Ihr
Opfer leidet auch im Dezember noch an den psychischen Auswirkungen des
Überfalls. Utopia; BORG-FFO; FRat Brbg
14.12.11; MOZ 15.12.11 April 11 Nordrhein-Westfalen. Polizeibeamte suchen den Rom Herrn E.
in einem Duisburger Krankenhaus auf. Daß der schwer herzkranke Mann künstlich
beatmet wird, hält die Beamten nicht davon ab, ihm ihren Abschiebewillen
deutlich zu machen. Herr E. wurde bereits fünfmal am Herzen operiert. Nach
seiner Entlassung entscheidet er sich, mit seiner Frau und seinen zwei
erwachsenen Töchtern, von denen eine geistig behindert ist,
"freiwillig" nach Mazedonien auszureisen. Einer
deutschen BesucherInnengruppe, die er im Sommer auf den Straßen von Shutka
trifft, erzählt er, daß die Familie bisher keine Sozialhilfe bekommen hat und
daß es in Skopje für ihn nicht möglich ist, die Therapie seiner Erkrankung
fortzusetzen. Dokumentationsreise
2011 2. Mai 11 Flughafen Frankfurt am Main. Auf Veranlassung der Ausländerbehörde
des Westerwaldkreises wird ein Armenier ohne seine Frau und seine drei Kinder
nach Eriwan abgeschoben. Da
die Kinder nach seinen Aussagen sehr gut integriert sind und eines der Kinder
minderjährig ist, dürfen sie mit der Mutter vorerst noch bleiben. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 4. Mai 11 Flughafen Frankfurt am Main. Eine im siebten Monat
schwangere Frau wird mit ihrem Kleinkind, aber ohne den Partner und Vater der
Kinder nach Belgrad abgeschoben. Kurz
vor dem Abflug hatte das Verwaltungsgericht nach einem Eilantrag entschieden,
daß die Frau nur in Begleitung eines Arztes fliegen dürfe. Ein Arzt, der
dafür gar nicht vorgesehen war, erklärt sich bereit, die Frau zu begleiten. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 4. Mai 11 Bundesland Sachsen-Anhalt. Auf dem Bahnhof von Bitterfeld
wird der 37-jährige Beniner Salomon Wantchoucou morgens um 0.30 Uhr von zwei
deutschen Männern angeschrien. Ob er einen deutschen Paß besitze, wollen sie
wissen, wobei einer ihm ins Gesicht leuchtet und der andere mit einem
Metallstab in seine Richtung schlägt. Salomon Wantchoucou gelingt die Flucht
zu Fuß, und er ruft die Polizei. Als diese erscheint, sind die Angreifer
fort, und sein Fahrrad ist auch verschwunden. Salomon
Wantchoucou hatte an diesem Abend, an dem er eigentlich nur nach Hause
wollte, bereits schon vorher eine Begegnung mit der Polizei. Der Sprecher der
Flüchtlingsinitiative Möhlau kam von einer Veranstaltung zum Thema
Fremdenfeindlichkeit und zum Gedenken an Oury Jalloh aus Dessau, als er in
Raguhn wegen der nicht funktionierenden Fahrradbeleuchtung von der Polizei
gestoppt wurde. Da er sich nicht ausweisen konnte, weil seine Papiere bei der
Ausländerbehörde liegen, nahmen die Beamten ihn mit aufs Revier nach
Bitterfeld. Dort unterzogen sie ihn auch einem Alkohol-Test, der negativ
ausfiel. Da Salomon Wantchoucou sich in Bitterfeld nicht auskennt, bat er die
Beamten nach seiner Entlassung um Hilfe. Diese wurde ihm verweigert, die
Beamten sperrten ihn schließlich regelrecht aus. Als
Salomon Wantchoucou auf dem Bahnhof Bitterfeld nach einer Zugverbindung nach
Wittenberg suchte, wurde er von den zwei Männern angegriffen. Flüchtlingsinitiative
Wittenberg 4.5.11; Flüchtlingsinitiative
Möhlau 9.5.11; Polizei Sachsen-Anhalt
Ost 23.5.11; MDZ 9.5.11; Der
Schlepper Nr. 55/56 Sommer 2011; Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt 8. Mai 11 Bundesland Hessen. Als ein LKW-Fahrer mittags auf der
Rastanlage Großenmoor-Ost der Bundesautobahn A7 bei einer Kontrolle der
Ladung die Plane seines mit Kabeltrommeln geladenen Sattelschleppers öffnet,
bemerkt er eine Flüssigkeitslache und einen beißenden Geruch, was ihn
veranlaßt, die Polizei zu rufen. Kräfte der Polizei und Feuerwehr entdecken
dann nach der Öffnung der Stahlkappe einer Trommel einen stark verwesten
Leichnam. Die
weitere Untersuchung des LKW findet auf dem Gelände der Bundespolizei in
Hünfeld statt. Hier wird in der Kabeltrommel eine zweite Leiche gefunden. Nach
der Obduktion steht fest, daß die beiden toten Männer in der Trommel an
Herzversagen aufgrund starker Hitze, räumlicher Enge und körperlicher
Austrocknung gestorben sind (sog. Hitzetod). Es handelt sich um einen 20 bis
25 Jahre alten und einen circa 30-jährigen Mann – beide vermutlich aus
Nord-Afrika, wie aus gefundenen Fotos geschlossen wird. Die
Kabeltrommeln sind bereits am 3. Mai im griechischen Patras auf eine Fähre
verladen und dann in Venedig von dem Sattelschlepper aufgenommen worden. Der
Zielort war Süd-Niedersachsen. Es
wird vermutet, daß sich die Flüchtlinge bereits in Griechenland in der
Trommel versteckten. Dabei muß ihnen jemand geholfen haben, die Trommel mit
der Stahlkappe von außen zu verschließen. Polizei Fulda
8.5.11; hr-online.de
8.5.11; SZ 9,5,11; hr-online.de 10.5.11;
RP 10.5.11; afp 11.5.11; BT DS 17/8704 11. Mai 11 Kühlungsborn im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Kurz
nach Mitternacht erscheinen Polizeibeamte und ein Mitarbeiter der Demminer
Ausländerbehörde an der Wohnung einer armenischen Flüchtlingsfamilie, um sie
nach 13 Jahren Deutschland-Aufenthalt abzuschieben. Die 33 Jahre alten
Eltern, Kristine und Artur Baveyan, der 12-jährige Geworg und die 9-jährige
Anne Marie Injighulyan werden aus dem Schlaf gerissenen. Sie müssen ihre
Handys umgehend abgeben, und ihnen werden Telefonate jeglicher Art verboten.
Mit einem Bus werden sie zum Flughafen Frankfurt am Main gefahren. Erst
eine halbe Stunde vor Abflug der Maschine bekommen sie ihre Handys zurück, so
daß sie ihren Rechtsanwalt erreichen. Diesem gelingt es mit einer
einstweiligen Anordnung, die Abschiebung zu verhindern. In der
Urteilsbegründung heißt es: "Wegen derzeitig fehlender weiterführender
sachverständiger ärztlicher Feststellungen kann eine Reisefähigkeit nicht
angenommen werden." Mit
den "fehlenden Feststellungen" ist der Gesundheitszustand von Frau
Baveyan gemeint, die seit 2004 durchgehend in ärztlicher und psychologischer
Behandlung ist und deshalb mehrmals in eine Klinik eingewiesen werden mußte.
Die Frau leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung und anderen
psychischen Erkrankungen. Diese
schwere Erkrankung, die ein Abschiebehindernis darstellt, hat die
Ausländerbehörde Demmin nicht nur ignoriert, sondern schriftlich erklärt, daß
sie mit "hundertprozentiger Sicherheit Vorerkrankungen oder aktuelle
Erkrankungen ausschließen" könne. Tatsächlich
hatte der Rechtsanwalt schon ein Jahr zuvor nach der Vorlage ärztlicher
Stellungnahmen erwirkt, daß ein Termin mit dem Gesundheitsamt vereinbart
werden sollte. Dieses ist allerdings nie geschehen. Im Februar 2010 hatte die Demminer
Ausländerbehörde eine Hausdurchsuchung bei der Familie durchgeführt, um
Personalpapiere zu finden. Dieser behördliche Akt wurde vom Landgericht
Neubrandenburg anschließend als rechtswidrig beurteilt. Mitte
August 2011 weist der Innenminister Lorenz Caffier (CDU) den zuständigen
Landrat an, der Familie mit Rücksicht auf das Wohl der zwei schulpflichtigen
Kinder einen Aufenthalt zu gestatten. Kurz zuvor hatte die
Härtefallkommission des Landes noch entschieden, sich nicht ein zweites Mal
mit dem Fall zu befassen. FRat MeckPom
7.6.11; Meck. & Pom. 19.6.11; indymedia 16.6.11; NK 16.6.11; Antenne MV 16.8.11; Heft der
Flüchtlingsräte Januar 12 13. Mai 11 Bundesland Thüringen. Als um 22.30 Uhr ca. 30
PolizeibeamtInnen und Bedienstete der Ausländerbehörde Gotha selbständig und
unangemeldet in die Wohnung einer Flüchtlingsfamilie aus Aserbaidschan
eindringen, versucht sich der Familienvater selbst zu verletzen. Dann wird er
– nur mit einer Unterhose bekleidet – mit Gewalt von seiner Frau und den drei
Kindern getrennt, ihm werden Hand- und Fußschellen angelegt, er bekommt
Medikamente und anschließend erfolgt sein Transport in die Psychiatrie nach
Mühlhausen. Der
Mann ist aserbaidschanischer Nationalität, aber ohne anerkannte
Staatsangehörigkeit, da er in Armenien und Rußland aufgewachsen ist und die
Staatsangehörigkeit der damaligen UdSSR besaß. Er kann weder freiwillig
ausreisen, noch abgeschoben werden. Seine
Frau und die fünf, sechs und zwölf Jahre alten Kinder werden von der Polizei
mitgenommen, um sie über den Flughafen Berlin abzuschieben. Die
Frau ist schwer und in erheblichem Maße eigengefährdend psychisch krank und
war aus diesem Grunde mehrfach in stationärer Behandlung. Ihre
Abschiebung kann jetzt im letzten Moment noch durch eine Entscheidung des
Verwaltungsgerichts Meiningen verhindert werden. Bei einem Zwischenstop des
Flugzeugs in Wien können Mutter und Kinder die Maschine wieder
verlassen und kommen mit Hilfe des österreichischen Innenministeriums zurück
nach Gotha. Hier
finden sie ihre Wohnung völlig durchwühlt vor. Ohne Durchsuchungsbeschluß
wurden die persönlichen Sachen aus allen Schränken gezerrt und in den Räumen
verteilt. Die Ersparnisse der Familie sind nicht mehr da. Die
Frau kommt unmittelbar wieder in stationäre Behandlung, weil die
überfallartige Nachtaktion und die Familientrennung sie erheblich gefährdet
haben. Bereits
im November 2010 hatte es einen ersten Versuch gegeben, die Familie
abzuschieben. Aufgrund der Krankheit der Frau und der besonderen
aufenthaltsrechtlichen Situation des Mannes mußte die Abschiebung damals auf
dem Flughafen Berlin unterbrochen werden. FRat Thür
23.5.11 19. Mai 11 Bundesland Bayern. Ohne Voranmeldung erscheinen im
psychiatrischen Krankenhaus Günzburg Polizeibeamte und nehmen die Patientin
Mehbuba Musaveva mit. Über den Flughafen Frankfurt am Main erfolgt ihre
Abschiebung nach Aserbaidschan. Damit ist die psychisch kranke Frau von ihrem
Mann, ihren sieben und acht Jahre alten Söhnen und ihrer 3-jährigen Tochter
getrennt. Frau
Musaveva, die sich seit Februar 11 in stationärer Behandlung in der Klinik
befand, hat bereits zwei Suizidversuche hinter sich. Auf dem Weg nach
Frankfurt versucht sie ein drittes Mal, sich zu töten, und wird daraufhin in
Handschellen gelegt. Nach
der Abschiebung ist Mehbuba Musaveva auf sich allein gestellt, sie kommt bei
Bekannten unter – eine medizinische Weiterbehandlung ist für sie nicht
bezahlbar, und ins Krankenhaus traut sie sich nicht. Im
März 2005 war Frau Musaveva mit ihren zwei Söhnen in die Bundesrepublik
gekommen – ihr Mann einige Monate später. Seither lebte die Familie im
Flüchtlingsheim Leipheim. Nach der Abschiebung der Mutter sind die Kinder
geschockt und verstört. Der Älteste fällt in seinen schulischen Leistungen
derart ab, daß er die Klasse wiederholen muß – auch gehen die beiden Jungs
nicht mehr zu ihrem geliebten Fußballverein. Die
Abschiebung von Herrn Musaveva gelingt der Ausländerbehörde vorerst nicht,
weil Aserbaidschan dem Armenier die Einreise verweigert. FRat Bayern; AA 10.10.11 21. Mai 11 Chemnitz in Sachsen. Gegen Abend kommt es im Bereich der
Zentralhaltestelle Bahnhofstraße zu einem Angriff von mehreren Deutschen auf
zwei tunesische Flüchtlinge. Die 20 und 24 Jahre alten Asylbewerber werden
von den Deutschen geschlagen und gestoßen – schließlich gelingt ihnen die
Flucht. Sie
kommen allerdings zurück und können der Polizei gegenüber Aussagen machen.
Zwei Chemnitzer im Alter von 18 und 25 Jahren werden als Verdächtige
ermittelt. Die
Flüchtlinge erleiden durch die Attacken Prellungen und Blutergüsse. Sachsen
Fernsehen 24.5.11 25. Mai 11 Bundesland Bayern. Kurz nach der Überschreitung der
österreichisch-deutschen Grenze wird der 16 Jahre alte Abdo Basel festgenommen.
Er kommt in die JVA München (Stadelheim) in Abschiebehaft. Der
minderjährige Flüchtling, der in der syrischen Stadt Daraa lebte, war vor den
dortigen Unruhen und nach dem plötzlichen Verschwinden seines Vaters außer
Landes geflohen, um bei seiner in Magdeburg lebenden Tante Zuflucht zu
finden. Da er mit dem Zug Italien passierte, soll er jetzt nach dem Dublin-II-Abkommen dorthin zurückgeschoben werden. Erst
aufgrund deutlicher Proteste der Landtagsfraktion Die Grünen und durch die
Intervention seines Rechtsanwaltes kommt er am 30. Juli, nach fünf Wochen
Gefangenschaft, frei. Die Abschiebung ist vorläufig ausgesetzt, und er kann
zunächst bei seiner Tante und seinem Onkel wohnen, die die Vormundschaft
beantragt haben und bereit sind, für ihn zu sorgen. LT-Fraktion Die
Grünen 25.7.11; FRat Bayern
2.8.11; SZ 2.8.11; jW 2.8.11; dpa 3.8.11; tz
3.8.11; Ulrich Köhler -
Rechtsanwalt 30. Mai 11 Nürnberg im Bundesland Bayern. Durch die Androhung der
Ausländerbehörde, ihn – entsprechend dem Dublin-II-Abkommen
- nach Ungarn zurückzuschieben, ist der jugendliche Flüchtling G. H. derart
verzweifelt, daß er sich ein Küchenmesser vor den Bauch hält und droht, sich
umzubringen. Allein durch die mutige Intervention anderer Jugendlicher seiner
Wohngruppe und der BetreuerInnen kann dies verhindert werden. G. H. kommt
anschließend für eine Woche in die Kinder- und Jugend-Psychiatrie. Schon
vor diesem Suizidversuch hatte sich der Iraker durch Ritzen an den Armen
selbstverletzt, so daß er schon einmal für einen Tag in die Psychiatrie
eingeliefert worden war. G.
H. leidet zudem unter einem Gehirntumor, der ihm Schlaflosigkeit,
Depressionen und unerträgliche Schmerzen bereitet. Erst nach Ablauf der
Überstellungsfrist nach Ungarn kann ein Asylantrag gestellt werden, so daß es
dem Jugendlichen wenigstens psychisch etwas besser geht. Wohngruppe Bahia
Nürnberg; Alternativer
Menschenrechtsbericht 2011 Anfang Juni 11 Bundesland Rheinland-Pfalz. Ein 22-jähriger Flüchtling aus
dem Irak, der in der Flüchtlingsunterkunft Neuwied untergebracht ist, wird
vermißt gemeldet. Am
13. August wird sein Leichnam von Hilfskräften der Feuerwehren Urmitz und
Kaltenengers im Rahmen einer anderen Suche auf der Rheininsel "Urmitzer
Werth" gefunden. Die stark verweste Leiche hängt in rund fünf Metern
Höhe an einem Baum, die Hände sind auf dem Rücken zusammengebunden. Laut
dem Obduktionsergebnis wird ein Gewaltverbrechen ausgeschlossen und eine
Selbsttötung des Flüchtlings angenommen, zumal er diese auch vorher mündlich
angekündigt hatte. Der
Mann war – zusammen mit seinem ein Jahr jüngeren Bruder – am 11. Februar in
die Bundesrepublik eingereist und hatte sich erst seit Mitte Mai in der
Flüchtlingsunterkunft Neuwied befunden. Rhein-Zeitung
14.8.11; swr 15.8.11; Rhein-Zeitung
15.8.11; Rhein-Zeitung
17.8.11; swr 17.8.11; Antirassistische
Initiative Berlin Anfang Juni 11 Kaiseresch in Rheinland-Pfalz. Als die Polizei an der
Wohnungstür des Nigerianers Smart Imafidon erscheint, um ihn mitzunehmen,
springt dieser aus dem Fenster. Bei dem Fall aus der ersten Etage verletzt er
sich an Kopf und Brust. Ohne
weitere Behandlung wird er zum Flughafen Frankfurt am Main gefahren, wo er
sich aber so vehement wehrt, daß der Pilot sich weigert, ihn mitzunehmen.
Danach kommt er ins Abschiebegefängnis Ingelheim – auch hier wird er weder
medizinisch noch psychologisch behandelt. Ende Juni erfolgt von hier aus
seine Abschiebung nach Nigeria. jW 1.9.11 4. Juni 11 Burgenlandkreis im Bundesland Sachsen-Anhalt. Gegen 18.00
Uhr entdecken SpaziergängerInnen eine tote Person im Gestrüpp am Ufer der
Weißen Elster in Höhe der Gartenanlage Am Kurpark. Bei dem Toten handelt es
sich, wie später festgestellt wird, um einen 35 Jahre alten Asylbewerber aus
Sierra Leone, der im nahen Flüchtlingsheim in der Albrechtstraße wohnte. Er
ist am Tag zuvor unter massiver Gewalteinwirkung mißhandelt und dann mit
mehreren Stichen in die Brust getötet worden. Die polizeilichen Ermittlungen konzentrieren
sich auf das Thema Drogenhandel, und zehn Tage nach Fund des Toten wird eine
konkrete Fahndung nach dem mutmaßlichen Täter veröffentlicht. Am 8. August
wird der 21-Jährige in Berlin festgenommen. dapd 6.6.11; MDZ
6.6.11; ND 7.6.11; MDZ 11.8.11;
dapd 12.8.11 8. Juni 11 Landkreis Lippe in Nordrhein-Westfalen. Um 23.30 Uhr wird
die Feuerwehr in den Ortsteil Sabbenhausen der Gemeinde Lügde gerufen. Im
Keller der Alten Schule, in der Flüchtlinge untergebracht sind, brennt es,
und die starke Rauchentwicklung hat sich über einen Versorgungsschacht schon
bis in das Erdgeschoß ausgedehnt. Als die Feuerwehr eintrifft, haben sich
bereits neun BewohnerInnen ins Freie geflüchtet. Zwei Personen müssen von den
Rettungskräften aus dem Haus geholt werden und kommen anschließend mit
Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Als
Brandursache wird eine defekte Lampe im Keller vermutet. Aufgrund des großen
Sachschadens und des sowieso desolaten Zustands des Hauses wird die Gemeinde
das Gebäude abreißen. Die ehemaligen BewohnerInnen werden in Wohnungen
untergebracht, denn, so der Bauamtsleiter der Ortschaft: "Wir haben in
der Kernstadt noch städtische Wohnungen frei. Ein Platzproblem gibt es also
nicht." Freiwillige
Feuerwehr 9.6.11; Deister- und
Weserzeitung 9.6.11; LLZ 4.2.12 10. Juni 11 Bundesland Bayern. In Weiden werden in der Nacht zwei zu
Brandsätzen umgebaute Bierflaschen gegen das Gebäude der
Asylbewerberaufnahmestelle in der Kasernenstraße im Stadtteil Stockerhut
geworfen. Dabei geht eine Fensterscheibe des Verwaltungsgebäudes zu Bruch,
und die Außenwand wird verrußt. In
einem 50 Meter entfernten Gebäude leben zur Zeit 90 AsylbewerberInnen. Am
15. Juni werden drei Männer aus Weiden im Alter von 19, 23 und 24 Jahren
festgenommen, die die Brandattacke zugeben. Die beiden jüngeren Täter kommen
in Haft – der 24-Jährige wird unter Auflagen vorläufig entlassen. Zumindest
bei einem von ihnen werden rassistische Motive angenommen. Der
Angriff ist ein Zeichen für die stärkeren propagandistischen Aktivitäten des
neonazistischen Kameradschaft-Dachverbands "Freies Netz Süd" (FNS)
und dessen Untergruppe "Widerstand Tirschenreuth". In deren Texten
wird auch immer wieder das Flüchtlingsheim Stockerhut genannt. dapd 10.6.11; Oberpfalznetz.de
17.6.11 aida-archiv.de 12. Juni 11 Sigmaringen in Baden-Württemberg. Gegen 22.00 Uhr bedroht
ein 26 Jahre alter Mann die BewohnerInnen des Flüchtlingsheimes Laiz in der
Römerstraße. Er hält eine Gaspistole hoch und schießt mehrmals vor dem
Gebäude in die Luft. Auch
die gerufenen Polizisten werden von dem alkoholisierten Mann beleidigt. Er
wird vorläufig festgenommen. SK 14.6.11 14. Juni 11 Bundesland Bayern. Der 19 Jahre alte afghanische
Flüchtling Matin A. wird im Rahmen des Dublin-II-Abkommens
aus Coburg nach Italien zurückgeschoben. Am Flughafen Rom erfolgt seine
Festnahme für zwei Tage. Dann wird er mit dem Papier in der Hand, daß er
binnen 60 Tagen das Land zu verlassen habe, in die Obdachlosigkeit entlassen.
Der junge Mann leidet an der Blutkrankheit Hämophilie A, deren Hauptsymptom
eine Verhinderung der Blutgerinnung ist. Geringste Verletzungen bringen den
Patienten in Lebensgefahr. Medizinische Versorgung wird ihm in Italien
versagt. Aus
Angst um sein Leben gelingt es Herrn A. mit Hilfe von Freunden, Mitte Juli
erneut in die Bundesrepublik einzureisen, wo er sicher sein kann, daß er
medizinisch betreut wird. Im Herbst
2012 kommt er nach einem schweren Sturz in Lebensgefahr ins Erlanger
Krankenhaus. Bei seiner Entlassung am 6. November 12 wiegt der 1,70 Meter
große Mann nur noch 47 Kilogramm. Er ist extrem schwach und kann nur mit Mühe
gehen. In
dieser Situation erhält er die Nachricht, daß die Ausländerbehörde ihn am 13.
November um 6.00 Uhr nach Italien zurückschieben will. Nachdem
sich neben dem Flüchtlingsrat Bayern seine ÄrztInnen, die Diakonie, der
Coburger Stadtrat Martin Lücke sowie die Bundestagsabgeordnete Anette Kramme
für ihn eingesetzt haben und innerhalb von drei Tagen knapp 900 Menschen eine
Petition unterzeichneten, geht am späten Nachmittag des 12. November die
Nachricht ein, daß sein Asylverfahren in der Bundesrepublik durchgeführt
werden kann. FRat Bayer
9.11.12; Pro Asyl 27. Juni 11 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Gegen Mittag entwickelt sich
ein Brand in einer Küche in der vierten Etage des Kölner Übergangswohnheims
in der Ricarda-Huch-Straße im Ortsteil Stammheim. In diesem Gebäude leben
AsylbewerberInnen. Fünf
Personen werden verletzt, drei Menschen kommen umgehend in ein Krankenhaus. dapd 27.6.11; Express.de
27.6.11 28. Juni 11 Bundesland Bayern. Im Augsburger Flüchtlingsheim, das in
der ehemaligen Flak-Kaserne im Stadtteil Kriegshaber untergebracht ist,
entsteht um 12.00 Uhr mittags ein Feuer in der ersten Etage. Als
die Berufsfeuerwehr und die Freiwilligen Wehren aus Stadtbergen und
Haunstetten in die Neusäßer Straße einbiegen, schlagen die Flammen meterhoch
aus dem Haus. Zu diesem Zeitpunkt haben alle BewohnerInnen das Gebäude
verlassen können. Zwei
Menschen sind leicht verletzt. Eine Person hat eine Rauchgasvergiftung, und
ein Mann verletzte sich durch den Sprung aus dem Fenster eines brennenden
Zimmers. Von
den 300 BewohnerInnen des Lagers müssen rund 30 Personen die Zimmer wechseln,
weil die Decken einsturzge-fährdet sind. Das
marode Gebäude sollte ursprünglich Ende Juni geräumt sein, doch die Stadt
hatte den Mietvertrag mit der Regierung Schwaben nochmals bis Ende Dezember
verlängert. Als
Brandursache wird ein technischer Defekt an einer Herdplatte ermittelt. a.tv-Kompakt
28.6.11; Radio RT1 28.6.11; AA 28.6.11; MbZ 28.6.11 30. Juni
11 Der Deutsche Bundestag nimmt die Empfehlung des
Petitionsausschusses zum Bleiberecht des schwerkranken Hasbulat X. einstimmig
an. Damit übernimmt die Bundesrepublik offiziell die Zuständigkeit für das
Asylverfahren der tschetschenischen Flüchtlingsfamilie, die eigentlich –
entsprechend dem Dublin-II-Abkommen – nach
Polen zurückgeschoben werden sollte. Zerema
und Ruslan X. waren im Frühjahr 2010 über Polen in die BRD gekommen, um für
ihren 8-jährigen schwer nierenkranken Sohn Hasbulat medizinische Hilfe zu
bekommen. Der Junge war bereits im Alter von 11 Monaten das erste Mal
operiert worden. Nach weiteren Operationen und Behandlungsversuchen hatten die tschetschenischen
ÄrztInnen die Hoffnung auf Besserung des lebensgefährlichen Zustandes
aufgegeben. Im
Universitätsklinikum Marburg wurde der Junge ab Mai 2011 medizinisch
behandelt und mit Sonden-Nahrung versorgt, so daß sich sein Allgemeinzustand
deutlich besserte. Durch eine Rückschiebung nach Polen wäre dieser
Gesundungsprozeß abgebrochen worden, weil die mangelnde medizinische
Versorgung in Polen das Kind in Lebensgefahr gebracht hätte. Seine
Lehrerin der Vorklasse der Mittelpunktschule Hartenrod, Frau Rieger, schreibt
die Petition an den Deutschen Bundestag und initiiert eine
Unterstützungskampagne, die schließlich von der gesamten Schule mitgetragen
wird. 5.166 Unterschriften, die die SchülerInnen, Eltern und Lehrkräfte
gesammelt haben, unterstützen flankierend die Petition. Nach
Aussage der Sprecherin des Petitionsausschusses sei auch die beeindruckende
Zahl an Unterschriften einer der Gründe für die positive Entscheidung
gewesen. Mittelpunktschule
Hartenrod; mittelhessen.de
14.4.11; FRat NieSa 12.5.11; Marburger RS
25.5.11; OP 30.6.11 8. Juli 11 Abschiebegefängnis auf dem Gelände der Zentralen
Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt
(ZABH). Am zweiten Tag in Haft verletzt sich der 25 Jahre alte Kameruner
Poclaire W. an Kopf und Armen. Wegen schwerer psychischer Probleme erfolgt
dann seine Verlegung in die geschlossene psychiatrische Abteilung des
örtlichen Krankenhauses. Dort wird er fortan rund um die Uhr von zwei
Sicherheitsbeamten bewacht. Auf
Veranlassung der Kreisverwaltung Oberhavel war er am 6. Juli im
Flüchtlingslager Stolpe-Süd (Hennigsdorf) festgenommen worden. Da zu diesem
Zeitpunkt auch die Gutscheinausgabe für die Flüchtlinge stattfand, während
der UnterstützerInnen und Flüchtlinge auf einer kleinen Kundgebung Bargeld
forderten, wurde spontan, aber vergeblich versucht, die Abfahrt des
Polizeiwagens mit einer Sitzblockade zu verhindern. Poclaire
W. soll – entsprechend dem Dublin-II-Abkommen –
nach Zypern zurückgeschoben werden. Am
23. Juli versucht er, sich mit einer Überdosis Tabletten zu vergiften, so daß
er auf die Intensiv-Station des Humboldt-Klinikums verlegt wird. Trotz dieses
erneuten Suizidversuches, trotz der weiterhin sehr schlechten Verfassung von
Poclaire W. und entgegen dem Rat der behandelnden Ärzte ist seine Abschiebung
aus der Psychiatrie heraus für die Nacht zum 25. Juli geplant. Um 21.15 Uhr
des 24. Juli entsteigen zwei Männer der Ausländerbehörde und ein Arzt, der
mitfliegen soll, einem grünen Polizeitransporter auf dem Krankenhausgelände,
um den Kameruner abzuholen und zum Flughafen Hamburg zu bringen. Nur
durch Intervention von VertreterInnen des Flüchtlingsrates Brandenburg,
verschiedener Flüchtlingsinitiativen und des Rechtsanwalts gelingt es, an
diesem Wochenende das Innenministerium zu erreichen, das schließlich ein
sozialpsychiatrisches Gutachten des Flüchtlings verlangt, um die Flug- und
Reisefähigkeit zu prüfen. Da dieses nicht ad hoc zustande kommen kann, müssen
die Behördenvertreter und der Arzt das Krankenhaus wieder verlassen. Am 24. Juli erklärt das Landgericht Neuruppin
die Abschiebehaft für rechtswidrig. Sie war gerade vom Amtsgericht
Oranienburg bis zum 18. August verlängert worden. So müssen auch die beiden
Bewacher an diesem Tag das Krankenhaus umgehend verlassen. Am
13. Oktober hat Herr W. erneut einen Termin im Gesundheitsamt Oranienburg, wo
die Ausländerbehörde seine Reise- und Flugfähigkeit überprüfen lassen will. Im
Februar 2012 ist die Frist für eine Rückschiebung nach Dublin-II abgelaufen,
so daß das Asylverfahren in der BRD durchgeführt werden muß. Die-Mark-Online.de
7.7.11; MAZ 7.7.11; Die-Mark-Online.de
20.7.11; MAZ 23.7.11; MOZ 25.7.11;
Gemeinsame Presseerklärung am 26.7.11: FRat Brbg,
Flüchtlingsinitiative Brandenburg, Refugees
Emancipation, Initiative U.R.I.; MAZ 26.7.11; ND
27.7.11; MAZ 25.10.11;
FRat Brbg 10.11.11; FRat Brbg 8. Juli 11 Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Um 18.45 Uhr legt
sich ein 23 Jahre alter Gefangener aus der Türkei eine elastische Mullbinde
um den Hals und versucht, sich dann an einer Türzarge des Waschraums zu
erhängen. Mitgefangenen gelingt es, die Selbsttötung zu verhindern. Nach
einem Krankenhaus-Aufenthalt kommt der Mann wieder zurück in die
Abschiebehaft. Im Isolationstrakt wird er fortan rund um die Uhr beobachtet. Er
befindet sich seit Mitte Juni in Haft und wird Ende Juli in die Türkei
abgeschoben. Polizei Berlin
9.7.11; Die Welt 9.7.11; BM
9.7.11; ND 10.7.11; taz
11.7.11; Jesuiten-Flüchtlingsdienst; BT DS 17/10597;
Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577 8. Juli 11 Bundesland Niedersachsen. Das Landgericht Göttingen
beschließt, daß ein junger afghanischer Flüchtling unverzüglich aus der
Abschiebehaft zu entlassen ist, weil es festgestellt hat, daß er noch
minderjährig ist. Dies geht aus den vorgelegten Papieren hervor,
in denen das Geburtsdatum mit 21.12.1372 (islamischer Kalender) angegeben
ist, was dem Datum 13.3.1994 im gregorianischen Kalender entspricht. Auch
seine Eltern bestätigen das jugendliche Alter ihres Sohnes Ramin. Damit wird
der 17-Jährige nach über fünf Wochen Haft entlassen. Er
war wegen unerlaubter Einreise am 13. Dezember 10 von der Stadt Münster nach
Ungarn zurückgeschoben worden, weil er dort bereits einen Asylantrag gestellt hatte. Am
30. Mai 11 versuchte er erneut die Einreise in die Bundesrepublik, wurde in
einem Zug in Göttingen festgenommen und kam dann umgehend in
Abschiebungshaft. Die
Haft wäre dem Jugendlichen erspart geblieben, wenn die Ausländerbehörde
Göttingen sich näher mit den verschiedenen Anhaltspunkten beschäftigt hätte,
die darauf hindeuteten, daß es sich bei dem Flüchtling um einen
Minderjährigen handelte. So war dies auch bereits in Österreich durch eine
Handwurzeluntersuchung festgestellt worden. Peter Fahlbusch
- Rechtsanwalt 9. Juli 11 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 24 Jahre alter
irakischer Gefangener legt sich ein Handtuch um den Hals und versucht, sich
zu erdrosseln. Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 11. Juli 11 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Morgens um 6.15 Uhr werden
die Feuerwehr und die Polizei zu einem Brand in der Flüchtlingsunterkunft
nach Lippstadt in die Hospitalstraße gerufen. Ein Zimmer brennt komplett aus
– die BewohnerInnen können von den Rettungsmannschaften unverletzt evakuiert
werden. Als
Ursache des Brandes wird ein technischer Defekt festgestellt. Polizei Soest
11.7.11 12. Juli 11 Bundesland Bayern. Mitten in der Nacht dringen der
Mitarbeiter der Erlanger Ausländerbehörde Herr M. und einige Polizisten in
die Erlanger Flüchtlingsunterkunft ein und nehmen die 30 Jahre alte Hysnie
Bahtiri und ihre drei Söhne, Amin (9 Monate alt), Armand (6 Jahre alt) und
Avdyl (14 Jahre alt) in Gewahrsam. Die Familie wird umgehend in die Slowakei
abgeschoben, wo sie vor eineinhalb Jahren auf ihrer Flucht aus dem Kosovo durchreiste.
Die Rückschiebung erfolgt nach dem Dublin-II-Abkommen. Weil
der Ehemann und Vater der Kinder, Florim Berisha, sich zu dieser Zeit nicht
im Lager aufhält und somit nicht mit abgeschoben werden kann, ist die Familie
jetzt getrennt. Daß
die Abschiebung an diesem Tag stattfindet, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit
kein Zufall, denn am morgigen Tag läuft die Frist für die Rückschiebung in
die Slowakei ab, und damit hätte das Asylverfahren von der BRD bearbeitet
werden müssen. Jetzt befindet sich die Familie in einer ausweglosen
Situation: Die Slowakei weigert sich, Herrn Berisha aufzunehmen, und das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weigert sich, Frau Bahtiri und
die Kinder zurückzunehmen. Als
Florim Berisha im November 2011 auf einer Pressekonferenz der unten genannten
flüchtlingspolitischen Organisationen seine Geschichte erzählt und diese
durch andere ergänzt wird (siehe hierzu: 21. August 07 und 9. Dezember 10), erstattet der Mitarbeiter der Erlanger
Ausländerbehörde Herr M. umgehend Anzeige wegen Verleumdung gegen den
Bayerischen Flüchtlingsrat und versucht, diesen mit einer
Unterlassungserklärung mundtot zu machen. Der Flüchtlingsrat soll
unterschreiben, daß er den Beamten nie mehr als "Sheriff Gnadenlos"
bezeichnet, und er soll nicht mehr behaupten, daß Herr M.
"Ermessensentscheidungen am äußersten rechten Rand" trifft. Kommentar
des Sprechers des Flüchtlingsrats Alexander Thal: "Wir haben lediglich
das getan, was zu den Kernaufga- ben des Bayerischen Flüchtlingsrats zählt, nämlich
Flüchtlingen eine Stimme zu geben und alles dafür zu tun, dass sie fair und
gerecht behandelt werden .... Wir freuen uns auf die gerichtliche
Auseinandersetzung!" Ab
Mitte Dezember ermittelt der Staatsschutz (!) Erlangen/Nürnberg gegen die
sechs flüchtlings- und menschenrechtspolitischen Organisationen. Zu diesem
Zeitpunkt werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wegen
Beleidigung des Beamten Herrn M. eingestellt. Die Unterlassungsklage wird am
25. Januar 12 im Landgericht München verhandelt und endet mit dem Vergleich,
daß der kritisierte Beamte seine Anzeige und seine Beschwerde gegen die
Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth
zurücknimmt und andererseits der Bayerische Flüchtlingsrat bei zukünftiger
Berichterstattung den Namen des Beamten nicht mehr öffentlich nennt. Am
31. Januar 12 veröffentlichen die Erlanger Nachrichten, daß der Beamte Herr
M. einige Tage lang bei seiner Arbeit in der Ausländerbehörde ein T-Shirt mit
der Aufschrift "Sheriff Gnadenlos" trug. Dies unterließ er erst
nach Untersagung durch den Amtsleiter. Gemeinsame
Presseerklärung am 29.11.11: FRat Bayern,
ai-Ortsgruppe Erlangen, Ausländerbeirat
Erlangen; Internationales
Frauencafé Nürnberg, Flüchtlingsunterstützung
Erlangen, Ehrenamtliche
Flüchtlingsbetreuung Erlangen; Radio Z 29.11.11; NN 29.11.11; Erlanger
Nachrichten 30.11.11; SZ 30.11.11; Erlanger
Nachrichten 3.12.11; SZ 5.12.11; SZ 8.12.11; FRat Bayern 8.12.11; FRat Bayern
9.12.11; NN 9.12.11; FRat Bayern 13.1.12;
SZ 21.12.11; taz 20.12.11;
FRat Bayern 20.1.12; jW 20.1.12; FRat Bayern 25.1.12; Erlanger
Nachrichten 31.1.12; Rainer Frisch -
Rechtsanwalt Mitte Juli 11 Bundesland Bayern. Die 9-jährige Hasti wird von einem in
den Niederlanden bestellten Vormund bei ihrer Mutter in Augsburg abgeholt und
in die Niederlande zu einer Pflegefamilie gebracht. Seither hat die
34-jährige Bahare Balvasi aus dem Iran zu ihrer Tochter nur noch
telefonischen Kontakt. Am
8. Juli hatte sich das Augsburger Familiengericht in dieser komplizierten
Geschichte für nicht zuständig erklärt, woraufhin das Jugendamt der
Herausgabe Hastis zustimmt. Die
geschiedene Iranerin war im Jahre 2005 in die Bundesrepublik gekommen und
hatte Asyl beantragt. Ihre
Lebenssituation war für sie dermaßen belastend, daß sie mehrere
Suizidversuche unternahm und sich in ambulante und stationäre
psychotherapeutische Behandlung begeben mußte. Erst
im Jahre 2008 gelang es ihr, ihre Tochter Hasti, gegen den Willen der Familie
ihres ehemaligen Mannes, in die BRD nachzuholen. Als
ihr Asylantrag im Jahre 2009 abgelehnt wurde, flüchtete sie mit ihrer Tochter
in die Niederlande. Hier stellte sie erneut einen Asylantrag. Nach einem
weiteren Suizidversuch entschied das Landgericht Alkmaar am 27. Mai den vorläufigen
Entzug des Sorgerechts für ihr Kind und bestellte das Jugendamt zum Vormund.
Hasti kam in eine Pflegefamilie – Mutter und Tochter konnten sich allerdings
weiterhin sehen. Als
– entsprechend dem Dublin-II-Abkommen – Frau
Balvasi mit Hasti im Juli in die Bundesrepublik zurückgeschoben wird, erklärt
der niederländische Vormund, daß es sich hierbei um Kindesentführung handele.
AA 24.10.11; Spiegel 1.11.11 29. Juli 11 Merseburg im Bundesland Sachsen-Anhalt. Bei einer
Demonstration für Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen werfen unvermittelt
gegen 15.00 Uhr an der Domprobstei Neonazis zwei Knallkörper in Richtung der
Teilnehmenden. Eine 39 Jahre alte Frau aus Kamerun mit geduldetem Aufenthalt
erleidet einen Schock und muß sich im Krankenhaus ambulant behandeln lassen. Die
Polizei ermittelt wegen Körperverletzung. Bereits
zu Beginn der Demonstration am Hauptbahnhof hatten etwa 20 Nazis versucht,
die Versammlung zu stören. Togo Action Plus
15.12.11; Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt Ende Juli 11 Bundesland Bayern. In
der psychiatrischen Abteilung der Abschiebehaft Stadelheim in München
versucht sich der 31 Jahre alte tunesische Flüchtling Walid Riahi, mit einem
Matratzenbezug an der Fenstervergitterung zu erhängen. Am 14. September wird
er im Rahmen des Dublin-II-Abkommens nach
Italien zurückgeschoben. Er leidet an Epilepsie und hatte schon bei
seiner Festnahme durch die Bundespolizei – drei Monate zuvor – einen schweren
Anfall erlitten. Die Polizisten hatten ihn daraufhin in das Krankenhaus
Weilheim gebracht, wo er einen Tag und die folgende Nacht auf der
Intensiv-Station behandelt wurde. Danach war Herr Riahi direkt in die JVA
Stadelheim in Abschiebehaft gekommen, weil es "keinen Hinweis auf
Haftunfähigkeit" gab. Dem
Suizidversuch ging eine Auseinandersetzung mit den Pflegern voraus, weil
diese sich weigerten, ihm einen Arzt zu rufen. Herr
Riahi wird insgesamt viermal nach Italien zurückgeschoben – einmal mit einer
kleinen Chartermaschine. Da er mit einer deutschen Staatsbürgerin eine
gemeinsame Tochter hat, lebt er im Feburar 2013 in Leipzig und hofft auf
einen dauerhaften Aufenthalt. KMii-Leipzig; Antirassistische
Initiative Berlin 1. August 11 Rückführungsbereich im Flughafen Frankfurt am Main. Auf
Veranlassung des Regierungspräsidiums Gießen soll ein irakischer Flüchtling
im Rahmen der Dublin-II-Maßnahme nach Italien
ausgeflogen werden. Der Mann sitzt regungslos im Warteraum, und auf Ansprache
bittet er darum, daß die Verantwortlichen seine medizinischen Unterlagen
anschauen. Es stellt sich heraus, daß er vor kurzem wegen eines bösartigen
Tumors operiert wurde und daß er aufgrund des Verdachtes von Lungenmetastasen
demnächst einen Arzt-Termin hat. Eine Flugtauglichkeitsbescheinigung liegt
nicht vor – die Rückschiebung wird durch die Bundespolizei gestoppt. Auf
Nachfrage erklärt das Regierungspräsidium Darmstadt, daß der zuständigen
Behörde in Gießen die Erkrankung des Irakers nicht bekannt sei. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 2. August 11 Flughafen Frankfurt am Main. Auf Veranlassung der
Ausländerbehörde Germersheim in Rheinland-Pfalz soll ein Ehepaar mit seinen
sechs Kindern nach Budapest rückgeschoben werden. Es stellt sich heraus, daß
die 13-jährige Tochter nicht dabei ist, denn sie besucht ihren Onkel im
nordrhein-westfälischen Holzkirchen. Die Zusage, die dem 17-jährigen Sohn am
Morgen der Abholung gegeben wurde, daß auch die Schwester noch rechtzeitig
zum Flughafen gebracht werden würde, wird nicht eingehalten. Schließlich
wird die Mutter mit den Kindern abgeschoben, und der Ehemann und Vater bleibt
zurück, um dann später mit der 13-Jährigen gemeinsam rückgeschoben zu werden. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 3. August 11 Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Um 19.30 Uhr werden
BewohnerInnen des Wismarer Flüchtlingsheimes Haffburg, die sich vor dem Haus
befinden, von den Insassen eines PKW heraus angesprochen und beleidigt. Kurz
darauf erscheinen drei weitere PKWs, so daß mindestens 16 Personen die
Flüchtlinge angreifen. Drei Personen werden verletzt und kommen stationär ins
Krankenhaus - zwei von ihnen sind Asylbewerber. Der
Polizei gelingt es, die Täter zu ermitteln. dapd 3.8.11; Ostsee-News 3.8.11; OZ 3.8.11; OZ
4.8.11; OZ 6.8.11; LOBBI 3. August 11 Bundesland Baden-Württemberg. In seinem Zimmer in der
Flüchtlingsunterkunft von Radolfzell knüllt der 27 Jahre alte Reda A. aus
Algerien eine Zeitung zusammen und setzt sie in Flammen. Er will sich
umbringen. Was
anschließend zwischen ihm und seinem Mitbewohner geschieht, kann auch das
Amtsgericht Konstanz im November 2012 nicht aufklären. Reda A. ist angeklagt
der versuchten besonders schweren Brandstiftung, der Freiheitsberaubung und
Körperverletzung. Da sich aber sein Mitbewohner mehrfach unterschiedlich zu
dem Geschehenen äußert, bleibt der tatsächliche Vorgang unklar. Zwei
Polizeibeamte berichten, daß sie beide Männer in Handschellen legen mußten. Reda
A., der in Algerien als Fischer gearbeitet hatte, war in die Bundesrepublik
geflüchtet, weil er verfolgt wurde. Im
Jahre 2010 hatte er sich in selbsttötender Absicht aus dem Fenster der
Unterkunft in Radolfzell gestürzt. SK 20.11.12 6. August 11 Rheine im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Durch das
geöffnete Fenster einer Asylbewerberunterkunft werden faustgroße Steine
geworfen, wodurch der PC-Schirm eines kongolesischen Bewohners beschädigt
wird. Der zum Tatzeitpunkt alkoholisierte Täter wird wegen Sachbeschädigung
zu einer Geldstrafe verurteilt. LT DS NRW
16/5100; StA Münster
4.9.14 15. August 11 Altenbeken-Schwaney,
Kreis Paderborn im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Gegen 12.15 Uhr tritt der
Hausmeister der Unterkunft für Flüchtlinge in das Zimmer eines Bewohners,
ohne vorher anzuklopfen. Der Hausmeister fordert den Bewohner auf, seine
Musik leiser zu stellen. Als sich der Bewohner über das unaufgeforderte
Eintreten beschwert, entwickelt sich eine verbale Auseinandersetzung, in der
dem Bewohner gegenüber diskriminierende Sprüche fallen (u.a. ''Schwarze
Schwuchtel''). Der Streit entwickelt sich zu einer körperlichen
Auseinandersetzung, in Folge derer der Hausmeister den Bewohner zweimal am
Hals würgt und ihn aufs Bett drückt. Nur durch das Eingreifen eines
Mitbewohners gelingt es schließlich dem Angegriffenen, sich aus der Situation
zu befreien. Das Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung und
Körperverletzung wurde mit Hinweis auf den Privatklageweg durch die
zuständige Staatsanwaltschaft Paderborn eingestellt. LT DS NRW
16/5100; Polizei
Bielefeld 25.4.14 22. August 11 Oberhausen in Nordrhein-Westfalen. Die 39 Jahre alte Fidan
S. aus Aserbaidschan erhält einen Anruf von der Ausländerbehörde, als sie
gerade in der Praxis ihrer Hausärztin ist. Ihr wird mitgeteilt, daß ihre
Duldung abgelaufen sei und sie jetzt mit ihren fünf und sieben Jahre alten Söhnen
abgeschoben werden wird. In ihrer Verzweiflung will sie sich aus dem Fenster
stürzen, was die Ärztin erfolgreich verhindern kann. Frau S. kommt umgehend
in ein Krankenhaus, in dem ihre schweren Depressionen sechs Wochen lang
stationär behandelt werden. Als
sie zwei Wochen nach der Entlassung eine Vorladung zum Sozialpsychiatrischen
Dienst erhält, wo ihre Reise- und Flugfähigkeit festgestellt werden sollen,
äußert sie erneut die Absicht, sich und die Kinder umzubringen. Ein Freund
veranlaßt daraufhin eine erneute Einweisung ins Krankenhaus. Fidan
S., Ärztin von Beruf, war in die BRD geflüchtet, als sie in Aserbaidschan
zwangsverheiratet werden sollte. Seit 2003 lebt sie in Oberhausen. In einem
Flüchtlingsheim traf sie den späteren Vater ihrer beiden Söhne. Als
dieser alkoholkrank und gewalttätig wurde und sie sich von ihm trennen
wollte, gelang ihr dies nur, indem sie mit den Kindern zu einem Freund
flüchtete. Sie
hat große Angst vor einer Abschiebung, denn sie fürchtet um ihr Leben. Eine
unverheiratete Frau mit zwei Kindern, die zudem noch bei einem Mann
christlichen Glaubens untergekommen ist, verstößt gegen viele Regeln der in
Aserbaidschan streng islamischen Gesellschaft. Ihre
Anwältin hat einen Antrag bei der Härtefallkommission des Landes NRW
eingereicht, um eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu
erreichen. WAZ 5.12.11; Barbara Hoynacki
- Journalistin 23. August 11 Bundesland Sachsen-Anhalt. Ein 45 Jahre alter chinesischer
Flüchtling wird am Magdeburger Willy-Brandt-Platz von einer vierköpfigen
Personengruppe attackiert. Es
beginnt damit, daß eine Person ihm aus seiner Fahrradtasche eine Pfandflasche
herausnimmt, und als er sein Eigentum zurückfordert, wird er rassistisch beschimpft
und mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Weitere Schläge kann er abwehren –
es gelingt ihm sogar, die Polizei zu rufen. Als
eine Frau aus der Gruppe gegen sein Fahrrad tritt und der Flüchtling sie
daraufhin wegschiebt, zieht ein Angreifer sein T-Shirt aus, um erneut auf ihn
einzuschlagen. Auch jetzt versucht er sich zu wehren, aber letztlich greifen
ihn alle vier Personen mit Schlägen und Tritten an und hören erst auf, als
die Polizei eintrifft. Der
Chinese erleidet zahlreiche Prellungen am ganzen Körper und verliert durch
den Angriff zwei Zähne. Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt 23. August 11 Der 17 Jahre alte afghanische Flüchtling Ehsan Jafari wird
aus Saarbrücken im Rahmen des Dublin-II-Abkommens
nach Mailand ausgeflogen. Dies ist seine zweite Rückführung, denn zuvor war
er bereits aus der Schweiz, wo er einen Asylantrag gestellt hatte, nach
Mailand zurückgeschoben worden. Nach
seiner Ankunft aus der BRD werden ihm von der Mailänder Polizei die
Fingerabdrücke genommen – dann wird er auf die Straße entlassen. Auch bei
kirchlichen Sozialstationen findet er kein Obdach – sogar seine Hilfeersuchen
bei der Polizei sind erfolglos. In seiner Not fährt er nach Rom, aber auch
hier wird der Jugendliche nur von einer Stelle zur anderen geschickt, bis er
nach einer ergebnislosen Odyssee beschließt, über Frankreich wieder in die
Bundesrepublik zurückzufahren. Von
hier aus erfolgt am 19. Dezember 11 seine dritte Rückschiebung nach Mailand.
Am Flughafen bekommt er von einem Vertreter der Caritas einen Hygienebeutel,
in dem eine Schlafmaske, Ohrenstöpsel, ein Taschentuch, Zahnpasta, eine
Zahnbürste und ein Kugelschreiber sind – eine Unterkunft bekommt der
17-Jährige hier wieder nicht. Nach einer Nacht, die ihm noch in der
Flughafenhalle erlaubt wird, beginnt er erneut bei verschiedenen
Hilfsorganisationen nach einer Unterkunft nachzufragen – ohne Erfolg. Nicht
einmal die Polizei sieht sich in der Lage, dem Jugendlichen mitten im Winter
eine Unterkunft zu vermitteln. Aus dieser Notlage heraus fährt Ehsan Jafari
über Frankreich zurück ins Saarland, wo er am 21./22. Januar 12 eintrifft. Zwei
Tage vor der auf den 10. August 12 festgelegten vierten Rückschiebung nach
Italien wird der inzwischen 18-Jährige in einer Saarbrücker Kirchengemeinde
ins Kirchenasyl genommen. Als das Asylbegehren im Oktober von der
Bundesrepublik angenommen wird, kann Ehsan Jafari das Kirchenasyl wieder
verlassen. Er ist durch die Erlebnisse traumatisiert. taz 2.1.12; sr
9.8.12; Aufruf: Ehsan
muß bleiben 28.8.12; sr 11.10.12; Bernhard Dahm –
Rechtsanwalt 26. August 11 Neustadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im
Bundesland Sachsen. Am späten Abend brennt ein Wohnblock des
Flüchtlingsheimes im Ortsteil Langburkersdorf nieder. Die 48 BewohnerInnen
können rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. Ein 25 Jahre alter Bewohner
kommt mit dem Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Erst
nach vielen Stunden gelingt es den 70 Feuerwehrleuten, den Brand zu löschen.
Die dritte Etage ist völlig ausgebrannt, das Dach eingestürzt und die zweite
Etage durch den Rauch und die Löschspuren nicht mehr bewohnbar. Die BewohnerInnen werden vorübergehend im Sportforum
Neustadt untergebracht. Als
Ursache des Brandes wird ein defekter Fernseher ermittelt. Der Gesamtschaden
wird auf 900.000 Euro geschätzt. dapd 26.8.11; Focus 26.8.11; NWZ 27.8.11; FP 29.8.11 27.
August 11 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Eingangsbereich des
Kölner Flüchtlingsheimes in der Potsdamer Straße brennt um 6.40 Uhr ein
Kinderwagen, und es entsteht eine sehr starke Rauchentwicklung. Drei Roma aus
dem Kosovo erleiden Verletzungen: zwei Personen kommen mit einer
Rauchgasvergiftung und eine Person mit einer Hüftverletzung ins Krankenhaus. Die
meisten der 49 zur Zeit im Heim anwesenden BewohnerInnen können sich selbst
durch die Fenster des niedrigen Hauses retten. Vier Personen werden über
Feuerwehrleitern ins Freie gebracht. Obwohl die Polizei von
Brandstiftung ausgeht, wird eine politische Motivation für die Brandstiftung
ausgeschlossen. Polizei Köln
28.8.11; Die Welt
28.8.11; Polizei Köln
29.8.11 30. August 11 Wolmirstedt im Bundesland Sachsen-Anhalt. Kurz nach
Mitternacht wird der 31 Jahre alte geduldete Flüchtling Arman G. aus
Aserbaidschan von dem 52-jährigen Roland B. in dessen Haus erschossen. Der
Täter, Unternehmer und passionierter Jäger, gibt an, daß er sein Opfer einige
Stunden zuvor in einem Döner-Imbiß kennengelernt habe. Sie seien dann zu ihm
nach Hause gegangen und hätten Alkohol getrunken. Weil Arman G. sich ihm gegenüber
mit homosexuellen Absichten genähert habe, habe er zur Schrotflinte gegriffen
und geschossen. Dieser Schuß hat Arman G. die Brust zerfetzt. Roland
B. hatte 2009 für die CDU als Stadtrat kandidiert, und er hatte vor zwei
Jahren bei einem sogenannten Handwerkerpokal eine Urkunde mit dem Titel
"Dem besten Schützen" erhalten. Polizei
Sachsen-Anhalt 30.8.11; VM 31.8.11; mdr –
Sachsen-Anhalt 31.8.11; 1. September 11 Bundesland Sachsen. Nach einem Matratzenbrand in der
Flüchtlingsunterkunft am Adalbert-Stifter-Weg werden drei Personen mit
Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus gebracht. Am
3. September brennen erneut Matratzen – zunächst gegen 21.00 Uhr und dann
gegen Mitternacht. Die Polizei nimmt einen 25 Jahre alten tunesischen
Flüchtling unter dem Verdacht auf Brandstiftung in Haft. Auf
Nachfragen bei der Polizei Chemnitz erklärt ein Mitarbeiter, daß die
Brandstifter aus dem Kreise der Asylbewerber kommen "müssen", denn
die Erstaufnahme-Einrichtung sei ja von der Außenwelt "hermetisch
abgeschlossen". dapd 5.9.11; FP
5.9.11; Antirassistische
Initiative Berlin 9. September 11 Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Um 16.40 Uhr
versucht sich ein 31 Jahre alter Kurde mit seiner Hose an seinem Bett zu
strangulieren. Mitarbeitern des Gefängnisses gelingt es, ihn unverletzt zu
bergen. Er
kommt in ein Krankenhaus und wird dort polizeiärztlich untersucht. Er kommt
dann nicht in die Abschiebehaft zurück. Der
Mann aus dem türkisch-irakischen Grenzgebiet war Ende August inhaftiert
worden. Aufgrund seiner zerbrochenen Familie und der drohenden Abschiebung
war er so verzweifelt, daß er einen Hunger- und Durststreik begonnen hatte.
Er mußte deshalb schon einmal ins Krankenhaus gebracht werden, wo er
Flüssigkeitsinfusionen bekam. Polizei Berlin
10.9.11; Jesuiten-Flüchtlingsdienst; BT DS 17/10597; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 12. September 11 Flughafen Frankfurt am Main. Eine 18-jährige staatenlose
Frau, die im siebten Monat schwanger ist, wird nach zwei Monaten Abschiebehaft
ohne Gepäck im Rahmen des Dublin-II-Abkommens
nach Rom ausgeflogen. Sie
selbst gibt an, daß ihr nigerianischer Ehemann einen Aufenthaltstitel hat und
in Konstanz lebt. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 15. September 11 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 46 Jahre alter
serbischer Gefangener fügt sich mit einer Rasierklinge Schnittverletzungen am
rechten Arm zu. Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 17. September 11 Flüchtlingslager Gerstungen im Bundesland Thüringen. In
seinem Zimmer Nr. 213 stirbt der 37 Jahre alte Michael Kelly aus Liberia an
einer Lungenentzündung. Da der an der fortgeschrittenen
Immunschwächekrankheit AIDS leidende Mann sich bei seinem Nachbarn mit der
Äußerung verabschiedet hat, er wolle in ein anderes Land gehen, fällt seine
Abwesenheit den MitbewohnerInnen zunächst nicht auf. Erst als sich ein
starker Verwesungsgeruch entwickelt und eine Heimangestellte am Vormittag des
20. September das Zimmer mit einem Generalschlüssel öffnet, wird der Tote
gefunden. Den
Vorwürfen von MitbewohnerInnen, daß Michael Kelly über 10 Tage tot in seinem
Zimmer gelegen habe, widerspricht ein Betreuer, der noch am 16. September neu
eingesetzte Fenster in Herrn Kellys Zimmer kontrollierte: "Michael lag
auf seinem Bett. Ich habe ihn dann angestoßen, und er hat ein bißchen
gestöhnt." Danach habe der Heimangestellte das Zimmer wieder verlassen. Michael
Kelly war erst einige Monate im Flüchtlingslager Gerstungen. Als er wegen
seines schlechten Gesundheitszustandes zu einem Arzt ging, überwies dieser
ihn umgehend in das Universitätsklinikum Jena, wo vom 19. Juni bis zum 7.
Juli eine medikamentelle Therapie begonnen wurde. Nach dem
Krankenhaus-Aufenthalt ging es ihm gesundheitlich besser, und er mußte zurück
ins Flüchtlingsheim. Die
hygienischen Zustände in diesem Heim, das in einer heruntergekommenen Kaserne
eingerichtet ist, sind katastrophal: eine Gemeinschaftsküche, je ein Bad für
Männer und Frauen auf einer Etage. Wände und Decken sind voller Schimmel,
viele Menschen und vor allem die Kinder leiden unter Asthma und
Hautausschlägen. 77 Flüchtlinge leben hier zum Teil seit zehn Jahren. Bereits
vor neun Jahren hatte Michael Kelly das erste Mal in der BRD Asyl beantragt.
Seinem Zimmernachbarn erzählte er, daß er einige Zeit in Spanien mit seiner
Frau und seiner Tochter gelebt habe. Seine tatsächliche Identität bleibt
unklar, als in seinen Habseligkeiten ein nigerianischer Paß gefunden wird, er
jedoch als Herkunftsland Liberia angegeben hatte. Karawane
5.10.11; FRat Thür 6.10.11; Südthüringen.de
7.10.11; TA 7.10.11; OtZ
15.10.11; TA 15.10.11; JBW
20.10.11; Landratsamt
Wartburgkreis 25.10.11; The Voice; Cicero 1.12.11 21. September 11 Villingen-Schwenningen im Bundesland Baden-Württemberg. Um
2.00 Uhr nachts wird der 18-jährige Flüchtling Sidar Ebrima Damba aus dem
Bett geklingelt und in Handschellen zum Flughafen Frankfurt am Main gefahren.
Erst kurz vor dem Betreten des Flugzeuges teilen ihm die Beamten mit, daß die
Bundesrepublik nicht bereit sei, ein Asylverfahren durchzuführen, und er
umgehend nach Italien zurückgeschoben wird. Aufgrund dieses rechtswidrigen
Vorgehens des Bundesamtes besteht keinerlei Chance, gegen die Abschiebung
Rechtsmittel einzulegen, und der Jugendliche wird nach Rom abgeschoben. Sidar
Ebrima Damba mußte als 14-Jähriger aus dem Süd-Sudan fliehen, nachdem seine
Eltern im Bürgerkrieg ermordet worden waren und er selbst gefangen genommen
war und Hinrichtungen mit anschauen mußte. Über das Mittelmeer kam er über
Italien in die Schweiz, wo sein Asylantrag abgelehnt wurde. Als er –
entsprechend dem Dublin-II-Abkommen – nach
Italien zurückgeschoben werden sollte, war er vor circa einem Jahr in die
Bundesrepublik weitergeflüchtet. Auch hier stellte er einen Antrag auf Asyl. Er
ist aufgrund seiner Erlebnisse im Süd-Sudan und auf der Flucht schwer
traumatisiert, lebte in Villingen-Schwenningen in einer betreuten
Jugendeinrichtung und wurde bei Refugio seit langem psychotherapeutisch
behandelt. Atteste über seine Traumatisierung liegen dem Bundesamt seit 1.
März vor. Der Erfolg seiner Trauma-Behandlung ist durch den behördlichen
Gewaltakt der Abschiebung in Frage gestellt. Nach
der Landung in Rom sitzt Sidar Ebrima Damba zweieinhalb Tage auf dem
Flughafen, bis es ihm gelingt, sich bei den Behörden zu melden. Hier wird ihm
mitgeteilt, daß er innerhalb von sieben Tagen Italien in Richtung
Herkunftsland zu verlassen habe. Allein
durch die Hilfe von UnterstützerInnen gelingt ihm der Rückweg nach
Villingen-Schwenningen, wo er zu seinem Schutz zunächst in der Paulus-Gemeinde
Kirchenasyl bekommt. Am 20. Oktober entscheidet das Verwaltungsgericht
Freiburg über den Antrag des Rechtsanwalts vom 28. September auf vorläufigen
Rechtsschutz positiv, so daß die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die
Abschiebungsandrohung angeordnet wird. Damit erhält Sidar Ebrima Damba eine
Duldung und kann seine Therapie fortsetzen. Refugio
Villingen-Schwenningen; SchwT 24.9.11;
SK 4.10.11; SWP 6.10.11; Schwarzwälder
Bote 18.10.11; Ullrich Hahn –
Rechtsanwalt 22. September 11 Flughafen Frankfurt am Main. Ein 29 Jahre alter Flüchtling
aus Somalia versucht, sich auf der Toilette mit seinem Gürtel zu
strangulieren. Bundespolizisten können dies verhindern. Die
Abschiebung wird abgebrochen. Er sollte entsprechend dem Dublin-II-Abkommen nach Rom abgeschoben werden. Spiegel 25.7.12; Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 25. September 11 Plauen im Bundesland Sachsen. In der Nähe der "Alten
Kaffeerösterei" wird in der Nacht ein 21 Jahre alter Mann aus Tunesien
auf seinem Weg zum Flüchtlingsheim von mindestens vier Unbekannten
niedergeschlagen und ausgeraubt. Die Täter werden nicht ermittelt. FrP 19.10.11; Antifaschischische
Gruppen des Vogtlandes 19.10.11; FP 31.10.11 27. September 11 Flughafen Frankfurt am Main. Ein Mann soll mit seinen vier
Kindern, aber ohne die Mutter nach Belgrad abgeschoben werden. Alle Kinder
sind in Deutschland geboren. Unmittelbar vor dem Start der Maschine wird die
Abschiebung vom Verwaltungsgericht Hannover gestoppt. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 29. September 11 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Gegen 8.50 Uhr kommt es im
Keller des Kölner Flüchtlingsheimes in der Siegburger Straße zu einer starken
Rauchentwicklung. Die Feuerwehr ermittelt als Ursache einen technischen
Defekt an einem Wäschetrockner. Verletzt wird niemand. Polizei Köln
29.9.11 3. Oktober 11 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Um 1.30 Uhr kommt es zu
einem Feuer im Sanitärbereich des Flüchtlingsheimes in der Voßbuschstraße in
Duisburg-Baerl. Die Brandursache ist zunächst ungeklärt – Personen kommen
nicht zu Schaden. Polizei Duisburg
3.10.11 4. Oktober 11 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Ein 20 Jahre alter Abschiebegefangener trinkt in
Selbstverletzungsabsicht Schampoo. Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 4. Oktober 11 Flughafen Frankfurt am Main. Ein 29 Jahre alter Tunesier
wird gemäß der Dublin-II-Verordnung in
Begleitung von Polizisten und eines Arztes nach Rom zurückgeschoben. Der Mann
hatte sich in der JVA Mannheim, wo er in Abschiebehaft saß, mit einer
Rasierklinge Schnittverletzungen am Bauch und am Arm zugefügt. Diese waren
noch vor dem Transport nach Frankfurt ärztlich versorgt worden. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 5. Oktober 11 Flughafen Frankfurt am Main. Ein armenischer Mann wird mit
drei Kindern in Begleitung von neun Polizeibeamten und einem Arzt ohne die
Mutter nach Eriwan abgeschoben. Als
die Familie abgeholt wurde, war die Mutter nicht vor Ort gewesen. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 6. Oktober 11 Bundesland Niedersachsen. Als der 37 Jahre alte Nehad K.
bei der Celler Ausländerbehörde um die Erlaubnis bittet, zu seiner Frau und
seinen vier Kindern umziehen zu dürfen, wird er festgenommen und kommt
umgehend in Abschiebehaft nach Hannover-Langenhagen. Sechs Tage später sitzt
der Rom aus dem Kosovo im Flugzeug und wird nach Serbien abgeschoben. Damit
ist die Familie getrennt. Vor
knapp 20 Jahren war Nehad K. in die BRD gekommen. Den serbischen Ausweis
hatte er vor sieben Jahren im serbischen Konsulat in Hamburg ausgestellt
bekommen. Weil
er seine Frau nicht standesamtlich heiraten konnte, wurden ihre
Aufenthaltsangelegenheiten getrennt behandelt, so daß seine Frau und die
Kinder inzwischen dauerhafte Aufenthalte haben und in einem anderen Ort
leben. Obwohl sich seine Frau wegen einer anderen Beziehung vor längerer Zeit
von ihm trennte, hatte Nehad K. weiterhin den Kontakt zu den Kindern gepflegt
und sich auch finanziell um ihre Unterstützung gekümmert. FRat NieSa
17.10.11 7. Oktober 11 Bundesland Niedersachsen. Das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) entscheidet, daß die Zuständigkeit für das Asylverfahren
des somalischen Flüchtlings Abdirisaaq M. von der Bundesrepublik übernommen
wird. Damit kann der 19-jährige Somalier das Kirchenasyl in der Fabian- und
Sebastian-Kirchengemeinde Beverstedt nach 39 Tagen verlassen. Seine
Rückschiebung nach Malta war behördlicherseits für den 30. August geplant
worden. Abdirisaaq
M. war im Jahre 2007 als 15-Jähriger aus Somalia geflohen, nachdem er von islamistischen
Rebellen entführt und aufgefordert worden war, für sie bewaffnet zu kämpfen.
Ihm gelang der Fußweg durch die Wüste bis nach Libyen. Dort wurde er von
Soldaten festgenommen und ein Jahr lang als "Illegaler" unter
katastrophalen Bedingungen in einem Gefängnis gefangen gehalten. Nach der
Freilassung lebte er auf der Straße. Durch Geldspenden von UnterstützerInnen
konnte er sich eine Überfahrt nach Malta kaufen. Im Februar 2009 fuhr er –
zusammen mit 250 anderen Flüchtlingen – über das Mittelmeer. Es war eiskalt,
es gab wenig zu essen und zu trinken. Zehn Personen starben auf der
Überfahrt. In
Malta erfolgte die Festnahme aller Flüchtlinge, die in ein großes Gefängnis
gebracht wurden. Die Lebensverhältnisse für die Menschen waren auch hier
katastrophal: 90 Personen in einem Raum, zu wenig Geschirr, zu wenig sanitäre
Anlagen, zu wenig medizinische Versorgung. Erst
neun Monate später erfolgte die "Entlassung" in Flüchtlingscamps,
deren Verlassen aufgrund der Übergriffe des rassistischen Mobs von Malta
lebensgefährlich war. Im "Hanga-Camp" gab es für 1500 Flüchtlinge nur
eine Küche und eine sanitäre Anlage – ähnlich war es in einem Zelt-Camp, in
das Abdirisaaq M. anschließend kam. Als er einmal mit einem Freund das Lager
verlassen hatte, wurden sie von einem PKW verfolgt – sein Freund wurde
überfahren und starb in seinen Armen. Nachdem
seine Mutter ihm 200 Euro schicken konnte, die sie durch den Verkauf ihres
Wohnhauses bekam, entschloß Abdirisaaq M. sich sofort, Malta zu verlassen. Er
kam nach Schweden und stellte einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Um der
Abschiebung zu entgehen, flüchtete der inzwischen 18-Jährige nach Hamburg.
Hier kam er zunächst in ein Kinderheim, dann in ein Lager nach Braunschweig
und schließlich in das Hagener Flüchtlingsheim Grüner Weg 5. Ärztliche
Gutachten belegen seine schwere Traumatisierung und Suizidalität. Abdirisaaq M. –
Fluchtprotokoll; Pro Asyl
29.8.11; FRat NieSa
12.10.11; Fabian- und
Sebastian-Kirchengemeinde Beverstedt 8. Oktober 11 Bundesland Bayern. Kurz nach ihrem Grenzübertritt aus
Österreich versucht die 45 Jahre alte Afghanin Rosama Ghafari mit ihrer
7-jährigen Tochter Mohaddese auf der Raststätte Irschenberg bei der Polizei
asylrechtlichen Schutz zu erhalten. Die Folge davon ist die Inhaftierung und Unterbringung
in einer Pension in Rosenheim, die als Ersatzabschiebehaft gilt. Von hier aus
bemühen sich die Behörden, Frau Ghafari und ihre Tochter nach Ungarn
zurückzuschieben. Die
gemeinsame Flucht der Eheleute mit ihren drei Kindern begann Mitte des Jahres
2010 und war zunächst bis nach Griechenland gelungen. Aufgrund der
katastrophalen Verhältnisse für Flüchtlinge dort und der Schwierigkeiten,
gemeinsam weiterzureisen, entschlossen sie sich, sich zu trennen. Der Ehemann
ging in die Niederlande, dem 18-jährigen Ali Reza gelang Anfang des Jahres
2011 die Flucht in die Bundesrepublik. Frau
Ghafari leidet unter Posttraumatischer Belastungsstörung und schwerem
Diabetes mellitus – beides wurde in Griechenland nicht behandelt. Erst nach
einem Jahr Aufenthalt gelang es auch Frau Ghafari mit ihren zwei
minderjährigen Kindern, der 7-jährigen Mohaddese und dem 14 Jahre alten
Morteza, das Land zu verlassen. Sie kamen bis nach Ungarn und wurden in einem
Ausreisezentrum untergebracht. Aus
Angst vor der angedrohten Rückschiebung nach Griechenland machten sie sich
auf den Weg nach Deutschland. Auf dem Weg wurde Morteza von Mutter und
Schwester getrennt – er lebt zur Zeit in Österreich. Anstatt
die Familie zusammenzuführen, bereiten die deutschen Behörden die Rückführung
von Rosama Ghafari und Mohaddese nach Ungarn vor, von wo eine Weiterschiebung
nach Griechenland vorgesehen ist. Erst
als Frau Ghafari zusammenbricht und erst nach Vorlage weiterer ärztlicher und
psychiatrischer Stellungnahmen erfolgt eine Untersuchung durch das
Gesundheitsamt. Durch
die Unterstützung des Migrationskreises und des bayerischen Flüchtlingsrats,
die Petitionen sowohl an den Bayerischen Landtag als auch an den Deutschen
Bundestag richten, kann erreicht werden, daß die Abschiebung von Mutter und
Tochter nach Ungarn ausgesetzt wird und somit das Asylverfahren in der
Bundesrepublik bearbeitet wird. Bis zu diesem Einlenken der Behörden ist fast
ein halbes Jahr voller Ungewißheit und Angst für die Betroffenen vergangen. Ab
Mitte Mai 2012 befindet sich auch der mittlerweile 15-jährige Morteza bei
seiner Mutter und seinen Geschwistern. Allein der Vater bleibt vorerst in den
Niederlanden und wartet hier auf seine Asylentscheidung. FRat Bayern
20.10.11; Ungarn 2012; Pro Asyl
Fluchtberichte; FRat Bayern
30.5.12 13. Oktober 11 Bundesland Baden-Württemberg. Als die Polizei in der
Flüchtlingsunterkunft von Sinsheim erscheint, springt die 35-jährige
Bewohnerin aus Sierra Leone in Panik aus einem Fenster der 2. Etage. Mit schweren
Verletzungen kommt sie ins Klinikum Ludwigshafen. Das
rechte Fersenbein und ein Lendenwirbel sind gebrochen und müssen operativ
versorgt werden. Nach vierwöchi gem stationären Aufenthalt und insgesamt drei Operationen
wird sie mit einer rechtsseitigen Lähmung des Fußes entlassen. Ihre
Unterbringung erfolgt zunächst in einem Altersheim in Heidelberg.
Rehabilitationsmaßnahmen erhält sie hier nicht, obwohl sie sich nur mühselig
mit Krücken und einem Spezialschuh fortbewegen kann. Ihr wird mitgeteilt, daß
sie nach sechs Wochen Aufenthalt wieder in die Flüchtlingsunterkunft nach
Sinsheim zurück muß. Im
Dezember bekommt sie endlich die notwendigen orthopädischen,
physiotherapeutischen und psychologischen Nachbehandlungen. Die
alleinstehende Frau, die seit sieben Jahren in der Bundesrepublik lebt, war
vor kurzem zu einer Anhörung in die nigerianische Botschaft vorgeladen
worden. FRat BaWü; Südwest Presse
4.2.12 14. Oktober 11 Plauen im Bundesland Sachsen.
Gegen Mittag werden drei Bewohner des örtlichen Flüchtlingsheimes im
Eingangsbereich des im Stadtkern liegenden Einkaufszentrums
"Stadt-Galerie" von Angehörigen des dort tätigen
Sicherheitsdienstes bedroht und körperlich angegriffen. Dabei werden ein 23
Jahre alter Libyer, ein 26-jähriger Mazedonier und ein 30 Jahre alter
Tunesier teils erheblich verletzt. Die gerufene Polizei weigert sich
zunächst, die Täter zu identifizieren. Kurz
darauf wird ein albanischer Asylbewerber hinter der "Stadt-Galerie"
von mehreren Personen mit einem Metallstuhl niedergeschlagen und erleidet
erhebliche Kopfverletzungen. An
diesem Tag geschieht es auch, daß zwei Flüchtlinge von einem Auto verfolgt
und dann von den Insassen mit Eisenketten bedroht werden. Ihnen gelingt die
Flucht vor den Angreifern. Als am Abend circa 20
Flüchtlingen der Zutritt zu der auch in Stadtmitte liegenden Diskothek
"Number One" von Türstehern verwehrt wird, entsteht aus einer zunächst
verbalen Auseinandersetzung eine Schlägerei. Nach Einschätzung einiger
ZeugInnen sind die Flüchtlinge offensichtlich von den Türstehern und deren
Sympathisanten erwartet worden, denn diese tragen Messer, Baseballschläger
und Fahrradketten bei sich. Als
auch die Flüchtlinge zu Steinen und Knüppeln greifen, gehen viele Scheiben
der Diskothek zu Bruch. Schließlich verlassen die Asylbewerber den Ort
fluchtartig. Nach einer polizeilichen Fahndung werden ein 30-jähriger Libyer,
ein 23 Jahre alter Tunesier und ein 28-jähriger Algerier von der Polizei
festgenommen. Ein
26 Jahre alter Tunesier muß seine Verletzungen eine Woche lang im Krankenhaus
behandeln lassen. Auch der 23-jährige Libyer, der bereits am Vormittag
angegriffen, verletzt und ambulant versorgt worden war, kommt mit einer
Kopfverletzung ins Krankenhaus – und wird erst nach vier Tagen wieder
entlassen. Am
nächsten Tag durchsuchen Beamte Bereiche des Flüchtlingsheimes in der
Kasernenstraße. Dabei werden Privaträume geöffnet und sämtliche anwesende
BewohnerInnen fotografiert. Nach
Ermittlungen der Polizei ist einer der drei Sicherheitsleute, die am Mittag
die Flüchtlinge verfolgten und angriffen, auch in der Diskothek "Number
One" tätig. In
der Vergangenheit war es schon mehrmals zu rassistischen Ausschreitungen von
Angehörigen des Sicherheitsdienstes C.O.P.S. gekommen, der nicht nur für die
Diskothek "Number One" und die mittlerweile geschlossene Diskothek
"Price", sondern auch für die "Stadt-Galerie" zuständig
ist. In den letzten Wochen war immer häufiger "ausländisch"
aussehenden Menschen der Zutritt zur Diskothek verwehrt worden. Nach
der abendlichen Schlägerei erklärt der Besitzer des Tanzlokals, Uwe Seidel,
daß ab jetzt, also als Reaktion auf den "Angriff" der Asylbewerber,
allen (!) Ausländern der Zugang zur Diskothek verwehrt wird. Seine Begründung
laut Lokalpresse: "Aus dem Ausland stammende Besucher hätten Gäste
bestohlen, Schlägereien angezettelt oder Frauen belästigt." Es
wird bekannt, daß nicht nur sein Security-Dienst, sondern auch er selbst
deutliche Nähe zur örtlichen NPD haben. Die "Number One Spielautomaten
GmbH" befindet sich am Klostermarkt nicht nur im selben Gebäude, in dem
auch das lokale "Bürgerbüro" der NPD ist, sondern sie ist
offensichtlich auch Eigentümerin des Hauses. Nach
öffentlicher Kritik an dem von Uwe Seidel erlassenen Einlaßverbot für alle
Ausländer nimmt er diese rassistische Sanktion teilweise zurück. Gegen
die drei festgenommenen Flüchtlinge wird ein Ermittlungsverfahren wegen
Landfriedensbruchs eröffnet. Drei
Monate nach den rassistischen Angriffen sind die polizeilichen
Ermittlungsergebnisse abgeschlossen und liegen der Staatsanwaltschaft Zwickau
vor. Jedoch ist inzwischen einer der Geschädigten abgeschoben, einer wurde in
ein anderes Lager umverteilt und dem Dritten, dem 23-jährigen Libyer, droht
die Rückschiebung nach Italien. Obwohl
zwei der Täter einen rechtsradikalen Hintergrund haben und "einschlägig,
also wegen Körperverletzung vorbestraft" sind, wie die Sprecherin der
Staatsanwaltschaft mitteilt, gebe es durch die Rückschiebung des libyschen
Opfers keinen "Beweisverlust", da er seine Aussage bei der Polizei
bereits gemacht habe. Am 16. Januar 12 wird sein Eilantrag bzgl.
der Durchführung des Asylverfahrens in der BRD vom Verwaltungsgericht Chemnitz
abgelehnt. Am
16. August 12 wird der Prozeß gegen die zwei Rechtsextremisten vor dem
Amtsgericht Plauen ausgesetzt, weil einer der beiden Hauptangeklagten im Zuge
einer Razzia in der Rockerszene zwei Tage zuvor festgenommen wurde und aus
der JVA Leipzig nicht so schnell nach Plauen gebracht werden kann. Der
Prozeß soll am 8. November fortgesetzt werden. mdr-Sachsen
15.10.11; FP 15.10.11; FP 16.10.11; RAA Chemnitz
18.10.11; FP 18.10.11; Antifaschistische
Gruppen des Vogtlands 19.10.11; FrP 19.10.11; FP
24.10.11; Elsterpiraten 26.10.11; Antifaschistische
Gruppen des Vogtlands 27.10.11.; FP 31.10.11; JWB
10.11.11; RAA Sachsen
17.1.12; taz 27.1.12; t-online.de
16.8.12 18. Oktober 11 In der Hamburger JVA Billwerder bricht um ca. 1.30 Uhr ein
vietnamesischer Abschiebegefangener den Borstenkopf seiner Zahnbürste ab und
rammt sich den aufgesplitterten spitzen Stiel mit voller Wucht in den Bauch.
Ein Rettungswagen bringt den 25-Jährigen unter Polizeibegleitung in das
Krankenhaus nach St. Georg. Nach
medizinischer Behandlung der Stichverletzung kommt er zurück in die JVA.
Seine Abschiebung, die für heute geplant ist, wird aufgrund der
Selbstverletzung zunächst verschoben. Der
Gefangene, dessen Asylantrag bereits im September abgelehnt wurde, war am 6.
Mai festgenommen worden und saß nach einer Verbüßung von zwei
Ersatzfreiheitsstrafen wegen Diebstahls und Verstoßes gegen das
Aufenthaltsgesetz seit 11. September in Abschiebehaft. Bergedorfer Ztg
18.10.11; HM 18.10.11; Hamburgische
Bürgerschaft DS 20/1914; BT DS 17/10597 21. Oktober 11 Bundesland Schleswig-Holstein. Gegen 1.00 Uhr legt ein 36
Jahre alter Gefangener aus Algerien in seiner Zelle der JVA Neumünster in
selbsttötender Absicht Feuer. Da sich die Zellentür durch den Brand verzieht
und verklemmt, scheitern die Versuche der Gefängnisbeamten, die Tür zu
öffnen. Dies gelingt erst den später eintreffenden Rettungskräften der
Feuerwehr – ein Notarzt kann jetzt nur noch den Tod des Gefangenen
feststellen. Die
Zeugenaussagen der Gefangenen aus den Nachbarzellen, daß der Algerier um
Hilfe schrie, woraufhin sie Feueralarm auslösten, die Beamten jedoch erst 10
Minuten später kamen, werden von der Gefängnisleitung vehement bestritten.
Auch die Suizid-Äußerungen, die die Mitgefangenen kennen, sind der
Gefängnisleitung unbekannt. Der
Algerier hatte bereits versucht, in Dänemark, Finnland und Norwegen Asyl zu
bekommen. In der BRD erfolgte seine Festnahme durch die Bundespolizei, und er
war zunächst in Abschiebehaft gekommen. Als
später festgestellt wurde, daß er auf der britischen Fahndungsliste steht,
war er in Auslieferungshaft in die JVA Neumünster gebracht worden. SHZ 21.10.11;
ndr 21.10.11; KN 21.10.11; Welt 22.10.11;
jW 22.10.11; taz 9.11.11;
Barmstedter Ztg 11.11.11; FRat SH 15.12.11 25. Oktober 11 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Der 42 Jahre alte
Asylbewerber Mete Tuncer wird aufgrund eines Auslieferungsbegehrens der
Türkei in Recklinghausen verhaftet und in die JVA Bochum in Isolationshaft
genommen. Wegen seiner politischen
Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Türkiye İhtilalci Komünistler Birliği
(TIKB – Kommunistischer Bund) saß Mete Tuncer bereits elf Jahre in der Türkei
im Gefängnis. Da sein Verfahren über 10 Jahre andauerte und er noch nicht
rechtskräftig verurteilt war, kam er im März 2009 vorläufig frei. Im Mai 2010
verurteilte die Justiz ihn zu einer lebenslangen Haft – im September gelang
ihm die Flucht in die Bundesrepublik. Hier stellte er einen Asylantrag, der
heute noch nicht entschieden ist. Durch Folter und die jahrelange Haft hat er
heute schwerwiegende gesundheitliche Probleme. Er kann sich zum Beispiel
nicht in geschlossenen Räumen aufhalten. In
der JVA Bochum beginnt er umgehend einen Hungerstreik gegen die Inhaftierung,
aber auch gegen die Haftbedingungen, denn er befindet sich in einer kleinen
Zelle, in der nur ein Betonbett steht und sich ein Wasserhahn befindet. An
die frische Luft darf er nicht. Er wird wegen Suizidalität 24 Stunden täglich
von einer Kamera überwacht. Radio, Bücher oder Zeitungen gibt es nicht. Am
3. November wird Mete Tuncer für die Zeit des Auslieferungsverfahrens
freigelassen. indymedia.de
26.10.11; Komunya
31.10.11; metetuncer.tk
2.11.11; metetuncer.tk
3.11.11 25. Oktober 11 Bundesland Brandenburg – Landkreis Oberhavel. Im
Flüchtlingslager Stolpe-Süd (Hennigsdorf) versucht der chinesische Flüchtling
Hailong C. sich am Nachmittag umzubringen, indem er sich ein Messer in den
Bauch rammt. Er kommt umgehend in das Krankenhaus Hennigsdorf zur Versorgung
seiner Verletzungen – danach wird er in die psychiatrische Station verlegt. Seine
Abschiebung vom Flughafen Tegel nach Peking ist für den nächsten Tag um 19.30
Uhr mit dem Flug AB 5810/HU490 von AirBerlin in Kooperation mit Hainan
Airlines gebucht. Hailong
C. ist seit über 12 Jahren in der Bundesrepublik und muß seitdem im
Flüchtlingsheim Stolpe-Süd leben. Jahrelang hatte die Ausländerbehörde seinen
von ihm angegebenen Namen als "erfunden" bezeichnet. Mit der
Begründung der falsch angegebenen Identität wurden ihm dann auch die
Aufenthaltsgenehmigung und eine Arbeitserlaubnis verweigert. Jetzt sollte die
Abschiebung mit Reisedokumenten erfolgen, die auf genau diesen Namen
ausgestellt wurden. Im
Februar 2013 ist Hailong C. immer noch akut von Abschiebung bedroht. Die
Ausländerbehörde hat ihm zwar inzwischen eine Psychotherapie genehmigt, die
Kosten für eine Übersetzerin oder einen Übersetzer während der
Therapiestunden übernimmt sie jedoch nicht. FRat Brbg
25.10.11; MOZ 25.10.11; ND
26.10.11; MAZ 10.11.11; FRat Brbg 26. Oktober 11 Hamburg. Um 4.20 Uhr werden die 65-jährige Jowanka S. und
ihr 62 Jahre alter Mann Stanisa S. von MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde,
der Polizei, des Hauptzollamtes Hamburg Hafen, eines privaten Ordnungsdienstes, von einem Arzt und
einem Dolmetscher aus dem Schlaf geholt und aus ihrer Unterkunft am Billsteig
abgeführt. Sie werden dann über den Flughafen Berlin-Tegel nach Serbien
abgeschoben. Damit enden die vielen Versuche des Ehepaares, in Deutschland
ein Bleiberecht zu bekommen. Sie hatten es erstmals im Jahre 1989 versucht. Jowanka
S. leidet an verschiedenen Stoffwechselkrankheiten (Diabetes mellitus,
Fettstoffwechsel) und an Bluthochdruck und wurde wegen starker
Unterleibsschmerzen in der letzten Zeit dreimal operiert, ohne daß die
Ursache der Schmerzen gefunden werden konnte. Zudem wurden bei ihr depressive
Störungen diagnostiziert. Aufgrund dieser Erkrankungen hatte sie bisher aus
gesundheitlichen Gründen immer noch eine Duldungsverlängerung bekommen. Mit
der Abschiebung des Ehepaares S. setzt der Hamburger SPD-Senat die
Deportation von Roma-Flüchtlingen fort, die seit vielen Jahren in Hamburg
leben. Dies geschieht, nachdem der Petitionsausschuß im Sommer die Anträge
von elf Familien (über 50 Personen) negativ entschieden hatte – es geschieht
trotz vielfältiger Protestaktionen und trotz des anstehenden Winters. Es
ist bekannt, daß gerade die Roma in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens
rassistischen Diskriminierungen und massiven Ausgrenzungen ausgesetzt sind.
Sie müssen in den Wellblechhütten sogenannter Roma-Lager in absoluter Armut
leben. Die Chance auf medizinische Versorgung oder eine bezahlte Arbeit ist
für alte oder kranke Roma gleich Null. FRat Hamburg
25.8.11; FRat Hamburg 24.10.11; FRat Hamburg, AK
Roma und Roma-UnterstützerInnen 26.10.11; DIE LINKE
28.10.11; Hamburgische
Bürgerschaft DS 20/1985; Cornelia
Ganten-Lange - Rechtsanwältin 31. Oktober 11 Landkreis Schwandorf in Bayern. An der Bundesstraße 14 bei
Wernberg-Köblitz am Abzweig Kettnitzmühler greifen Zollfahnder gegen 12.00
Uhr acht junge Männer aus Afghanistan auf, die angeben, daß sie mit einem
weißen LKW hierher gekommen seien. Sie waren vier Tage lang ohne jegliche Verpflegung in dem LKW eingesperrt gewesen, und erst als
sie verzweifelt durch ständiges Klopfen auf sich aufmerksam machten, habe der
LKW-Fahrer sie herausgelassen. Bei
einer anschließend großangelegten Fahndungsaktion durch Zoll und
Bundespolizei – auch unter Einsatz eines Hubschraubers – werden weitere vier
Flüchtlinge gefunden. Zwei
Jugendliche im Alter von 14 und 17 Jahren und ein 21-Jähriger sind in so
schlechter körperlicher Verfassung, daß der herbeigerufene Notarzt sie mit
Rettungswagen ins Klinikum Weiden bringen läßt. Die
anderen Afghanen im Alter von 16 bis 29 Jahren werden zur Bundespolizei nach
Waidhaus gebracht und vom Bayerischen Roten Kreuz mit Lebensmitteln und
heißen Getränken versorgt. Auch hier muß der Notarzt noch vier Personen
ambulant versorgen. BPol Waidhaus
31.10.11; MbZ 31.10.11; BT DS 17/8704 Oktober 11 Bundesland Rheinland-Pfalz. Zwölf Monate nach der Geburt
seines Kindes, bekommt ein abgelehnter Flüchtling aus Gambia die Erlaubnis,
in Erfurt zu leben. Seit der Geburt des Kindes im November 2010 mußte er
zwischen Rheinland-Pfalz und Thüringen hin- und herfahren, wenn er bei seiner
deutschen Verlobten und ihrem gemeinsamen Kind sein wollte. Die
Erlaubnis zur Wohnsitzveränderung beinhaltet allerdings die Auflage, daß er
in Erfurt in einer Gemeinschafts unterkunft für Flüchtlinge wohnen muß. Ein normales Familienleben
ist damit immer noch nicht möglich. FRat Thüringen
Info Heft 51 1/2012 Oktober 11 Landkreis Leipzig im Bundesland Sachsen. In der
Flüchtlingsunterkunft Hopfgarten verletzt sich ein ca. 30 Jahre alter Afrikaner
und wird mit Schnittverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Ausländerbeauftragter
des Landes Sachsen Martin Gillo 2. November 11 Rückführungsbereich im Flughafen Frankfurt am Main. Auf
Anordnung der Ausländerbehörde Eisenach soll eine 72-jährige Frau nach
Frankreich rücküberführt werden. Sie hat einen unsicheren Gang, ihr rechter
Mundwinkel hängt nach unten, "wie nach einem Schlaganfall", und sie
macht einen sehr verwirrten Eindruck. Sie hat weder ärztliche Bescheinigungen
noch ihr Adreßbuch dabei, denn als sie am Morgen aus ihrer Unterkunft
abgeholt wurde, wo sie mit ihrer Tochter und ihrer Enkelin lebte, sei alles
sehr schnell gegangen. Die Medikamente, die sie bei sich trägt, sind gegen
Bluthochdruck und Asthma. Die
Bundespolizei stoppt die Rückschiebung und begleitet die Frau in die
Flughafenklinik. Später kommt sie zurück nach Eisenach. Auf
Nachfragen erklärt das Innenministerium von Thüringen, daß der
Ausländerbehörde keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Frau
aufgefallen seien und solche auch nicht gemeldet wurden. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 3. November 11 Hamburg-Großborstel. Morgens um 7.00 Uhr erscheinen
Polizeibeamte, Angehörige der Ausländerbehörde und ein Arzt in der Wohnung
der Roma-Familie M. In einem Gefangenentransporter werden der 38 Jahre alte
Tahir M., die 31-jährige Katerina D. und deren gemeinsame Kinder, der
7-jährige Dalibor und seine 15 Jahre alte Schwester Stana, zum Flughafen
gebracht und von dort mit der Austrian Airlines über Wien nach Serbien ausgeflogen.
Herr
M. ist schwer herzkrank – er leidet unter Atemnot und Herzschmerzen. In einer
lebensgefährlichen Notsituation wurde ihm im Februar des Jahres im
Universitätsklinikum Eppendorf mit einem Stent die Hauptschlagader geweitet.
Am 30. November sollte durch eine Untersuchung die Lage des Stents
kontrolliert werden, was durch die Abschiebung nicht mehr möglich ist. Zudem
leidet Herr M. laut Mitteilung seiner behandelnden Kardiologen unter einem
"höchstgradig" gefährdenden Bluthochdruck, der schwer einstellbar
ist. Er bedarf einer engmaschigen ärztlichen Kontrolle und der abgestimmten
Verordnung verschiedener lebenswichtiger Medikamente. Seine Internistin
schrieb: "Bei ausbleibender Medikamenteneinnahme ist Herr M. hochgradig
gefährdet, einen Herzinfarkt zu erleiden." Im
Hinblick auf die gesundheitlichen Gefahren rieten die behandelnden ÄrztInnen
von einer "Reise" ab. Aufregung jeglicher Art könne
lebensgefährlich werden. Im Abschieberaum der Bundespolizei am Hamburger
Flughafen können die Anwältin, zwei Mitglieder des Hamburger Flüchtlingsrates
und eine Abschiebebegleiterin der Nordelbischen Kirche von der Familie
Abschied nehmen und mit ihr auf den Abflug warten. Auch ein Arzt, der im
Auftrag der Ausländerbehörde mitfliegen soll, befindet sich in dem Raum. Er
ist mit Medikamenten und medizinischem Kleingerät auf einen Notfall während
des Fluges vorbereitet. Direkt
nach der Abschiebung wird Herr M. noch am Belgrader Flughafen zweieinhalb
Stunden lang von der Polizei vernommen, weil er keinen Paß hat. In
Pirot – nahe der bulgarischen Grenze – findet die Familie Unterschlupf bei
einer Tante. Hier leben jetzt 13 Personen in zwei Zimmern. Die Erwachsenen
schlafen abwechselnd – es gibt viele Konflikte, weil es schlichtweg zu eng
ist, und es stellt sich die Frage, wie lange die Tante die Gastfamilie noch
duldet. Schon
am Tag der Ankunft war Herr M. auf die Polizeiwache geholt und dort verhört
worden. Dies wiederholt sich noch zwei Mal. Bei einem der Verhöre geht es
Herrn M. extrem schlecht. Mit
Schwierigkeiten gelingt es den Eltern, Dalibor in der Schule anzumelden – bei
Stana klappt es nicht, sie wird nicht aufgenommen. Sozialhilfe bekommen sie
nicht, weil sie ihre Anmeldung und Papiere erneuern müssen – das Geld für die
Gebühren haben sie nicht Der
Medikamenten-Vorrat, den die Hamburger Ausländerbehörde Herrn M. mitgegeben
hat und der bis März 2012 ausreichen sollte, ist schon im Januar zu Ende. Die
Familie bittet die UnterstützerInnen in Hamburg um Hilfe, diese
lebenswichtigen Medikamente zu besorgen. Die
Familie bekommt 105 Euro an Sozialhilfe und Kindergeld. Da das nicht
ausreicht und er keine adäquate Arbeit findet, recycelt Tahir M. Gummi. Das
heißt, er trennt mit einem Küchenmesser bei alten Autoreifen die Mäntel von
den Felgen und verkauft das Gummi an die Reifenfabrik im Ort. Dafür bekommt
er ca. 61 Euro im Monat. "Eine viel zu schwere körperliche Arbeit bei
seiner Krankheit," kommentiert die Bremer Ärztin Dr. Andrea Vogel. Besucherinnen
aus der Bundesrepublik erzählt die 81 Jahre alte Großmutter, daß ihr Mann
1941 im Alter von 17 Jahren von den deutschen Nazis abgeholt wurde. Er kam
als Zwangsarbeiter zunächst ins serbische Bergwerk "Borski Rudnik"
und später ins Straflager "Berlin Celle". Er wurde schwer
gefoltert, mußte tagelang in kaltem Wasser stehen, aber er überlebte. Er
starb an den Spätfolgen der Quälereien im Jahre 1992. 2004
erhielt die Großmutter einen Scheck über 7000 Euro als
"Entschädigung". Da dieser aber auf den Namen ihres verstorbenen
Mannes ausgestellt war, konnte er nicht eingelöst werden. Auch das Einreichen
aller nötigen Urkunden hat nicht dazu geführt, daß der Scheck auf den Namen
seiner Frau umgewidmet und eingelöst werden konnte. Seit Jahren hat die
Familie nichts mehr davon gehört. FRat HH 3.11.11; Roma in Hamburg
3.11.11; Sigrid Töpfer –
Rechtsanwältin; Heft der
Flüchtlingsräte Aug. 2013 17. November 11 Bundesland Bayern. Morgens um 6.30 Uhr wird ein
minderjähriger unbegleiteter Flüchtling aus Afghanistan in seiner Unterkunft
von der Polizei abgeholt. Nach einem Tag in der Männeranstalt der JVA
Nürnberg erfolgt sein Transport mit angelegten Handschellen zur Afghanischen
Botschaft nach Bonn. Dort wird er gezwungen, in Anwesenheit der Polizei einen
Reisepaß zu beantragen. Zurück
in Nürnberg bleibt er in Abschiebehaft. Erst durch die Intervention seines
Rechtsanwalts wird er entlassen. Seit
einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 31. Mai 11, in dem
festgelegt ist, daß "zumindest für junge männliche, ledige und gesunde
Rückkehrer keine ex-treme Gefahrenlage für Leib, Leben und Freiheit
besteht", wurde der Ausreisedruck deutlich erhöht. Unter anderem mit den
erzwungenen Botschaftsvorführungen, durch Beendigung der Duldung und damit
Streichung des Taschengeldes und der Krankenversicherung usw. Alternativer
Menschenrechtsbericht 2013 28. November 11 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Aus Angst vor der
Rückschiebung nach Polen fügt sich um 20.15 Uhr ein 31 Jahre alter
Tschetschene aus Ursus-Martan Schnittverletzungen am Bauch und an den Armen
zu. Nach
ärztlicher Untersuchung und medizinischer Versorgung der Wunden bleibt der
Gefangene in Haft. Trotz
anwaltlichen Engagements kann die Rückschiebung nicht verhindert werden. Polizei Berlin
29.11.11; BM 29.11.11; ND 30.11.11;
Jesuiten-Flüchtlingsdienst; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 28. November 11 Eisenhüttenstadt im Bundesland Brandenburg. In einem
Getränkemarkt in der Robert-Koch-Straße werden sechs kenianische AsylbewerberInnen.gegen
21.00 Uhr von zwei deutschen Männern und einer Fau beleidigt, bedroht und
bespuckt. Die Angegriffenen alarmieren die Polizei, woraufhin die TäterInnen
flüchten. Diese
können von der Polizei ermittelt werden. Allerdings wird das Verfahren gegen
sie eingestellt, da keine direkte Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann, so
die Frankfurter Staatsanwaltschaft. BT DS 18/1399; StA
Frankfurt/Oder 23.7.14 29. November 11 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 31 Jahre alter
Tschetschene aus Ursus-Martan verletzt sich, indem er seinen Kopf gegen die
Gitter schlägt. Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 30. November 11 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 21 Jahre alter
Algerier fügt sich mit einer zerbrochenen Rasierklinge eine Schnittverletzung
am Oberschenkel zu. Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 1. Dezember 11 Frankfurt (Oder) im Bundesland Brandenburg. In der
Karl-Marx-Straße wird ein 28 Jahre alter Flüchtling aus Sierra Leone um 15.30
Uhr von einem 38-jährigen Mann rassistisch beleidigt und dann geschlagen. Der
Afrikaner kommt unverletzt davon. Am
5. Dezember spricht der Täter sein Opfer auf der Straße an und fragt, wieso
vor vier Tagen die Polizei geholt wurde. Dann schlägt er dem Afrikaner
unmittelbar ins Gesicht. Dieser wird dabei leicht verletzt. Die
Polizei kann den Täter kurz darauf vorläufig festnehmen – es handelt sich um
einen Mann polnischer Herkunft. Gegen
den Polen wird wegen Beleidigung, Körperverletzung und wegen des Verwendens
von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Welt 2.12.11; Polizei
Brandenburg 6.12.11; BM 15.12.11;
Opferperspektive 3. Dezember 11 Braunschweig im Bundesland Niedersachsen. Im Stadtteil
Kralenriede wird gegen 17.00 Uhr ein 63 Jahre alter Flüchtling aus Serbien beim
Überqueren des unbeschrankten Bahnübergangs am Steinriedendamm / Forststraße
von dem Regionalzug aus Gifhorn erfaßt und acht Meter durch die Luft
geschleudert. Rettungsversuche von Ärzten und Sanitätern vor Ort und im
Krankenhaus bleiben erfolglos. Der Mann erliegt seinen schweren Verletzungen. Der
Mann war – zusammen mit seinem 23-jährigen Sohn – auf dem Weg von der 300
Meter entfernt liegenden Flüchtlingsunterkunft in der Boeselagerstraße zu
einem Supermarkt in der Ortsmitte unterwegs. Sowohl
der Lokführer als auch sein Sohn erleiden einen Schock und müssen ärztlich
behandelt werden. Die
Flüchtlingsfamilie war erst am Vortag aus Dortmund kommend in der
Landesaufnahmebehörde für Asylbewerber eingetroffen. Der
Mann ist der zweite Flüchtling in diesem Jahr, der an diesen Gleisen stirbt.
(siehe auch: 24. Februar 11) Die
Bürgerinitiative Kralenriede fordert zum wiederholten Mal die Anbringung von
Schranken und bis dahin Schritttempo für die Regionalzüge der eingleisigen
Strecke an diesem Gleisübergang. Beides lehnt die Bahn, die für den
gefährlichen Übergang verantwortlich ist, ab: Wegen der "umfangreichen
Planungen" könnten Schranken erst Ende 2014 oder Anfang 2015 gebaut
werden und eine Schrittgeschwindigkeitsbegrenzung für die Züge würde
"keinen Sicherheitsgewinn" bringen. Polizei
Braunschweig 3.12.11; newsclick
4.12.11; newsclick.de 6.12.11; T-online
29.12.11 7. Dezember 11 Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Gegen 17.40 Uhr
fügt sich ein 31-jähriger Tschetsche aus Ursus-Martin durch Ritzen Hautverletzungen
zu. Nach einer Erstversorgung der Verletzung durch Polizeiangestellte kommt
der Mann zur kurzen ambulanten Behandlung ins Krankenhaus. Danach
erfolgt seine Rückverlegung in die Abschiebehaft. Polizei Berlin
8.12.11; BM 8.12.11; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 7. Dezember 11 Bundesland Niedersachsen. Um 1.30 Uhr klingelt die Polizei
in der Scholienstraße 44 in Otterndorf. Das Ehepaar Meta und seine sechs
Kinder im Alter zwischen neun und zwanzig Jahren werden von ca. 20 Polizisten
aus dem Schlaf gerissen und aufgefordert, die Koffer zu packen. Gegen Mittag
befinden sie sich bereits am Flughafen von Prishtina. Die
Eltern waren vor über 10 Jahren mit fünf Kindern in die Bundesrepublik
gekommen – alle Kinder gingen hier zur Schule. Alle sprechen fließend Deutsch
aber kein Albanisch. Nach
der Abschiebung kommt die Familie in der Ortschaft Gjakova unter, wo sie vor
der Flucht in die Bundesrepublik schon lebte. Am 31. Dezember 11 wird die
Wohnung überfallartig von schwer bewaffneten und gepanzerten Polizisten
durchsucht. Es soll einen Hinweis gegeben haben, nach dem die Familie Waffen
besitze. Neun
Monate nach der Abschiebung spielt sich das Leben auch für die Kinder vor
allem in der kleinen Drei-Zimmer-Wohnung ab, denn alle haben große Angst vor
den rassistischen Übergriffen aus der Nachbarschaft und auf den Straßen. Der
kleine Rama ist von Jugendlichen draußen verprügelt worden, nachdem sie ihn
als "Schwarzen" und "Zigeuner" beleidigten. Am
20. März 12 verabschiedet die Samtgemeinde Hadeln mit großer Mehrheit eine
Resolution, in der der Landkreis Cuxhaven, die niedersächsische
Landesregierung und die Bundesregierung gebeten werden, ihre Abschiebepraxis
von langjährig in der Bundesrepublik lebenden Roma und Ashkali zu überprüfen
– die Landesregierung wird zudem gebeten, der Wiedereinreise der Familie Meta
zuzustimmen. Im
Dezember 2012 wird die Klage der Familie wegen der Unrechtmäßigkeit der
Abschiebung vom Verwaltungsgericht Stade abgelehnt. Trotzdem kehrt die
Familie im November 2013 auf eigene Initiative zurück nach Niedersachsen in
ihren Landkreis Cuxhaven und findet in Beverstedt zunächst eine Bleibe. Herr
Meta, der durch die Abschiebung und die Zeit im Kosovo retraumatisiert wurde,
muß sich in psychotherapeutische Behandlung begeben. Es
wird ein Asylfolgeantrag gestellt, und die Familie hofft, wieder in
Otterndorf wohnen zu dürfen. Anfang
Januar 2014 wohnt die Familie wieder in Nordleda nahe Otterdorf in einer
kleinen Wohnung, die die Samtgemeinde Hadeln renovierte und mit Möbeln,
Hausrat u DIE LINKE LT
NieSa 2.5.10; Cuxhavener
Nachrichten 17.12.11; Nordelbische Ztg
18.1.12; alle bleiben! -
Reisebericht 25.1.12; FRat NieSa 12.4.12; FRat NieSa 25.8.12; Cuxhavener
Nachrichten 14.11.13; FRat NieSa
19.11.13; AK Asyl Cuxhaven 10.3.14 10. Dezember 11 Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Ein 31 Jahre alter
Tschetsche aus Ursus-Martin drückt sich in selbstverletzender Absicht während
des Essens um 12.35 Uhr den Stiel eines Plastiklöffels gegen den Hals. Ein
Bewacher greift ein und verhindert dadurch größere Verletzungen. Polizei Berlin
11.12.11; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 10. Dezember 11 Bundesland Brandenburg. Im Flüchtlingsheim von
Fürstenwalde brennt zunächst eine Matratze im Flur. Als zweieinhalb Stunden
später ein Bett in der dritten Etage in Flammen steht, retten sich mehrere
über die Fenster auf ein Baugerüst vor der Außenfassade, wobei drei Menschen
Schnittverletzungen und Prellungen erleiden und medizinisch versorgt werden
müssen. Alle 170 BewohnerInnen können rechtzeitig in Sicherheit gebracht
werden. Als
Brandursache vermutet die Polizei Brandstiftung durch BewohnerInnen selbst.
Täter oder Täterinnen sind Mitte Januar 2012 noch nicht ermittelt. TS 10.12.11; ND
12.12.11 Polizei
Eisenhüttenstadt 19.1.12 12. Dezember 11 Bad Belzig in Brandenburg. Der Flüchtling William K., der
im Infocafé "Der Winkel" ehrenamtlich engagiert ist, weist zwei
Männer zurecht, die Gäste beschimpfen, und bittet sie, das Café zu verlassen.
Daraufhin beleidigen sie ihn rassistisch und schlagen ihm eine Glasflasche
auf den Kopf. (siehe auch 22. März 12) Opferperspektive
3.8.12 18. Dezember 11 Bundesland Bayern. Die serbischen Roma Klaudia (19) und
Jovica Petrovic (23) sind erst vor ein paar Tagen in der
Erstaufnahmeeinrichtung Zirndorf angekommen, als ihr 18 Monate alter Sohn
Leonardo gegen Abend Fieber bekommt. Sie bitten den Pförtner um Hilfe, der
einen Arzt vom kassenärztlichen Bereitschaftsdienst ruft. Dieser kommt,
schaut auf das Kind, mißt keine Temperatur, weil er, wie er später sagen
wird, kein Thermometer dabei habe. Dann stellt er ein Rezept für ein
fiebersenkendes Mittel aus, das allerdings erst am nächsten Tag eingelöst
werden kann. Über
Nacht steigt die Körpertemperatur des Kindes weiter an, und am Morgen hat der
Junge kleine schwarze und größer werdende Punkte in der Haut der Nase, der
Stirn und der Finger. Die
Eltern bitten erneut an der Pforte, einen Arzt zu rufen. Der Pförtner schaut
auf die Uhr und erklärt, daß es jetzt 7.00 Uhr sei, und damit wäre alles ab
jetzt die Sache der "Verwal-tung". Herr Petrovic solle sich einen
Krankenschein im Raum 125, an dessen Tür "Arzt" steht, holen. Hier
sitzt eine Verwaltungsangestellte, die ihm erklärt, daß ihr Büro erst ab 9.00
Uhr öffne. Die schwarzen Flecken des Kindes haben jetzt eine Größe von
Zwei-Euro-Stücken. Herr
Petrovic läuft wieder zur Pforte und fleht weinend die Pförtner an. Erneut
ohne Erfolg und wieder läuft er in das "Arzt"-Zimmer und wieder
verweist ihn die Angestellte auf ihre Öffnungszeiten. Ein Dolmetscher spricht
den verzweifelten Vater auf dem Flur an, vermittelt und verhandelt mit der
Frau, so daß er um ca. 8.00 Uhr endlich einen Krankenschein ausgestellt
bekommt. Mit
dem Schein in der Hand bittet Jovica Petrovic jetzt zum dritten Mal den
Pförtner, zu helfen und einen Rettungswagen zu rufen, doch der Pförtner gibt
ihm einen schlecht kopierten Stadtplan des Nachbarortes Oberasbach und sagt,
er solle alleine zum Kinderarzt finden. Ein Taxi zu rufen, verweigert er
ebenfalls. Die Eltern machen sich zu Fuß auf den Weg, den
apathischen Leonardo im Arm. Sie versuchen Autos anzuhalten, und ein
Autofahrer bringt sie schließlich in eine Arztpraxis. Als
die Ärzte das Kind sehen, bricht Hektik aus. Sie versuchen Blut abzunehmen,
was nicht gelingt, so daß sie einen Krankenwagen ordern, der Klaudia Petrovic
mit ihrem Sohn ins Fürther Krankenhaus bringt. Herr Petrovic fährt mit dem
Bus hinterher. Als
er die Klinik erreicht, sagt ihm die behandelnde Ärztin, daß sie nicht wüßte,
ob sein kleiner Sohn die nächste Stunde überleben werde. Er solle sich von
ihm verabschieden, sagt sie ernst. Leonardo
überlebt mit größten Schwierigkeiten. Ein Jahr lang haben die ÄrztInnen um
sein Leben gerungen. Große Teile seiner Haut sterben ab, zweimal pro Woche
wird er auf den Operationstisch gelegt und Haut transplantiert, immer montags
und donnerstags. Monatelang liegt er im künstlichen Koma. Sein Körper ist
voller Narben, einige Fingerglieder werden amputiert Die
Erkrankung, die vor allem Kleinkinder innerhalb weniger Stunden in akute Lebensgefahr
bringen kann, nennt sich Waterhouse-Friderichsen-Syndrom und wird durch
Meningokokken hervorgerufen. Das sind Bakterien, die mit Antibiotika bekämpft
werden können. Je früher, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Leonardo
wird sein Leben lang unter den Folgen der zu spät eingesetzten Therapie zu
leiden haben. Knapp
zwei Jahre später erhebt die Staatsanwaltschaft Fürth Anklage gegen zwei
Pförtner wegen vorsätzlicher Körperverletzung und gegen die Angestellte im
"Arzt"-Zimmer wegen unterlassener Hilfeleistung. Dem
Bereitschaftsarzt wird vorgeworfen, das Kind nicht sorgfältig untersucht zu
haben (fahrlässige Körperverletzung). Am
15. April 14 verurteilt das Amtsgericht Fürth die beiden Pförtner und die
Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes wegen fahrlässiger Körperverletzung durch
Unterlassen für ihr "herzloses Verhalten", so der Richter, zu
Geldstrafen zwischen 2400 und 3000 Euro. Der angeklagte Arzt wird vom Vorwurf
der unterlassenen Hilfeleistung freigesprochen. In
der Verhandlung wird deutlich, daß es in der Erstaufnahmeeinrichtung bis zu
diesem Tag (!) keine klare Weisungslage für medizinische Notfälle gibt.
"Die BewohnerInnen sind damit auf Gedeih und Verderb dem Handeln der
MitarbeiterInnen ausgeliefert", so der Flüchtlingsrat Bayern. Nicht angeklagt wurde auch einer
derjenigen, der diese "organisierte Verantwortungslosigkeit" zu
verantworten hat: der Leiter der Einrichtung. Er war lediglich als Zeuge
vorgeladen und hatte versucht, das Drama noch mit rassistischen Vorurteilen
gegen Roma zu verharmlosen. In der staatsanwaltlichen Vernehmung sagte er
unter anderem, daß man es mit einer besonderen Klientel zu tun habe und wenn
er "jetzt grad auch Familien aus dem Sinti-, Romakreis betrachte, kommt
es oft vor, dass die mit dem Kind – 'Baby krank, Baby krank' zu den
MitarbeiterInnen kämen, obwohl sie gesund seien". SD 24.10.13; MM
25.10.13; br 25.10.13; NN
30.10.13; FRat Bayern
13.4.14; FRat Bayern
15.4.14; Ärzte Ztg 16.4.14; br – kontrovers
– nachgehakt 16.4.14 19. Dezember 11 Flughafen Frankfurt am Main. Auf Veranlassung der
Ausländerbehörde Südwestpfalz soll ein 18 Jahre alter afghanischer Flüchtling
nach Italien (Mailand) zurückgeschoben werden. Der Jugendliche fügt sich auf
dem Wege Schnittverletzungen am Arm zu, um die staatliche Maßnahme zu
verhindern. Er kommt kurz in die Flughafenklinik, wo die Wunden versorgt
werden. Danach wird er planmäßig abgeschoben. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 20. Dezember 11 Saalekreis in Sachsen-Anhalt. Am Bahnhof der Kleinstadt
Braunsbedra werden gegen 13.00 Uhr drei Flüchtlinge aus dem Irak kurz nach
ihrer Ankunft von drei Nazis mit "Ausländer raus"-Rufen angepöbelt.
Die beiden Männer und die schwangere Frau beginnen wegzulaufen, werden aber
von den Angreifern verfolgt und mit Bierflaschen beworfen. Dabei wird der
35-jährige Iraker am Bein getroffen. Pöbelnd
verfolgen die Täter die Flüchtlinge weiter bis zum Supermarkt und werfen
erneut mit Flaschen nach ihnen. Dann bleiben sie wartend und "Sieg
Heil" grölend vor dem Markt zurück, beschädigen dabei das dort
abgestellte Fahrrad des 42-jährigen Irakers. Die
von den Flüchtlingen alarmierte Polizei stellt die Personalien der Angreifer
fest – der Staatsschutz ermittelt u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung. Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt 25. Dezember 11 Bundesland Sachsen. Am Sonntagmittag wird bei einem
Großeinsatz der Bundespolizei ein griechischer Reisebus vor dem Dresdner
Hauptbahnhof angehalten und kontrolliert. Von den 39 Personen, die sich im
Bus befinden, sind sieben Minderjährige und fünf Erwachsene aus Afghanistan
und Iran ohne Erlaubnis in die Bundesrepublik eingereist. Vermutlich sechs
weiteren Flüchtlingen gelingt die Flucht vor der Polizei. Im
Bus werden nicht belüftete und von außen verschließbare Hohlräume entdeckt,
in denen die Flüchtlinge sich vor jedem der sieben Grenzübergänge – zwischen
Athen bis Dresden – verstecken mußten. Fünf
Männer aus dem Bus kommen in Untersuchungshaft wegen des Verdachts der
"Einschleusung von Ausländern". Noch
Stunden später kreist der Hubschrauber der Bundespolizei über der Gegend um
den Hauptbahnhof auf der Suche nach den Geflüchteten. BPol Pirna 25.12.11; FR 25.12.11; DNN 27.12.11; Kampagne gegen
Ausgrenzung von AsylbewerberInnen Im Jahre 2011 Bundesland Sachsen. In ihrer Unterkunft in Chemnitz
versucht sich eine Frau aus Tschetschenien zu töten. Sie kommt zur
stationären Behandlung ins Krankenhaus (Psychiatrie). Da
sie über Polen in die Bundesrepublik eingereist war, stand ihre Rückschiebung
in das Transitland an. Antirassistische
Initiative Berlin Im Jahre 2011 Berlin. Ein nach eigenen Angaben 16 Jahre alter Flüchtling
aus Afghanistan springt aus einem Fenster der 2. Etage der Clearingstelle, in
der er seit einigen Monaten untergebracht ist. Er wird nur leicht verletzt,
weil er in das Sprungtuch der rechtzeitig gerufenen Feuerwehr fällt. Aufgrund
schlechter Nachrichten aus Afghanistan hatte er sich in seinem Zimmer
eingeschlossen und auch den Betreuern den Zutritt verwehrt. In dem Moment,
als Polizisten die Tür mit Gewalt öffneten, war er in die Tiefe gesprungen. Antirassistische
Initiative Berlin; Joachim Genge –
Rechtsanwalt Im Jahre 2011 Im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo)
hat sich ein Flüchtling in der Toilette selbst verletzt, indem er sich die
Pulsadern aufschnitt. BeZ 2.12.12; Ausschuß für
Gesundheit und Soziales am 25.2.12; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 Im Jahre 2011 In einer Toilette des Berliner Landesamtes für Gesundheit
und Soziales (LAGeSo) hat ein Flüchtling in der Toilette einen Spiegel mit
dem Kopf zerstört und dann versucht, sich mit den Scherben die Pulsadern
aufzuschneiden. BeZ 2.12.12; Ausschuß für
Gesundheit und Soziales am 25.2.12; Abgeordnetenhaus
Berlin DS 17/11577 Im Jahre 2011 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Durch Verschlucken von
Kleinteilen (Kunststoff), oberflächliche Schnittverletzungen oder
Selbstausübung stumpfer Gewalt (Tür/Wand/Gitter) haben sich neun Gefangene
verletzt. (Sechs Selbstverletzungen sind bereits dokumentiert) BT DS 17/10597 Im Jahre 2011 Im Bundesland Bayern befanden sich 29 minderjährige
Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon waren vier Personen jünger als 16 Jahre
alt. (Eine Inhaftierung ist bereits dokumentiert) BT DS 17/10597 Im Jahre 2011 Im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick befanden sich vier
minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft. BT DS 17/10597 Im Jahre 2011 Im Bundesland Brandenburg befanden sich sechs
minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft. BT DS 17/10597 Im Jahre 2011 Im Bundesland Hessen befanden sich zwölf minderjährige
Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon waren drei Personen jünger als 16 Jahre
alt. BT DS 17/10597 Im Jahre 2011 Im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern befand sich ein
minderjähriger Flüchtling in Abschiebehaft. BT DS 17/10597 Im Jahre 2011 Im Bundesland Nordrhein-Westfalen befanden sich zwei
minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft. BT DS 17/10597 Im Jahre 2011 Im Bundesland Sachsen befanden sich zwei minderjährige
Flüchtlinge in Abschiebehaft. BT DS 17/10597 Im Jahre 2011 Im Bundesland Schleswig-Holstein befanden sich vier
minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft. Einer von ihnen ist der Jugendliche A. aus
Afghanistan. Sein Asylgesuch ist in Norwegen bereits abgelehnt, weshalb er in
die Bundesrepublik gekommen ist, weil hier sein Cousin lebt. Wegen
einer Fehde zwischen seiner und einer anderen Familie hatte seine Familie
Afghanistan verlassen müssen. Auf der langen Flucht wurde er von seinen
Angehörigen getrennt und versuchte alleine, nach Europa zu kommen. In
der Haft ist er nervös, unruhig und stark erregt. Er zeigt eine Vielzahl von
psychischen und psychosomatischen Symptomen. Wegen seiner ständigen Angst
bittet er um ein Kuscheltier, weil er nachts oft traurig sei und weinen
müsse. Dieses wird ihm von der Anstalt aus "Sicherheitsgründen"
verweigert. Nach
vier Wochen Haft wird diese erneut um vier Wochen verlängert. Allein aufgrund
seines in der Bundesrepublik gestellten Asylantrags wird er aus der Haft
entlassen. Landesbeirat –
Jahresbericht 2011; Der Schlepper
Nr. 61/62 Dezember 2012; BT DS 17/10597; Im Jahre 2011 Bundesland Schleswig-Holstein. Der 32 Jahre alte irakische
Flüchtling Herr C. ist durch seine Gefangenschaft in der Abschiebungshaft
Rendsburg von seiner Frau, seiner 2-jährigen Tochter und dem 6 Monate alten
Sohn getrennt. Die
Familie versucht seit 14 Monaten in Europa Aufnahme zu finden, was ihnen
bisher weder in der Schweiz, noch in Schweden, Finnland oder Bulgarien
gelang. Als
Herr C. sich in seiner Heimatstadt Kerbela Aufständischen gegenüber nicht
kooperativ zeigte, beschossen diese sein Taxi und verletzten ihn am Nacken und Kopf, so daß er
unkontrolliert den Wagen gegen eine Wand fuhr und sich dadurch weitere
Verletzungen zuzog. Erst im Krankenhaus wachte er aus der Bewußtlosigkeit
wieder auf. Er
floh mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Syrien. Dort lernte er
seine Frau kennen und als die Tochter geboren war, flüchteten sie weiter nach
Europa. In
der Haft entwickelt Herr C. schwere Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung
und Depressionen, die durch ein fachpsychologisches Gutachten bestätigt
werden. Durch
die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, daß der in der Haft gestellte
Asylantrag abgewartet werden muß, wird er aus der Gefangenschaft entlassen,
kann mit seiner Familie in einer Flüchtlingsunterkunft leben und eine
Therapie beginnen. Nach
etlichen Monaten erhält die Familie die Sicherheit, daß das Asylverfahren in
der Bundesrepublik durchgeführt wird. Landesbeirat –
Jahresbericht 2011
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