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Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und 1. Januar 06 Mecklenburg-Vorpommern. In
Dranske auf der Insel Rügen dringen um 2 Uhr morgens ca. 20 Jugendliche in
den Hof eines Flüchtlingsheimes ein, beschießen das Haus mit Silvesterraketen
und brüllen rassistische Parolen, wie "Sieg Heil", "Deutschland
den Deutschen" und "Ausländer raus". Es werden Bierflaschen
geworfen, wodurch ein auf einem Balkon stehender Armenier eine Platzwunde im
Gesicht erleidet. Zwei
Bewohner gehen daraufhin zu den Jugendlichen hinunter und versuchen, mit
ihnen zu sprechen. Dabei zieht einer der Aggressoren ein Messer und fuchtelt
unkontrolliert damit herum. Die Flüchtlinge gehen ins Haus zurück, und auch
die Angreifer verlassen den Ort. Am
18. April 2007 verurteilt das Jugendschöffengericht im Stralsunder Schwurgericht die z.T. vorbestraften 14
jungen Männer und Frauen aus Dranske, Sagard, Berlin, Bergen und Saßnitz zu
Gefängnisstrafen, zu Freiheitsarresten übers Wochenende, zu gemeinnütziger
Arbeit oder zur Zahlung von Tagessätzen. Den beiden Männern, die die höchsten
Strafen von einem Jahr und neun Monaten mit Bewährung bzw. einem Jahr und
sechs Monaten ohne Bewährung erhalten, werden ihre Entschuldigungen, einem
auch sein Alkoholentzug zugute gerechnet. Sechs Beteiligte aus Berlin,
Bergen, Sagard und Dranske werden freigesprochen. Rasender Reporter 2.1.06; LOBBI 1. Januar 06 Landkreis Muldentalkreis im
Bundesland Sachsen. In der Nacht greifen Jugendliche das Flüchtlingsheim in
Bahren bei Grimma an, indem sie einen brandflaschen-ähnlichen Gegenstand
durch ein Fenster werfen. Der dadurch entstehende Brand kann frühzeitig
gelöscht werden, so daß kein Personenschaden entsteht. Später
erstatten die Geschädigten Anzeige bei der Polizei. Eine extra gebildete
Gruppe des Staatsschutzes ermittelt gegen die Täter, die aus Dranske, Saßnitz
und Sagard kommen. AMAL Sachsen 1. Januar 06 Großkugel in Sachsen-Anhalt. Am
Nachmittag erscheinen jugendliche Deutsche vor einem Wohnhaus und bedrohen
und beleidigen Flüchtlinge, die hier wohnen. Ein 25 Jahre alter Flüchtling
aus Niger wird noch am Boden liegend mit Fäusten traktiert. Er erleidet neben
Blutergüssen und einer blutenden Wunde am Fuß auch eine schmerzhafte
Verletzung an der Schulter. Dann
formieren sich die Angreifer vor dem Wohnhaus und schreien "Deutschland
den Deutschen!" und "Ausländer raus!" Danach fliegen gezielt
mehrere Bierflaschen auf den auf dem Balkon stehenden Flüchtling und seine
Freundin. Die
Ermittlungsverfahren, die die Polizei gegen zwei Täter einleitet, werden von
der Staatsanwaltschaft wieder eingestellt wegen nicht hinreichenden
Tatverdachts. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 2. Januar 06 Bernburg in Sachsen-Anhalt. Der
25 Jahre alte Asylbewerber John B. ist auf dem Weg von seinem Flüchtlingsheim
zum Bahnhof, als er um 22.00 Uhr von drei Männern und einer Frau angesprochen
wird. Als er versucht auszuweichen, umzingeln sie ihn; ein Mann schlägt mit
einem Stock zu und trifft ihn am Knie. John B. flüchtet zurück in Richtung
Flüchtlingsunterkunft. In einer Sackgasse stellen ihn seine hinterherhetzenden
Verfolger, und jetzt trifft ihn ein Stockschlag derartig am Kopf, daß er das
Bewußtsein verliert. Als
er zu sich kommt, ist er allein und bittet telefonisch einen Freund um Hilfe.
Als dieser eintrifft und die Rettungsstelle anruft, muß er erleben, wie der
dort Diensthabende den Hörer auflegt, ohne Hilfe zu organisieren. Erst als
ein Passant vorbeikommt und Rettungskräfte und die Polizei holt, kommt John
B. ins Krankenhaus, wo seine beiden großen Platzwunden am Kopf genäht werden. Nach
Aussagen der Ausländerbeauftragten des Kreises handelt es sich bei dem
Verhalten der Rettungsleitstelle nicht um einen Einzelfall. Es sei schon
häufiger vorgekommen, daß bei Notrufen von Personen, die in gebrochenem
Deutsch sprechen, nicht adäquat Hilfe geleistet wurde. MDZ 4.1.06; BT-Fraktion DIE LINKE 5.1.06 4. Januar 06 Bundesland Bayern. In der
oberfränkischen Ortschaft Wunsiedel beschimpft ein 24 Jahre alter Deutscher
aus Selb einen irakischen Flüchtling aus dem Auto heraus zunächst als
"Scheiß Kanake" und "Scheiß Ausländer" – dann fährt er
weiter. Kurz danach verfolgt er den Asylbewerber zusammen mit einem Freund
über den Marktplatz, so daß dieser sich bedroht fühlt und ein Kabel einer
Weihnachtsbeleuchtung aus dem Boden reißt und damit versucht, die Deutschen
auf Distanz zu halten. Der Mann aus Selb geht zurück zu seinem Wagen, steigt
ein und fährt auf den Flüchtling zu. Dieser rettet sich mit einem Sprung auf
die Motorhaube, schlägt beim Bremsen gegen die Frontscheibe und fällt
anschließend zu Boden. Er verletzt sich am Knie, am Handgelenk und am Rücken. Bei
der Gerichtsverhandlung vor dem Jugendschöffengericht in Wunsiedel wird die
rassistische und rechtsradikale Einstellung des Täters auch vom Richter
durchaus erkannt. Trotzdem fallen die Anklagepunkte gefährlicher Eingriff in
den Straßenverkehr und gefährliche Körperverletzung aufgrund
unterschiedlicher Zeugenaussagen weg. Von einem Sachverständigen wird
behauptet, daß der "Iraker zur Seite hätte ausweichen können". Der
Täter wird letztlich nur wegen Fahrens ohne Führerschein zu sechs Monaten
Freiheitsstrafe mit dreijähriger Bewährungszeit und 120 Stunden
gemeinnütziger Arbeit verurteilt. FrP 24.2.07 9. Januar 06 Bundesland Bayern. In Nürnberg
wird im Flüchtlingsheim in der Silberstraße um 21.10 Uhr über die
Brandmeldeanlage ein Notruf ausgelöst. Als die Feuerwehr eintrifft, befinden
sich die meisten BewohnerInnen bereits im Freien, und die restlichen können aus dem Haus gebracht werden.
Die Rettungskräfte evakuieren insgesamt 35 BewohnerInnen und versorgen einige
Verletzte, die Symptome einer Rauchgasvergiftung aufweisen, noch vor Ort. Das
Feuer, das in einem kleinen Zimmer im ersten Stock seinen Brandherd hat, kann
schnell gelöscht werden, so daß kein Gebäudeschaden entsteht. Ein 27 und ein
53 Jahre alter Bewohner müssen wegen des Verdachts auf Rauchgasvergiftung ins
Krankenhaus Nürnberg. Ein 19-jähriger Libanese, der mit einer Stichverletzung
im Bauch gefunden wird, kommt ebenfalls ins Krankenhaus und wird dort
umgehend operiert. Die
polizeilichen Ermittlungen ergeben, daß der 19-Jährige sich umbringen wollte.
Er hatte sich die Messerstiche selbst zugefügt und auch den Brand gelegt, um
sich selbst zu töten. Polizei Mittelfranken 10.1.06; Berufsfeuerwehr Nürnberg 10.1.06; Polizei Mittelfranken 11.1.06; Polizei Nürnberg 4.12.06 10. Januar 06 Bundesland Schleswig-Holstein.
Ein 41 Jahre alter kurdischer Flüchtling wird bei einer Vorsprache in der
Ausländerbehörde Bad Segeberg festgenommen und in das Abschiebegefängnis
Rendsburg gebracht. Hier versucht er, sich in selbsttötender Absicht zu
verbrennen, und erleidet eine Brandverletzung. Bei
der Untersuchung in Haft diagnostiziert der ihn seit 2004 behandelnde
Facharzt und Psychotherapeut eine deutliche Verschlimmerung der
Posttraumatischen Belastungsstörung und schweren Depressionen des Mannes.
Statt einer Entlassung des schwerkranken Mannes werden für die nächsten 28
Tage wegen weiter bestehender Suizidgefahr viertelstündliche (!) Überwachung
und Kontrolle des Gefangenen angeordnet. Am
21. Februar erfolgt seine Abschiebung in die Türkei. Landesbeirat – Jahresbericht 2006; Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 3/2006; ndr 20.4.06; KN 21.4.06; BT DS 16/9142; Interkultureller Rat in Deutschland 10. Januar 06 Ein togoischer Flüchtling wird
von Bayern aus abgeschoben und von den drei ihn auf dem Flug begleitenden
Bundespolizisten auf dem Flughafen in Lomé direkt der dortigen Polizei
übergeben. Er kommt in Haft und wird unter Mißhandlungen verhört. Später
gelingt ihm die Flucht aus der Haft und dem Land. Ein deutscher Unterstützer
trifft ihn im ghanaischen Accra in einem Flüchtlingslager. SVZ 22.3.06 17. Januar 06 Bekim und Mirlinda Zenunaj und
ihre drei im schwäbischen Wilhelmsdorf aufgewachsenen Kinder werden nach 15
Jahren Deutschland-Aufenthalt in den Kosovo abgeschoben. Als
am nächsten Tag der Gerichtsbeschluß bekannt wird, daß die Abschiebung
aufgrund der krankheitsbedingten Transportunfähigkeit von Mirlinda Zenunaj
nicht erfolgen darf, ist die Familie bereits im Kosovo. Nach der Abschiebung
geht es der ganzen Familie schlecht. Eine
55-köpfige BürgerInnen-Initiative versucht jetzt, eine Rückführung der
Familie nach Wilhelmsdorf zu erreichen. SchwZ 4.2.06 28. Januar 06 Bundesland Baden-Württemberg. In
der JVA Mannheim versucht der Abschiebegefangene M. Y. sich zu töten. BT DS 16/9142 31. Januar 06 Bitterfeld in Sachsen Anhalt.
Ein 34 Jahre alter Flüchtling aus Burkina Faso wird gegen 20 Uhr von sechs
Personen rassistisch angepöbelt und bedroht. Dem Afrikaner gelingt es, in ein
Bistro zu flüchten und von dort aus die Polizei zu rufen. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt; 10. Februar 06 Berlin – Bezirk Mitte. Der
Flüchtling B. C. befindet sich auf dem Bahnhof Alexanderplatz, um den Zug
nach Werder zu besteigen, als ein Polizist und eine Polizistin auf ihn
zutreten, um seine Personalien zu überprüfen. Als B. C. sagt, daß er seine
Papiere nicht dabei hat, wird er umgehend in Hand- und Fußfesseln gelegt.
Zudem beleidigen ihn die Uniformierten rassistisch und schlagen mit solch
einer Massivität auf ihn ein, daß er ohnmächtig wird und ein Krankenwagen
gerufen werden muß. Der
Laptop seiner Freundin, den B. C. bei sich führt, wird ohne Rechtfertigung
durch die Polizei durchsucht. Zu privaten Fotos werden anzügliche Kommentare
abgegeben. B.
C. stellt später eine Strafanzeige gegen die BeamtInnen, die wegen fehlender
Beweise eingestellt wird. Er selbst hingegen wird wegen Beleidigung und Widerstands
gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe in Höhe von 1200 Euro
verurteilt. ReachOut Berlin 12. Februar 06 Neubrandenburg in
Mecklenburg-Vorpommern. Nach einem Diskothekbesuch werden zwei ca. 30-jährige
Flüchtlinge aus dem Irak von mehreren deutschen Männern und einer Frau
zunächst mit "Scheiß-Ausländer" beleidigt und dann tätlich
angegriffen. Die Rassisten schlagen und treten auf die Flüchtlinge ein –
einem Iraker wird eine Zigarette hinter dem Ohr ausgedrückt, und ihm werden
Haare ausgerissen. LOBBI 13. Februar 06 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Nachdem die Angestellten des Gefängnisses dem 63 Jahre alten
Mazedonier Z. I. die Aufenthaltskosten im Gefängnis (62 Euro pro Tag)
präsentierten und ihm auch noch in Aussicht stellten, für die bevorstehende
Abschiebung die Kosten tragen zu müssen, versucht sich der unter schweren
Depressionen leidende Gefangene mit einem gerollten Bettlaken am Türgitter
eines Toilettenraumes zu erhängen. Bedienstete finden ihn um 14.40 Uhr, heben
ihn hoch und befreien ihn aus der Schlinge. Er wird notärztlich versorgt und
kommt zur stationären Behandlung seiner Verletzungen ins Krankenhaus. Das
Krankenzimmer wird von der Polizei bewacht. Bereits
bei seiner Festnahme vor 71 Tagen war ihm alles Geld abgenommen worden. Seine
Rückführung über Tschechien steht unmittelbar bevor. Aus
Protest und Empörung beginnen noch am gleichen Tag 14 Gefangene der zweiten
Etage des Hauses 3 einen Hungerstreik – ab 0.30 Uhr tragen sie Matratzen auf
die Flure, setzen sie in Brand und verbarrikadieren die Etage. Mehr als 100
Gefangene müssen wegen der gefährlichen Rauchgasentwicklung verlegt werden. TS 14.2.06; BM 14.2.06; Welt 15.2.06; PNN 15.2.06; BM 16.2.06; BM 17.2.06; jW
20.2.06; JWB 22.2.06; BT DS 16/9142; Interkultureller Rat in Deutschland 17. Februar 06 In einem von Flüchtlingen
bewohnten Haus im bayerischen Mellrichstadt – Landkreis Rhön-Grabfeld –
bricht um 3.00 Uhr morgens ein Feuer aus. Die 22 Menschen, die sich im Hause
befinden, kommen mit dem Schrecken davon. Die Brandursache ist zunächst
ungeklärt. German News 17.2.06; FrP 18.2.06 21. Februar 06 Feuer im Hamburger
Flüchtlingsheim in Curslack. Die Feuerwehr kann verhindern, daß das Feuer vom
Erdgeschoß auf den ersten Stock übergreift. Eine Bewohnerin erleidet eine
Rauchgasvergiftung und muß ins Krankenhaus gebracht werden. Die Ursache des
Feuers ist zunächst unklar. HA 22.2.06 23. Februar 06 Flüchtlingsunterkunft im
Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main in Cargo City Süd, Gebäude C
587. Ein 17-jähriger palästinensischer Jugendlicher, der durch einen
Fluchthelfer über die Türkei einen Flug in die BRD bekam, wird unmittelbar
nach seiner Ankunft in die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
eingewiesen und dort bis zum 2. März ärztlich behandelt. Am
3. März beantragt die Bundespolizei Zurückweisungshaft. Auf Beschwerde eines
beigeordneten Verfahrenspflegers festigt das Landgericht den Beschluß des
Amtsgerichts mit den Worten: "Deshalb komme in Transitfällen für
Minderjährige nur die Unterbringung in einer jugendgeeigneten
Justizvollzugsanstalt in Betracht." Eine
weitere Beschwerde wegen der Freiheitsberaubung des Minderjährigen führt
schließlich beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 15. Mai zu einer
Aufhebung der vorherigen gerichtlichen Anordnungen – wegen der "Schwere
des Eingriffs" und der besonderen Schutzbedürftigkeit minderjähriger
unbegleiteter Flüchtlinge. OLG Frankfurt am Main 15.5.06 24. Februar 06 Berlin-Wedding in der
Bellermannstraße. Als zwei Zivilbeamte morgens um 7.15 Uhr an der Wohnung der
Familie Barbul klingeln, um Herrn Zarko Barbul zur Abschiebung abzuholen,
klettert der 32-Jährige in Panik aus dem Fenster der im dritten Stock
gelegenen Wohnung. Er steht auf der äußeren Fensterbank und hält sich an
einem Kabel einer Satelitenschüssel fest, als die Polizisten ihn laut rufend
auffordern, in die Wohnung zurückzukehren. Dann bricht ein Stück Fensterbank
herunter und Herr Barbul stürzt 15 Meter in die Tiefe. Mit schweren
Knochenbrüchen an beiden Beinen und am rechten Arm bleibt er im Hof liegen.
Er kommt zur stationären Behandlung ins Virchow-Krankenhaus. Der
Rom Zarko Barbul war vor sieben Jahren mit seiner Frau und dem damals
1-jährigen Sohn in die BRD geflohen, weil er sich nicht an dem Krieg der
serbischen Armee gegen das Kosovo beteiligen wollte. Ein Jahr später wurde
ein zweiter Sohn geboren. Herr
Barbul ist Teilnehmer an dem sogenannten Equal-Projekt für Roma-Flüchtlinge
"Novi Videi – Neue Perspektiven", einer vom Bundesministerium für
Arbeit und der Europäischen Union geförderten Qualifikationsmaßnahme. Die
Weisung der Innenverwaltung, daß die TeilnehmerInnen dieser Maßnahme bis zur
Beendigung vor Abschiebung geschützt sein sollten, wurde vom Sachbearbeiter
der Berliner Ausländerbehörde jedoch nicht angewandt. südost Europa Kultur; Polizei Berlin 24.2.06; ND 27.2.06; TS 23.3.06 26. Februar 06 Bundesland Baden-Württemberg.
Ein 33 Jahre alter Syrer aus Villingen-Schwenningen wird nach 7-jährigem Deutschland-Aufenthalt
wegen abgelehntem Asyl nach Damaskus abgeschoben. Dort erfolgten seine
Übergabe an die Polizei, seine Inhaftierung und Vernehmungen, weil er durch
seine Asylantragstellung in der BRD den syrischen Staat beleidigt haben soll. Die
Verhöre verlaufen unter schwerer und systematischer Folter – oft mit
verbundenen Augen. Ihm wird mit einem Kabel auf die Fußsohlen geschlagen
(Falaka), er muß lange an einer Wand stehen, er muß sich nackt ausziehen, ihm
wird ins Gesicht geschlagen. Die Folterer stecken ihm einen Schlauch in den
Mund und pumpen Wasser in ihn hinein. Sie zwingen ihn bei den Verhören vor
sie hinzuknien, und er muß Schreie von anderen Gefolterten anhören. Er
unterschreibt schließlich ein falsches Geständnis und wird dann vom Militärgericht
in Damaskus zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt. Nachdem
es seiner Familie gelingt, ihn aus der Haft freizukaufen, flieht er Anfang
2007 erneut in die Bundesrepublik. Durch das Erlebte ist er psychisch schwer
gezeichnet – er leidet jetzt an einer Posttraumatischen Belastungsstörung
(Symptomatik 2). Sein
Asylfolgeantrag vom Februar 2007 wird im März 2009 vom Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt. Erst nach einer Klageerhebung
wird er am 5. April 2011 vom Verwaltungsgericht Freiburg als Asylberechtigter
anerkannt. Im
Gerichtsurteil werden die Mißhandlungen und die schwere Folter aufgrund (!)
einer Asylantragstellung in der Bundesrepublik explizit erwähnt. Refugio Villingen-Schwenningen 1. März 06 Frankfurt am Main. In einem
Toilettenraum der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen entzündet um 16.10
Uhr der 34 Jahre alte Iraner A. B. sein T-Shirt, um sich selbst zu
verbrennen. Er kommt mit Verbrennungen an Brust und Rücken und mit einer
Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus Höchst. Der behandelnde Arzt gibt dem
Drängen der Polizei nach und erklärt den Patienten nach der Versorgung der
Verletzungen für transportfähig. Zu
dem am folgenden Tag anberaumten Haftprüfungstermin, der im ersten Stock des
Gießener Amtsgerichts verhandelt werden soll, muß Herr B. allerdings von zwei
Beamten gestützt werden. Auf der Bank vor dem Gerichtszimmer verstärkt sich
sein anfängliches Zittern, bis der Mann unter starkem Beben und mit Schaum
vor dem Mund zusammenbricht. Zwei Rettungswagen werden gerufen. Die
zuständige Richterin ordnet per Eilentscheidung eine Überweisung in das
Krankenhaus der JVA Butzbach an. Binnen sechs Wochen soll ein Termin für eine
neuerliche "Anhörung" angesetzt werden. Seinem Bruder D., dem
einzigen Familienangehörigen in der BRD, wird der Besuch im Krankenhaus
untersagt. Einige Tage später wird A. B. in die JVA Kassel verlegt. Von
dort aus findet der zweite Abschiebeversuch statt. In Krankenhaus-Kleidung
und mit Hand- und Fußschellen wird er in eine Lufthansa-Maschine gebracht.
Mehrere Beamte halten ihn so stark fest, daß er Angst bekommt, sie könnten
ihm seine Handgelenke brechen. Der Pilot bemerkt dies, spricht kurz mit Herrn
B. und weigert sich dann, ihn in den Iran auszufliegen. Beide
Brüder sind Aktivisten der "Arbeiterkommunistischen Partei Irans"
(AKP) und der "Föderation iranischer Flüchtlinge". Allein aufgrund
dieser exilpolitischen Tätigkeiten droht ihnen mit Gewißheit im Iran
Gefangenschaft und Folter und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Todesstrafe. Trotz der
Menschenrechtsverletzungen im Iran sieht das Hessische Innenministerium
keinen Bedarf, die Abschiebepraxis in das Land oder die Bewertung der
dortigen innenpolitischen Lage zu überdenken. Angesprochen auf die aktuelle
Situation meint ein Sprecher der Frankfurter Rundschau gegenüber: "Der
Iran hat eine demokratisch gewählte Demokratie." Am
4. April wird A. B. mit einer Maschine der russischen Fluggesellschaft
TransAero abgeschoben. Fünf Menschen vom Sicherheitspersonal der Fluggesellschaft
bringen ihn mit Gewalt ins Flugzeug, legen ihm Hand- und Fußschellen an und
drücken seinen Hals so fest herunter, daß er nicht reden oder schreien kann. Ein
letzter Eilantrag, die Abschiebung auszusetzen, ist vom Verwaltungsgericht
Gießen abgelehnt worden, und auch der Petitionsausschuß entschied sich gegen
eine Intervention. Pro Asyl; FR 3.3.06; GA 3.3.06; FR 4.3.06; FR 5.3.06; GA 7.3.06; GAll 10.3.06; GA
10.3.06; GA 29.3.06; GA 30.3.06; Pro
Asyl 4.4.06; Jugendnetz Wetzlar 4.4.06; GAll 5.4.06 1. März 06 Bad Wünnenberg im Bundesland
Nordrhein-Westfalen. Als ein 36 Jahre alter Bewohner des Flüchtlingsheimes am
Zinsdorfer Weg Rauch auf dem Flur bemerkt, alarmiert er umgehend alle
BewohnerInnen. Kurze Zeit später erfolgt eine so starke Verpuffung, daß sogar
Stühle durch die Fenster geschleudert werden. Den
Rettungskräften, die mit Löschzügen aus Bad Wünneberg, Fürstenberg und
Leiberg eintreffen, gelingt es, das entstandene Feuer im Flur und in den
angrenzenden Wohnräumen zu löschen. Obwohl
es den zehn anwesenden BewohnerInnen gelungen ist, noch vor Eintreffen der
Feuerwehren ins Freie zu gelangen, müssen ein junges Mädchen, eine 37-jährige
Frau und ein 22-jähriger Mann mit dem Verdacht auf Rauchgasvergiftung in
Krankenhäuser nach Büren und Paderborn gebracht werden. Das
aus Flach- und Satteldachcontainern errichtete Wohnheim wird aufgrund des
entstandenen Brandschadens und der extremen Verrußung nicht mehr bewohnbar
sein. Die BewohnerInnen werden in einem anderen Wohnheim im Stadtteil Helmern
untergebracht. Als
Brandursache ermitteln Kriminalbeamte der Paderborner Polizei einen Defekt in
einer Leuchtstofflampe an der Flurdecke. NW 2.3.06 2. März 06 Bundesland Hessen. An einer
Uferpromenade in Eltville sitzt ein junger Mann eine Weile auf einer Tasche,
steht dann auf, zieht seine Jacke aus und geht in den Rhein. Er schwimmt bis
zur Mitte des Flusses und versinkt dann im Wasser. Die von ZeugInnen
eingeleiteten Suchmaßnahmen der Polizei bleiben erfolglos. Der Leichnam des
Mannes wird erst am 10. April in der Winkeler Bucht am Rheinkilometer 519,59
entdeckt und geborgen. Der
Mann ist ein Asylbewerber aus Afghanistan und wohnte zuletzt in Geisenheim –
er starb im 21. Lebensjahr. Polizei Wiesbaden 18.4.06; Main-Rheiner 19.4.06 4. März 06 Cottbus in Brandenburg. Der
Kameruner Chamberlin Wandji betritt an der Bushaltestelle
"Stadtpromenade" um 0.46 Uhr einen Bus der Linie N 4. Im Bus trifft
er seinen Freund, einen Flüchtling aus dem Tschad, und sie bemerken jetzt
beide, daß in den hinteren Reihen acht bis zehn weiße Menschen sitzen, die
auffallend militärisch gekleidet sind. Ein Mann aus dieser Gruppe geht auf
seinen Freund zu und tritt ihn so heftig, daß er durch die mittlere Bustür
auf die Straße fällt. Chamberlin Wandji stellt ihn zur Rede und versperrt ihm
den Rückweg zu seiner Gruppe. Dann wird der Flüchtling von Mitgliedern der
Gruppe von hinten festgehalten, ins Gesicht geschlagen und mit "Hey
schwarzer Neger!" beleidigt. Zwei Frauen schreien Herrn Wandji an. Auf
Bitten des Herrn Wandji ruft der Busfahrer die Polizei, die schnell
eintrifft. Zu ihrer Verwunderung werden allerdings die beiden Opfer der
Angriffe mit aufs Revier genommen, während die Angreifer im Bus bleiben. Erst
nach mehr als dreistündiger Wartezeit im Polizeirevier und bei der
Kriminalpolizei können die beiden Afrikaner Anzeige erstatten. Den
wiederholten Bitten nach ärztlicher Versorgung der Gesichtsverletzungen des
Herrn Wandji wird nicht nachgegangen. Die Verletzungen seien nicht so
schlimm, und er könne selber am nächsten Tag zu einem Arzt gehen. Am
nächsten Tag mußte der Asylbewerber allerdings zunächst einmal zum Sozialamt,
um dort einen Krankenschein zu bekommen – erst dann konnte er seine
Verletzungen medizinisch versorgen lassen. Im
November wird der Angriff auf die zwei Asylbewerber vor dem Amtsgericht
Cottbus verhandelt. Opferperspektive; Bericht eines Betroffenen; PNN 16.3.06; JWB 22.3.06; LR 17.11.06; Opferperspektive 20.11.06 6. März 06 Bundesland Sachsen. Im Dresdener
Stadtteil Gorbitz betreten um 8.15 Uhr vier Polizeibeamte den
Outlaw-Kindergarten am Limbacher Weg. Sie suchen nach dem 3-jährigen Jungen
Leandro und seiner angolanischen Mutter Anna de Assis. Da die Mutter nicht
anwesend ist, nehmen sie das Kleinkind mit. Als das Kindergartenpersonal
protestiert, wird polizeiliche Verstärkung angefordert. Schließlich wird
erlaubt, daß wenigstens eine Betreuerin als Vertrauensperson den Jungen
begleiten darf. Sie
fahren zum städtischen Kinder- und Jugendnotdienst und versuchen hier, von
dem in Deutschland geborenen Jungen zu erfahren, wo die Mutter sein könnte.
Auch versuchen sie weiterhin, die Mutter telefonisch zu erreichen. Nachdem
der Asylantrag der 31 Jahre alten Anna de Assis im Oktober 2002 und der des Kindes
im Juni 2004 abgelehnt worden waren, war die Abschiebung der beiden in die
Wege geleitet worden. Die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) in Chemnitz hatte
die Dresdener Polizei für diesen Tag um "Vollzugshilfe" gebeten,
Mutter und Sohn "aufzugreifen" und die Abschiebung für heute
durchzusetzen. Als
für die Beamten deutlich wird, daß die Abschiebung heute nicht planmäßig
stattfinden kann, bringen sie nach vier Stunden "Geiselnahme"
(Ausländerbeauftragte Marita Schie-ferdecker-Adolph) den Jungen in den Kindergarten
zurück und übergeben ihn einer Betreuerin mit den Worten: "Der hat jetzt
Hunger." Aus
Angst vor einem neuerlichen Zugriff halten sich Mutter und Kind nun an einem
unbekannten Ort auf. Aufgrund
der öffentlichen Empörung über diesen bundesweit einmaligen Fall leitet die
Dresdener Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen die drei
Polizeibeamten und eine Polizeibeamtin ein und prüft, ob sie sich wegen
Nötigung, Entziehung Minderjähriger, Freiheitsberaubung oder Hausfriedensbruchs vor Gericht
verantworten müssen. Ende Juni wird das Verfahren eingestellt, weil eine
Schuld der PolizeibeamtInnen nicht nachweisbar sei. Die
Dresdner Universitätsklinik diagnostiziert bei dem kleinen Leandro eine
Posttraumatische Belastungsstörung und Verlustängste als Folge des
Polizeieinsatzes. Diese Diagnose wird durch einen Amtsarzt bestätigt. Anfang
des Jahres 2007 beginnen Mutter und Kind eine Therapie. Ein
erneuter Abschiebeversuch scheitert am 30. Januar 07, weil Mutter und Kind
von der Polizei nicht in der Unterkunft angetroffen werden. Sie befinden sich
später in einem "stillen" Kirchenasyl. SäZ 17.3.06; mdr 17.3.06; DNN 17.3.06; DNN 18.3.06; taz 18.3.06; Telepolis 19.3.06; taz 20.3.06; SäZ 21.3.06; FP 21.3.06; jW 22.3.06; SäZ 25.6.06; ddp 28.6.06; ND 22.7.06; SäZ 30.1.07; SäZ 31.1.07; ND 31.1.07; SäZ 6.2.07; FRat Sachsen 7. März 06 Halle in Sachsen-Anhalt. Ein 24
Jahre alter Flüchtling aus Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) beobachtet, wie
drei Männer und eine Frau, dem Äußeren nach wie Neonazis gekleidet, zwei
Afrikaner rassistisch beschimpfen und bedrohen. Der Flüchtling schlichtet die
Situation verbal, woraufhin die Bedrohten weggehen können. Dadurch
gerät er jedoch ins Visier der RassistInnen. Sie verfolgen und beschimpfen
ihn. Als er auf dem Markt schließlich von einem der Neonazis eingeholt wird,
trifft ihn mehrmals dessen Faust. Als der Angreifer eine Bierflasche
herausholt, gelingt es dem Flüchtling, dessen Arm beim Ausholen festzuhalten.
In diesem Moment schlägt ihm die Frau einen Teleskopschlagstock auf den
Hinterkopf. Als
die Polizei eintrifft, ergreifen die Täter die Flucht. Trotzdem gelingt es
kurz danach, die 17-jährige Schlägerin und einen 26-jährigen Mittäter
festzunehmen. Gegen diesen liegt bereits ein Haftbefehl wegen Volksverhetzung
vor. Es
werden Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung und anderer
Straftaten gegen vier Verdächtige eingeleitet. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt; mdr 8.3.06; JWB 15.3.06 8. März 06 Bad Schwartau in Schleswig-Holstein.
Ohne Vorankündigung erscheinen gegen Abend MitarbeiterInnen der Eutiner
Ausländerbehörde und in deren Begleitung eine Ärztin und ein großes
Polizeiaufgebot, um die fünfköpfige kurdische Familie D. in die Türkei
abzuschieben. Frau D. erleidet einen Zusammenbruch, so daß sie auf Anweisung
der Ärztin als Notfall in ein Krankenhaus eingeliefert werden muß. Die
Abschiebung wird daraufhin abgebrochen Die
Eheleute D. kamen vor acht Jahren in die BRD, weil sie in der Türkei
schwerste Gewalterfahrungen machen mußten. Sie sind schwer traumatisiert, und
auch ihre jüngste Tochter ist in psychiatrischer Behandlung. Einen Antrag auf
Erteilung eines Aufenthaltstitels, der im Januar 2005 gestellt wurde, hatte
die Behörde mit der Androhung der Abschiebung beantwortet. Lübecker Flüchtlingsforum; FRat SH 14.3.06 8. März 06 Lebach im Saarland.
In den frühen Morgenstunden verläßt der 49-jährige kurdische Flüchtling Fesih
Dogan sein Zimmer im Flüchtlingslager und hängt sich in der Scheune eines
nahen Bauerhofes auf. Nach Auskunft von
MitbewohnerInnen hat an diesem Morgen – wie schon öfter – eine Durchsuchung
der Zimmer des Lagers stattgefunden. Es wurden sich hier unerlaubt
aufhaltende Personen gesucht. Herr Dogan habe diesen Druck sich ständig
wiederholendender Razzien nicht mehr ausgehalten. Fesih Dogan hatte im
Asylverfahren politische Verfolgung angegeben und in diesem Zusammenhang auf
eine psychische Erkrankung hingewiesen. Mit der Begründung, daß Herr Dogan
sein Verfolgungsschicksal nicht glaubwürdig nachweisen konnte, lehnte das
Verwaltungsgericht Saarlouis seine Klage gegen den ablehnenden Bescheid des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ab. Auch bei einem weiteren
Verfahren zeichnete sich jetzt ab, daß seine erneute Klage abgewiesen werden
wird, denn es war ihm laut Gericht nicht gelungen, die politische Verfolgung
als die eigentliche Ursache für seine psychische Erkrankung nachzuweisen. Bernhard Dahm – Rechtsanwalt; Saarbrücker Hefte Nr. 97 Sommer 2007 9. März 06 Ahlen in Nordrhein-Westfalen.
Morgens um 3.40 Uhr erscheinen Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Kreises
Warendorf und Polizeibeamte vor der Tür einer Dachgeschoßwohnung im Amselweg
Ecke Knüppelsberg. Die dort wohnende kurdische Familie soll noch heute über
den Flughafen Düsseldorf abgeschoben werden. Während
die Wohnungstür von einem Schlüsseldienst geöffnet wird, flüchten der
46-jährige Mann und seine zwei Jahre jüngere Ehefrau über den Balkon auf das
Hausdach. Nur mit Unterwäsche und dünner Nachtwäsche bekleidet, harren sie
dort auch im Regen aus und drohen, sich in die Tiefe zu stürzen. Einsatzkräfte
der Feuerwehr und der Polizei – auch unter Anforderung eines
Sondereinsatzkommandos – versuchen, beruhigend auf die Verzweifelten
einzuwirken. Um 10 Uhr ist die Frau überredet worden, vom Dach
herunterzuklettern. Um 11.15 Uhr gibt auch ihr Mann auf. Wegen starker
Unterkühlung werden beide zunächst ins Ahlener St.-Franziskus-Hospital
gebracht. Während der 5-jährige Sohn und die 3-jährige Tochter der Eheleute
bei Verwandten untergebracht werden, erfolgt die Abschiebung ihres
18-jährigen Sohnes noch am Abend nach Istanbul. Bereits
im Jahre 1989 hatte der Kurde in der BRD Asyl beantragt und war nach
Ablehnung im Jahre 1992 in die Türkei abgeschoben worden. Nach erneuter
Einreise im Februar 1997 wurde auch der zweite Asylantrag vier Monate später
abgelehnt. Die gegen die Negativentscheidung geführte Klage wurde schließlich
vom Verwaltungsgericht Münster im Dezember 2001 abgewiesen. Der Asylantrag
seiner Frau, die im August 1999 nach Deutschland kam, wurde noch im gleichen
Jahr als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt. Zur psychischen
Erkrankung der Frau mit möglicher Suizidgefahr, die über Monate stationär
behandelt werden mußte, äußerte sich das Bundesamt, daß diese auch in der
Türkei behandelt werden könne. Nachdem
der damals 12-jährige Sohn im Jahre 2000 seinen Eltern in die BRD gefolgt
war, wurde auch sein Asylantrag abgelehnt. Seine beiden Geschwister sind in
Ahlen geboren. Nach
dem Drama auf dem Hausdach wird gegen den 46-jährigen Familienvater
Abschiebehaft durchgesetzt, und seine Frau wird ins Justizkrankenhaus nach
Fröndenberg verlegt. Am
18. April erfolgt die Abschiebung von Eltern und Kindern über den
Düsseldorfer Flughafen nach Istanbul. Polizei Warendorf 9.3.06; FR 10.3.06; AZ 10.3.06; AT 10.3.06; AT 11.3.06; AZ
14.3.06; AZ 21.4.06 12. März 06 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Ein 32-jähriger syrischer Flüchtling besucht morgens um 9 Uhr seine ehemalige
Freundin im Eschweiler Krankenhaus, wo sie vor drei Tagen von ihrem
gemeinsamen Kind entbunden wurde. Der bewaffnete Mann gießt Benzin im
Krankenzimmer aus und nimmt die Frau und das Kind in seine Gewalt. Erst nach
siebenstündigen Verhandlungen mit der Polizei, während der er keine
Forderungen stellt, ergibt er sich. Am
29. September fordert die Staatsanwaltschaft vor dem Aachener Landgericht
zehneinhalb Jahre Haft. Das Gericht
verurteilt den Flüchtling zu sechs Jahren Haft und begründet dies
damit, daß die Tat zugleich ein "Angstschrei" gewesen sei, da der
Mann auf seine Probleme habe aufmerksam machen wollen. Der Mann, der nach
abgelehntem Asylantrag und nach der Trennung von seiner Freundin und ihrem
gemeinsamen Kind seinen Aufenthalt in Gefahr sah, wollte mit dieser
Verzweiflungstat seine vermeintliche Abschiebung verhindern. Polizei Aachen 13.3.06; KR 13.3.06; BM 14.3.06; AaN 15.3.06; WDR 25.9.06 15. März 06 Morgens um 6 Uhr früh werden die
Eheleute S. und ihre Kinder im Alter von 5, 10, 11, 13 und 16 Jahren in ihrer
Wohnung in Berlin festgenommen und zum Abschiebegefängnis nach
Berlin-Köpenick gebracht. Nach einer Nacht im Gefängnis erfolgt ihre Fahrt
mit einem Polizeitransporter zum Flughafen Düsseldorf. Unterwegs wird der
Wagen in einen Unfall verwickelt. Frau S. muß sich ständig übergeben. Die
Eheleute leben seit 12 Jahren in Berlin, und ihre insgesamt sechs Kinder sind
alle hier aufgewachsen. Eine behördlich anerkannte Psychologin hat ein
Gutachten über Frau S.'s schwere Posttraumatische Belastungsstörung erstellt.
Sie kommt zu dem Schluß, daß eine eventuell erzwungene Rückkehr in den Kosovo
ein erhebliches Risiko für Leben und Gesundheit von Frau S. sein wird. Als
besonders skandalös ist aus Sicht des Flüchtlingsrates die Weigerung des
Innensenators, einen Antrag bei der Härtefallkommission für die Familie zu
behandeln. Damit verstößt der Innensenator gegen die geltende
Rechtsverordnung zur Umsetzung der Härtefallregelung in Berlin. Noch
vor zwei Tagen hatte die Familie bei der Ausländerbehörde vorgesprochen, wo
ihre Aufenthaltsbescheinigungen (Duldungen) verlängert wurden. Von einer
unmittelbar bevorstehenden Abschiebung wurde ihr nichts mitgeteilt. Die
gutachterlich bescheinigte Traumatisierung und fehlende
Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo sind dann auch die Gründe für die UNMIK
(United Nation Administration Mission in Kosovo), die Familie in Prishtina
nicht einreisen zu lassen und den Rückflug in die BRD zu veranlassen. Am
17. März wird die Familie über Podgorica (Montenegro) nach Frankfurt am Main
zurückgeflogen. Von Frankfurt erfolgt der Transport per Bus nach Berlin. Hier
wird Herr Fadil S. in Abschiebehaft genommen. Dort befindet sich bereits seit
dem 16. März der 19-jährige Sohn Driton, der nicht mit ausgeflogen worden
war. Für
den 13. April wird ein neuer Versuch vorbereitet, die Familie abzuschieben.
Weil sie für die Polizei nicht auffindbar ist, werden Herr S. und der
19-jährige Sohn direkt aus dem Abschiebegefängnis abgeschoben. FRat Berlin 21.3.06; taz 22.3.06; TS 23.3.06; taz 12.4.06; taz 15.4.06 17. März 06 Berlin – Hohenschönhausen. Bei
einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft werden vier Menschen verletzt. Das
Feuer war im vierten Stock im Zimmer eines 23-Jährigen ausgebrochen, der sich
selbst aus dem Raum retten konnte. taz 18.3.06 19. März 06 Berlin. Eine alleinerziehende
Romni wird mit ihren vier Kindern in Polizeigewahrsam genommen und am Abend
nach Serbien abgeschoben TS 23.3.06 21. März 06 Bundesland Hessen. Weil sich ein
Mann bei einer Personenkontrolle in der Nähe des Frankurter Zoos nicht
ausweisen kann, wollen ihn drei polizeiliche Zivilkräfte festnehmen. Einer
Fesselung widersetzt er sich, und als die Beamten Pfefferspray einsetzen,
reißt er sich los und flüchtet mit der an einer Hand angelegten Handfessel.
An der Hanauer Landstraße springt er auf eine anfahrende Straßenbahn und
klammert sich an die hintere Kupplung. Doch nach ca. 100 Metern haben ihn die
Polizeibeamten erreicht und reißen ihn von der Straßenbahn herunter auf das
Pflaster. Ihnen gelingt jetzt seine Festnahme mit massiver körperlicher Gewalt.
Eine Polizeiärztin attestiert im Polizeipräsidium Schürfverletzungen im
Gesicht. Der
28 Jahre alte Mann war zur Festnahme wegen seiner Abschiebung in die Türkei
ausgeschrieben. Polizei Frankfurt 21.3.06 21. März 06 Landkreis Hameln in Niedersachsen.
Die Abschiebung ihres 19-jährigen Sohnes nach Georgien treibt seine Mutter,
eine kurdische Jesidin, zu einem Selbsttötungsversuch. Die Frau kommt auf die
Intensivstation im Krankenhaus Hildesheim. Ihr
Sohn, der als 8-Jähriger in die BRD gekommen war, wird von seiner im sechsten
Monat schwangeren Frau getrennt. Die Ehe wurde von der Ausländerbehörde nicht
anerkannt, weil die beiden "nur" nach jesidischem Brauch geheiratet
hatten. GfbV 23.3.06 22. März 06 Berlin. Die 17-jährige Kurdin Hayriye
Aydin wird vom Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Horst Köhler, zur
Einweihungsfeier seines restaurierten Amtssitzes im Schloß Bellevue wegen
ihres politischen und sozialen Engagements geehrt. Der Präsident bedankt sich
bei ihr im Namen der Bundesrepublik für ihre ehrenamtliche Tätigkeit zu den
Themen Antisemitismus und Völkerverständigung. Dies
geschieht, während ihre Eltern und ihre Geschwister akut von Abschiebung in
die Türkei bedroht sind. Ihre Duldung läuft in wenigen Tagen aus. Nachdem
die Härtefallkommission sich im Herbst für ein Bleiberecht der 13-köpfigen
Familie eingesetzt hatte und dieses vom Innensenator abgelehnt wurde, kommt
der Petitionsausschuß bei seiner gestrigen Tagung zu keiner Entscheidung und
vertagt das Thema. Durch
den Protest von SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern der MitschülerInnen wird
das Schicksal der Familie weit über die Grenzen Berlins hinaus bekannt. Der
heute 52 Jahre alte Vater Feyaz Aydin war mit seiner Frau und vier Kindern
vor 17 Jahren in die BRD geflohen, weil er als vermeintlicher Unterstützer
der PKK verfolgt und gefoltert worden war. Als die Asylanträge im Jahre 1990
abgelehnt wurden, floh die Familie aus Angst vor Abschiebung von
Niedersachsen nach Berlin und stellte hier erneut Asylanträge, jedoch mit
anderer Identität aus dem Herkunftsland Libanon. Diese Tatsache, die vor 14
Jahren den Behörden bekannt wurde, ist heute der Grund für die drohende
Abschiebung eines großen Teils der Familie. Daß Herr Aydin und auch sein
21-jähriger Sohn Mehmet einen unbefristeten Arbeitsplatz haben, wodurch die
Familie unabhängig von Sozialhilfe ist, daß die Kinder Musterbeispiele für
das Thema "Integration" darstellen, ändert nichts an der Tatsache,
daß auch im Februar 2007 die Eltern und vier ihrer Kinder von Abschiebung
bedroht sind. Drei Töchtern wird vorläufig der Aufenthalt gewährt, weil sie
noch in der Ausbildung sind. FRat Berlin; TS 13.3.06; taz 21.3.06; Spiegel 12/2006; BeZ
22.3.06; TS 22.3.06; taz 22.3.06; ND 22.3.06; BeZ 23.3.06; taz
30.5.06; BI 2.6.06; BeZ 30.6.06; taz 1.9.06; BeZ 20.1.07 23. März 06 Bundesland Brandenburg. Als der
Kenianer Joseph M. einer Vorladung bei der Ausländerbehörde Frankfurt (Oder)
nachkommt, wird ihm mitgeteilt, daß er – aufgrund seines abgelehnten
Asylantrages – sofort abgeschoben wird. Nach einer kurzen Unterredung mit
seiner Verlobten geht er auf die Toilette, läuft los und springt dort durch
das geschlossene Fenster. Der 30-Jährige stürzt eine Etage hinab, und durch
den Aufprall auf den betonierten Boden zieht er sich so schwere Verletzungen
zu, daß er umgehend ins Klinikum Markendorf eingeliefert werden muß. Joseph
M., der im Jahre 1999 in die BRD geflohen war und hier Asyl beantragt hatte,
versuchte seit längerer Zeit, seine Verlobte zu heiraten, und hätte, wenn
nicht immer wieder "bürokratische Hürden" aufgebaut worden wären,
schon aufgrund der Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen einen
sicheren Aufenthalt. Zuletzt fehlte für das Standesamt eine schriftliche
Bestätigung der Gültigkeit des Reisepasses, obwohl die Ausländerbehörde
diesen bereits als gültig anerkannt hatte. Jetzt
bezahlt der 30-Jährige die Flucht vor der Abschiebung nach Kenia mit einer
Querschnittslähmung. Erst nach diesem Drama erklärt der Oberbürgermeister von
Frankfurt, Martin Patzelt (CDU): "Ich werde ihm aus humanitären Gründen
ein Bleiberecht in Frankfurt gewähren." Dann weist er darauf hin, daß
die letzte rechtliche Prüfung noch nicht abgeschlossen ist und daß eine
Aufenthaltserlaubnis ausländerrechtlich begründet sein muß. WB 24.3.06; BM 25.3.06; taz 25.3.06; Ausländerbeirat FFO 30.3.06; BeZ 31.3.06; UK 31.3.06; Robin Kendon – Bündnis90/Die Grünen 6.5.06 25. März 06 Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Als
ein 21 Jahre alter Flüchtling aus Burkina Faso um 2.40 Uhr an einer
Tankstelle auf dem Weg zum Hasselbachplatz vorbeikommt, wird er von vier
Männern und drei Frauen rassistisch beleidigt. "Afrika den Affen"
beschimpfen sie ihn und verfolgen ihn. Einer der Deutschen schwingt dabei
eine Machete. Dem 21-Jährigen gelingt es zu fliehen, weil er am Café am
Hasselbachplatz drei Afrikaner trifft, die ihn schützen. Dann erscheinen
Zivil-Beamte, die die Afrikaner kontrollieren. Eine
Streifenwagenbesatzung findet an der Tankstelle im Wagen eines 57-Jährigen
die Machete. Die Polizei ermittelt wegen versuchter Körperverletzung. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 26. März 06 Baden-Württemberg. Die drei
volljährigen Kinder einer kurdischen Familie, zwei Söhne und eine Tochter, werden
über den Flughafen Stuttgart in die Türkei abgeschoben. Damit ist die vor
zehn Jahren in die Bundesrepublik geflohene Familie auseinandergerissen. Die
kranken Eltern und ihre minderjährigen Kinder sind wegen der fehlenden
Einkommen der erwachsenen Kinder nun wieder sozialhilfeabhängig. Am
Flughafen Istanbul werden der 23-jährige T., seine Schwester und sein Bruder
sofort festgenommen, getrennt verhört, wochenlang inhaftiert und vielfacher
Gewalt ausgesetzt. Nach Lösegeldzahlungen eines Bekannten der Familie läßt
man die Geschwister nach unterschiedlich langer Inhaftierung frei. Es gelingt
ihnen im Frühjahr 2007, einzeln wieder in die Bundesrepublik einzureisen. Alle
drei Geschwister leiden durch die erlittenen Mißhandlungen unter Symptomen
des Posttraumatischen Belastungssyndroms und haben große Mühe, ihr zuvor
geordnetes Leben wieder aufzunehmen. T. muß in die Psychiatrie eingewiesen
werden, um seine traumatischen Erfahrungen bewältigen zu können. Für
seinen Bruder kommt erschwerend hinzu, daß er nach seiner Wiedereinreise
festgenommen und in der Abschiebehaftanstalt Mannheim inhaftiert wird. Auch
die Schwester hat die erlittenen Mißhandlungen
noch nicht verarbeitet; es geht ihr weiterhin sehr schlecht. Sie stellt nach
ihrer Wiedereinreise einen Asylfolgeantrag. Die
Mutter hatte immer unter verschiedenen psychosomatischen Krankheiten gelitten
und mußte nach der Abschiebung ihrer Kinder in die Psychiatrie eingewiesen
werden. Ihr psychischer Zustand ist auch Anfang 2008 weiter sehr instabil.
Bis auf T., der im Sommer 2007 seine langjährige deutsche Verlobte geheiratet
hat, ist die Zukunft der Familie weiter ungewiß. Rundbrief Baden-Württemberg 03/2007; Antirassistische Initiative Berlin 27. März 06 Bundesland Niedersachsen.
Morgens um 4.00 Uhr werden die 48-jährige Tschetschenin A. aus dem
psychiatrischen Krankenhaus in Liebenburg und ihre Kinder im Alter von 10,
11, 16 und 23 Jahren aus dem Goslarer Wohnheim abgeholt, mit einem Auto nach
Frankfurt (Oder) gebracht und dort den polnischen Behörden übergeben. In
Polen wird Frau A. in einem Schnellverfahren wegen illegalen Grenzübertritts
(von Polen nach Deutschland) zu einer zweijährigen (!) Bewährungsstrafe
verurteilt. Die polnischen Behörden weigern sich zunächst, ein Asylverfahren
für die Familie durchzuführen, weil sie sich über ein halbes Jahr in
Deutschland aufgehalten habe. Mitte April 2006 befindet sich die Familie in
einem Flüchtlingslager bei Warschau. Frau
A. und ihr heute 16-jähriger Sohn R. sind schwer krank. Vor 10 Jahren mußte
R. in Tschetschenien die Erschießung seines Vaters mit ansehen. In
Deutschland wurde bei Mutter und Sohn eine Posttraumatische Belastungsstörung
diagnostiziert. Auch die beiden jüngeren Kinder sind nicht gesund. Der 10-jährige H. leidet
unter Ohnmachtsanfällen, und die 11-jährige S. mußte sich 2001 einer
Herzoperation unterziehen. Am
15. September 2005 war die Familie von Polen kommend nach Deutschland
eingereist. Da Polen als sicherer Drittstaat gilt, wurde ihr in Deutschland
gestellter Asylantrag ohne inhaltliche Prüfung abgelehnt. Als
Frau A. von der bevorstehenden Rückführung nach Polen erfuhr, geriet sie in
eine schwere depressive Krise, so daß sie vom 10. bis 17. Februar in der
psychiatrischen Klinik behandelt werden mußte. Auch nach ihrer Entlassung war
sie nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten vernunftgeprägt zu überblicken
und für sich und ihre Familie weitreichende Entscheidungen zu treffen. Während
eines Gespräches mit dem Leiter des Flüchtlingsheimes, in dem es um
Vorhaltungen gegen ihren 16-jährigen Sohn ging, kollabierte Frau A. erneut
und wurde wieder in die psychiatrische Klinik eingewiesen. Aus diesem
Krankenhaus heraus wird Frau A. am 27. März nach Polen zurückgeschoben. Diakonisches Werk Braunschweig, Regionalbüro Goslar
13.4.06 27. März 06 Harthausen bei
Filderstadt in Baden-Württemberg. Als die Polizei morgens um 5.00 Uhr in der
Flüchtlingsunterkunft erscheint, um drei Kinder der elfköpfigen kurdischen
Familie Cakir mitzunehmen, entsteht eine große Panik, und Frau Cakir fällt in
Ohnmacht. Die Familie , die vor acht
Jahren nach politischer Verfolgung in die BRD geflohen war, wird durch die
Abschiebung der über 18 Jahre alten Kinder Tekin, Sevda und Ergin mit Gewalt
getrennt. Eigenbericht; AK Asyl Stuttgart; Filder Ztg 18.4.06 30. März 06 Flüchtlingsunterkunft "Am
Bauhof" im niedersächsischen Hittfeld. Der 26 Jahre alte kurdische
Flüchtling Hakim H.-M. knüllt Papier zusammen und legt es zusammen mit einem
Handtuch auf sein Bett – denn legt er sich dazu und zündet das Papier an. Unter
höchster Gefahr rettet ihn sein Mitbewohner, der 24-jährige Afghane Said
Fazel S., vor dem Erstickungstod. Hakim
H.-M., der vor sieben Jahren in die BRD geflohen war, hatte am Morgen einen
Wertgutschein im Wert von 25 Euro und zehn Euro in bar von einer Sozialarbeiterin
bekom-men. Der Gutschein wurde jedoch im Edeka-Laden von der Kassiererin
nicht angenommen, und Herr H.-M. mußte seine Ware wieder in die Regale legen.
Er war deprimiert, hatte Hunger, und die ganze Ausweglosigkeit seines Lebens
wurde ihm deutlich. Er beschloß zu sterben. "Ich
dachte, das Leben ist nix wert: keine Arbeit, kein Aufenthalt",
begründete er seinen Selbsttötungsversuch ein Jahr später vor Gericht. Er
bekam eine Strafe von einem Jahr auf Bewährung. HA 28.3.07 4. April 06 Auf dem Bahnhof der bayerischen
Stadt Cham. Ein 36 Jahre alter
irakischer Flüchtling wartet abends nach 21 Uhr auf die Weiterfahrt des Zuges
zu seinem Wohnort Regensburg, als er von vier jungen kurzhaarigen und schwarz
gekleideten Männern gefragt wird, wo er herkomme. Als er aufgefordert wird,
"wieder nach Hause" zu gehen, versucht er wegzukommen. Die
Provokateure folgen ihm bis in die Bahnhofstraße, einige schlagen auf ihn
ein, rauben seinen Rucksack und fahren mit dem Zug davon. Der
Iraker muß seine schweren Gesichtsverletzungen im Krankenhaus stationär
behandeln lassen. Drei
der vier Täter werden kurz vor Mitternacht im Bereich Roding im Landkreis
Cham von der Polizei festgenommen. dpa 5.4.06; ChZ 6.4.06; DK 6.4.06; JWB 12.4.06 4. April 06 Bad Bentheim in
Niedersachsen. Nach 16 Jahren Deutschland-Aufenthalt wird die Mahalmi-Familie
Coban durch die Abschiebung des Vaters zusammen mit den beiden ältesten
Söhnen und seiner Mutter getrennt. Zurück bleiben seine Ehefrau und die 2-,
7-, 8-, 10- und 12-jährigen Kinder. Die Abschiebung für die im
Jahre 1990 aus dem Libanon geflüchtete Mahalmi-Familie ("Murade")
erfolgt in die Türkei, weil den Eltern im Oktober 2005 vom Landkreis
Grafschaft Bentheim Identitätsfälschung vorgeworfen wurde und sie somit ihre
Aufenthaltsbefugnisse verloren haben. Sechs Jahre später ist die
Familie immer noch getrennt. Eine Einreise in die Bundesrepublik wird nicht
erlaubt, und ein Besuch von Frau Coban in der Türkei ist aus rechtlichen
Gründen nicht möglich. Die Töchter Cemile und
Yasemin und die Söhne Sevim und Karmo haben inzwischen Aufenthaltserlaubnisse
für "gut integrierte Jugendliche" erhalten. Die Schulden an den
Sozialhilfeträger in Höhe von 83.870 Euro werden abbezahlt, und das
erforderliche Einkommen für die Familie können Frau Coban und die Tochter
Cemile durch Lohnarbeit aufbringen, weshalb keine Sozialleistungen mehr
beansprucht werden müssen. Frau Coban, die Analphabetin ist, kann inzwischen
Deutsch sprechen und arbeitet als Reinigungskraft an der Grund- und
Hauptschule in Bad Bentheim. Ihre Kinder, die alle hier geboren wurden und
aufwuchsen, sind erfolgreich in der Schule und Ausbildung. Trotz all dieser Bemühungen
über viele Jahre wird der Antrag auf ein Bleiberecht für Frau Coban im Juni
2012 von der Härtefallkommission des Landes Niedersachsen abgelehnt – die
Zweidrittel-Mehrheit konnte nicht erreicht werden. Aus Protest gegen diese
Entscheidung verlassen die zwei evangelischen und der katholische Vertreter
die Härtefallkommission. Auch im Januar 2013 hat
sich an der Situation von Frau Coban nichts geändert. Dr. Johann Weusmann – Mai 2011; GN 27.1.12; GN
4.6.12; GN 5.6.12; FRat NieSa 6.6.12;
GN 6.6.12; GN 26.6.12; Dr. Johann Weusmann – Februar 2013 5. April 06 Flüchtlingsheim in Fürstenwalde
in Brandenburg. Ein 49 Jahre alter Kurde aus der Türkei verletzt sich gegen
20.30 Uhr mit einem Messer mehrmals am Oberkörper und will sich mit Benzin
übergießen. Nach der medizinischen Erstversorgung durch
Rettungskräfte wird er in die Psychiatrie nach Frankfurt (Oder) eingeliefert.
MAZ 6.4.06; Antirassistische Initiative Berlin 10. April 06 Nordrhein-Westfalen. Die
Nigerianerin Grace O. und ihr 1 ½- jähriger Sohn sollen abgeschoben werden.
In ihrer Verzweiflung versucht Grace O., den Abflug der Maschine zu verhindern,
indem sie sich entkleidet. Der Pilot weigert sich daraufhin, sie mitzunehmen.
Sie kann das Flugzeug verlassen, kommt aber umgehend in Abschiebehaft. Nach
sechs Wochen wird Grace O. aus der Abschiebehaft in Neuss entlassen. Während der
ganzen Zeit ist ihr kleiner Sohn bei einer Pflegefamilie untergebracht. Die
brutale Trennung von Mutter und Kind über so lange Zeit wird
behördlicherseits damit begründet, daß die Tatsache, daß Grace O. sich im
Flugzeug schützend über ihr Kind gebeugt hatte, als "Gefährdung"
des Kindes gesehen wird: sie habe sich "auf ihr Kind geworfen". Das
rigorose Vorgehen der Behörden wird nicht nur durch die Trennung von Mutter
und Kind deutlich. Diese ignorieren auch, daß das Kind in der BRD geboren
wurde und der Vater des Kindes ein Bleiberecht hat. Auch
die Tatsache, daß bereits am 5. Oktober 2005 das Bundesverfassungsgericht die
Gesetzgeber aufgefordert hatte, das Aufenthaltsrecht von in der BRD geborenen
Kindern ausländischer StaatsbüberInnen bis zum 31. Dezember 2006 neu zu
regeln, spielte für die Behörden keine Rolle. taz-NRW 22.5.06; Karl Wiemann – Rechtsanwalt 13. April 06 Arnstadt in Thüringen. Um 19 Uhr
greifen drei Arnstädter Männer zwei Flüchtlinge aus Sierra Leone an, als
diese die Rudolfstädter Straße überqueren. Die 20 und 27 Jahre alten
Afrikaner werden beleidigt und bedroht, dann werden Bierflaschen nach ihnen
geworfen. Sie flüchten in einen nahen Supermarkt und finden hier Schutz. Sie
bleiben unverletzt. Die
gerufene Polizei nimmt die Täter zur Personalienfeststellung mit – einer wird
festgenommen, weil gegen ihn ein Haftbefehl vorliegt. Die
ursächliche Motivation der Täter scheint der Polizei schnell klar zu sein:
eine politische Motivation wird behördlicherseits in Frage gestellt.
"Die verbalen Äußerungen sind nach bisherigen Erkenntnissen nicht als
politisch motivierte Äußerungen zu bewerten", so die Polizeidirektion
Gotha. Vielmehr sei den Geschädigten vorgeworfen worden, Straftaten zu
begehen, und aus diesem "Wissen" heraus wurden gegen die beiden
Afrikaner Bedrohungen ausgesprochen. TA 15.4.06; Antifaschistische Gruppe Südthüringen
15.4.06; taz 21.4.06; Left
Resistance Arnstadt 2.6.06 13. April 06 Guben im Bundesland Brandenburg.
Ein chinesischer Asylbewerber nimmt sich im Raum Nummer 37 seiner Unterkunft
das Leben, weil er die rassistische Behandlung und fortgesetzte Mißachtung
der Menschenrechte durch die Behörden nicht mehr erträgt. Vor
seinem Suizid klagte er MitbewohnerInnen gegenüber: "Ich habe nichts
mehr in meinem Leben. Keine Familie, kein Geld, ich bin permanent gefangen in
einem 35m² großen Kreis, habe keine Freiheit, kein Leben außer Schulden. Ich
muß ständig meinen Anwalt bezahlen. Was für eine Bedeutung hat da dieses Leben?" Flüchtlingsinitiative Brandenburg 13. April 06 Bundesland Baden-Württemberg. In
der JVA Mannheim versucht der Abschiebegefangene R. A. sich zu töten. BT DS 16/9142 14. April 06 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Um
16.12 Uhr kommt es in Dortmund-Eving in der Bayerischen Straße zu einem
Polizeieinsatz, der für den 23 Jahre alten Flüchtling Dominique Kouamadiou
aus dem Kongo infolge von zwei Polizeikugeln tödlich endet. Der
Flüchtling, dem es psychisch schlecht ging, hatte zuvor mit einer Art
Brotmesser einen Kioskbesitzer bedroht. Dieser schloß sein Verkaufsfenster
und rief die Polizei. Ein Einsatzwagen mit zwei Polizisten und einer
Polizistin traf ein. Aus bisher ungeklärten Gründen stach Dominique
Kouamadiou auf die Scheibe der Beifahrerseite des Polizeiwagens ein. Der
Fahrer und der Beifahrer stiegen aus und als Dominique Kouamadiou auch sie im
Abstand von zwei bis zehn Metern (unterschiedliche Aussagen der ZeugInnen)
bedrohte, gab der Fahrer zwei Schüsse ab – eine Kugel traf sein linkes Bein,
die zweite Kugel traf den Kongolesen ins Herz und verletzte ihn tödlich. Dominique
Kouamadiou war vor 10 Jahren als minderjähriger, unbegleiteter Flüchtling in
der BRD angekommen, lebte im Heim und machte Musik. Er stand kurz vor der
Mittleren Reife und hatte eine Ausbildung geplant. Am
21. Juni werden die Ermittlungen gegen den 45 Jahre alten polizeilichen
Todesschützen mit der Begründung eingestellt, er habe in Selbstverteidigung
gehandelt. Die Schwester von Dominique Kouamadiou legt dagegen Beschwerde
ein. Am
9. Dezember findet eine Demonstration statt, die von einer Vielzahl
politischer Initiativen getragen wird. Die Forderungen: "Gerechtigkeit
für Dominique" und "Lückenlose Aufklärung". Drei Tage vor
dieser Demonstration lehnt die Generalstaatsanwaltschaft Hamm die Beschwerde
der Schwester als unbegründet ab. Polizei Dortmund 14.4.06; Spiegel 14.4.06; KSA 14.4.06; Caravane-info 21.4.06; taz-NRW 22.4.06; WAZ 23.4.06; jW 11.10.06; RN 6.12.06; taz
11.12.06 indymedia 15.4.07; Initiative gegen Rassismus und Ausgrenzung –
Dortmund 18. April 06 Berlin. Dem Rom Miloš Sitz wird
in der Ausländerbehörde Nöldnerstraße gesagt, daß seine vier Enkel demnächst
nach Bosnien abgeschoben werden: zunächst die bald 16-jährige Dajana und danach
"Stück nach Stück" die jüngeren Kinder Milan (14), Angelina (12)
und Dusko (9). Und da die Kinder in Bosnien keine Verwandten haben, sollen
sie direkt einem Kinderheim übergeben werden. Ihre
Eltern Tomislav und Hanusa Vasić waren als Bürgerkriegsflüchtlinge seit 1991
mit einer zweijährigen Unterbrechung in der BRD – zwei der Kinder sind in
Berlin geboren. Tomislav Vasić hat sich schon vor Jahren von seiner Familie
getrennt. Die Mutter Hanusa Vasić wurde am 8. Februar 05 abgeschoben und ist
seither verschollen. Sie war schwer an Schizophrenie erkrankt und stark
suizidgefährdet. Seit der Erkrankung der Mutter leben die Kinder bei dem
Großvater und dessen Lebensgefährtin in Berlin-Neukölln. Miloš Sitz, der als deutscher
Staatsangehöriger die Vormundschaft für die Kinder hat, beginnt jetzt den
Kampf gegen die Ausländerbehörde, um seine Enkel bei sich zu behalten. Ein
Sachbearbeiter schlägt ihm vor, daß er doch auch nach Bosnien gehen könne,
wenn er seine Enkel nicht allein gehen lassen wolle – ein anderes Mal wird
ihm gesagt, daß er mindestens 3000 € monatlich verdienen und eine wesentlich
größere Wohnung vorweisen müsse, wenn er seine Chancen erhöhen wolle. Miloš
Sitz schreibt an den Petitionsausschuß und wendet sich an die
Härtefall-Kommission. Er spricht die Presse an und bekommt Unterstützung von
vielen Menschen. Kirchen, Gewerkschaften und Jugendorganisationen sprechen
sich gegen die Abschiebung seiner Enkel aus. Innensenator Körting bestätigt
im November die positive Entscheidung der Härtefall-Kommission. Die Kinder
bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für die Zeit ihrer Schulzeit und ihrer
Ausbildung. (siehe auch: 8. Februar 05) Bericht des Betroffenen; taz 19.6.06; taz 4.7.06; BeZ 5.7.06; PE FRat Berlin – Miloš Sitz 28.7.06; taz 2.8.06; taz 3.8.06; BeZ 3.8.06; TS 3.8.06; taz 3.8.06; taz 16.11.06 18. April 06 Neuruppin in Brandenburg. In der
Buslinie 770 – Richtung Alt Ruppin – wird ein 25-jähriger Flüchtling aus dem
Tschad um 19.20 Uhr von einem jungen Deutschen beleidigt, angespuckt und mit
Schlägen bedroht. An der Haltestelle "Am Rheinsberger Tor" gelingt
es dem Attackierten, den Bus zu verlassen und die Polizei zu rufen. Obwohl
die Pöbeleien des Täters von den vielen Fahrgästen im Bus gehört worden sein
müssen, meldete sich nur eine 17-jährige Frau bei der Polizei und führte
diese per Handykontakt auch direkt zum Täter, als sie den 19-Jährigen
zufällig auf der Straße wiedersah. In einem beschleunigten Verfahren eine
Woche später wird dieser wegen Beleidigung und versuchter Nötigung zu drei
Monaten Haft verurteilt. Aufgrund seiner Vorstrafen wird keine Bewährung
ausgesprochen. ddp 20.4.06; MAZ
21.4.06; TS 24.4.06; taz
24.4.06; FR 28.4.06 24. April 06 Guben im Bundesland Brandenburg.
Kurz vor 20 Uhr wird indischer Flüchtling im Beisein seiner Freundin und
deren kleiner Tochter mehrmals von drei deutschen Männern mit "Scheiß
Ausländer" beleidigt und bedroht. Als er auf die Deutschen zugeht und
nach dem Grund der Beschimpfungen fragt, wird er zu Boden geschlagen und dann
weiter getreten. Als
eine Autofahrerin anhält und aussteigt, lassen die Täter von dem Inder ab und
fliehen. Der Geschädigte kommt mit einer Verletzung am Daumen und
Blutergüssen auf beiden Seiten des Oberkörpers davon. Einen
"fremdenfeindlichen Hintergrund" bezeichnet die Pressesprecherin
der Cottbusser Staatsanwaltschaft als "sehr fraglich", weil die
ZeugInnen entweder gar nichts gehört haben oder nur den Ausruf des Inders,
der "Ihr Nazis" entgegnete. Am
24. Januar 2007 beginnt der Prozeß gegen drei 18 bis 21 Jahre alte Männer
wegen gefährlicher Körperverletzung im Amtsgericht Guben. Der Haupttäter wird
zu einem Jahr und sieben Monaten – zusammengezogen mit anderen Straftaten –
nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Nachdem er in Berufung gegangen ist, wird
die Straftat abgetrennt und wegen schwerwiegenderer Straftaten schließlich
eingestellt. Nach
der Schließung der Flüchtlingsunterkunft in Guben und dem Umzug nach Forst
ist der Flüchtling auch dort noch zweimal rassistischen Angriffen ausgesetzt. (siehe auch: 17. September 06) Opferperspektive; LR 31.5.06 24. April 06 Hildesheim in Niedersachsen. Zur
Vorbereitung der Abschiebung wird die albanische Flüchtlingsfamilie Bytyqi
aus dem Kosovo von den Behörden auseinander gerissen. Einen Tag, nachdem
Naser Bytyqi zur ambulanten Weiterbehandlung aus dem Landeskrankenhaus
entlassen ist, erscheint die Polizei, um die Familie abzuschieben. Herr
Bytyqi ist nicht anwesend, stattdessen wird seine Frau Sevim mitgenommen und
kommt mit ihrem 14-jährigen Sohn Ibrahim, der von der Polizei aus dem
Schulunterricht geholt wurde, in Abschiebehaft nach Hannover-Langenhagen. Die
beiden Kleinkinder Endijona (14 Monate alt) und Endrit (zweieinhalb Jahre
alt) werden in Pflegefamilien untergebracht. Bei
dem 36-jährigen Naser Bytyqi haben die Ärzte des Landeskrankenhauses
Hildesheim wegen des Verdachtes auf paranoide Schizophrenie infolge einer
Posttraumatischen Belastungsstörung eine Reiseunfähigkeit und
Behandlungsbedürftigkeit attestiert. Sein 14-jähriger Sohn, der laut Ausländerbehörde
"auf eigenen Wunsch" in Abschiebehaft bleibt, um seiner Mutter nahe
zu sein, hat ein zerebrales Anfallsleiden. Nach
fast drei Wochen Abschiebehaft werden Frau Bytyqi und ihr Sohn entlassen,
damit die Familie am 27. Mai "freiwillig" ausreisen kann. Die
Eheleute und Ibrahim waren vor elf bzw. dreizehn Jahren in die BRD geflohen. In
den letzten drei Jahren vor seiner Flucht wurde Naser Bytyqi im Kosovo über
lange Zeit von der Polizei brutal geschlagen und mißhandelt, weil er sich nicht
als Serbe erklärt hatte. Diese Mißhandlungen fanden zeitweise drei- bis
viermal pro Woche statt – und zwar tags und auch nachts. Er mußte mit
ansehen, wie die Polizisten seinem Bruder Arm und Bein brachen und Freunde
von ihm erschlugen. Er hatte dabei intensive Todesangst, tauchte schließlich
unter und verließ das Land. FRat NieSa; WoZ
29.4.06; BrZ 29.4.06 24. April 06 Landkreis Waldeck-Frankenberg in
Hessen. Der 35 Jahre alte Hassan Rifi wird aus dem Wohn- und Pflegeheim des
Zentrums für Soziale Psychiatrie in Haina-Kloster abgeholt und über Frankfurt
nach Marokko abgeschoben. Hassan
Rifi ist aufgrund schwerer Schizophrenie, Halluzinationen und Epilepsie zu
100% behindert und lebt seit fünf Jahren im Heim. Er hat heute seinen 35.
Geburtstag – allerdings "das Denken eines 10-jährigen Kindes", so
seine Schwester. Er kann ohne Hilfe nicht leben und braucht ständig
Medikamente. Als die Polizei ihm 20 Minuten Zeit zum Packen seiner Sachen
gibt, packt er seinen Walkman und seinen Fußball ein. Er freut sich, denn er
denkt, er mache einen Ausflug. Zu
den Vorhaltungen seiner Familie und seiner Rechtsanwältin den Behörden
gegenüber argumentiert die Ausländerbehörde, daß Hassan Rifi gemeinsam mit
seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Rachid abgeschoben worden ist. Daß die
Familie seit vielen Jahren gar keinen Kontakt zu Rachid hatte, spielt für die
Behörde keine Rolle. Ein
Sprecher des Innenministeriums allerdings erklärt im Gegensatz dazu den
Angehörigen, daß die Deutsche Botschaft in Marokko einen Bruder ausfindig
gemacht hat, der in Nador lebt und sich um seinen behinderten Bruder kümmern
soll. Zwei Wochen nach der Abschiebung
fliegt der in Rödermark (Kreis Offenbach) lebende Vater nach Casablanca. Er
findet weder seinen Sohn Hassan noch dessen Bruder Rachid. FR 29.4.06; HesA 2.5.06; HNA 3.5.06; FR 9.5.06 25. April 06 Hamburg – Flughafen Fuhlsbüttel.
Es ist kurz nach Mitternacht, als die letzte Maschine in dieser Nacht von der
Rollbahn abhebt. Die Aussichtsplattformen sind längst geschlos- sen und die Hallen verwaist. In
der Maschine mit den 167 Sitzplätzen befinden sich 24 afrikanische Männer,
die von ca. 70 BundespolizistInnen bewacht werden. Mit im Flugzeug:
Mitarbeiter der Ausländerbehörde, zwei Ärzte und ein Dolmetscher. Diese
Massendeportation, die unter der Federführung der Hamburger Ausländerbehörde
und in Zusammenarbeit mit den Bundesländern Rheinland-Pfalz,
Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg stattfindet, ist die zweite dieser
Art. Sie wurde geheim vorbereitet, die Öffentlichkeit wird erst im nachhinein
informiert. Es werden 20 Menschen aus Hamburg und vier aus den anderen
Bundesländern ausgeflogen. Alle kommen aus Abschiebe- oder Strafhaft oder
gelten behördlicherseits als "renitent oder gewalttätig". Die
Maschine fliegt neben Guinea (10 Gefangene) und Benin (8 Gefangene) auch die
afrikanische Diktatur Togo (6 Gefangene) an. Eine
Protest-Kundgebung von Flüchtlings- und MigrantInnen-Organisationen in der
Abflughalle wird bereits kurz vor 20 Uhr am 24. April von Polizei und
Flughafen-Security unter Einsatz von Hunden aufgelöst. Der
21-jährige Hamed Mohamed Traoré, der nach Benin abgeschoben werden soll,
wehrt sich gegen die Abschiebung und wird in Hand- und Fußschellen gelegt.
Dann wird er am Sitz fixiert und bekommt zudem einen weißen Motorradhelm
übergezogen. Als einer der Ärzte ihm eine Spritze geben will, verbittet er
sich dies, kann die Injektion allerdings nicht verhindern. Für Hamed Mohamed
Traoré ist es sicher, daß er ein Beruhigungsmittel injiziert bekam, denn nach
einer Weile erbricht er sich und verliert das Bewußtsein. Einige
Tage nach der Abschiebung gelingt es ihm, zu seiner ehemaligen Betreuerin von
der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft "Fluchtort Hamburg" (von Bund,
Ländern und EU geförderte Initiative zur Berufsqualifikation von bleiberechtsungesicherten
Flüchtlingen) Kontakt aufzunehmen. Er berichtet, daß er während des gesamten
Fluges an Händen und Füßen gefesselt war, und beschreibt, was ihm auf dem
Flug widerfahren ist (siehe oben). In Cotonou war er von den deutschen Beamten
den örtlichen Beamten übergeben worden und dann zwei Tage lang in Haft
gewesen. Sein
Rechtsanwalt sieht in der Verabreichung von Narkotika ohne gesundheitliche
Überwachung und gegen den Willen seines gefesselten Mandanten den
Straftatbestand der Körperverletzung und stellt Strafanzeige. "Mein
Mandant wurde unter Bedingungen abgeschoben, die zum Transport von
Schlachtvieh unzulässig wären." Bericht des Betroffenen; Tay Eich – Rechtsanwalt; Innensenat Hamburg 25.4.06; FR 25.4.06; taz-Nord 26.4.06; Karawane 29.4.06; FRat HH 6.6.06; dpa 7.6.06; FLUCHTort HAMBURG 8.6.06; jW 9.6.06; ndr 90,3 12.6.06 25. April 06 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Das ältere Ehepaar Emine und Salih R., 58 und 64 Jahre alt,
wird aus der Haft heraus nach Prishtina abgeschoben. Es ist das dritte Mal,
daß das Paar zwecks Abschiebung in Haft saß – jetzt seit dem 13. April. Beim
ersten Mal – am 15. März – mußte Herr R. wegen des Verdachtes auf einen
Herzinfarkt ins Krankenhaus entlassen werden. Bei der zweiten Festnahme am 12.
April bescheinigte ein Polizeiarzt im Gewahrsam Tempelhofer Damm den
Eheleuten, daß sie – aufgrund erheblicher gesundheitlicher Risiken – nicht
reisefähig seien. Sie mußten entlassen werden – wurden allerdings am nächsten
Tag in der Ausländerbehörde Nöldnerplatz wieder festgenommen und kamen in Abschiebehaft nach Köpenick. Die
Sachbearbeiterinnen der Behörde schrieben von – in Anführungsstrichen –
"Kranken" und von "Gefälligkeitsgutachten" des
Polizeiarztes – und behielten sich vor, gegen diesen Anzeige zu erstatten. Um
erneut die Abschiebung voranzutreiben, wurden den seelisch völlig zerrütteten
Eheleuten im Abschiebegefängnis Papiere vorgelegt, die sie unterschreiben
sollten. Es war weder ein Dolmetscher zugegen, noch waren die R.s in der
Lage, die Inhalte in Ruhe zu lesen – geschweige denn zu verstehen. Sie waren
vor allem nicht in der Lage, sich dem von den Beamten aufgebauten Druck zu
widersetzen (Inaussichtstellung weiterer Haft), und unterschrieben die beiden
Formulare. Damit hatte die Ausländerbehörde ihre Einwilligung zu der
bevorstehenden Abschiebung ("Freiwilligkeitserklärung" – LEA IV B
225) und ihren Verzicht auf die Einlegung weiterer Rechtsmittel und die
Zurücknahme bereits eingelegter Rechtsmittel ("Rücknahmeerklärung – LABO
4394 c). Frau
R. ist durch die Kriegserlebnisse traumatisiert, was sich durch Apathie und
schwere Depressionen äußert. Auch körperlich leidet sie unter Atemnot und
kann aufgrund von Gelenk-, Kopf-, Nacken- und Brustschmerzen kaum laufen.
Herr R. – ebenfalls kriegstraumatisiert – ist ein aufgrund einer
Schilddrüsen-Operation und Hormonmittel-Therapie sehr adipöser Mensch, der
mit Diabetes, Bluthochdruck und Herzproblemen leben muß. Die
beiden werden sozusagen ins Nichts abgeschoben. Sie sind Ashkalis aus
Vucitrrn (Vushtri), und bei einer Rückkehr müssen sie mit neuerlicher
Vertreibung rechnen. Im März 2004 mußten die bis dahin zurückgekehrten Roma
und Ashkali wegen massiver Bedrohung, Verfolgung und Angriffen von
Kosovo-Albanern erneut fliehen. Daraufhin riegelte die KFOR die Straßen
regelrecht ab und "sicherte" die Wohngebiete für sogenannte
Minderheiten mit NATO-Stacheldraht. Diese Areale werden auch bewacht. Ein
Leben hier ist schon für gesunde Menschen nicht zumutbar. Die Behandlung der
chronischen Erkrankungen von Herrn und Frau R. ist hier nicht gewährleistet.
Viel dramatischer ist allerdings die Tatsache, daß die Eheleute jetzt von
ihren sechs Kindern und 20 Enkelkindern getrennt sind. Sie
waren 1999 zusammen mit allen ihren Kindern und Enkeln aus dem Kosovo geflüchtet,
nachdem sie dort aufgrund der akuten Verfolgung und nach der völligen
Zerstörung ihres Hauses nicht mehr leben konnten. Weitere Enkelkinder wurden
in der BRD geboren. Einige haben bereits Aufenthaltserlaubnisse; die Familie
des Sohnes in Berlin, bei der sie lebten, bekommt Duldungen. Am
30. August 2007 bestätigt das Landgericht Berlin, daß die Verhängung der
Abschiebehaft rechtswidrig war. FFM 23.4.06; FFM 25.4.06; taz 25.4.06; FRat Berlin 21.9.07; BM 22.9.07 25. April 06 Wismar in Mecklenburg-Vorpommern.
Auf dem Rudolf-Karstadt-Platz in der Innenstadt wird der 39 Jahre alte
togoische Flüchtling Kudzo Agbevohia um 22.45 Uhr von drei deutschen Männern
umstellt und angepöbelt. Sie stoßen ihn "wie einen Ball" herum und
schlagen auf ihn ein, bis er "wie ein gefällter Baum" zu Boden
geht. Jetzt treten die Täter mit Stiefeln gegen seinen Kopf. Als zwei Frauen
dem Opfer zu Hilfe kommen, fliehen die drei Deutschen. Diese,
sie sind 19, 22 und 23 Jahre alt, werden Stunden später von der Polizei
festgenommen. Die beiden Älteren werden in der Nähe des Tatortes gestellt,
als sie dort noch einmal "die Blutlache" des Opfers
"begutachten" wollen. Der
Togolese, der seit 1997 als Asylbewerber in der BRD ist, kann nach
zweiwöchigem stationärem Aufenthalt das Krankenhaus verlassen. Seither leidet
er unter Kopfschmerzen und Gedächtnisstörungen. An den Überfall kann er sich
nicht erinnern. Am
28. November spricht das Amtsgericht Wismar die Urteile gegen die drei Täter:
acht bis zehn Monate auf drei Jahre Bewährung mit der Auflage, zwei Jahre
lang den Weisungen eines Bewährungshelfers zu folgen und 150 bis 200 Stunden
gemeinnützige Arbeit zu leisten. Zudem muß der heute 24-jährige Täter dem
Opfer 2500 Euro Schmerzensgeld für einen Tritt gegen den Kopf und das daraus
entstandene schwere Schädel-Hirn-Trauma bezahlen. Das Gericht kommt zudem zu
dem Ergebnis, daß ein rassistisches Motiv für die Tat nicht nachgewiesen
werden kann, obwohl sich mindestens einer der Täter der rechtsradikalen Szene
zurechnet. (siehe auch: 11. Mai 07) Spiegel 26.4.06; SVZ 27.4.06; jW 28.4.06; reuters 28.4.06; taz 28.4.06; HA 28.4.06; LN 28.4.06; taz
29.4.06; LN 8.9.06; taz-Nord 18.10.06;
LN 29.11.06 25. April 06 Bundesland Niedersachsen. Ein 21
Jahre alter Flüchtling aus dem Kosovo wird aus seinem Wohnort Göttingen
abgeholt und in einem zivilen VW-Bus in Richtung Hannover gefahren. Er soll
abgeschoben werden. Der VW-Bus bleibt jedoch mit einem Motorschaden an der
Autobahnausfahrt Hildesheim liegen. Während die Beamtin die Gefahrenstelle
absichert und ihr Kollege nach einer Pannenhilfe telefoniert, flüchtet der an
den Händen gefesselte Gefangene. Er rennt trotz der ihm entgegen kommenden
Fahrzeuge auf die Autobahnausfahrt zurück und überquert auch die
Ausfahrtstraße Einem ohne Rücksicht auf seine eigene Person. Dann flieht er
über ein Feld in Richtung der Ortschaft Achtum. Mehrere
Funkstreifenbesatzungen aus Hildesheim und der Polizeihubschrauber aus
Hannover beginnen dann die Jagd auf den Flüchtenden. Durch einen Hinweis
eines Mannes aus Achtum wird er dann um 18.50 Uhr in einem Garten
festgenommen. Polizei Hildesheim 26.4.06 26. April 06 Mit den Worten: "Manuel,
die schöne Zeit in Deutschland ist vorbei" wird der Gefangene Manuel Antonio
Prospeiro um 22.00 Uhr aus dem Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick abgeholt
und zum Flughafen Schönefeld gebracht. Dort
gelingt es ihm, mit seinem Handy noch einmal seine Ehefrau zu erreichen, und
er schreit verzweifelt: "Die reißen mir das Handy weg, ich kann nicht
mehr reden, meine Füße sind schon gefesselt, ich kann mich nicht mehr
bewegen, die tragen mich hier weg wie einen Hund, wie ein Tier, ich bin kein
Mensch mehr, die wollen mir meinen Mund zukleben, kommt schnell, kommt
schnell, helft mir ..." (Übersetzung aus Lingala). Manuel
Antonio Prospeiro ist an Beinen und Armen gefesselt und Brust und Becken sind
mit Gürteln und Gurten am Sitz fixiert. Als das Flugzeug anrollt, beginnt er
laut um Hilfe zu schreien. Ein Beamter steckt ihm ein Tuch in den Mund, ein
anderer hält ihm die Augen zu, er wird auch gewürgt. Dann gelingt es ihm, das
Tuch, das ihm die Luft nimmt, mit der Zunge aus dem Mund herauszudrücken und
aus Leibeskräften erneut zu schreien. Nach Intervention von anderen
Passagieren entscheidet jetzt der Flugkapitän der Aeroflot-Maschine, daß er
den Gefangenen nicht mitnimmt. Manuel
Antonio Prospeiro wird in den Gewahrsamsraum des Flughafens gebracht. Dann
werden ihm die Arme mit großer Brutalität nach hinten verschränkt, und er
wird auf eine Bank geschleudert, wobei er mit dem Gesicht gegen die Bank
prallt. Im Transporter zurück zum Abschiebegefängnis liegt er gefesselt auf
dem Boden und wird mit Tritten und Faustschlägen malträtiert. Am nächsten Tag
erstattet er Anzeige gegen Polizeimitarbeiter wegen gefährlicher
Körperverletzung und reicht Dienstaufsichtsbeschwerden ein. Manuel Antonio Prospeiro war als Mitglied
der FLEC (Frente para Libertação do Exclave de Cabinda = Front für die
Befreiung der Exklave Cabinda) in Angola inhaftiert und gefoltert worden. Bei
einem Transport zu einem anderen Gefängnis konnte er fliehen – und später
gelang ihm auch die Flucht in die BRD. Das war vor 14 Jahren. Am 27. März
2006 erfolgte seine Festnahme in Berlin und sein Transport zum
Abschiebegefängnis Köpenick. Alle Asylanträge sind abgelehnt. Trotz einer
positiven Entscheidung der Härtefall-Kommission entschied Innensenator
Körting die Abschiebung des Angolaners. I.A.A.D.H. 31.3.06; Pro-Afrika 25.4.06; BM 29.4.06; taz 29.4.06; BeZ 4.5.06; taz 6.5.06; I.A.A.D.H. 10.5.06 28. April 06 Stuttgart. Gegen 6 Uhr holen
Polizisten Vithusan (17 Jahre), Niruyala (16 Jahre) und Janesan (13 Jahre)
Vasanthakumaran aus dem Eduard-Pfeiffer-Heim ab. Die drei srilankischen Kinder
tamilischer Volkszugehörigkeit werden im vergitterten Polizeibus zum
Frankfurter Flughafen gebracht und sollen mit Dutzenden anderer Flüchtlinge
nach Sri Lanka ausgeflogen werden, ohne daß die Behörden den Aufenthaltsort
der Eltern kennen. Herr und Frau V. wurden im August 2005 verhaftet und ohne
ihre Kinder abgeschoben (siehe 24. August 05). Sie sehen für sich keine
Perspektive in Sri Lanka und wollen lieber getrennt von ihren Kindern leben,
als sie den Gefahren im neu aufgeflammten Bürgerkrieg auszusetzen. Auch ihre
drei Kinder wollen in Stuttgart bleiben, die Schule besuchen, Ausbildungen
absolvieren. Die
Abschiebung der Geschwister kann schließlich nur dadurch gestoppt werden, daß
ihr Rechtsanwalt, Stefan Gräbner aus Berlin, das Verwaltungsgericht Stuttgart
umgehend von der Festnahme informiert und dieses die Abschiebung vorläufig
aussetzt. Bereits im März 2006 wurde ein Eilrechtsschutzantrag beim
Verwaltungsgericht Stuttgart gestellt. Trotzdem wurde die Abschiebung weiter
betrieben. Am
frühen Morgen des 28. April 2006 werden die Kinder ohne Information des
Gerichts und des Anwalts zum Flughafen Frankfurt/M gefahren. Die Abschiebung
kann nur verhindert werden, weil die Vormünderin den Anwalt und dieser das
Gericht informiert. Nur weil das Gericht eine Zwischenverfügung erläßt, wird
die Abschiebung vorläufig bis zum 10. Juni 2006 untersagt. Die
Härtefallkommission entscheidet schließlich den Antrag der Kinder positiv.
Sie werden Aufenthaltserlaubnisse erhalten, sobald sie srilankische
Reisepässe vorlegen. Stefan Gräbner – Rechtsanwalt StZ 9.5.06 April 06 Eine kurdische Asylbewerberin
soll mit ihrem Sohn im Morgengrauen von der Polizei festgenommen werden, um
dem türkischen Konsulat vorgeführt zu werden. Dabei spielen sich dramatische
Szenen ab. Nur mit Mühe kann verhindert werden, daß die Frau in Panik aus dem
Fenster springt. Nach der Konsulatsvorführung werden Mutter und Sohn getrennt
in Abschiebehaft genommen; der Abschiebetermin wird für den Mai festgesetzt. Allein
aufgrund der Bemühungen der Rechtsanwältin, der NachbarInnen,
UnterstützerInnen und MitschülerInnen kommen Mutter und Sohn wieder frei und
werden vorübergehend geduldet. Die
Asylbewerberin ist seit vielen Jahren Witwe. Aufgrund der politischen
Aktivitäten ihres älteren Sohnes wurde sie in der Türkei verfolgt, mehrmals
verhaftet, auch vergewaltigt, um sie zur Preisgabe des Aufenthaltsortes ihres
Sohnes zu zwingen. Mit ihrem jüngeren Sohn war sie im Jahre 2000 in die BRD
geflohen und hatte Asyl beantragt. Da sie aufgrund ihrer Traumatisierung bei
den amtlichen Befragungen bestimmte Daten, Fristen und Details nicht präzise
genug nennen konnte, wurde ihr Asylantrag abgelehnt. Sie wurde zur Ausreise
aufgefordert. Zahlreiche
ärztliche Stellungnahmen belegen, daß sie durch die Gewalterfahrungen in der
Türkei und durch die langjährige Angst, dorthin zurückgeschickt zu werden,
psychisch krank, traumatisiert und extrem suizidgefährdet ist. Immer wieder
mußte sie in psychiatrischen Kliniken behandelt werden. Jede Konfrontation
mit einer Rückkehr in die Türkei führte zu einem erneuten Zusammenbruch und
machte alle Therapieerfolge zunichte. UnterstützerInnen berichten von
mehrfachen Suizidversuchen. So ist bekannt, daß sie sich in einer Klinik die
Treppe hinunterstürzen wollte und sich Schnittverletzungen am Unterarm
zufügte. Dies
ignorierend wird die schwer kranke Frau im Sommer 2007 zur amtsärztlichen
Untersuchung bestellt – vermeintlich zur Überprüfung der
vorliegenden ärztlichen Gutachten, die ihre psychische Erkrankung und schwere
Traumatisierung bescheinigen. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine
Reisefähigkeitsprüfung, die von anwesenden UnterstützerInnen als heimtückisch
und sehr belastend für die Kranke geschildert wird. Nach
drei Stunden Befragung sinkt sie ohnmächtig zusammen und wird mit einem
Krankenwagen in ein Krankenhaus gebracht. Erst nach etwa einer halben Stunde
kommt sie wieder zu sich, wird medizinisch versorgt und dann in die
Psychiatrie eingeliefert. Im
Herbst 2007 ist ein Termin beim Verwaltungsgericht. Sie ist psychisch nicht
in der Lage, dort zu erscheinen, und legt ein ärztliches Attest vor. Im
Januar 2008 wird die Härtefallkommission angerufen. Antirassistische Initiative Berlin Frühjahr 06 Niedersachsen. Der 27 Jahre alte
Rom Bojan Jovanovic geht wegen absoluter Aussichtslosigkeit seiner
Aufenthaltschancen in der BRD "freiwillig" nach Serbien zurück und
wird kurz danach zum Militär eingezogen. Wenige Wochen später wird er tot auf
seiner Pritsche gefunden. Als Todesursache wird von offizieller Seite
zunächst "Vergiftung durch Alkoholkonsum" angegeben. Danach heißt
es "Tod durch Drogen", und später soll Bojan Jovanovic an Essen
erstickt sein. Angehörige wissen, daß Bojan Jovanovic der dritte Mann ist, der
in dieser Kaserne "ohne Gewalteinwirkung" innerhalb kürzester Zeit
zu Tode kommt. Er ist der Vierzehnte, der in diesem Militärbezirk mit
gleichem Befund starb. Bojan
Jovanovic war mit 12 Jahren, also vor 15 Jahren, zusammen mit seinem Vater und der Großmutter in die BRD
gekommen. Er lebte von 1991 bis 2002 in Stadthagen, trieb Sport und plante,
eine Ausbildung zu beginnen. Mehrere Asylanträge wurden abgelehnt. Im Jahre
2002 reiste er von sich aus nach Serbien, kam nach einigen Monaten zurück und
wollte auch mit seinem engsten Freund und Cousin nicht über die Dinge
sprechen, die er dort erlebt hatte. Eines ist jedoch für seine Angehörigen
klar: Er fühlte sich bedroht und hatte große Angst vor einer weiteren
Rückkehr. Am 27. Oktober 2005 wird er aus der Abschiebehaft Langenhagen
heraus abgeschoben, kehrt dann aber auch wieder in die BRD zurück. Eine neue
Ablehnung des Asylantrages zwingt ihn schließlich zu dem verhängnisvollen
Schritt, erneut "freiwillig" nach Serbien zu gehen. SN 12.6.06 Frühjahr 06 Landkreis Göttingen in
Niedersachsen. Nach der Ablehnung ihres Asylantrages und aus Angst vor der
Abschiebung versucht die 40 Jahre alte Tschetschenin A., sich mit Tabletten
tödlich zu vergiften. Sie kommt in die psychiatrische Abteilung des
Landeskrankenhauses Göttingen, das sie nach zwei Wochen stationärer
Behandlung wieder verlassen kann. Frau
A. war im Jahre 2003 mit ihrer Mutter, ihrem Bruder und dessen Frau in die
BRD geflohen, nachdem es gelungen war, den Bruder aus russischer Haft
freizukaufen. Der Bruder war von russischen Soldaten verschleppt und dann
wochenlang in einer mit Wasser gefüllten Erdgrube festgehalten, systematisch
gefoltert und vergewaltigt worden. Frau
A. selbst berichtete erst im Laufe des Asylverfahrens von einer
Vergewaltigung durch einen russischen Polizisten. Diese Erinnerung löste eine
traumatische Reaktion aus, so daß eine Therapie eingeleitet wurde. GfbV März 2006; GfbV Dezember 2006 1. Mai 06 Fünf Männer zwischen 16 und 21
Jahren attackieren das Flüchtlingsheim im sächsischen Gelenau im Erzgebirge.
Sie treten die Eingangstür ein und zerstören Fenster und Rolläden. ZZ 13.5.06 1. Mai 06 Nordrhein-Westfalen. Im
Flüchtlingsheim von Königswinter, im Stadtteil Stieldorf, brennt es im ersten
Obergeschoß des Flüchtlingsheimes. Nachdem BewohnerInnen vergeblich versucht
haben, den Brand mit Feuerlöschern zu stoppen, wird um 18.55 Uhr die
Feuerwehr informiert. Den eintreffenden Rettungskräften gelingt es, 17
Erwachsene und 15 Kinder in Sicherheit zu bringen. Acht Personen werden mit
Rauchgasvergiftungen in umliegende Krankenhäuser gebracht. Als das Feuer
gelöscht ist, wird deutlich, daß ein Wohnraum, eine Küche und Teile des
Daches schwer beschädigt sind. GA 2.5.06 2. Mai 06 Abschiebegefängnis auf dem
Gelände der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Brandenburg in
Eisenhüttenstadt (ZABH). Ein russisch sprechender Gefangener verletzt sich
selbst mit einem scharfen Gegenstand an der Kehle. Nach einem zweitägigen
Krankenhausaufenthalt wird er ins Gefängnis zurückverlegt. Bericht eines Mitgefangenen 3. Mai 06 Hochsauerlandkreis im Bundesland
Nordrhein-Westfalen. In Marsberg werden morgens um 4 Uhr Frau Rustemi und
ihre fünf Kinder – Vlora (20 Jahre), Labinot (18 Jahre), Lirie (16 Jahre),
Vfosa (12 Jahre) und Leonora (7 Jahre) – aus den Betten geholt. Über den
Flughafen Düsseldorf erfolgt ihre Abschiebung nach Prishtina. Zunächst
kommen sie bei ihren Eltern in Bujanovac unter, einer kleinen Stadt in
Südserbien, wo sie sich allerdings nicht mit rechtlichem Status anmelden
können. Familie
Rustemi war 1993 vor dem Bürgerkrieg geflohen und wohnte seitdem in Marsberg.
Der heute 50-jährige Vater hatte seine Frau und seine Kinder jahrelang
sexuell mißbraucht und seine Gewalttaten auf Videofilmen und Fotos
festgehalten. Nachdem die älteren Kinder ihn dafür angezeigt hatten, wurde er
zu neun Jahren Haft verurteilt, die er zur Zeit in einem Gefängnis in
Nordrhein-Westfalen absitzt. Da er selber im Gerichtssaal und seine
Angehörigen im Kosovo deswegen Blutrache geschworen haben, tauchte sein
26-jähriger Sohn Valon, der die Anzeige aufgegeben hatte, kurz vor der
Abschiebung unter. Aber auch die übrigen Familienmitglieder leiden jetzt
unter der Bedrohung. Diese Gefahr war den Behörden vor der Abschiebung ebenso
bekannt wie die Notwendigkeit einer längerfristigen medizinischen Betreuung
wegen der schweren Traumatisierung von Mutter und Kindern durch die Taten des
Vaters. Diese notwendige Behandlung ist im Kosovo nicht durchführbar. Ende
August 2006 wird Frau Rustemi mit den Kindern durch serbische Behörden
zwangsweise nach Preshevo umgesiedelt, weil die älteren Kinder dort geboren
wurden. Damit verstärkt sich wieder die große Angst vor einem Racheakt, denn
sie müssen jetzt im selben Dorf leben wie die Familie des Vaters. Ein
sehr aktiver Unterstützerkreis versucht seitdem, eine Rückkehr der Familie zu
erreichen, deren körperliche und psychische Verfassung zunehmend desolater
wird. Der Petitionsausschuß des Landtages in Nordrhein-Westfalen hat sich
inzwischen einstimmig für die Wiedereinreise der Rustemis ausgesprochen – ein
bislang einmaliger Fall. Landrat und Ausländerbehörde verwiesen auf
angefallene Abschiebungskosten von € 10.000, die zunächst erstattet werden
müßten. Durch Spendensammlungen gelingt es den Marsberger BürgerInnen, diese
Summe zusammen zu bekommen. Doch
jetzt argumentiert die Ausländerbehörde mit einer unbefristeten
Wiedereinreisesperre, die für abgeschobene Flüchtlinge gelte. Nach intensiven
Bemühungen des Unterstützerkreises und der Kirchengemeinde Arnsberg wird
erreicht, daß die Wiedereinreisesperre auf fünf Jahre reduziert wird – aber
auch diese Zeit ist für die Mutter und die Kinder trotz regelmäßiger
Geldüberweisungen aus Marsberg kaum zu überstehen. Dagegen könnte ihr
Lebensunterhalt nach einer Rückführung durch Mittel aus dem
Opferentschädigungsgesetz bestritten werden; der Hochsauerlandkreis wäre also
von finanzieller Unterstützung befreit. Zudem haben die UnterstützerInnen
bereits das Geld für den Rückflug gesammelt, eine Wohnung angemietet und für
die zwei ältesten Kinder Lehrstellen gefunden. Im
Oktober 2007 wird bekannt, daß eines der Kinder an akuter Blinddarmentzündung
leidet. Erst nach Bezahlung der Operationskosten, die die Rustemis nicht
aufbringen können, sei eine Krankenhausaufnahme möglich. Sofort sammeln die
FreundInnen und die UnterstützerInnen und überweisen den benötigten Betrag in
der Hoffnung, daß er die Familie rechtzeitig erreicht. Erst
ein Bericht der Sozialbehörde im serbischen Preshevo an die Deutsche Botschaft
bringt Ende Oktober die Wende. Nachdem serbische Beamte die Unterbringung der
Familie Rustemi in Augenschein genommen haben, kommen sie zu dem Ergebnis,
daß dort eine erfolgversprechende Therapie der psychisch erkrankten Mutter
und ihrer fünf Kinder nicht zu gewährleisten sei. Am 31. Oktober geben
Landrat und Ausländerbehörde in einer Pressemitteilung bekannt, daß die
Familie ohne Auflagen oder Bedingungen wieder einreisen dürfe. Am 8. November
2007 kommt die Familie zurück und erhält eine Aufenthaltserlaubnis. taz NRW 11.1.07; www.kirchenkreis-arnsberg.de; FRat NieSa 19.12.07 4. Mai 06 Bundesland Hessen. Der kurdische
Flüchtling und abgelehnte Asylbewerber M. Ö. wird zusammen mit seiner schwangeren
Frau und zehn Kindern in die Türkei abgeschoben. Fünf deutsche Polizeibeamte
in Zivil begleiten sie auf dem Flug nach Istanbul. Nach
der Ankunft am frühen Nachmittag wird die Familie der türkischen
Flughafenpolizei übergeben. Ein Verhör der Eltern – getrennt voneinander –
schließt sich an. Der Inhalt der Fragen konzentriert sich auf den Grund ihres
Aufenthaltes und ihre politischen Aktivitäten in Deutschland. Nach
der Freilassung gehen alle in Richtung Busbahnhof, um von dort in ihr
Heimatdorf zu fahren. Ein PKW hält an, und zwei Männer in Zivil steigen aus.
Mit den Worten: "Wir sind mit Dir noch nicht fertig" packen sie den
Vater, schleppen ihn in ihren Wagen und fahren fort. Seither ist Herr Ö.
verschwunden. Auch im Februar 2007 gibt es keinerlei Lebenszeichen von ihm. Die
Eheleute Ö. waren im Jahre 1992 in die BRD geflohen, weil sie ins Visier der
türkischen Verfolgungsorgane geraten waren. Drei Monate nach ihrer Ankunft in
Deutschland wurde ihr erstes Kind geboren. Antirassistische Initiative Berlin 7. Mai 06 Abschiebehafthaus für Frauen der
JVA Düsseldorf in Neuss. Die 57 Jahre alte Chinesin Xiao Zhu erhängt sich in
der Mittagsstunde mit einer selbstgefertigten Wollkordel an einem Pfosten
ihres Doppelstockbettes. Als sie um 13.50 Uhr vom Seelsorger der Anstalt
gefunden wird, erfolgen sofortige Reanimierungsversuche durch einen
Krankenpfleger. Der gerufene Notarzt setzt die Maßnahmen fort, so daß Frau
Zhu um 14.35 Uhr zur weiteren Behandlung ins Johanna-Etienne-Krankenhaus
gebracht werden kann. Dort erliegt sie in den frühen Morgenstunden ihren
Verletzungen. Die
aus Shanghai stammende Frau war am 21. Januar 2006 in einem Bochumer
China-Restaurant von Zivilbeamten festgenommen worden, weil sie keine gültige
Aufenthaltserlaubnis vorlegen konnte. Ihr in Haft gestellter Asylantrag war
am 28. März vom Bundesamt abgelehnt worden. Als Frau Zhu am 20. April im
Amtsgericht Neuss ihren Abschiebebeschluß erfuhr, brach sie in Tränen aus,
kniete sich auf den Boden und betete. Für den 16. Mai war ein Vorführtermin
beim chinesischen Generalkonsulat in Frankfurt geplant, um einen für die
Abschiebung notwendigen Paßersatz zu bekommen. Im
Gegensatz zu offiziellen Verlautbarungen, die die Rundum-Betreuung der
gefangenen Frauen vor allem nach dem Suizid von Frau Zhu besonders
hervorheben, äußert sich eine Mitgefangene: "Es gibt keine Dolmetscher
im Knast, keine Hinweiszettel ...., die Frauen wissen nicht Bescheid. Sie
haben keine Ahnung, sie müssen warten." Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren 10.6.06; no-racism.net
23.11.07; LT NRW Vorlage
14/575; BT DS 16/9142 9. Mai 06 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. In der JVA Bützow versucht der Abschiebegefangene L.
B. sich zu töten. BT DS 16/9142 10. Mai 06 Löbau im Bundesland Sachsen. Der
21-jährige Flüchtling George C. aus Guinea wird von sieben deutschen Männern
rassistisch beleidigt ("Nigger, was machst du hier?"), dann zusammengeschlagen und – noch am
Boden liegend – getreten. Dabei erleidet der Angegriffene Schürfwunden und
Prellungen an Armen, Beinen, Rücken und Auge sowie eine Schnittverletzung am
Unterarm. Als
George C. am nächsten Tag Anzeige erstatten will, nehmen die Beamten ihm
seine Kleidung ab, und er wird – nur mit einer Unterhose bekleidet – für
sieben Stunden in einen Raum gesperrt. Als
Mitarbeiter der Opferberatungsstelle AMAL am nächsten Tag den Vorfall im
Revier aufzuklären versuchen, wird ihnen von den Beamten mitgeteilt, daß der
Mann deshalb so behandelt wurde, weil er irrtümlicherweise verdächtigt worden
war, jemanden bedroht zu haben. Der Überfall auf den Mann aus Guinea sei
lediglich als "Beleidigung" registriert worden. AMAL Sachsen 16.5.06; LR 18.5.06; SäZ 18.5.06 11 Mai 06 Glückstadt in
Schleswig-Holstein. Der 41 Jahre alte syrische Flüchtling Takosken A.
übergießt sich um 14.45 Uhr im Rathaus in Gegenwart seiner Sachbearbeiterin
mit Benzin und kündigt ihr an, sich anzuzünden, wenn sie ihm nicht mehr Geld
geben würde. Da die Frau die Ernsthaftigkeit der Situation nicht erkennt und
ihre Arbeit am Computer unbeirrt fortsetzt, geht der Syrer auf den Flur,
übergießt sich erneut mit Benzin, nimmt das Feuerzeug in die Hand und droht
wieder, sich zu entzünden. Einem
Rathaus-Mitarbeiter gelingt es schließlich, ihn zu beruhigen und ihn auf die
Toilette zu bringen, wo er sich der benzin-getränkten Kleidung entledigt. Die
gerufene Polizei bringt ihn später in die Psychiatrie des Krankenhauses
Itzehoe. Polizei Itzehoe 11.5.06; NR 12.5.06 11. Mai 06 Im sächsischen Löbau wird ein 27
Jahre alter Flüchtling aus Pakistan von zwei unbekannten Tätern überfallen
und niedergestochen. Der Verletzte muß mit schweren Stichverletzungen in eine
Dresdener Klinik eingeliefert werden. Weil
dem Mann 190 Euro Bargeld entwendet wurden, geht die Polizei davon aus, daß
eine rassistische Motivation für die Tat ausgeschlossen werden kann. SäZ 14.5.06; AMAL Sachsen 16.5.06; SäZ 18.5.06 15. Mai 06 Stendal in Sachsen-Anhalt. Um 6
Uhr morgens klingelt es an einer Wohnungstür im Flüchtlingsheim am Möringer
Weg. "Abschiebung sofort!" heißt es, und Nurten Aksoy wird
gefesselt. Dann wird sie mit ihrem Mann und den drei Kindern (8, 10 und 16
Jahre alt) in die Türkei abgeschoben. Die
Türkin Nurten Aksoy leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung –
sie ist akut suizidgefährdet. Da dies auch den Abschiebebehörden bekannt ist,
kommen die Beamten ohne Vorankündigung und fixieren Frau Aksoy umgehend,
damit sie sich nichts antun kann. Über Bremen erfolgt um 15 Uhr die
Abschiebung der Familie in die Türkei. Nurten
Aksoy, die mit einem Kurden verheiratet ist, war in der Türkei vergewaltigt
und gefoltert worden. Sie bekommt akute Panikattacken, wenn sie Menschen in
Uniform begegnet und war mehrmals in stationärer Behandlung. Nach mehreren
Selbsttötungsversuchen sollte sie jetzt im Zentrum für Folteropfer behandelt werden.
Nach
dem Abschiebeflug wird Herr Aksoy festgenommen und dann, eine Woche später,
frei gelassen. Nurten Aksoy geht es zunehmend schlechter. Sie leidet unter
unerträglichen Kopfschmerzen und bekommt so starke Schmerzmittel, daß sie
entweder schläft oder im Wachzustand vor Schmerzen schreit. Der örtliche Arzt
empfiehlt dringend einen Krankenhausaufenthalt, doch dafür fehlt der Familie
das Geld. Einer
Mitarbeiterin vom Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt gelingt es im Herbst, Kontakt
zur abgeschobenen Familie zu bekommen. Von Deutschland aus beschafft sie
einen für die Familie kostenlosen Therapieplatz in einem Behandlungszentrum
in Antalya. Dieser Platz kann nicht wahrgenommen werden, weil es der Familie
nicht gelingt, die Fahrt nach Antalya zu organisieren. Der Kontakt nach
Deutschland reißt danach ab. VM 16.5.06; VM 17.5.06; VM 21.5.06; Oda Jentsch – Rechtsanwältin 18. Mai 06 Bundesland Baden-Württemberg. In
der JVA Mannheim versucht der Abschiebegefangene A. Y. sich zu töten. BT DS 16/9142 21. Mai 06 Nordrhein-Westfalen. Die
Ausländerbehörde Coesfeld setzt erstmals die Abschiebung eines Ehepaares mit
drei Kindern (10, 7 und 3 Jahre) nach Afghanistan durch. Daß
die Abschiebung an einem Sonntag durchgeführt wird, wo juristische Interventionsversuche
nicht möglich sind, und daß die Familie keinerlei Telefonat führen darf, bis
sie am Frankfurter Flughafen im Flugzeug sitzt, bezeichnet der Dachverband
der afghanischen Hindus und Sikhs als eine eklatante Mißachtung der
Menschenrechte. Als
Angehörige des Hinduismus gerät die Familie durch die Abschiebung in direkte
Gefahr der Verfolgung durch die islamische Regierung und islamistische
Kräfte. In
Kabul kommt die Familie in einem Raum in einer Tempelruine unter – die Kinder
erkranken schwer; Geld für medizinische Behandlung ist nicht vorhanden. Dann
flüchtet die Familie weiter nach Indien, um dem Druck der religiösen
Verfolgung zu entgehen. Afghan Hindu-Sikh Verband in Deutschland 22. Mai 06 Rathenow in Brandenburg. Ein 31
Jahre alter togoischer Flüchtling ist mit dem Fahrrad auf dem Weg vom
"Kaufland" zurück zu seiner Unterkunft. Als er sich um 19.50 Uhr am
Birkenweg auf dem Gelände des ehemaligen Betonwerkes befindet, fährt ein mit
drei Männern besetzter BMW mehrmals auf ihn zu, offensichtlich in der
Absicht, ihn zu überfahren. Der Togoer weicht aus und kann sich schließlich
mit einem Sprung zur Seite retten. Ihm
gelingt es, sich im Unterholz so lange zu verstecken, bis der PKW
verschwindet. Der
am nächsten Tag ermittelte deutsche Fahrer des Wagens erklärt, daß er seinen
neu erworbenen BMW ausprobieren wollte. Von einem rassistischen Hintergrund
könne bisher keine Rede sein, so auch die Polizei. Der
Flüchtling erfährt infolge dieses Angriffes eine Posttraumatische
Belastungsstörung und befindet sich auch im Januar 2007 noch in
therapeutischer Behandlung. Opferperspektive; MAZ 23.5.06 25. Mai 06 Bundesland Hessen. Im
mittelhessischen Wohratal soll eine Georgierin in Abschiebehaft genommen
werden. Als sie die Tür öffnet und erfährt, warum
die Polizisten aus Stadtallendorf gekommen sind, flieht sie in ein Zimmer,
zieht aus dem Hosenbund zwei Rasierklingen und steckt diese in den Mund. Eine
weitere zieht sie hervor, um sich äußerlich zu verletzen. Wegen der hohen
Verletzungsgefahr ziehen sich die Polizisten zurück. Als
die Frau allerdings am 29. Mai ein Gebäude in Kirchhain verläßt, wird sie von
den auf sie wartenden Polizisten festgenommen. Bei ihrer Durchsuchung werden
erneut Rasierklingen in ihrer Unterhose gefunden. Polizei Mittelhessen 1.6.06 25. Mai 06 Im thüringischen Arnstadt wird
am "Herrentag" ein Flüchtling aus Sierra Leone von fünf Männern der
Freiwilligen Feuerwehr beleidigt und unter anderem als "Affe"
beschimpft. Er flieht in den Hof des Flüchtlingsheimes, wird dorthin
verfolgt, geschlagen und noch am Boden liegend getreten. Das
Amtsgericht Arnstadt spricht am 22. Juni 2008 die Angeklagten vom Vorwurf der
gefährlichen gemeinschaftlichen Körperverletzung frei, weil es die Aussage
der Angeklagten, der Flüchtling hätte die fünf deutschen Männer provoziert,
ebenso für möglich hält. FW 23.6.08 27. Mai 06 Der 48 Jahre alte Dursun Güner
aus der Türkei wird an der schweizerisch-deutschen Grenze aufgrund eines
bestehenden internationalen Haftbefehls festgenommen und in Untersuchungshaft
genommen. Er kommt in die JVA Lörrach. Drei Tage später stellen die
türkischen Justizbehörden ein Auslieferungsersuchen für den in der Schweiz
lebenden Flüchtling. Die
Türkei wirft dem ehemaligen Mitglied der in der Türkei verbotenen Partei
Türkiye Komünist Partisi und dem ehemaligen Mitglied des Vereins Emekder drei
Morde aus den Jahren 1978 bis 1981 vor. Diese
Vorwürfe sind sowohl den schweizerischen als auch den italienischen Behörden
seit der Asylantragstellung bekannt; sie wurden jeweils für haltlos befunden.
Italien hatte Dursun Güner politisches Asyl gewährt, nachdem er 1998 auch
dort verhaftet worden war. Seit drei Jahren lebte er mit seiner Frau und der
21-jährigen Tochter in der Schweiz. Am
12. Februar 2007, also achteinhalb Monate nach der Verhaftung, wird Dursun
Güner aufgrund eines Beschlusses des Oberlandesgerichts Karlsruhe aus der
Auslieferungshaft entlassen. indymedia 2.11.06; SOSF 12.2.07; OLG Karlsruhe 12.2.07 Mai 06 Sangerhausen in Sachsen-Anhalt.
Der 23 Jahre alte Boureima T., Flüchtling aus Burkina Faso, wird im Bahnhof
von einer Gruppe rechter Jugendlicher massiv angepöbelt und später
angegriffen. (siehe auch: November 06 und Dezember 06) Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt Mai 06 Bundesland
Thüringen. Einem Flüchtling aus Sierra Leone wird seit geraumer Zeit von drei
stadtbekannten Neonazis aufgelauert. Er wird bedroht, beschimpft, beleidigt
und geschlagen. Der Flüchtling erstattet Anzeige. THO Chronik (Ausländerbeirat Erfurt) 4. Juni 06 Bundesland Bayern. Am Abend um
20.34 Uhr des Pfingstsonntags geht ein Notruf bei den Feuerwehren in
Unterdürrbach und Würzburg ein. Im ersten Stock des Flüchtlingsheimes in der
Veitshöchheimer Straße brennt es. Main Post 6.6.06 16. Juni 06 Ludwigsfelde in Brandenburg. Ein
Flüchtling aus Liberia wird um 2.00 Uhr nachts in der Brandenburgischen
Straße von zwei 20- und 21-jährigen Rechten rassistisch beschimpft und
bedroht. Als die Aggressoren Sturmhauben über die Köpfe ziehen und ihn
verfolgen, gelingt ihm die Flucht. Opferperspektive 19. Juni 06 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In der JVA Büren versucht der Abschiebegefangene L. R. sich zu töten. BT DS 16/9142 24. Juni 06 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. Auf dem Bahnhof der Stadt Grimmen wird ein 29 Jahre
alter kurdischer Flüchtling aus der Türkei von zwei deutschen Männern
rassistisch beleidigt und beschimpft. Dann wird er von einem der Täter
festgehalten, und der zweite versucht, auf ihn zu urinieren. Danach schlagen sie auf den
Kurden ein und verletzen ihn im Gesicht. Er muß sich in ambulante Behandlung
begeben. Der
Polizei gelingt es, die beiden Täter kurze Zeit später im Stadtgebiet zu
stellen und vorläufig festzunehmen. Polizei Mecklenburg-Vorpommern; e110 26.6.06; ddp 26.6.06; jW 27.6.06; taz 27.6.06; JWB
5.7.06; LOBBI 25. Juni 06 Bundesland Niedersachsen. Beim
Löschen eines Zimmerbrandes in einem Braunschweiger Flüchtlingsheim erleidet
der Hausmeister eine Rauchgasvergiftung. Er kommt ins Krankenhaus. Ein
28-jähriger Georgier wird verdächtigt, sein Bett angezündet zu haben, wodurch
der Zimmerbrand entstand. Der Mann gilt als psychisch krank und hatte mit
Selbsttötung gedroht. Er wird am 24. Oktober im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens nach Belgien überstellt. BrZ 26.6.06; 26. Juni 06 Bundesland Brandenburg. Als der
togoische Flüchtling Abdoul-Marouf Issa-Gobitaka beim Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt einen Asylfolgeantrag stellen will, wird
er auf Veranlassung der Ausländerbehörde Rathenow festgenommen und kommt in
Abschiebehaft. Dies geschieht, obwohl sein Rechtsanwalt der Ausländerbehörde
mitgeteilt hat, daß sein Mandant aufgrund seiner schweren seelischen und
körperlichen Krankheiten einen Folgeantrag stellen wird, um hier weiter
behandelt werden zu können. Und dies geschieht rechtswidrig, zumal überhaupt
kein Haftbefehl vorliegt. Beim
Haftprüfungstermin am 30. Juni wird die Politik der Ausländerbehörde Rathenow
offenbar. Alle von ihr aufgeführten Haftgründe können aufgrund ihres unwahren
Gehaltes vom Rechtsanwalt umgehend durch Fakten widerlegt werden. Trotzdem
verhängt der Richter vom Amtsgericht Eisenhüttenstadt eine Inhaftierung des
Schwerkranken für einen Zeitraum von drei Monaten. Herrn
Abdoul-Marouf Issa-Gobitaka geht es schon lange gesundheitlich sehr schlecht.
Unlängst mußte er sich sieben Wochen lang in der Psychiatrie der Berliner
Charité behandeln lassen. Neben einer psychischen Erkrankung leidet er unter
anderem auch an einer Hepatitis C. Einige
Stunden nach dem Haftprüfungstermin muß er aus der Haft in die Notaufnahme
eines Krankenhauses transportiert werden. Im
Mai 2007 wird das Ermittlungsverfahren wegen Freiheitsberaubung gegen den
verantwortlichen Sachbearbeiter "mangels hinreichenden
Tatverdachts" von der Staatsanwaltschaft Potsdam eingestellt. DANBB; Antirassistische Initiative Berlin 30. Juni 06 Es ist 22.00 Uhr in Chemnitz in
Sachsen nach dem Weltmeisterschaftsspiel Argentinien-Deutschland. Als zwei 21
und 23 Jahre alte kurdische Flüchtlinge aus Syrien, die deutsche
Nationalfahne schwenkend, durch die Stadt gehen, lösen sich aus einer
30-köpfigen Gruppe Deutscher ca. 10 Personen und beschimpfen die Flüchtlinge
mit "Türken raus!", "Ausländer raus!" und anderen
Parolen. Dann greifen sie die Kurden tätlich an und schlagen auf sie ein.
Einer der Flüchtlinge wird dabei im Gesicht verletzt. AMAL Sachsen Juni 06 Flughafen Frankfurt am Main.
Herr und Frau S. und ihre beiden fünf und zehn Jahre alten Kinder sollen mit
fünf Begleitbeamten und einem Arzt nach Sri Lanka abgeschoben werden. Herr S.
zeigt bei der Ankunft am Flughafen akute Krankheitssymptome einer
Posttraumatischen Belastungsstörung. Er hat Todesangst und klammert sich an
seine Familie. Da er kein Deutsch spricht und keine ÜbersetzerInnen vor Ort
sind, muß seine 10-jährige Tochter übersetzen. Als
Herr S. sich auf dem Flugfeld weigert, den Polizeiwagen zu verlassen, wird er
die Flugzeugtreppe hinaufgetragen. Kurze Zeit später wird er blutüberströmt
die Treppe wieder heruntergetragen und ins Dienstfahrzeug der Bundespolizei
gesetzt. Er hat sich an diesem Tag ein zweites Mal den Kopf aufgeschlagen. Die
10-jährige Tochter wird erneut genötigt, dem Vater die
"Alternativen" zu übersetzen, die die Polizei ihnen bietet:
entweder die Mutter und Kinder werden ohne den Vater nach Colombo
abgeschoben, oder er geht "freiwillig" mit. Das kleine Mädchen
bricht in Tränen aus – muß aber weiter übersetzen. Da
deutlich wird, daß auch die Fluggesellschaft Herrn S. in seinem Zustand nicht
mitnehmen wird, kommt die Familie in die Flughafenklinik. Sie müssen mehrere
Male um etwas zu essen und zu trinken fragen, weil sie seit der Festnahme vor
12 Stunden nichts zu sich nehmen konnten. Sie bekommen ein Glas Wasser –
Essen ist nicht vorhanden. Wieder
in den Räumen der Bundespolizei zeigt Herr S. eine Überlastungsreaktion: er
kann weder laufen noch sitzen oder stehen. Die
Abschiebeabsichten werden schließlich aufgegeben, und die Familie wird zu
ihrem Wohnort zurückgebracht. Gegen Herrn S. wird Strafanzeige wegen
Widerstands erhoben. Abschiebungsbeobachtung FFM 2007 Juni 06 Flughafen Frankfurt am Main.
Nach 15-jährigem Deutschland-Aufenthalt soll Herr M. ohne Geld und ohne Gepäck
nach Ghana abgeschoben werden. Er hat ausschließlich seine Krankenakte bei
sich, in der steht, daß ihm ein Gehirntumor operativ entfernt worden ist, daß
eine plastische Operation noch ansteht, daß er unter hohem Blutdruck leidet
und daß er nicht flugreisefähig ist. Die Ausländerbehörde überreicht der
Bundespolizei allerdings eine Bescheinigung, die in einem Satz feststellt,
daß Herr M. flugreisetauglich sei. Der
für die Abschiebung vorgesehene Begleitarzt
bietet einen Tablettenvorrat für 14 Tage an – die Ausländerbehörde macht das
Angebot, dem Ghanaer ein Handgeld mitzugeben, mit dem er sich Tabletten für
mehrere Wochen besorgen könnte. Ob er diese lebensrettenden
Blutdruck-Medikamente in Ghana bekommen würde, kann nicht geklärt werden. Herr
M. lehnt diese "Angebote" ab, und die Bundespolizei beendet die
Abschiebung. Der
Begleitarzt jedoch bittet die Polizei, noch weiter mit dem Mann verhandeln zu
dürfen. Er verhält sich aufdringlich und droht dem Mann, daß er das nächste
Mal in Fesseln ins Flugzeug gebracht werde und zudem Ärger mit den Behörden
in Ghana bekäme. Der Mitarbeiterin der Abschiebungsbeobachtung FFM gegenüber
sagt er, daß man bei Afrikanern gesundheitliche Klagen nicht allzu ernst
nehmen solle. Das sei zum größten Teil Show. Als klar wird, daß die
Abschiebung nicht stattfinden wird, beklagt der Arzt seinen Verdienstausfall
und meint, daß es ihm noch nicht passiert sei, daß seine
"Überredungskünste" nicht geholfen hätten. Abschiebungsbeobachtung FFM 2007 3. Juli 06 In der Kölner Ausländerbehörde
an der Brückenstraße spielen sich am Vormittag dramatische Szenen ab. Gegen
10.05 Uhr erscheint ein 68-jähriger Kroate und bittet die Beamtin um die
Klärung eines "ausländerrechtlichen Problems". Als diese ihn an den
Gruppenleiter verweist, zieht er aus einer Tüte eine Plastikflasche, öffnet
diese und gießt den Inhalt über die Beamtin. Die Flüssigkeit riecht nach
Benzin, und die Frau beginnt, laut um Hilfe zu schreien. Der
Kroate läuft aus dem Raum, verläßt das Gebäude und springt etwa 200 Meter von
der Bastei entfernt in den Rhein. Ein
zufällig vorbeigehender Passant sieht den im Wasser treibenden Körper,
springt hinterher und zieht den Kroaten ans Ufer. Beide kommen vorerst in ein
Krankenhaus. Die
Motivation für die Tat des Kroaten ist unklar. Bei der ersten Vernehmung sagt
er, daß er der Beamtin einen "Denkzettel verpassen" und sich dann
anschließend umbringen wollte. Einerseits
ist er behördlicherseits mehrmals aufgefordert worden, seinen Paß im Amt
vorzulegen, damit "die Etikette zum dauerhaften Bleiberecht"
eingeklebt werden könne, Polizei Köln 3.7.06; KStA 4.7.06; rundschau-online 4.7.06; e 110 4.7.06 4. Juli 06 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. In einem Geschäft in Bad Doberan wird eine junge Frau
von einem Rassisten beleidigt und beschimpft, weil der Vater ihres Kindes ein
albanischer Flüchtling ist. Als dieser seiner Freundin zur Hilfe kommt,
schlägt der Täter mehrmals auf ihn ein. Dabei
erleidet der Albaner leichte Gesichtsverletzungen und muß sich in ambulante
Behandlung begeben. LOBBI 5. Juli 06 Nordrhein-Westfalen. Saban
Maloki nimmt einen Termin bei der Düsseldorfer Ausländerbehörde wahr. Der
Anlaß des Besuches ist ein Brief von der Behörde, in dem folgende Passage
steht: "Nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage sehe ich mich
in der Lage, Ihnen und Ihrer Familie Aufenthaltserlaubnisse gem. Paragraph
25, Abs. 5 AufenthG zu erteilen." Nach 15 Jahren in
Deutschland scheint dieser Brief der Familie Maloki nun endlich den ersehnten
Aufenthalt zu versprechen. Die dafür notwendigen Pässe für ihn selbst, seine
Frau Shemsije und seine drei Kinder Rajmond (14), Kastriot (12) und Erdona
(7) hatte Saban Maloki mühselig und für insgesamt 1200 Euro Gebühren
erstanden. Als
dem 44-Jährigen dort allerdings ein Formular vorgelegt wird, daß er dem
Verlassen der BRD bis zum 4. August zustimmt, verliert er die
Selbstkontrolle. Saban Maloki schlägt seinen Kopf auf den Tisch und gegen die
Wand. Er will aus dem Fenster springen, was ein Beamter verhindern kann. Er
versucht, sich mit seinem Feuerzeug anzuzünden, und wird schließlich vom
Rettungsdienst in die geschlossene Psychiatrie im Landeskrankenhaus in
Grafenberg gebracht. Auch hier noch versucht er, sich mit einem Telefonkabel
auf der Toilette zu erhängen. Saban
Maloki leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung und befindet sich
seit einem ersten Selbsttötungsversuch vor fünf Jahren in ärztlicher
Behandlung. WZ 24.7.06 6. Juli 06 Bundesland Baden-Württemberg. In
der JVA Rottenburg versucht der Abschiebegefangene S. L. sich zu töten. BT DS 16/9142 10. Juli 06 Bundesland Hessen. In der
Flüchtlingsunterkunft des Ortes Lohra "Auf dem Hundsacker" kommt es
um Mitternacht zu einem Brand durch einen defekten Deckenlüfter im
Badezimmer. Durch das schnelle Eingreifen der BewohnerInnen und der Feuerwehr
kann größerer Schaden verhindert werden. Niemand wird verletzt. Polizei Mittelhessen 10.7.07 10. Juli 06 Viersen in Nordrhein-Westfalen.
Ein 22-jähriger Asylbewerber aus dem Kongo wird gegen 23.00 Uhr in der neuen
Park- und Teichanlage an der Greefsallee wegen seiner Herkunft aus Afrika
rassistisch beleidigt. An einer kleinen Brücke greifen ihn dann die vier
betrunkenen Männern tätlich an. Es
gelingt dem Kongolesen, sich erfolgreich zu wehren und dann zu fliehen. Er
erstattet am nächsten Tag bei der Polizei Anzeige. Der Staatsschutz der
Mönchengladbacher Kriminalpolizei nimmt Ermittlungen wegen Beleidigung und
gefährlicher Körperverletzung auf. Der
Asylbewerber lebt seit 12 Jahren in der Bundesrepublik. Polizei Mönchengladbach 12.7.06; ddp 12.7.06; JWB 19.7.06; WZ 19.7.06; Polizeilicher Staatsschutz Mönchengladbach 13.2.08 13. Juli 06 Freienbessingen in Thüringen.
Drei maskierte Männer schlagen vor der Gemeinschaftsunterkunft für
AsylbewerberInnen mit Holzknüppeln auf geparkte Autos ein und zertrümmern die
Front- und Heckscheiben. Die Polizei nimmt die Täter fest. MOBIT (Polizei Nordhausen) 16. Juli 06 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. Bei einem Feuerwehrfest in der Ortschaft Niepars
werden ein 22- und ein 25-jähriger irakischer Flüchtling von mehreren
Rassisten belei digt, beschimpft und
aufgefordert, das Fest zu verlassen. Die Angegriffenen bleiben zunächst auf
dem Fest, aber als eine größere, ca. 15-köpfige Gruppe bedrohlich auf sie
zukommt, fliehen sie. Im
Eingangsbereich eines Wohnhauses werden sie von den Verfolgern heftig
geschlagen. Dabei erleiden beide Iraker Prellungen und Blutergüsse – der
25-jährige zudem einen Nasenbeinbruch. Als es ihnen gelingt, in eine Wohnung
zu flüchten, versuchen die Angreifer, diese Wohnung zu stürmen, indem sie
gegen die Wohnungstür rammen. Dabei wird eine junge Frau aus Dänemark
verletzt, die sich in der Wohnung aufhält. Die
Polizei nimmt zunächst einen 19-jährigen als Hauptverdächtigen fest, der am
nächsten Tag wieder freikommt. Der Staatsschutz nimmt die Ermittlungen auf. ddp 16.7.06; jW 17.7.06; JWB 26.7.06; e110 1.8.06; LOBBI (OZ) 19. Juli 06 Das Amtsgericht
Berlin-Schöneberg entscheidet bei einem Haftprüfungstermin, daß die Haft des
seit neun Monaten in Abschiebehaft sitzenden 41-jährigen Liberianers Juluous
Denes nicht noch einmal verlängert wird. Noch während der Flüchtling seine
Sachen packt, entscheidet dasselbe Gericht unter Vorsitz desselben Richters,
daß einem neuen Haftantrag gegen dieselbe Person umgehend stattgegeben wird.
Mit der Begründung, der Häftling hätte seine Identität verschleiert, lautet
der aktuelle Haftbefehl jetzt auf den Namen Bamiro Babatunde Ayodele, der
u.a. auch versucht habe, seine Abschiebung zu verhindern. Der
eigentliche Haftverlängerungsantrag der Ausländerbehörde war bei Gericht
verloren gegangen und tauchte erst nach der Gerichtsentscheidung wieder auf,
so daß die Ausländerbehörde einen neuen Haftantrag stellen mußte, um den
Flüchtling weiter in Haft zu halten. Versuche der Behörde, ihn nach Nigeria
und Liberia abzuschieben, waren an fehlenden Identitätspapieren gescheitert. Bei
dem neuerlichen Haftprüfungstermin am 27. Juli kann die Ausländerbehörde
keinen geplanten Abschiebetermin nennen, woraufhin der Gefangene freigelassen
wird. taz 25.7.06; taz 29.7.06 19. Juli 06 Landkreis Wittmund in
Niedersachsen. Morgens um 5 Uhr beginnt die Abschiebung der armenischen
Familie Mamojan. Frau Mamojan und die erwachsene Tochter sind psychisch
schwer krank. Ein Amtsarzt hatte sowohl schwere
Erkrankungen, als auch die "Reisefähigkeit" festgestellt, ohne auch
nur mit den Frauen gesprochen zu haben. Die
Festnahme löst bei Frau Mamojan einen Zusammenbruch aus, so daß sie ins
Landeskrankenhaus gebracht werden muß. Die Abschiebung der Tochter kann im
letzten Moment auf dem Flughafen Frankfurt durch eine Entscheidung des
Verwaltungsgerichts Oldenburg gestoppt werden, das in einem sofort
angestrengten Eilverfahren die Rechtswidrigkeit der Abschiebung festgestellt
hat. Herr
Mamojan wird jedoch mit drei minderjährigen Kindern um 15 Uhr nach Armenien
abgeschoben. FRat NieSa 19.7.06
21. Juli 06 Bundesland Rheinland-Pfalz. Als
die Polizei – zusammen mit einem Vollzugsdienst – um 5.30 Uhr in Otterberg an
der Wohnung eines abgelehnten Asylbewerbers erscheint, um ihn in den Sudan
abzuschieben, springt dieser aus dem Fenster. Ob der 31-Jährige sich bei dem
Sturz aus dem 2. Stock verletzt hat, ist unbekannt, denn es gelingt ihm die
Flucht, und er gilt für die Behörden als "untergetaucht". Polizei Westpfalz 24.7.06; Kreisverwaltung Kaiserslautern 11.12.06 23. Juli 06 Bundesland Brandenburg. Weil ein
Potsdamer im Wohngebiet am Schlaatz sich beim Fernsehen durch Straßenlärm
gestört fühlt, bedroht er eine vierköpfige Flüchtlingsfamilie aus Nigeria mit
einer Axt und fordert sie auf zu verschwinden. Das
Ermittlungsverfahren, das nach einer Anzeige der Bedrohten eingeleitet wird,
endet mit einem Vergleich und der Zahlung einer Geldstrafe für den Potsdamer.
PNN 5.8.06; Opferperspektive
26. Juli 06 Abschiebelager Bramsche-Hesepe
in Niedersachsen. Der 31 Jahre alte Michael Yakoub Hana, abgelehnter
Asylbewerber aus Palästina, klettert um 9.00 Uhr auf den Schornstein eines
Gebäudes der Zentralen Aufnahmestelle und Ausländerbehörde (ZAAB) und droht,
sich in die Tiefe zu stürzen. Erst nach einer schriftlichen
Versicherung der Ausländerbehörde, daß seine "Umverteilung" nach
Oldenburg-Blankenburg aufgehoben ist, klettert der Palästinenser nach drei
Stunden in den Rettungskorb der Feuerwehrleiter und läßt sich wieder
herunterfahren. Er kommt in die Psychiatrie nach Osnabrück. Er
ist einer von den Flüchtlingen, die die menschenverachtenden Zustände im
Abschiebelager auch öffentlich gebrandmarkt haben. So sieht er die ultimative
Aufforderung der Behörde, der "Umverteilungsanordnung" nach
Oldenburg innerhalb von 48 Stunden nachzukommen, als eine Willkür- und
Disziplinierungsmaßnahme. Vor kurzem sind noch andere politisch aktive
Flüchtlinge aus dem Lager weggebracht worden. Trotz
der schriftlichen Zusage der Behörde und nach einer Nacht in der Psychiatrie
in Osnabrück wird der Flüchtling am nächsten Morgen unter Schlägen, Würgen
und mit einer straffen Fesselung der Hände durch drei Beamte der
Ausländerbehörde nach Oldenburg gebracht. Ihren Wortbruch begründet die Behörde
damit, daß unter Umständen der Nötigung eine solche Vereinbarung keine
Rechtskraft erlangen könne. Michael
Yakoub Hana beginnt einen Hungerstreik und kehrt nach Bramsche zurück, um
hier in der Innenstadt gegen seine Umverteilung zu demonstrieren. Am Ende der
Kundgebung erleidet er einen Kreislaufzusammenbruch und kommt ins
Johanniter-Hospital Bramsche. Danach erfolgt seine Verlegung in die
Psychiatrie nach Osnabrück. Nach
seiner Entlassung wird er erneut gegen seinen Willen nach
Oldenburg-Blankenburg gebracht, wogegen er wieder mit einer demonstrativen
Rückkehr nach Bramsche-Hesepe protestiert. Letztendlich wehrt er sich – von
Oldenburg aus – vor allem juristisch gegen die willkürliche Umverteilung und
gegen den Wortbruch der Behörden. no lager bremen; BN 27.7.06; taz-Nord 28.7.06; BN 31.7.06 28. Juli 06 Auf der Bahnfahrt von Erfurt
nach Weimar werden acht Mädchen und Jungen aus dem Flüchtlingsheim in Weimar
von zwei deutschen Männern beleidigt und bedroht. Erst durch das Eingreifen
eines couragierten Mitreisenden wenden sich die Rassisten von den Kindern ab,
greifen allerdings jetzt den Verteidiger an und schlagen auf ihn ein. Am
Bahnhof Weimar beendet dann die Polizei die Auseinandersetzung. TLZ 1.8.06; JWB 9.8.06 29. Juli 06 Bernburg in Sachsen-Anhalt. Ein
36 Jahre alter Flüchtling aus Burkina Faso wird von vier "rechtsextrem
aussehenden Personen" aus einem Auto heraus verbal bedroht. Als einer
der Provokateure aussteigt, dem Flüchtling nachläuft, dabei mehrfach den
sogenannten Stinkefinger zeigt und laut "Hau ab!" und "Ho, ho,
ho" ruft, flüchtet der Afrikaner in Todesangst in eine nahe gelegene
Polizeistation. Die
Beamten stellen zwar fest, daß der Tatverdächtige einschlägig als
Rechtsextremist bekannt ist, weigern sich allerdings zunächst, die Anzeige
aufzunehmen. Erst
mit Hilfe einer Rechtsanwältin werden zwei Monate später die Ermittlungen
aufgenommen. Am
6. September 2007 verurteilt das Amtsgericht Bernburg den Haupttäter zu einer
Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 20,00 Euro. Eine Verurteilung wegen
Nötigung, wie die Staatsanwaltschaft beantragte, erfolgt nicht, weil der
Beweis für den Vorsatz der Tat nicht erbracht werden kann. Beide Seiten gehen
in Berufung. 28.
September 2008 verurteilt das Landgericht Magdeburg den Täter zu einer
Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung. Zwei Zeugen, die in dieser
Berufungsverhandlung für den Angeklagten ausgesagt hatten, werden am 23.
Januar 2009 wegen uneidlicher Falschaussage zu je 100 Arbeitsstunden
verurteilt. (siehe auch: 24. September 06) TS 14.6.07; ap
14.6.07; ddp 14.6.07; ad-hoc-news.de
14.6.07; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 30. Juli 06 Karlsruhe in Baden-Württemberg.
Im ersten Obergeschoß eines Gebäudes der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge
(LASt) sind morgens um 7.30 Uhr aus unbekannter Ursache im Flur abgestellte
Gegenstände in Brand geraten. Die BewohnerInnen retten sich über Notausgänge,
so daß niemand verletzt wird . KaN 31.7.06 1. August 06 Bundesland Brandenburg. Um 23.30
Uhr kommt ein vollbesetzter 3er BMW mit 180 Stundenkilometern in einer
Linkskurve kurz vor Dannenreich von der Straße ab und rast in drei Bäume
hinein. Der Wagen wird durch den Aufprall zerrissen und fängt Feuer. Direkt
am Unfallort sterben vier Flüchtlinge. Es sind die Frauen Nguyên Thi Lan
(25), Dang Thi Thê (47) und die Männer Gioan Nguyên Duc Chinh (24) und Vinh
X. (29). Zudem kommt der 56 Jahre alte vietnamesische Fahrer Nguyên Van Tôn
zu Tode. Im Krankenhaus erliegt ein 31 Jahre alter Mitfahrer aus Tschechien seinen
Verletzungen. Die
36 Jahre alte Vietnamesin Nguyên Thi Hat überlebt mit schwersten
Verletzungen, die durch die immense Erschütterung ihres Körpers infolge des
Aufpralls entstanden sind. Sie hatte sich zum Zeitpunkt des Aufpralls hockend
im Fußraum des Wagens befunden. Sie kommt auf die Intensiv-Station des
Cottbusser Krankenhauses. Ihr Mitfahrer Thang Xuan Cao – ebenfalls
schwerstverletzt – wird ins Krankenhaus von Bad Saarow transportiert. Der
18-Jährige hat diverse Verletzungen der inneren Organe und muß mehrmals
operiert werden. Es
stellt sich schnell heraus, daß es sich bei dem Unfall um das Ende einer
polizeilichen Verfolgungsjagd handelt, einer Maßnahme, die unter der Führung
der Bundespolizei innerhalb eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft
Leipzig gegen den Vietnamesen Nguyên Van Tôn aus Leipzig durchgeführt wird.
Die Ermittlungen gegen diesen Mann, der bei dem Unfall ums Leben kommt,
werden wegen des Verdachtes auf Fluchthilfe seit zwei Monaten geführt. Die
Bundespolizei hatte einen Transporter mit vietnamesischen Flüchtlingen
bereits ab der tschechischen Grenze beobachtet und zunächst über die Autobahn
A13 verfolgt. Bei der Abfahrt Ragow in Brandenburg stiegen mindestens sechs
Personen in einen BMW, der dann in Richtung Berlin weiterfuhr. Als die
Bundespolizei versuchte, den mit insgesamt acht Personen völlig überladenen
BMW zu stoppen, konnte der Fahrer ausweichen und durch zunehmende
Geschwindigkeit zunächst flüchten, wurde aber weiter verfolgt. Zwölf Minuten
später kam es kurz vor der Ortschaft Dannenreich zu dem folgenschweren
Unfall. Nach
sechs und sieben Wochen Krankenhaus-Aufenthalt können die beiden Überlebenden
des Unfalles die Krankenhäuser verlassen. Durch Intervention ihrer
Rechtsanwältinnen kann ihnen ein längerer Aufenthalt in der Zentralen
Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt
(ZASt) erspart bleiben, und sie kommen gemeinsam in einem Heim in der Nähe
von Berlin unter. FRat Brbg; Antirassistische Initiative Berlin; TS 2.8.07; taz 2.8.07 4. August 06 Berlin. Bei dem Versuch, die
51-jährige Kurdin Celele K. und sechs ihrer Kinder abzuschieben, bricht die
chronisch kranke Frau zusammen und muß mit einem Notarztwagen in ein
Krankenhaus gebracht werden. Zwei ihrer minderjährigen Söhne, Ramadan (16)
und Asraf (17), und der volljährige Saban (19) werden festgenommen und kommen
ins Abschiebegefängnis Köpenick. Frau
K. lebt seit 1989 in Berlin und ist seit langer Zeit von ihrem Mann getrennt.
Sie ist Mutter von 12 Kindern. Im
Jahre 1999/2000 beantragte die Familie eine Aufenthaltsbefugnis nach der
damals geltenden Altfallregelung. Zu der Zeit lebten noch neun Kinder im
Haushalt der Mutter. Gegen die Meinung des Sozialamtes und obwohl der
Alleinerziehenden das alleinige Sorgerecht zugesprochen worden war, bestand
die Ausländerbehörde auf dem Nachweis einer Erwerbstätigkeit von Frau K. Während
im Laufe der Jahre die volljährig gewordenen Kinder Aufenthaltsbefugnisse
bekamen, erhielten Frau K. und die minderjährigen Kinder weiterhin Duldungen.
Heute
haben fünf ihrer älteren Kinder feste Aufenthaltsrechte und zwei von ihnen
die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Frau
K. hatte vor ihrer Flucht in die BRD überwiegend im Libanon gelebt und
spricht demzufolge nur Arabisch und Deutsch. Ihre Familie lebt heute noch im
Libanon, Familienangehörige in der Türkei existieren nicht. Aber dorthin, so
plant die Ausländerbehörde, soll Frau K. nach 17 Jahren
Deutschland-Aufenthalt abgeschoben werden. FRat 14.8.06 6. August 06 Bad Doberan in
Mecklenburg-Vorpommern. Ein junger Flüchtling aus dem Irak wird von einer
Gruppe Deutscher angegriffen. Er wird mit einer Flasche beworfen, und dann
schlagen zwei Täter auf ihn ein, andere halten seine Freundin fest, die ihm
helfen will. Als die Angreifer für einen kurzen Moment die Attacken gegen ihn
einstellen, kann er flüchten. Mit
seinen Verletzungen geht der Iraker ins Krankenhaus, und ein erlittener
Nasenbeinbruch muß operiert werden. Dieser Behandlung schließt sich eine
langwierige ambulante Therapie an. Das
Amtsgericht Bad Doberan verurteilt einen der Angreifer am 4. September 07 zu
einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Wenige Tage vor der
Verhandlung gegen den zweiten Schläger, die am 31. März 08 stattfindet, reist
der Iraker "freiwillig" aus, um der seit langem drohenden
Abschiebung zu entgehen. Damit beendet er gezwungenermaßen nach neun Jahren
seinen Aufenthalt in der BRD, die dem irakischen Christen keinen Schutz
gewähren wollte. LOBBI 8. August 06 Bundesland Baden-Württemberg.
Der anerkannte politische Flüchtling Muzaffer Ayata wird auf dem Hauptbahnhof
Mannheim festgenommen. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 50-jährigen Kurden
vor, "Rädelsführer" und somit Teil des "Funktionskörpers"
der in Deutschland als "kriminelle Vereinigung" eingestuften PKK zu
sein. Durch seine Tätigkeit habe er dazu beigetragen, den
"organisatorischen Zusammenhang" zu festigen. Muzaffer
Ayata war aufgrund seiner politischen Tätigkeit im März 1980 in der Türkei
festgenommen und zum Tode verurteilt worden. Dieses Urteil wurde später zu
einer 40-jährigen Freiheitsstrafe umgewandelt. Nach über 20 Jahren Haft in
türkischen Gefängnissen erfolgte im September 2000 die Entlassung aus Bursa.
Im Mai 2001 verließ er die Türkei und beantragte in der BRD Asyl. Von der
erlittenen Verfolgung und der Folter hat Muzaffer Ayata heute bleibende
körperliche Schäden, und er leidet zudem unter einer Posttraumatischen
Belastungsstörung. Sein
Antrag auf politisches Asyl wurde abgelehnt, jedoch bekam er am 21. März 05
Abschiebeschutz zugesprochen. In
der BRD ist Muzaffer Ayata Ansprechpartner für die kurdische Partei
HADEP/DEHAP bzw. deren Nachfolgeorganisation Demokratik Toplum Partisi (DTP).
Seit Jahren setzt er sich in zahlreichen Beiträgen, Analysen und Kommentaren
für einen Dialog und eine friedlich-politische Lösung des kurdisch-türkischen
Konfliktes ein. Seit
dem 24. Mai 2007 steht Muzaffer Ayata vor dem Staatsschutzsenat des
Oberlandesgerichtes Frankfurt wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in der PKK/KONGRA-GEL
(§ 129 StGB). Im Dezember 2007 fordert das türkische
Justizministerium seine Auslieferung und begründet dies – entsprechend einer
Akte der Oberstaatsanwaltschaft Diyarbakir – mit dem Verdacht, daß Muzaffer
Ayata für die Finanzen der PKK in Europa zuständig sei und als Vorsitzender
des Vereins kurdischer Arbeitgeber (KARSAZ) 500 Firmen koordinieren würde. Obwohl Muzaffer Ayata sich
bereits in Haft befindet, erläßt das Oberlandesgericht Frankfurt im März 2008
die Anordnung der Auslieferungshaft. Sechs Monate später wird der Widerspruch
dagegen vom Oberlandesgericht akzeptiert, weil die türkische
Staatsanwaltschaft keinerlei Beweise für ihr Ersuchen vorgelegt hat. Am
10. April 2008 wird Muzaffer Ayata zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.
Das Oberlandesgericht sieht es als erwiesen an, daß der kurdische Politiker
in der Funktion als Sektorleiter Süd führendes Mitglied und Rädelsführer
einer "kriminellen Vereinigung" (§ 129 StGB) ist. Im
Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof wird am 10. November dieses
Urteil aufgehoben. Das
Oberlandesgericht kommt in der Neuverhandlung am 9. März 2009 zu einem Urteil
mit einem um vier Monate reduzierten Strafmaß. Die Revision Muzaffer Ayatas
gegen dieses Urteil wird schließlich am 7. Juli 2009 vom Bundesgerichtshof
bestätigt. Am 17. Oktober 09 wird er nach verbüßter Strafe aus der JVA
Weiterstadt entlassen. Weil
das Regierungspräsidium Stuttgart seine Ausweisung verfügt hat, hat Muzaffer
Ayata nur noch den Status einer Duldung. Er muß sich täglich (!) bei der
Polizei melden und darf das Stadtgebiet von Stuttgart nicht verlassen. Im
Februar 2012 untersagt das Ordnungsamt dem inzwischen 56-jährigen kurdischen
Exilpolitiker jede politische Betätigung "zu Gunsten" der
PKK/Kadek/Kongra-Gel/KKK und KCK und Yek-Kom (Förderation der kurdischen
Vereine in Deutschland). Im Gegensatz zu den erstgenannten Organisationen ist
Yek-Kom in der BRD nicht verboten. Der Maulkorberlaß gilt für
"politische Reden, Pressekonferenzen und schriftliche Veröffentlichungen".
Mit einer akribisch geführten Liste, in der die Orte, die Zeiten und die
Inhalte der mündlichen und schriftlichen Äußerungen von Muzaffer Ayata
dokumentiert sind, versucht die Behörde, die Maßnahme zu begründen. ISKU 14.8.06; AZADI 19.12.06; ISKU 6.12.07; AZADI – infodienst Nr. 61 Dezember 2007; NüNa Dezember 2007; AZADI – infodienst Nr. 64 März 2008; AZADI 10.4.08; AZADI – infodienst Nr. 65 April 2008; jW 6.6.08; AZADI – infodienst Nr. 71 Oktober 2008: AZADI – infodienst Nr. 72 November 2008; AZADI – infodienst Nr. 73 Dezember 2008; AZADI
9.3.09; AZADI – infodienst Nr. 79 Juli 2009; jW 7.10.09; jW
15.5.10; AZADI – infodienst Nr. 110 Febr. 12; AZADI – infodienst Nr. 115 Juli 12 11. August 06 Flughafen Frankfurt am Main. Es
ist der dritte Abschiebeversuch für den 20 Jahre alten Kurden Serif Akbulut.
Er ist mit Klettbändern so stark gefesselt, daß seine Hände schmerzen und
blau angelaufen sind. Wie bei den vorherigen Abschiebungsversuchen wehrt er
sich, indem er um Hilfe ruft und laut protestiert. Der Pilot der
Lufthansa-Maschine sagt ihm, daß er ihn trotz des Protestes ausfliegen wird.
Áls Serif Akbulut sich weigert, sich zu setzen, wird er von Beamten der
Bundespolizei geschlagen und schließlich wieder aus dem Flugzeug
herausgebracht. Mit Hämatomen am Hals und an den Fingern kommt er zurück in
die JVA Wiesbaden. Wegen
Verfolgung und Folter waren seine Eltern 1998 mit ihrem damals 12-jährigen
Sohn Serif aus der Türkei geflohen und hatten in der BRD Asylanträge
gestellt. Fatma
Akbulut ist schwer traumatisiert – ihr Mann Ali Akbulut (63) leidet unter
schwerem Asthma. Seit den ersten Abschiebeankündigungen hat sich die
psychische Erkrankung von Fatma Akbulut deutlich verschlechtert. Es gibt
inzwischen 18 ärztliche Bescheinigungen von der behandelnden Psychiaterin und Neurologin, 12 Bescheinigungen
der Main-Kinzig-Kliniken in Schlüchtern und mehrere Berichte des
Psychiatrischen Notdienstes Schlüchtern, in denen die ausgeprägten
Depressionen, die Panikattacken, die dissoziativen Anfälle und ihre
Suizidalität beschrieben werden. Seit
seinem 15. Lebensjahr hat sich ihr jüngster Sohn Serif intensiv um sie
gekümmert und sämtliche Belange der Familie geregelt. Am
7. Juli morgens um 6.30 Uhr war Serif Akbulut zu Hause in Schlüchtern abgeholt
worden und befand sich um 11.45 Uhr bereits in einer Maschine der Turkish
Airlines. Er wehrte sich, woraufhin sich der Pilot weigerte, ihn mitzunehmen.
Serif Akbulut kam in die JVA Preungesheim in Abschiebehaft. Am
15. Juli brach seine Mutter Fatma Akbulut aufgrund der Inhaftierung ihres
Sohnes und aufgrund der Abschiebedrohung gegen sie selbst mehrmals zusammen
und kam in eine Klinik. Als sie zwei Tage später Polizisten auf den Gängen
sah, bekam sie weitere Panikattacken und floh aus der Klinik. Sie war
verwirrt und desorientiert. Auch
bei dem zweiten Abschiebeversuch am 8. August war es Serif Akbulut gelungen,
den Piloten der slowenischen Adria Air zu überzeugen, daß er nicht mitfliegen
wolle. Er kam zurück in Haft – diesmal in die JVA Wiesbaden. Die
Unterstützung für die Familie Akbulut war groß. Mit Demonstrationen,
Petitionen und Offenen Briefen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und
vieler Einzelpersonen wurde mit zunehmender Intensität ein Bleiberecht für
die Familie gefordert. Dies blieb erfolglos. Daß
der vierte Anlauf, Serif Akbulut abzuschieben, den Behörden gelingt, liegt an
dem unumstößlichen Abschiebewillen der Verantwortlichen. Am 5. September 2006
wird Serif Akbulut zum Flughafen Leipzig/Halle geschafft und dort in ein
Kleinflugzeug der FSH Luftfahrtunternehmen GmbH in Schkeuditz gebracht. Der
20-Jährige ist mit der Spezialfesselung, dem Bodycuff, während der Zeit am
Flughafen und während des Fluges verschnürt und wird von zwei mitfliegenden
Bundespolizisten und einem Arzt bewacht. Um 11.30 Uhr startet die Maschine in
Richtung Türkei. Im
Februar 2007 hat Serif Akbulut seine deutsche Freundin in der Türkei
geheiratet und hofft auf eine Rückkehr zu seiner Familie. Das
Regierungspräsidium schickte inzwischen die Rechnung zu den drei
Abschiebeversuchen, der Abschiebung und zwei Monaten Abschiebehaft. Die
Summe, die Serif Akbulut zu zahlen hat, beläuft sich auf 21.018,76 Euro. (siehe auch: 13. Februar 07) Bündnis für Bleiberecht Hanau; KiN 8.7.06; NRhZ 12.7.06; FR 13.7.06; KiN 15.7.06; NRhZ
18.7.06; FR 19.7.06; KiN 19.7.06; KiN 22.7.06; KiN 27.7.06; FR 28.7.06; FR 2.8.06; KiN 3.8.06; KiN 10.8.06; KiN 11.8.06; KiN 12.8.06; KiN 15.8.06; KiN 24.8.06; KiN 26.8.06; KiN 30.8.06; jW 30.8.06; FRat Hessen 5.9.06; HR-online 5.9.06; FR 5.9.06;
KiN 5.9.06; indymedia 5.9.06;
hr-online 5.9.06; FR 6.9.06; Main-Echo
6.9.06; KiN 6.9.06; freiheit-fuer-serif.tk 4.2.07; Abschiebungsbeobachtung FFM 2007 12. August 06 Lünen in
Nordrhein-Westfalen. Die seit über sechs Wochen auf dem Marktplatz (Willy-Brandt-Platz)
vor dem Rathaus von Lünen protestierenden iranischen Flüchtlinge werden
morgens um 2.30 Uhr von fünf angetrunkenen Deutschen rassistisch beschimpft
und tätlich angegriffen. Einer uriniert an das Zelt der Flüchtlinge, ein
anderer droht, es anzuzünden. Sie werfen mit vollen Bierflaschen und rufen
"Heil Hitler!". Einer der Täter trägt eine Gürtelschnalle mit einem
Hakenkreuz. Das Zelt der Flüchtlinge bricht zusammen. Einer der Flüchtlinge
wird am Fuß verletzt und muß im Krankenhuas behandelt werden. Die Polizei
findet im nachhinein ein Messer am Tatort. Cherag
Ansari, Khanpurd Said, Davoud Razavi und Amir Tajrishi begannen ihre Aktion
am 20. Juni, nachdem sie aus ihrer 3-Zimmer-Wohnung durch die Stadt
zwangsgeräumt wurden. Sie, die zum Teil seit neun Jahren in Lünen leben,
protestieren jetzt Tag und Nacht gegen die Unterbringung in einem sogenannten
Übergangsheim in Lünen-Alstedde in einem 24 Quadratmeter großen
Vier-Bett-Zimmer. Sie protestieren gegen ein Heim, in dem Personen- und
Anwesenheitskontrolle als normal gelten. Alle
Verhandlungsversuche der UnterstützerInnen der Flüchtlinge und von
PolitikerInnen scheitern an der vermeintlichen Rechtschaffenheit der
Behörden. "Es gibt nichts zu diskutieren", sagt Stadtsprecher
Urner. "Wir halten uns nur an die Gesetze." Am
5. Juni 2007 spricht das Amtsgericht Lünen die fünf rassistischen Gewalttäter
wegen Mangels an Beweisen frei, weil nicht einwandfrei nachgewiesen werden
kann, welche der Männer die Flaschen auf die Flüchtlinge geworfen haben. taz-NRW 23.6.06; RN 1.8.06; Polizei Dortmund 12.8.06; ddp 12.8.06; HeA 14.8.06; HeA
15.8.06; RN 6.6.07 13. August 06 In der Abschiebezelle des
Flughafens München rammt der 36-jährige Chinese Xiang Zhong Chen mit voller
Wucht seinen Kopf gegen die Wand, um sich umzubringen. Er zieht sich dadurch
schwere Kopfverletzungen zu. Der
inzwischen endgültig abgelehnte Asylbewerber war vor 12 Jahren in die BRD
gekommen und hatte die letzten Jahre in Hof gelebt. Seine Lebensgefährtin ist
im sechsten Monat schwanger. Am
27. September lehnt auch der Petitionsausschuß des Bayerischen Landtages
einen Aufenthalt ab. Seine Freundin, die ihn in Abschiebehaft besuchte, sagt:
"Er ist weiter bereit, sich lieber umzubringen als nach China
zurückzugehen." Hamburger Initiativenzeitung 17.8.06; FrP 28.9.06; JWB 4.10.06 15. August 06 Pinneberg
in Schleswig-Holstein. Als Frau B. in der Beratungsstelle des Diakonievereins
Migration von ihrer geplanten Abschiebung am 7. September erfährt, bricht sie
zusammen, muß von einem Notarzt erstversorgt werden und kommt anschließend
zur ambulanten Behandlung ins Klinikum Pinneberg. Wegen ihres anhaltend
schlechten und zum Teil lebensbedrohlichen Gesundheitszustandes und akuter
Suizidalität erfolgt am 29. August ihre stationäre Aufnahme zur
psychiatrischen Behandlung im Klinikum Elmshorn. Erst nach mehreren Wochen
Aufenthalt kann Frau B. wieder entlassen werden. Sie
hat einen langen Leidensweg hinter sich. In einer fachpsychiatrischen
Stellungnahme ihrer behandelnden Ärztin vom 27. Januar werden acht psychische
Erkrankungen aufgrund schwerer Traumatisierung diagnostiziert, die eine
medikamentöse Therapie und eine Psychotherapie an einem sicheren Ort
erforderlich machen. Im Falle einer zwangsweisen Rückführung sei mit einer
Verstärkung der schwerwiegenden Krankheitssymptome und Suizidalität zu
rechnen. Diese
Stellungnahme wurde allerdings von der "Vertragsärztin" Frau G. mit
den Worten kolportiert: "Es bestehen keine Erkrankungen, die
Kontraindikationen für eine Rückführung auf dem Luftwege in das Heimatland
darstellen." Am
29. August 2006 spricht das Verwaltungsgericht Schleswig Frau B. in einem
Eilverfahren vorläufigen Abschiebeschutz aus gesundheitlichen Gründen zu. Diakonieverein Migration – Pinneberg 16. August 06 Ausreisezentrum Halberstadt in
Sachsen-Anhalt. Nachts um 2.00 Uhr läuft Thibaut Antonie Lassarat entsetzt
durch die Gänge der ehemaligen Kaserne der Nationalen Volksarmee und schreit:
"Die wollen mich nach Guinea abschieben." Sechs Polizisten
überwältigen den schmächtigen Mann und schleppen ihn zum Wagen. Es wird ihm
verwehrt, persönlichen Besitz mitzunehmen. Selbst die Medikamente, die er
wegen einer Überfunktion seiner Schilddrüse täglich einnehmen muß, werden ihm
abgenommen. Während
den Freunden von Thibaut Antonie Lassarat wegen angeblichen Datenschutzes
jegliche Auskunft verwei-gert wird, erfährt sein Anwalt, daß er mit einer
Maschine der Air France, Flugnummer FNR 1419, abgeschoben wird. Erst
drei Wochen nach der Abschiebung gelingt es Freunden aus Sachsen-Anhalt, den
Aufenthaltsort von Thibaut Antonie Lassarat auszumachen. Er befindet sich
seit der Abschiebung in Polizeihaft. Durch die Intervention einer
Menschenrechtsorganisation in Guinea kommt er frei und taucht unter. Wenig
später bittet er seine deutschen FreundInnen um Geld, damit er sich in einem
Krankenhaus wegen der Verschlechterung seiner Schilddrüsenerkrankung
behandeln lassen kann. Für die Hormonpräparate, die er wieder nehmen muß,
schicken die FreundInnen fortan Geld nach Guinea. Thibaut
Antonie Lassarat hatte 15 Jahre lang in der BRD gelebt. Die letzten vier
Jahre in dem "Modellprojekt" Halberstadt, um seine Mitwirkungspflicht
an seiner eigenen Abschiebung zu erpressen und seine eigentliche Identität
für die Behörden zu klären. Dies bedeutete für ihn und die anderen
LagerinsassInnen: häufige Verhöre, Residenzpflicht für Halberstadt, keinen
Cent Bargeld und Fertigessen aus Großküchen. Zunächst
wurde ihm die Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) als Herkunftsland zugeschrieben.
Thibaut Antonie Lassarat wurde zweimal der berüchtigten Guinea-Delegation
vorge-führt, und schließlich erklärte ihn die Botschaft von Guinea vor
einigen Wochen zu einem Bürger dieses Staates, so daß die Abschiebung
behördlicherseits durchgeführt werden konnte. indymedia 20.8.06; jW 22.8.06; no lager halle November 06 16. August 06 Regierungsbezirk Unterfranken.
Eine Armenierin zwischen 30 und 35 Jahren soll nach abgelehntem Asylantrag
zusammen mit ihrem 8-jährigen Sohn – aber ohne ihren Mann – abgeschoben
werden. Die traumatisierte Frau ist sehr verängstigt und gerät in panische
Angst. Als sie sich heftig wehrt, trägt sie durch die Zwangsmaßnahmen Blutergüsse Auf
dem Flughafen in Frankfurt wird die Asylbewerberin durch die Bundespolizei
von ihrem Kind getrennt. Als sie ohnmächtig wird und vom Stuhl fällt, erfolgt
ein Stop der Abschiebung, und die Polizei bringt die Frau mit ihrem Sohn zum
Flüchtlingsheim zurück. Ihr Zimmer ist jedoch schon wieder neu belegt, und
Mutter und Sohn müssen eine Nacht in einer Zelle einer Polizeiinspektion
verbringen. Der
Ehemann ist Iraner, hatte in Armenien gearbeitet und dort seine Frau
kennengelernt. Ihretwegen war er zum Chri stentum konvertiert, wurde
jedoch trotzdem verfolgt. Weil das Ehepaar keine Möglichkeit sah, in Armenien
gemeinsam zu leben, versuchten sie es im Iran. Hier mußte er jedoch seine
Konversion geheim halten, und seine Frau wurde als "Ungläubige" verfolgt.
Als sich herausstellte, daß sie weder in Armenien noch im Iran zusammenleben
können, entschlossen sie sich zur Flucht. Das
Ehepaar konnte nicht gemeinsam fliehen; die Armenierin erreichte mit ihrem
Sohn zwei Jahre früher die BRD. Deshalb behaupteten die Behörden trotz
entsprechender Dokumente, daß sie nicht verheiratet wären und der Iraner
nicht der Vater des Kindes sei, und wollten die getrennte Abschiebung
durchsetzen. Anfang
2008 ist weiter unklar, wo die Familie eine Perspektive für eine gemeinsame Zukunft
hat. Inzwischen hat der Rechtsanwalt die Behörden zwar von der Rechtmäßigkeit
der Ehe überzeugen können, doch wird nun argumentiert, daß die Familie in Armenien leben könne.
Eine Einreiseerlaubnis liegt bereits vor – inwieweit der Iraner auf Dauer ein
Aufenthaltsrecht erhält, ist jedoch vollkommen ungeklärt. Fränkischer Tag 23.8.06; Caritasverband Diözese Würzburg 17. August 06 Bundesland Hessen. Ein kurdisches Ehepaar soll mit
seinen drei Töchtern im Alter von 9, 5 und 2 Jahren in die Türkei abgeschoben
werden. Da der Vater mit den zwei älteren Mädchen gerade Verwandte besucht,
ist die im vierten Monat schwangere Mutter mit dem jüngsten Kind allein zu
Hause. Sie bekommt einen Schock, als die Polizisten sie ohne die übrige
Familie zur Abschiebung nach Frankfurt bringen und in das Flugzeug setzen. Da
ihr Zustand äußerst beängstigend ist, wird sie in das Klinikum der Johann
Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main eingeliefert. Die
Kurdin wird nach Marburg verlegt und muß acht Wochen stationär in der
Psychiatrie bleiben. Anschließend ist sie – wie auch ihr Ehemann – weiter in
ambulanter Behandlung. Das vierte Kind wird im Februar 2007 geboren. Alle
zwölf Geschwister des Familienvaters leben mit Aufenthaltstiteln in der
Bundesrepublik. Die Asylanträge dieser Familie, die seit sechs Jahren in
Hessen wohnt, sind jedoch abgelehnt worden. Seitdem ist sie ständig von
Abschiebung bedroht. Anfang
2008 ist eine Petition anhängig. Bei Duldungsverlängerungen machen die
MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde deutlich, daß sie nach deren
Beantwortung unverzüglich abschieben werden. Attac Frankfurt/Main Rückblick 2006; Antirassistische Initiative Berlin 17. August 06 Bundesland Sachsen. An der
Autobahnraststätte Auerswalder Blick (A 4) bei Chemnitz entdeckt die
Autobahnpolizei 31 Personen in dem geschlossenen Laderaum eines
Sattelaufliegers. Es handelt sich um sechs Männer und sechs Jugendliche, neun
Frauen und zehn Kinder, darunter auch Säuglinge. Eine Frau ist hochschwanger.
Alle haben weder Einreise- noch Aufenthaltspapiere. Es sind Flüchtlinge aus
Tschetschenien. Wegen
akuten Flüssigkeitsmangels werden die Frauen, Kinder und Jugendlichen in
Chemnitzer Kliniken gebracht und medizinisch versorgt. Einige Tage später
bringt die schwangere Frau ihr Kind zur Welt. Die
Flüchtlinge werden später im Asylbewerberheim Mobendorf im Landkreis
Mittweida untergebracht. LVZ 17.8.06; MM 17.8.06; Sachsen Fernsehen 18.8.06; SäZ 18.8.06; taz 19.8.06; Sachsen Fernsehen 25.9.06 19. August 06 Pinneberg
in Schleswig-Holstein. Die 60 Jahre alte Frau V. versucht, sich mit einer
Überdosis Tabletten zu vergiften, nachdem sie aus einem Schreiben der
Ausländerbehörde erfahren hat, daß sie am 30. August abgeschoben werden soll.
Sie kommt auf die Intensivstation des Klinikums Pinneberg und nach
Überwindung der körperlichen Krise in die Klinik für Psychiatrie nach
Elmshorn. Frau
V. war vor neun Jahren aus dem Kosovo in die BRD geflüchtet, nachdem zunächst
ihr Mann und dann ihre beiden Töchter mit deren Familien in den Kriegswirren
verschollen sind. Seither ist sie seelisch krank, und die über lange Jahre
existierende Aufenthaltsunsicherheit bringt sie immer wieder in psychische
Krisensituationen. Sie leidet unter schweren depressiven Episoden und ihre
"Selbsttötungsgedanken in konkreter Ausformung" konnten bisher
durch stationäre Aufenthalte im Klinikum Elmshorn abgewendet werden. Während
ihres letzten Klinik-Aufenthaltes, der vom Oktober 2005 bis zum Januar 2006
notwendig war, wurde auch der Verdacht auf eine Posttraumatische
Belastungsstörung geäußert. Bei ihrer Entlassung bekam Frau V. neben einem
Antidepressivum und einem Beruhigungsmittel zusätzlich drei weitere
Herz-Kreislauf-Medikamente verschrieben. Die
fortschreitende Verschlechterung ihres Zustandes äußerte sich darin, daß sie
nicht mehr in der Lage war, Termine, wie z.B. Arztbesuche, alleine
wahrzunehmen; auch die verantwortungsvolle Einnahme der Medikamente gelang
ihr nicht mehr. Trotzdem hatte in der Flugtauglichkeitsbescheinigung der
Ausländerbehörde der Satz gestanden: "Es bestehen keine
Kontraindikationen für eine Rückführung auf dem Luftwege in das Heimatland.
Die gängige medikamentöse Therapie und gelegentlich stattfindende Arztbesuche
können dort fortgesetzt werden." Im
Kosovo hätte Frau V. niemanden – in der Bundesrepublik hat sie ihren Sohn und
ihre Schwiegertochter, die sich um sie kümmern und sie versorgen. Ab Januar
2007 wird ihr Sohn vom Amtsgericht zu ihrem Betreuer für bestimmte
Lebensbereiche bestellt. Diakonieverein Migration – Pinneberg 22. August 06 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Gegen die Flüchtlingsunterkunft in der Bünder Straße in Löhne wird zwischen
1.00 und 2.00 Uhr ein Brandanschlag verübt. Ein Molotow-Cocktail wird vom
Innenhof aus gegen das Fenster des Zimmers 21 geworfen. Die Scheibe des
Fensters hält stand; der Brandsatz fällt in einen Lichtschacht und brennt
dort aus, ohne größeren Schaden anzurichten. Die 39 Bewohner kommen mit dem
Schrecken davon. Kurze
Zeit vor dem Angriff verteilte die Löhner-Bürger-Allianz Flugblätter an die
Haushalte, in denen u.a. folgendes stand: "Die pastorale und
propagandistische Betreuung der Drogendealer und ihrer Mitbewohner wird
hingegen einfühlsam und kompetent vom Diakonischen Werk der Evangelischen
Kirche, Kirchenkreis Herford, wahrgenommen." Zwei
Tage zuvor hatten drei oder fünf Vermummte versucht, mit einer Leiter ins
Haus einzusteigen. Als sie entdeckt wurden, waren sie geflohen. Nachdem die rechts-terroristischen
Aktivitäten des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) im Herbst 2011 ins
Licht der Öffentlichkeit kommen, wird auch dieser "Altfall" vom
Staatsschutz erneut recherchiert. (siehe auch: 15. September 06) NW 24.8.06; NW
31.8.06; taz 1.9.06; NW
23.9.06; NW 30.11.11 23. August 06 Frankfurt am Main. Der 36 Jahre
alte Yusuf Karaca wird nach einem 90-tägigen Hungerstreik aus
der Haft entlassen. Er kommt umgehend in das Universitätsklinikum zur
lebensrettenden Behandlung. Einen Tag zuvor hatte sich das Oberlandesgericht
Frankfurt gegen eine Auslieferung des Mannes ausgesprochen. Yusuf
Karaca, der aufgrund seiner Verfolgungsgeschichte Abschiebeschutz nach § 60
Abs. 1 AufenthG bekommen hatte, war aufgrund eines Auslieferungsbegehrens der
Türkei am 2. Mai in deutsche Auslieferungshaft genommen worden. Am
23. Mai bestätigte das Oberlandesgericht die weitere Haft mit der
Fluchtgefahr des Gefangenen. Bemerkenswert ist die Begründung des Gerichts,
denn gerade die von Yusuf Karaca angeführte Angst vor Folter, die er
tatsächlich jahrelang erleiden mußte und aufgrund derer er Abschiebeschutz
hat, sei der "Anreiz" für ihn, sich einer Auslieferung durch Flucht
zu entziehen. Das Gericht fordert zudem die Zusicherung des türkischen
Staates, daß Herr Karaca seine Reststrafe in der Türkei (20 Jahre) in einem
Gefängnis des Typs F fortsetzt und daß die Deutsche Botschaft Gelegenheit
erhält, den Inhaftierten aufzusuchen und sich über die konkreten
Haftbedingungen zu informieren. Yusuf
Karaca begann jetzt einen unbefristeten Hungerstreik mit der Forderung nach
seiner sofortigen Freilassung. Mitte Juli wurde er vom Gefängnis Weiterstadt
in die Krankenabteilung der JVA Kassel gebracht. Der Gefangene hatte über 25
kg Körpergewicht verloren, die Gefängnisärzte hielten ihn jedoch weiterhin
für haftfähig, weil er gesüßte Flüssigkeit zu sich nahm. Yusuf
Karaca war am 10.12.1996 vom staatlichen Sicherheitsgericht in der Türkei
wegen Mitgliedschaft in der verbotenen Organisation TKPML-TIKKO
(kommunistisch-maoistische Kaderorganisation) zum Tode verurteilt worden.
Aufgrund eines durch Folter erpreßten Geständnisses wurde die Strafe dann in
eine lebenslange Zuchthausstrafe umgewandelt. In
Haft war er unzählige Male mit Elektroschocks an den Geschlechtsorganen, der
Zunge und den Ohren gequält worden. Mehrmals wurde er am
"Palästinensischen Haken" aufgehängt, mehrere Tage mußte er ohne
Schlaf und nackt an kalten Stellen verbringen, ihm wurde der Kopf unter
Wasser gehalten, nachdem ihm die Folterer die Nasenlöcher zugestopft hatten.
Er wurde zu einsamen Orten gebracht und mit dem Tode bedroht. Ihm wurde
angedroht, daß auch seine Familienangehörigen festgenommen und gefoltert
werden würden. Er befand sich während seiner Haft auch in einem Gefängnis des
Typs F. Als er am sogenannten Todesfasten teilnahm und seine Haft für
medizinische Maßnahmen unterbrochen wurde (Wernicke-Korsakow-Syndrom), gelang
ihm nach 10 Jahren Gefangenschaft
die Flucht aus der Türkei in die BRD. Am 28. September 2005 wurde er als
politischer Flüchtling anerkannt. Als
Herr Karaca Ende August 2006 das Krankenhaus verläßt, ist seine
"amtliche" Existenz in der BRD bereits gelöscht: seine Wohnung in
Hanau ist gekündigt, und krankenversichert ist er auch nicht mehr. Das
Krankenhaus, das ihn nach dem 90-tägigen Hungerstreik medizinisch versorgte,
fordert die Kosten von ihm. Herr Karaca, ohnehin durch die letzten Monate
psychisch schwer angeschlagen, kommt in eine schwere depressive Krise.
"Diese Situation kostet mehr Kraft als 90 Tage Hungerstreik", sagt
er. Pro Asyl 6.6.06; FR 8.6.06; FR 9.6.06; taz 10.6.06; FR 1.8.06; FR 4.8.06; HNA 9.8.06; FRat Hessen 18.8.06; OLG Frankfurt am Main 23.8.06; Bericht eines Freundes 28. August 06 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In der JVA Büren versucht der Abschiebegefangene N. T. sich zu töten. BT DS 16/9142 30. August 06 In einer Straßenbahn in
Frankfurt (Oder) werden zwei 17 und 19 Jahre alte irakische Flüchtlinge von
zwei deutschen Rassisten mit "Ihr Scheiß-Mafia!" und "Ihr
Drogenhändler!" beleidigt und provoziert. Als sie auch körperlich
angegriffen wer-den, mischen sich Fahrgäste ein und verhindern Schlimmeres.
Bei der Auseinandersetzung werden die Flüchtlinge leicht verletzt. Opferperspektive; e110 1.9.06 30. August 06 Bundesland Hessen. Der
anerkannte kurdische Flüchtling Memet Taskali wird aufgrund eines
Auslieferungsantrages der Türkei in Frankfurt am Main von der Polizei
festgenommen und einen Tag später dem Haftrichter vorgeführt. Die Vorwürfe
gegen den Flüchtling beziehen sich ausschließlich auf seine Tätigkeit als
Mitglied im "Kurdischen Exilparlament". In der Interpol-Meldung ist
angegeben, daß die Höchststrafe für das Memet Taskali vorgeworfene Delikt 22
Jahre und sechs Monate betragen würde. Anerkannte Flüchtlinge in Auslieferungshaft – AZADI August 06 Flughafen Frankfurt am Main.
Frau Ö. soll mit ihrer 3-jährigen Tochter, aber ohne ihren Mann, der sich der
Festnahme durch Untertauchen entzogen hat, nach Istanbul ausgeflogen werden.
Sie ist schwanger und befindet sich schon so lange in den Räumlichkeiten der
Bundespolizei, daß sie einem Haftrichter vorgeführt werden muß, um ihren
Gewahrsam in den Händen der Ausländerbehörde formal-juristisch weiterhin
abzusichern. Grund
für den langen Aufenthalt am Frankfurter Flughafen ist die Tatsache, daß die
Bundespolizei die Abschiebung der sich weigernden Frau Ö. abgelehnt hatte –
die Ausländerbehörde allerdings innerhalb weniger Stunden einen neuen Flug,
zwei Begleitbeamte der Landespolizei und eine begleitende Ärztin
organisierte. Auf
Einwände und Fragen der Mitarbeiterin der Abschiebebeobachtung FFM antworten
die Polizisten, daß sie die Frau "nicht um jeden Preis" gewaltsam
abschieben werden. Man werde sie "stramm am Arm führen" und die
Abschiebung bei Widerstand abbrechen. Auf
dem Weg zum Flugzeug beginnt Frau Ö. zu schreien, stemmt sich mit ihrem Gewicht
gegen den Druck der Beamten, versucht, sich am Türrahmen festzuhalten. Die
Beamten zerren sie weg, schieben und schleifen sie. Als Frau Ö. versucht,
eine Bundespolizistin zu beißen, bekommt sie einen Schlag auf den Arm. Im
Polizeifahrzeug wird sie mit polizeilichen Zwangsmaßnahmen ruhig gehalten, es
wird laut auf sie eingeredet – sie wird angeschrieen. Dann zerren die Beamten
die Frau die Flugzeugtreppe hinauf. Kurz
danach wird Frau Ö. wieder herausgeführt, weil der Gruppenleiter der
Bundespolizei die Abschiebung abgebrochen hat. Er hatte beobachtet, wie die
Begleitbeamten der Landespolizei Frau Ö. in den Flugzeugsitz hineinpreßten
und dabei ihre Bauchregion berührten. Die
Begleitärztin ignoriert den Gesundheitszustand der Frau Ö. und bezeichnet sie
sogar als "verantwortungslose Schauspielerin". Sie setzt sich immer
wieder aktiv dafür ein, daß die Abschiebung stattfindet, und gibt den
Begleitbeamten Anweisungen, wie sie mit Frau Ö. umzugehen haben. Auch
als Frau Ö. über Unterleibsschmerzen klagt, bedarf es der mehrmaligen (!)
Aufforderung der Mitarbeiterin der Abschiebebeobachtung FFM und der
Bundespolizei, bis sie ihrer ärztlichen Pflicht nachkommt und sich der
Patientin zuwendet. Die
Bundespolizei beschwert sich später über das Verhalten der Ärztin bei der
zuständigen Ausländerbehörde, zumal bereits seit längerer Zeit Beschwerden
gegen sie vorliegen. Abschiebungsbeobachtung FFM 2007 August 06 Demmin im Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. Hazim Khalif H. stellt bei der Ausländerbehörde einen
Antrag auf die Erlaubnis, in einer Wohnung leben zu dürfen. Er ist schwer
krank, leidet unter großen Schmerzen und Depressionen. Die
dreimonatige Frist, innerhalb derer Anträge bei Behörden bearbeitet werden
müssen, verstreicht. Es wird Winter, es gibt tagelang kein warmes Wasser im
Heim, zur Toilette muß sich Hazim Khalif H. in das nächste Stockwerk
schleppen. Erst
im März – 7 Monate nach Antragstellung – leitet die Ausländerbehörde den
Antrag an das Gesundheitsamt weiter. Auch im August 07 hat der kranke
Flüchtling noch keine Wohnung bekommen. Der
Leiter der Ausländerbehörde, Rainer Plötz, rechtfertigt sich einer
Journalistin gegenüber mit den Worten "enge personelle Situation". taz 10.8.07 4. September 06 Nachdem er vor drei Tagen festgenommen
und in der JVA Augsburg in Abschiebehaft genommen wurde, soll der abgelehnte
Asylbewerber Felleke Bahiru Kum heute über Frankfurt am Main mit einer
Lufthansa-Maschine nach Äthiopien abgeschoben werden. Drei Bundespolizisten
und zwei Begleiter in Zivil bringen den 32-Jährigen zum Flughafen, fesseln
seine Hände unter Überspreizung der Finger so stark, daß schmerzhafte
Schwellungen entstehen, und drücken seinen Kopf nach unten. Über seinen Kopf
ist eine schwere Decke gelegt, so daß er geführt werden muß. Herr Bahiru Kum
protestiert und schreit laut, daß er nicht mitfliegen will. Als der Pilot die
Beförderung ablehnt, wird Herr Kum unter Beschimpfungen und Schmerzandrohung
in die JVA Augsburg zurückgebracht. Dort attestiert die Amtsärztin am nächsten
Tag die immer noch schmerzenden, von der Fesselung herrührenden offenen
Schürf- und Schnittwunden an seinen Handgelenken. Die
Abschiebung soll jetzt am 12. Oktober 2006 über München mit einer
KLM-Maschine erfolgen. Als der an den Händen mit einem Gürtel gefesselte
Felleke Bahiru Kum sich weigert, das Flugzeug zu betreten, wird er verhüllt,
von drei Beamten getragen und in einen Sitz in der letzten Reihe gedrückt.
Ein Gespräch mit dem Piloten wird ihm verweigert. Erst als er nach
Leibeskräften schreit, wird die Abschiebung abgebrochen. Unter verbalen
Drohungen wird er an den Händen gefesselt und zurück in die Abschiebehaft
nach Augsburg gebracht (Beispiele der Äußerungen der Polizisten: "Du
hast keine Ahnung, was nächstes Mal passiert. ..... Du wirst dein restliches
Leben bereuen, daß Du diese gute Chance verpaßt hast ..... Du wirst dann
gleich bei den äthiopischen Behörden abgeliefert ..... Beim nächsten Mal
bekommst du Betäubungsspritzen und einen Sturzhelm über den Kopf"). Die
Planung eines weiteren Abschiebeversuchs in Begleitung von Beamten der
Bundespolizei am 23. November von München über Amsterdam nach Addis Abeba
wird abgebrochen, als Felleke Bahiru Kum nach Stellung eines Asylfolgeantrags
am 20. November aus der Haft entlassen werden muß. Felleke
Bahiru Kum ist seit langem im Visier der athiopischen Machthaber. Als
Mitglied des Kreisverwaltungsrates und Leiter eines öffentlichen
Gesundheitsdienstes in Oromiya hatte er die Aufgabe, Kinder und Jugendliche
für den Krieg gegen Eritrea zu gewinnen und zu mustern. Stattdessen hatte er
bei über der Hälfte der Personen eine Wehrtauglichkeit abgelehnt, weil sie zu
jung, zu krank oder zu alt waren. Jetzt begannen die Repressionen, und ihm
wurde "Verschwendung von Geldern" vorgeworfen. Während
des Krieges zwischen Äthiopien und Eritrea wurde er als Sanitäter zur Armee
abgestellt. Als er sich – zusammen mit anderen – über die schlechte
medizinische Versorgung der Soldaten (viele Kindersoldaten) beschwerte,
geriet er immer mehr unter Druck. Als dann auch noch sein Cousin spurlos
verschwand, flüchtete er aus dem Land und stellte im Jahre 2000 einen
Asylantrag. Nach
Ablehnung des Antrags lebte er mit einer Duldung in Donauwörth
(Donau-Ries-Kreis). Er bekam Kontakt zur äthiopischen Exil-Opposition und
besuchte Veranstaltungen der Oromo Liberation Front (ORF). Hierüber liegen
der äthiopischen Botschaft Fotos vor. Als er auf dem Afrika-Festival in
Würzburg über Krieg und Hunger in Äthiopien informierte, wurde er von zwei
Männern gefilmt, von denen sich einer bei anderen Äthiopiern als
Botschafts-Angehöriger zu erkennen gab. Aufgrund
einer Anweisung des Amtes für "Diaspora-Angelegenheiten" beim
äthiopischen Außenministerium, die an alle äthiopischen Botschaften und
Konsulate erging, hat sich die Abschiebepolitik der deutschen Behörden
schlagartig geändert. Während es bis dahin fast unmöglich war, Reisepapiere
bei den Botschaften zu erhalten, wurden jetzt ganze Namenslisten von
abgelehnten Flüchtlingen an die Botschaften weiter gereicht und entsprechende
"Laissez-Passer"-Papiere ausgestellt. Ziel
der Machthaber in Addis Abeba ist es, der Exil-Oppositionellen habhaft zu
werden und sie in Äthiopien wegen "ethnischen Säuberungen und
Unterschlagung von Staats- und Volksbesitz" anzuklagen. Durch diese
Anweisung mit dem Titel "Richtlinie für den Aufbau der
Wählerschaft" wird das Spitzelsystem in der äthiopischen oppositionellen
Community systematisch erweitert. Felleke
Bahiru Kum ist einer der ersten, der aufgrund dieser neuen
"diplomatischen" Zusammenarbeit zwischen der BRD und Äthiopien
abgeschoben werden sollte. Aufgrund
eines Asylfolgeantrags, der am 21. November – kurz vor dem dritten
Abschiebetermin – gestellt wird, beschließt die Ausländerbehörde Donauwörth,
die Abschiebung auszusetzen und Herrn Behiru Kum aus der Haft zu entlassen. Am
19. Dezember 07 steht er als Angeklagter vor dem Amtsgericht Frankfurt, weil
er während des Abschiebeversuches vor einem Jahr "Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte" geleistet haben soll. Der Prozeß, zu dem als
einzige Zeugen die drei Polizeibeamten (keine Passagiere oder Bordpersonal)
geladen sind, wird aufgrund "unzureichender Aktenführung" von der
Richterin auf unbestimmte Zeit vertagt. Erst
am 28. April 09 wird dieses Verfahren gegen Felleke Bahiru Kum auf Kosten der
Staatskasse eingestellt. Die Richterin entschied, daß die Bearbeitungsdauer
des Asylverfahrens von mittlerweile zwei Jahren für die "Ernsthaftigkeit
der Fluchtgründe" spreche. Zudem sei bei dem Abschiebeversuch in der
Lufthansa-Maschine kein Vollstreckungsbeamter verletzt worden. Felleke
Bahiru Kum wird im August – zusammen mit der 19-jährigen staatenlosen Nissrin
Ali – der Menschenrechtspreis der Stiftung Pro Asyl verliehen, weil er sich
während seines inzwischen über neun Jahre dauernden Aufenthalts in deutschen
Flüchtlingslagern unermüdlich für die Rechte der BewohnerInnen eingesetzt
hat. Die beiden Ausgezeichneten haben der bayerischen Sozialministerin eine
Petition mit insgesamt 3000 Unterschriften persönlich überreicht. Zusammen
mit dem Bayerischen Flüchtlingsrat startete Felleke Bahiru Kum die Aktion
"Wohnungen statt Flüchtlingslager". FRat Bayern 21.11.06; FRat Bayern 23.11.06; jW
25.11.06; Hinterland Dezember 2006; FRat Bayern 18.12.07; jW 18.12.07; FRat Bayern 19.12.07; FRat Bayern 20.12.07; jW 20.12.07; Aktionsbündnis gegen Abschiebung Rhein-Main
20.12.07; AAZ 21.12.07;jW 27.12.07; FRat Bayern; Bericht des Betroffenen; AA 29.4.09; jW
29.4.09; Pro Asyl 17.8.09; AA 7.9.09 9. September 06 Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Als
ein 22 Jahre alter Flüchtling aus Benin um 20.00 Uhr an der Haltestelle
"Theater" auf dem Breiten Weg wartet, bemerkt er, daß aus einer
angekommenen Straßenbahn vier Männer aussteigen und zielgerichtet auf ihn
zukommen. Nachdem sie ihn rassistisch beleidigt haben, rufen sie selbst die
Polizei und melden, daß sie von einem "Ausländer" angegriffen
worden sind. Als die Polizei eintrifft, befinden sich nur noch der Flüchtling
und der Anrufer vor Ort. Als die Beamten den Anrufer mitnehmen wollen, greift
dieser die Polizisten an und schlägt auf den Funkwagen ein. Unterdessen
kommen die Provokateure zurück und beleidigen den Afrikaner erneut. Dann
schlagen und treten sie auf ihn ein. Mit Blutergüssen am ganzen Körper kommt
er ins Krankenhaus, wo er ambulant behandelt wird. Die
Polizei ermittelt gegen die 16 bis 26 Jahre alten Täter, von denen drei
verurteilt werden; für den vierten steht der Prozeß im Januar 2007 noch aus. ddp 10.9.06; VM 12.9.06; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 9. September 06 Bundesland Thüringen. Ein 35
Jahre alter kurdischer Asylbewerber wird in Weimar von einem Spezialkommando
der Polizei festgenommen. Die Verhaftung erfolgt aufgrund eines
internationalen Haftbefehls aus der Türkei wegen angeblicher
PKK-Mitgliedschaft und Mordverdacht. Mit diesen Tatvorwürfen war der
Flüchtling in der Türkei in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haftstrafe
verurteilt worden. Am
18. Oktober lehnt das Oberlandesgericht Jena das Auslieferungsverfahren wegen
ungenügender Unterlagen ab, und der Flüchtling kommt nach 40 Tagen
Gefangenschaft frei. Sein Asylantrag, den er im Jahre 2002 gestellt hat, ist
noch nicht entschieden. dpa 17.10.06; AZADI infodienst Nr. 47 Oktober 06; Ludwig Müller-Volck – Rechtsanwalt 12. September 06 Die 29 Jahre alte Frau D. aus
dem Irak bricht bei der Anhörung zu ihrem Asylantrag beim Bundesamt zusammen,
verliert das Bewußtsein und muß im Krankenhaus Karlsruhe behandelt werden. Da
sich die Fragen, die ihr gestellt wurden, vor allem um den Reiseweg durch
Europa drehten, war ihr zunehmend deutlicher geworden, daß das Bundesamt sie
nach Tschechien zurückschieben will. Damit wäre die jahrelange Vorbereitung
auf die Flucht in die BRD zunichte gemacht worden. Denn ihr Mann, der durch
einen Bombenanschlag beide Beine verloren hatte, war schon Jahre zuvor in die
BRD geflohen. Durch die Nachreise von Frau D. mit den 15- und 10-jährigen
Kindern wäre die Familie wieder zusammen gewesen. Erst
durch massive Intervention von Pro Asyl kann schließlich erreicht werden, daß
das Asylverfahren in der BRD durchgeführt wird. Herr
D. erhält schließlich im Sommer 2007 einen positiven Bescheid nach § 60 Abs.
1 AufenthG und bekommt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG.
Elf Tage später erhalten auch seine Frau und die Kinder den Flüchtlingsstatus. Flüchtlinge im Verschiebebahnhof EU; Pro Asyl 13. September 06 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Im Flüchtlingsheim in der Kölner Vorgebirgstraße erscheinen Polizeibeamte und
durchsuchen die Wohnung der Roma-Familie S. Als sie dabei den Reisepaß von
Herrn S. finden, erklären sie ihm, daß er jetzt abgeschoben wird. Herr S.
gerät in Panik, weil er denkt, daß er sofort in Abschiebehaft kommt und von
seiner Frau und seinen acht Kindern (1½ bis 17 Jahre alt) getrennt wird.
Einer der Polizisten höhnt: "So, jetzt geht's ab nach Jugoslawien"
und holt die Handschellen heraus. In Panik springt Herr S. aus dem Fenster
der im zweiten Stock gelegenen Wohnung. Bei dem Sturz aus vier Metern Höhe
fällt er auf die Betoneinfassung eines Gitterfensters zum Keller an der
Stirnseite des Hauses. Er bricht sich beide Schienbeine und verletzt sich an
der Schulter. Obwohl aus seiner Hose zwei gesplitterte Knochen herausragen
und er offensichtlich bewegungsunfähig ist, traktieren ihn die
heruntergeeilten Polizisten zunächst mit Pfefferspray und treten mindestens
einmal auf ihn ein. Der Schwerverletzte brüllt vor Schmerzen. Herr
S. kommt ins Universitätskrankenhaus und wird umgehend operiert. Nach
vierwöchiger Behandlung erfolgt seine Verlegung ins Gefängniskrankenhaus
Fröndenberg. Am
18. Januar 2007 soll er – noch
im Rollstuhl sitzend – ohne seine Familie nach Montenegro abgeschoben werden.
Die Abschiebung an diesem Tag kann dadurch verhindert werden, daß die Familie
einen "Teilerfolg" aushandelt. Sie erklärt sich bereit,
"freiwillig" auszureisen, wenn sie erstens zusammenbleiben kann und
zweitens Herr S. weitgehend gesund geworden ist. In Montenegro hätte Herr S.
als Rom keine Chance auf eine medizinische Versorgung, und die schulische
Ausbildung der Kinder würde abrupt unterbrochen. Die Abschiebung wird um
einige Monate verschoben. Rundbrief des Rom e.V. Nr.2 (September 2006); Rom e.V. 18.1.07 13. September 06 Der anerkannte politische
Flüchtling Dervis Orhan wird in seiner Berliner Wohnung verhaftet.
Aufgrund eines Auslieferungsbegehrens der Türkei kommt er in die JVA Moabit.
Ein Auslieferungsbefehl existiert nicht. Das Berliner Kammergericht äußert
sich später dazu, daß es keines ausdrücklichen Beschlusses bedürfe; es genüge
eine faktische Anordnung und das Ausfüllen des Formulars. Dies
geschieht, obwohl ein für die Polizei tätiger Arzt kurz vorher festgestellt
hat, daß im Falle einer Inhaftierung mit schweren psychischen Krisen des
Betroffenen zu rechnen sei und dem Bereitschaftsrichter Atteste der
psychotherapeutischen Beratungsstelle XENION und eine
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Amtsarztes der Arbeitsagentur
vorgelegt wird. Das
Auslieferungsbegehren der Türkei bezieht sich auf dasselbe Urteil eines
türkischen Militärgerichts, aufgrund dessen dem PKK-Aktivisten im Jahre 2005
in der BRD Asyl gewährt wurde. Dervis
Orhan war in den 90er Jahren wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer
lebenslangen Haft verurteilt worden. Er hat 11 Jahre in türkischen
Gefängnissen verbracht – drei davon in Einzelhaft. Er ist mehrfach schwer
gefoltert worden, beim ersten Mal war er 16 Jahre alt. Durch lange Hungerstreiks gegen die
Haftbedingungen (bis zu 150 Tage mit Unterbrechungen) und durch den damit
verbundenen Vitamin B1-Mangel bekam er schwere Gehirnveränderungen
(Wernicke-Korsakow-Syndrom). Aus diesem Grunde wurde er im Jahre 2003
vorübergehend aus der Haft entlassen und nutzte dies zur Flucht in die BRD.
Dervis Orhan leidet heute noch an einer schweren Posttraumatischen
Belastungsstörung, die ihn im Alltag schwer behindert. Unmittelbar
nach seiner Festnahme in Berlin beginnt der 37-Jährige einen Durst- und
Hungerstreik. Die Anstaltsleitung reagiert mit verschärften Haftbedingungen.
Vom Vormittag des 14. bis zum Mittag des 18. September ist Dervis Orhan im
sogenannten Kriseninterventionsraum der JVA Moabit – einem Kellerraum der
dortigen Krankenhausabteilung – an beiden Beinen und der rechten Hand in
Rückenlage mit metallenen Fesseln an die Pritsche gefesselt. Auch für den
Gang zur Toilette werden seine Fesseln nicht entfernt. Es dauert zudem fünf
Tage, bis sein Anwalt zu ihm gelassen wird. Als
Herr Orhan am 19. September von einem Anstaltsarzt erstmalig untersucht wird,
stellt dieser fest, daß durch die Inhaftierung eine schwere Retraumatisierung
(Dekompensation) eingetreten ist und ein lebensbedrohlicher Zustand
kurzzeitig erreicht ist. Wegen Haft- und Verwahrunfähigkeit wird er entlassen
und kommt danach umgehend in ein Krankenhaus, wo er weiter versorgt wird. Im
Beschluß vom 10. Januar 2007 erklärt das Berliner Kammergericht das türkische
Auslieferungsersuchen für unzulässig, weil offensichtliche Zweifel an der
Fairneß und Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens des Staatssicherheitsgerichtes
der Türkei bestehen und weil Herr Orhan dauerhaft haftunfähig ist. Die
Fesselungen des Gefangenen hält es allerdings für rechtmäßig. Gegen diesen
Beschluß legt Herr Orhan Verfassungsbeschwerde ein. Am
16. September 09 stellt das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe fest, daß die
Inhaftierung ohne einen richterlichen Beschluß des Kammergerichts
rechtswidrig war. Fünf
Jahre nach der Beschwerde wegen der Mißhandlungen in Gefangenschaft, am 8.
September 11 legt der Berliner Verfassungsgerichtshof dem Kammergericht
schwerste Verletzungen seiner Aufklärungs- und Prüfungspflichten zur Last.
Eine derartige und tagelange Fesselung sei nicht nur eine schwerwiegende
Verletzung des Freiheitsgrundrechts, sondern auch eine nicht zu
rechtfertigende Mißachtung der Menschenwürde. Das Verfassungsgericht verweist
die Sache zur erneuten Entscheidung an das Kammergericht und hält die
Befassung eines anderen Senats für angezeigt. Die
juristische Aufarbeitung des Falles ist auch im Februar 2012 noch nicht
beendet. taz 21.9.06; Direkte Aktion 29 Nr. 178 November/Dezember 06; Anerkannte Flüchtlinge in Auslieferungshaft –
AZADI; Jahresbericht über den Anarchismus in der Türkei; political-prisoners.net 2.7.07; Thomas Moritz – Rechtsanwalt 14. September 06 Bundesland Saarland. Der
kurdische Flüchtling Sirac Ö. wird in Saarbrücken verhaftet und in
Auslieferungshaft genommen. In
seinem Falle hatte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge im Jahre 2003 Abschiebungshindernisse gemäß § 51 Abs. 1
Ausländergesetz festgestellt, weil Sirac Ö. bei einer Rückkehr in die Türkei
mit Mißhandlung oder Folter zu rechnen habe. Die türkischen Behörden werfen
ihm Unterstützung der PKK vor und beziehen sich hierbei auf angeblich
gemachte Aussagen von mutmaßlich in bestimmte Straftaten verwickelte
Aktivisten, die als "flüchtige Angeklagte" auf der Fahndungsliste
geführt werden. Anerkannte Flüchtlinge in Auslieferungshaft – AZADI 15. September 06 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Um 0.17 Uhr wird die Polizei zur Flüchtlingsunterkunft in der Bünder Straße
in Löhne gerufen. Die Beamten finden Scherben einer Kornflasche und Steine im
Hinterhof des Gebäudes. Die Täter haben offenbar die Scheiben des Heimes mit
Steinen und einem Molotow-Cocktail beworfen. Da die Scheiben den Würfen
jedoch standhalten, kommen auch dieses Mal die Bewohner mit dem Schrecken
davon. Es
ist der zweite Anschlag auf das Heim innerhalb von drei Wochen. Die Polizei
vermutet einen Streit in der Drogenszene als Hintergrund für die Anschläge –
hierfür gibt es allerdings "noch keine weitergehenden
Erkenntnisse", so der Polizeisprecher. (siehe auch: 22. August 06) NW 24.8.06; NW
31.8.06; taz 1.9.06; NW 23.9.06 17. September 06 Guben in Brandenburg. Ein
indischer Flüchtling, der sich in Begleitung seiner Freundin befindet, wird
von vier behelmten Motorradfahrern angegriffen. Drei Männer halten ihn fest
und ein vierter schlägt zu. "Scheiß Kanake" hört er, und dann nimmt
ihm der Schläger das Handy weg. Als
er es zurückverlangt, zieht der Angreifer ein Messer und versucht, den
Flüchtling damit am Hals zu treffen. (siehe auch: 24. April 06) Opferperspektive 18. September 06 Pinneberg
in Schleswig-Holstein. Nach einem von der Ausländerbehörde geforderten
Untersuchungstermin bei einer sogenannten "Vertragsärztin" verschlechtert
sich der Gesundheitszustand der Georgierin Frau T. eklatant, und sie versucht
sich zu töten. Daraufhin kommt sie ins Regio-Klinikum Elmshorn zur
stationären psychiatrischen Behandlung. Die
Frau befindet sich bereits seit ihrer Ankunft in der Bundesrepublik in
psychiatrischer Behandlung. In einer Stellungnahme der Fachärztin aus dem
Klinikum Elmshorn vom 10. Juni werden eine Posttraumatische
Belastungsstörung, cerebrale Krampfanfälle (Epilepsie) und schwere depressive
Störungen diagnostiziert – bei einer Abschiebung sei mit schweren
gesundheitlichen Schäden zu rechnen. Die
von der Ausländerbehörde bestellte "Vertragsärztin" Frau G.
erstellt ihr Gutachten am 23. Juni allerdings ausschließlich über die
Befragung der Mutter von Frau T. mit dem Ergebnis: Flugreisefähigkeit in
ärztlicher Begleitung. Tatsächlich
ist es so, daß Frau T. völlig belastungsunfähig ist und von ihren Eltern
betreut wird. Die
Ausländerbehörde Pinneberg verschickt für den 1. Februar 2007 einen erneuten
Untersuchungstermin zur Prüfung der Flugfähigkeit von Frau T. Schon beim
Lesen dieses Briefes bekommt sie einen epileptischen Anfall. In ihrer großen
Angst vor dem Termin bittet sie einen Flüchtlingsberater, als Beistand
mitzukommen. Die "Vertragsärztin" verweigert die Untersuchung in
Anwesenheit des Beistands, wodurch die Untersuchung nicht stattfindet. In
ihrer Stellungnahme bescheinigt sie wie auch schon vorher:
"Lufttransportfähigkeit mit ärztlicher Begleitung." Diakonieverein Migration – Pinneberg 18. September 06 Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel.
In den Abendstunden wird hier eine europaweite Sammelabschiebung
durchgeführt, die erste, deren Organisation in deutscher Hand liegt. Sie
wurde unter großer Geheimhaltung vorbereitet. 13
Flüchtlinge aus Hamburg, 12 aus anderen Bundesländern, jeweils zwei aus der
Schweiz, aus den Niederlanden, Malta und ein Flüchtling aus Frankreich sollen
nach Guinea, Togo und Benin abgeschoben werden. Mit
im Flugzeug sind Vertreter der Hamburger Ausländerbehörde und der
Polizeiführung, Dolmetscher, Polizisten, Sanitäter und Beobachter der
europäischen Grenzschutzbehörde FRONTEX und offizielle Beobachter aus
Frankreich, den Niederlanden, Malta, der Schweiz, Polen, Österreich,
Tschechien und Italien. Um
sieben Uhr abends beobachten einige Flüchtlinge im Terminal, wie ein
schreiender Afrikaner von Polizisten zu Boden gedrückt wird. Später sitzt er
mit einer Platzwunde am Kopf im Flugzeug. Um
23.00 Uhr startet die Hello mit der Flugnummer FHE 6842 ihren Flug nach
Afrika. HA 19.9.06; Zeit Magazin Leben Nr 3 – 21.1.08; Hamburgische Bürgerschaft DS 18/5027 18. September 06 Sammelabschiebeflug vom
Flughafen Hamburg Fuhlsbüttel. Im Flugzeug befindet sich der 28-jährige H. B.
aus Niger, der unter starken Kopfschmerzen leidet. In den frühen
Morgenstunden, als Polizisten ihn aus der Zelle der Abschiebehaft holten, war
er heftig geschlagen und schließlich zu Boden geworfen worden. Beim Fesseln
hatte er die Stiefel der Beamten in seinem Nacken gespürt. Vor
einer Woche, als er seine Duldung verlängern lassen wollte, hatte ihn der
Sachbearbeiter der Ausländerbehörde mit den Worten "Game over"
begrüßt, und er war in Abschiebehaft gekommen. Durch die Abschiebung wird er
von seiner deutschen Verlobten getrennt. Ihre Heirat war in Vorbereitung. Ein
knappes Jahr später befindet sich H. B. wieder in Hamburg. Seine Verlobte war
ihm drei Wochen nach der Abschiebung nachgereist, sie hatten in Niamey
(Niger) im Kreise von H.'s Familie geheiratet, und es war ihnen gelungen,
gegen eine Anzahlung von 3000 Euro bei der Ausländerbehörde Hamburg eine
Wiedereinreise zu erreichen. Offen sind jetzt noch ca. 7000 Euro, die die
Abschiebung von H. gekostet haben soll. Zeit Magazin Leben Nr 3 – 21.1.08 18. September 06 Bundesland Hessen. Morgens um 5
Uhr erscheinen Polizisten in der Schulstraße 8 im Marburger Vorort Cölbe, um
die 11-köpfige Familie Kpakou nach 13 Jahren Deutschland-Aufenthalt
abzuschieben. Die Familie bekommt 30 Minuten Zeit, um die Koffer zu packen.
Bei dieser Maßnahme wird die Familie von der Behörde gewaltsam und
beabsichtigt getrennt. Der
Vater, Christopher Kpakou, wird mit den vier volljährigen und zwei
minderjährigen Kindern nach Hamburg gebracht, wo eine Sammelabschiebung von
Flüchtlingen aus verschiedenen europäischen Ländern nach Westafrika
vorbereitet wird (Flug FHE 6842). Aufgrund
der gefährlich hohen Blutdruck-Werte stoppt ein Polizei-Arzt die Abschiebung
von Herrn Kpakou. Die Abschiebung seiner Kinder erfolgt trotzdem ungebremst.
Rebecca, Celestine, Belinda, Joyce, Richie und Kokou sind damit endgültig von
beiden Eltern getrennt. Rejoyce
De Souza-Kpakou, die Mutter der Kinder, wird mit dem jüngsten, 6-jährigen
Sohn Panajotis, mit ihrer 22-jährigen Tochter Rejoice und ihrem 2-jährigen
Enkelkind Naomi, der Tochter ihrer ältesten Tochter Gertrud, zu einem
Linienflug nach Frankfurt transportiert. Der Widerstand, den die beiden
Frauen am Flughafen Frankfurt den Bundespolizisten entgegensetzen, veranlaßt
den Piloten der Linienmaschine, ihre Mitnahme zu verweigern. Die Frauen
kommen in Abschiebehaft, die Kinder zunächst in ein Kinderheim – später in
eine Pflegefamilie. Zwei
Tage nach der Abschiebung seiner Kinder erwacht Christopher Kpakou nach einem
Ohnmachtsanfall im Univer- sitätsklinikum
Marburg-Lahnberge. Er liegt auf dem Gang, sieht das Fenster und versucht,
sich hinunterzustürzen. Er kommt in die Psychiatrie ins nahe Ortenberg. Am
2. Oktober um 5.30 Uhr werden der 6-jährige Sohn von Frau De Souza-Kpakou und
die 2-jährige Enkelin von drei Beamten aus der Pflegefamilie abgeholt und zum
Frankfurter Flughafen gebracht. Hier begegnen sie ihren Müttern wieder, die –
beide in Handschellen – direkt aus der Abschiebehaft kommen. Um 8.00 Uhr hebt
eine offenbar ausschließlich für die vier Personen gecharterte Maschine vom
Rhein-Main-Flughafen in Richtung Lomé ab. In
Deutschland bleibt einzig der Vater, der nach seinem Suizidversuch nicht
reisefähig ist. Als er erfährt, daß auch seine Frau, sein kleiner Sohn, seine
Tochter und sein Enkelkind abgeschoben wurden, unternimmt er einen zweiten
Selbsttötungsversuch, bei dem er sich mit einem Messer an Kopf und Bauch
Verletzungen zufügt. Er kommt daraufhin zur stationären Behandlung in die
psychiatrische Abteilung der Universitätsklinik Marburg. Die
abgeschobenen Kinder berichten, daß sie bei einem Freund ihres Vaters, einem
73-jährigen Mann, in einem 15 qm großen Zimmer untergekommen sind, wo sie mit
fünf Erwachsenen leben. Sie schlafen zu dritt auf einer feuchten Matratze in
einer winzigen Kammer mit Lehmboden und undichtem Dach. Sie bekommen alle
Durchfall vom trüben Brunnenwasser und eitrigen Ausschlag von den Milben aus
der Matratze. Und sie bekommen Malaria. Die 300 €, die eine Angestellte der
Deutschen Botschaft ihnen nach der Landung für Impfungen (!) gegeben hatte,
wurden ihnen von ihrem "Onkel" abgenommen. Belinda,
17 Jahre alt und in Deutschland aufgewachsen, geht in ihrer Not zur Deutschen
Botschaft und bittet um Hilfe. Die Antwort: "Du bist in Deiner Heimat
.... finde dich damit ab. Wenn du dich beschweren willst, wende dich an
deinen Sachbearbeiter in der Ausländerbehörde Gießen." Drei
Monate später halten die Kpakous es bei dem "Onkel" nicht mehr aus
und ziehen in ein kleines Haus, in dem sie zu zehnt leben. Zwei
Jahre nach der Abschiebung ist die Familie fast zerfallen. Christopher Kpakou
lebt schwerstkrank und an der Situation der Trennung von der Familie
zerbrechend in einer Einzimmerwohnung in Cölbe. Seine Frau Rejoyce wurde von
Angehörigen verstoßen, weil sie ohne Geschenke und völlig verarmt nach Afrika
zurückkam. Sie zog mit den jüngeren Kindern und Richie nach Ghana. Hier wird
Englisch gesprochen, und sie erhofft sich für die Kinder nicht so große
Schwierigkeiten in der Schule. Die älteren Kinder bleiben in Lomé. Ohne
Französisch oder die Stammessprache zu sprechen, von den Eltern getrennt,
ohne Geld und mit dem Trauma der abrupten Trennung von ihren FreundInnen und
NachbarInnen fällt es ihnen schwer, sich zurechtzufinden. Allein
durch die finanzielle Unterstützung von FreundInnen und UnterstützerInnnen in
Cölbe kann die Familie in Togo und Ghana überleben. Die deutschen FreundInnen
bezahlen die Miete, den Strom, das Essen und die Ausbildungsplätze der
Kinder. So können Celestine, Rejoice und Rebecca den Beruf der Näherin, Gertrud
das Friseurhandwerk und Kokou Automechanik erlernen, und Richie und die
kleineren Kinder können weiter zur Schule gehen. Die mittlerweile 18-jährige
Belinda, die die Lebenssituation in Lomé nicht mehr erträgt, ist eines Tages
ohne Abschied und ohne Nachricht verschwunden. Sie besucht kurz ihre
Großmutter im ghanaischen Keta, verschwindet auch dort und verabschiedet sich
von ihrem Bruder Kokou telefonisch mit den Worten, sie sei jetzt in Nigeria
sei, und sie nicht mehr nach ihr suchen sollen. Christopher
Kpakou, der einst als politisch Verfolgter kam, ist jetzt im Besitz einer
vorläufigen Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung. Sollte dieser
Status gefestigt werden, dann könnte seine Frau mit den beiden minderjährigen
Kindern theoretisch in die BRD zurückkommen. Voraussetzung wäre dafür, daß
der mittlerweile schwerkranke und arbeitsunfähige Herr Kpakou die Abschiebekosten der Familie bezahlt. Diese
belaufen sich allein für diese drei Personen auf 39.000 Euro – eine Summe,
die zur Zeit weder Herr Kpakou noch der Freundeskreis aufbringen können. Die
Klage der Familie gegen die Festsetzung dieser Abschiebekosten für drei
Familienmitglieder wird vom Verwaltungsgericht Gießen negativ entschieden.
Als ein Grund hierfür wird die fehlende Postanschrift in Afrika angeführt.
Die Familie geht in Berufung. Erst
im Dezember 2010 bekommt Herr Kpakou nach langen Bemühungen seiner Anwältin
aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes eine Aufenthaltserlaubnis, so
daß die Bedrohung durch eine Abschiebung nicht mehr besteht. Dem
Kreis der UnterstützerInnen der Familie Kpakou in Deutschland gelingt es auch
vier Jahre nach der Abschiebung, die Abgeschobenen und Herrn Kpakou weiter zu
untersützen. Frau
Rejoyce De Souza-Kpakou, die mit ihrer Tochter Gertrud, ihrem Enkelkind Naomi
und den Söhnen Kakou, Richie und Panajotis in Accra (Ghana) lebt, konnte
einen kleinen Laden eröffnen, der ihnen den Lebensunterhalt sichern soll.
Trotzdem müssen die Schul- und Ausbildungsgelder für alle Kinder vom
UnterstützerInnenkreis aufgebracht werden. Gertrud hat ihre Friseurlehre
inzwischen erfolgreich beendet, eine Anstellung gefunden und ist damit nicht
mehr von den Spenden abhängig. OP 19.9.06; OP
20.9.06; OP 21.9.06; OP 22.9.06; OP 25.9.06; MNZ 25.9.06; Pro Asyl 27.9.06; ngo-online 27.9.06; MNZ 28.9.06; OP 28.9.06; OP 4.10.06; GA 4.10.06; Abschiebungsbeobachtung FFM 2007; Zeit-Magazin Leben Nr 3 – 21.1.08; taz 17.12.08; ZDF "Die Weggeworfenen"
18.12.08; SD 27.3.09; Internationaler Kontaktkreis Asyl; www.familie-kpakou.net; www.familie-kpakou.blogspot.com 23. September 06 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. In einer Diskothek in Schwerin-Süd wird ein
afrikanischer Asylbewerber von einem Mann angegriffen und im Gesicht
verletzt. LOBBI 24. September 06 Bernburg in Sachsen-Anhalt. Ein
36 Jahre alter Flüchtling aus Burkina Faso wartet am Abend vor einer
besetzten Telefonzelle, als ihn plötzlich die Frau in der Zelle anschreit,
mehrfach als "Scheiß Neger" bezeichnet und ihn auffordert zu verschwinden.
Als der Betroffene geht, verspürt er einen plötzlichen Schmerz im Rücken,
dreht sich um und sieht, wie die Frau einen zweiten Stein aufhebt, um auch
diesen auf ihn zu werfen. Dieser Stein verfehlt sein Ziel, und als ein
dritter Stein aufgehoben wird, fordert er die Frau auf, es zu unterlassen,
und schlägt ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, um die Attacke zu
unterbinden. Dann nimmt er die beiden Steine mit und geht weg. Wenige
Stunden später suchen Polizisten den Afrikaner in seiner Unterkunft auf und
befragen ihn zu dem Vorfall, weil die Angreiferin inzwischen Anzeige gegen
ihn erstattet hat. Er zeigt den Beamten die zwei Steine, die auf ihn geworfen
wurden und die Verletzung des Rückens, die durch den Steinwurf entstanden
ist. "So was passiert eben", erwidern die Beamten. Als
der 36-Jährige zwei Tage später zu einer Anhörung wegen einer rassistischen
Beleidigung vom 29. Juni (siehe auch dort) im Polizeirevier Bernburg ist,
stellt sich heraus, daß wegen der Körperverletzung durch die Steinattacke bis
dato keine Ermittlungen von Amts wegen eingeleitet sind. Erst jetzt nimmt ein
Staatsschützer der Direktion Dessau die Anzeige des Flüchtlings auf. Am
19. Mai 2008 steht der Flüchtling selbst wegen des Vorwurfs der gefährlichen
Körperverletzung vor Gericht. Dieses Verfahren wird am 11. August
eingestellt. Stattdessen wird Anklage gegen die Angreiferin erhoben. TS 14.6.07; ap
14.6.07; ddp 14.6.07; ad-hoc-news.de
14.6.07; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 1. Oktober 06 Flughafen Frankfurt am Main. Es
ist der zweite Versuch der Behörden, den 35 Jahre alten F. M. nach
Afghanistan abzuschieben. Zwei Polizisten führen ihn gegen 18 Uhr die Treppe
zu einer Maschine der Pakistan International Airlines hinauf, doch bevor er
oben von zwei Flüchtlingsbegleitern in Empfang genommen werden kann, springt
er über die Brüstung und fällt aus fünf Metern Höhe auf den Beton. Mit
zersplitterten und gebrochenen Fuß- und Fußgelenksknochen bleibt er liegen
und kommt mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus. "Ich wollte mich
umbringen", sagt er hier einer Journalistin. Da
er seine Selbsttötungsabsichten weiterhin äußert, wird er nach der operativen
Behandlung von der Orthopädischen Universitätsklinik Frankfurt in das
Klinikum Höchst überwiesen – zunächst für fünf Tage in die geschlossene
Abteilung, danach wird er in andere Stationen verlegt. Erst am 23. November
2006 kommt er zurück in seinen Wohnort. Eine Rehabilitationsbehandlung wird
vom Sozialamt Lippe abgelehnt. Herr M. sitzt im Rollstuhl, den er erst im Sommer
2007 gegen einen Rollator und Gehhilfen austauschen kann. F.
M. war vor fünf Jahren in die BRD geflohen, nachdem seine Eltern bei einem
Bombenangriff gestorben waren und auch sein Bruder das Land verlassen hatte. Er
wohnte in der Flüchtlingsunterkunft einer kleinen Ortschaft in
Nordrhein-Westfalen und hatte zwei Jahre lang eine Arbeit, wodurch er seinen
Unterhalt selbst finanzieren konnte. Im
April 2006 bekam er die Ablehnung seines Asylantrags und floh aus Angst vor
der Abschiebung nach Italien. Als er dort auch einen Antrag stellen wollte
und von einem Dolmetscher hörte, daß dies nicht möglich wäre, fuhr er zurück
nach Deutschland. Vor dem Bahnhof von Offenbach stellten ihn zwei Polizisten,
überprüften die Papiere und nahmen ihn fest. Er kam in Abschiebehaft nach
Mannheim. Als
er das erste Mal am 8. oder 9. September ausgeflogen werden sollte, und – an
den Händen gefesselt – aus dem Polizeiwagen stieg, hatte er gesagt: "Ich
gehe überhaupt nicht. Ich will mich umbringen." Die Beamten ließen ihn
wieder einsteigen und brachten ihn zurück in die JVA Mannheim. Im
November 2007 bekommt F. M. einen Brief von der Bundespolizei Mitte. Es ist
eine Rechnung über 122,50 € "Heilungskosten" und 2216,25 € "Dienstbezüge
für die vorfallsbedingte Dienstunfähigkeit vom 02.10.06 – 20.10.06" für
einen Beamten, der sich beim Sprung von Herrn M. "eine Prellung der
Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule, eine Zerrung im rechten Schulterbereich
sowie eine Prellung des rechten Unterarmes" zugezogen habe. FR 21.11.06; Pro Asyl 23.11.06; Spiegel 25.12.06; FRat BaWü Rundbrief 3/2007; Antirassistische Initiative Berlin 5. Oktober 06 Bundesland Sachsen. Ein 28 Jahre
alter Flüchtling aus Tschetschenien erhängt sich in einem Heim, in dem er
vorübergehend untergebracht worden ist. Die
Ungewißheit seines Asylverfahrens – seit dreieinhalb Jahren wartete er auf
die Erstentscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – und die
Isolation an einem Ort, an dem die Mitglieder seiner Familie die einzigen
tschetschenischen Flüchtlinge waren, hatten den ohnehin bestehenden
psychischen Druck durch Kriegserlebnisse und Heimatverlust so verschärft, daß
dies sich auch auf seine familiäre Situation auswirkte. Der
Mann hinterläßt seine Frau und vier Kinder – das jüngste ist wenige Monate
alt. Deutsch-Kaukasische Gesellschaft 5. Oktober 06 Bundesland Baden-Württemberg.
Die 34 Jahre alte Kosovo-Albanerin Zejnep O. wird mit ihrer 7-jährigen
Tochter und dem 3-jährigen Sohn früh morgens aus ihrer Mannheimer Wohnung von
der Polizei abgeholt und festgenommen. Die unter Posttraumatischen
Belastungsstörungen leidende Frau bricht völlig zusammen. Sie wird trotzdem
umgehend nach Prizren abgeschoben. Zejnep
O. war 1999 aus dem Kosovo in die BRD geflohen, nachdem ihr Vater und ihr
Großvater umgebracht worden waren. Sie selbst erlebte auf einem
Flüchtlingstreck Mißhandlungen und Vergewaltigungen, die sie schwer
traumatisierten. Die Kinder der alleinstehenden Frau wurden in Deutschland
geboren. Schon
der erste Abschiebeversuch, der auf dem Flughafen durch einen Eilantrag des
Rechtsanwaltes gestoppt werden konnte, verschlechterte den Gesundheitszustand
von Frau O. immens. Der zweite Abschiebeversuch wurde von der UNMIK
zurückgewiesen, weil dort den Attesten des behandelnden Arztes und des
psychosozialen Zentrums der Universität Heidelberg geglaubt wurde. Nach
der Abschiebung ist Frau O. überhaupt nicht in der Lage, ihre Situation zu
realisieren. Sie ist völlig alleine und irrt herum. Auch die Rückkehr in den
Ort ihrer Kindheit ist nicht möglich, weil sie als Mutter von unehelichen
Kindern Schande für die sie eventuell aufnehmende Familie bedeuten würde. In
Peja trifft sie zufällig auf Familie B., mit der sie weitläufig verwandt ist.
Die Eheleute B. sind bereit, sie in ihr Haus aufzunehmen, was einen
gewaltigen Kraftakt für alle bedeutet. Das Haus hat eine Gesamtfläche von 35
Quadratmetern, in denen die Eheleute B. mit ihren sieben Kindern ohnehin
beengt leben. Da der strenge Sittenkodex auch in diesem Dorf gilt, muß Herr
B. als Gastgeber im größeren der beiden Zimmer alleine schlafen und die
anderen elf Personen im kleineren Zimmer. Zudem besteht bei allen die Angst,
daß bekannt wird, daß Zejnep O. nicht verheiratet ist. An dieser Situation
hat sich auch im Januar 2007 noch nichts geändert. FRat BaWü Rundbrief 1/2007; StZ 5.2.07 11. Oktober 06 BewohnerInnen aus dem
niedersächsischen Flüchtlingslager Blankenburg bestreiken heute bereits seit
sieben Tagen die Essensannahme. Sie protestieren gegen das schlechte
Fertigessen, die mangelnde medizinische Versorgung und die
menschenverachtende Behandlung im Lager. Sie fordern Geld- statt
Sachleistungen, um sich selbst versorgen zu können. Viele haben überhaupt
kein Bargeld – andere bekommen maximal 38,18 Euro pro Monat. Die
Situation im Lager ist angespannt. Nicht zuletzt, weil die Lagerleitung jetzt
fast täglich die Polizei ruft. Heute fahren 20 Einsatzwagen vor, und
Polizisten mit Hunden fordern die Lagerinsassen auf, in ihre Zimmer zu gehen.
Der Flüchtling Mustafa A. weigert sich und wird daraufhin von drei Beamten an
seiner Kleidung gepackt, um ihn in eines der Einsatzfahrzeuge zu schleppen.
Mustafa A. beginnt zu schreien, entledigt sich seiner
Kleidung und versucht zu fliehen. Jetzt wird er allerdings von zehn Beamten
festgehalten, und ihm werden Hand- und Fußschellen angelegt. Als er sich an
der Tür des Polizeifahrzeugs festhält, beginnen die Beamten, mit
Schlagstöcken auf ihn einzuschlagen, werfen ihn zu Boden und zerren ihn dann
in das Wageninnere. Zwei
weitere Bewohner, die eine Auseinandersetzung miteinander hatten, werden
ebenfalls mitgenommen. Einer von ihnen wird nach Braunschweig und Mustafa A.
nach Bramsche umverteilt. Antirassistisches Plenum Oldenburg 17. Oktober 06 Warendorf in
Nordrhein-Westfalen. Das tamilische Ehepaar Menaka und Kiddinan
Thadchanamoorthy wird in Abschiebehaft genommen. Während Herr
Thadchanamoorthy direkt in die JVA Büren gebracht wird, kommt seine Frau, die
infolge von Mißhandlungen in Sri Lanka an einer Posttraumatischen Belastungsstörung
leidet, in das Gefängniskrankenhaus der JVA Fröndenberg. Damit werden die
Eltern von ihren drei kleinen Kindern gewaltsam getrennt. Der
6-jährige Apsian, die 3-jährige Apirami und die acht Monate alte Apinaeja
(sie wird von ihrer Mutter noch gestillt) werden der Verantwortung des
Kreisjugendamtes Warendorf übergeben. Ein Besuch der Kinder bei ihren
inhaftierten Eltern wird behördlicherseits nicht erlaubt. Herr
Thadchanamoorthy war vor zwölf Jahren in die BRD eingereist und hatte Asyl
beantragt. Dieser Antrag wie auch der seiner Frau, die 1999 nach Deutschland
kam, und die Anträge der Kinder wurden allesamt abgelehnt. Am
25. Oktober wird die Familie über Frankfurt nach Colombo (Sri Lanka)
abgeschoben – dem Vernehmen nach in Begleitung einer Ärztin oder eines
Arztes. Nachdem
Herr Thadchanamoorthy die Familie über lange Zeit durch seine Arbeit selbst
unterhalten konnte, bekommen sie jetzt bei der Abschiebung 100 Euro und ein
Visum in die Hand gedrückt. Ihre persönliche Habe, Kleidung, notwendige Medikamente
und vor allem ihre Personalpapiere und die Geburtsurkunden der in Warendorf
geborenen Kinder werden ihnen vorenthalten. Die jüngste Tochter, die unter
Asthma- Anfällen leidet und in
Deutschland bisher in medizinischer Behandlung war, hat jetzt keine
Medikamente mehr. Alle Kinder werden ohne den notwendigen Impfschutz
abgeschoben. Ohne
Ausweispapiere kann sich die Familie in dem Bürgerkriegsland Sri Lanka nicht
registrieren lassen. Ein Aufenthalt in Colombo ist lebensbedrohlich, weil sie
bei Straßenkontrollen durch das Militär unter den Verdacht geraten können,
Mitglieder oder Unterstützer der tamilischen Rebellen zu sein. Davon
abgesehen reichen die 100 Euro für die Familie in einer heruntergekommenen
Herberge für 14 Tage. Dann müssen sie weg, weil sie kein Geld mehr haben. Sie
sind auf sich allein gestellt; ihre Angehörigen leben verstreut in
europäischen Ländern oder wurden im Bürgerkrieg massakriert. Im
September 2007 gibt es die Nachricht von der Familie, daß es vor allem Frau
Thadchanamoorthy und dem 7-jährigen Apsian psychisch sehr
schlecht gehe. Die für die Arbeitssuche wichtigen Ausweispapiere sind immer
noch nicht bei der Familie angekommen, so daß Herr Thadchanamoorthy keine
Arbeit suchen kann. Die durch Handarbeiten von Frau Thadchanamoorthy
erwirtschafteten 30 Euro im Monat reichen zum Leben nicht aus, so daß
finanzielle Hilfe von deutschen UnterstützerInnen weiterhin notwendig ist. Am
30. April 2008 wird Herr Thadchanamoorthy auf offener Straße verhaftet und
kommt ins Gefängnis, weil er keine Identitätskarte vorlegen kann. Zwölf Tage
später wird er entlassen. ai 23.10.06; Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren 9.11.06; GWR Dezember 06; WN 27.9.07; abgeschoben-waf.de 26. Oktober 06 Bundesland Bayern. In der JVA
Stadelheim erhängt sich der 32 Jahre alte Flüchtling Asseged Admaso. Obwohl
er schnell gefunden wird und reanimiert werden kann, erliegt er drei Tage
später seinen Verletzungen im Kreiskrankenhaus Perlach. Den
Grund für die Selbsttötung sehen Freunde und UnterstützerInnen in einem kurz
zuvor übergebenen Brief von der Ausländerbehörde, bei dem es sich
wahrscheinlich um eine schriftliche Anhörung zur Abschiebung gehandelt hat. Herr
Admaso hatte am Abend des 16. September einem äthiopischen Mitbewohner im
Flüchtlingsheim Dachau während eines heftigen Streites ein Küchenmesser in
den Bauch gerammt. Am nächsten Tag stellte er sich der Polizei und befand
sich seither in Untersuchungshaft. Ihn plagten schwere Schuldgefühle. Auch
die Tatsache, daß der durch den Messerstich Verletzte überlebt hatte und auf
dem Weg der Besserung war, konnte ihn nicht beruhigen, so der Pfarrer der
äthiopisch-orthodoxen Gemeinde, der ihn einmal besuchen durfte. Asseged
Admaso war mit einer Deutschen verlobt und hatte bis dato als Küchenhilfe
gearbeitet. Polizei Fürstenfeldbruck 17.9.06; SZ 2.11.06; SZ 4.11.06; Antirassistische Initiative Berlin 31. Oktober 06 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Morgens um 7 Uhr wird die afghanische Familie M., die seit fünf Jahren in der
Gemeinde Olsberg im Hochsauerlandkreis lebt, von der Polizei zur Abschiebung
aus der Wohnung geholt. Noch am 5. Oktober war ihre Duldung für
sechs Monate verlängert worden. Da die Eheleute Arbeit haben, hatten sie auch
eine Aufenthaltserlaubnis beantragt und die dafür nötigen Gebühren bezahlt. Der
Flug mit den Eltern und den drei Kindern im Alter von ein, drei und zehn
Jahren endet in Islamabad in Pakistan. Als sich Herr M. von dort beim
Diakonischen Werk in Meschede telefonisch meldet, berichtet er, daß sie alle
erkrankt sind und es den Kindern besonders schlecht gehe. Er plane nun die
Weiterreise in den Iran. Diese
Abschiebung ist die bundesweit erste Abschiebung von afghanischen
Flüchtlingen. Sie findet völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit statt. FRat NRW Schnellinfo 17.1.07; Abschiebungsbeobachtung FFM 2007 31. Oktober 06 Koblenz in Rheinland Pfalz. Um
6.45 Uhr fahren Polizeifahrzeuge vor die St.-Peter-Kirche im Stadtteil
Neuendorf. Ca. 30 Beamte in Zivil und Uniform sind dafür abgestellt, die dort
seit einigen Tagen lebende kurdische Familie Yildirim aus dem Kirchenasyl
herauszuholen, um sie nach zehn Jahren Deutschland-Aufenthalt in die Türkei
abzuschieben. Die 34-jährige Nafiye Yildirim leistet Widerstand, der von
einem Beamten mit einem Schlag auf den Kopf gebrochen wird. Eine
Unterstützerin wird vor der Kirche an die vordere Stoßstange eines
Polizeiautos gefesselt. Während
der Abschiebung wird der Vater und Ehemann Ali Yildirim von seiner Frau
Nafiye und seinen vier, sieben und zehn Jahre alten Kindern Emine, Cebreil
und Serhat getrennt. Um
13.00 startet die Maschine vom Flughafen Frankfurt am Main, und als sie um
16.00 Uhr in Istanbul landet, erfolgt die umgehende Verhaftung von Ali
Yildirim. Er kommt in Haft und wird verprügelt. Bei seiner Entlassung nach
zwei Tagen Haft wird dem 41-Jährigen der Paß abgenommen, wodurch er sich bei
eventuellen Kontrollen nicht mehr ausweisen kann. Er taucht unter und hat
auch keinen Kontakt zu seiner Familie, die bei seiner Mutter in Nusaybin
unterkommt. Vier
Wochen nach der Abschiebung leidet Nafiye unter einem Hörsturz, und Emine und
Serhat sind krank. Die Familie bekommt keinerlei staatliche Unterstützung,
hat noch keine "grüne Karte", so daß sie eine medizinische
Versorgung selbst bezahlen müßte, was sie nicht kann. Das
Verwaltungsgericht Koblenz weist am 13. Februar 07 die Klage der Familie ab,
den Asylantrag noch einmal zu verhandeln. Das Gericht erachtet die
vorgelegten Papiere, unter anderem einen Haftbefehl aus der Türkei, als
plumpe Fälschungen. Im
Januar 2007 haben Frau Yildirim und die Kinder immer noch keine grüne
Versicherungskarte von den türkischen Behörden ausgestellt bekommen, so daß
sie von medizinischer Versorgung ausgeschlossen sind. Herrn Yildirim steht
ein Prozeß wegen Verweigerung des Militärdienstes vor dem Strafgericht in
Diyarbakir bevor. Unterstützerkreis der Familie Yildirim; Gemeinde St. Peter Koblenz-Neuendorf und
-Wallersheim; swr 31.10.06; FRat Hessen 31.10.06; Initiative Zukunft 8.11.06; ddp
21.2.07; Initiative Zuflucht 2.3.07 Oktober 06 Flughafen Frankfurt am Main. Das
Ehepaar P. und ihre zwei kleinen Kindern sollen nach Sri Lanka abgeschoben
werden. Frau P. leidet unter einer reaktiven Depression und wird zur
Abschiebung aus dem Krankenhaus der JVA abgeholt, wo sie sich in
Abschiebehaft befand. Wichtige Medikamente hat sie nicht dabei. Mehrere
Gutachten sprechen sich gegen eine Abschiebung der Frau ins Krisengebiet aus.
Eine
Kommunikation kann vor Ort nicht stattfinden, weil keine ÜbersetzerInnen zur
Verfügung stehen. Da noch keine aktuelle Flugreisetauglichkeitsbescheinigung
vorliegt, geht der für die Abschiebung vorgesehene Begleitarzt
zu Frau P. und fragt sie, wie es ihr geht. Ihr Nicken reicht dem Arzt, die
für die Behörden nötige Bescheinigung per Hand auszustellen. Eine
Untersuchung findet nicht statt. Die Frage der Mitarbeiterin der
Abschiebebeobachtung FFM, auf welcher medizinischen Basis diese Bescheinigung
ausgestellt wurde, läßt der Arzt unbeantwortet. Die
Familie wird abgeschoben. Am nächsten Tag ist auf der Internetpräsenz der
Ausländerbehörde eine Stellungnahme für die Öffentlichkeit zu lesen,
in der es heißt, daß Frau P. kein Deutsch spricht und daher auch nicht unter
die Bleiberechtsregelung fallen würde. Abschiebungsbeobachtung FFM 2007 Oktober 06 Herr F. wird mit seinem
16-jährigen Sohn zum Flughafen in Frankfurt am Main gebracht. Er leidet unter
einer Posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen. Er steht unter
Psychopharmaka, wirkt abwesend und ist kaum ansprechbar. Ein Orthopäde (!) begleitet den schwerkranken Mann und
dessen Sohn in einem Einzelcharter nach Istanbul. Damit ist die Familie
getrennt, denn Frau F. und drei Töchter bleiben in der BRD. Bereits
im August sollte die gesamte Familie abgeschoben werden. Durch den
lautstarken Widerstand – vor allem der weiblichen Familienmitglieder – mußte
die Abschiebung am Flughafen Frankfurt damals abgebrochen werden. Abschiebungsbeobachtung FFM 2007 Oktober 06 Demmin im Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. Bei einem Besuch in der Ausländerbehörde entdeckt der
armenische Flüchtling Marat W. zwischen Aktenordnern und Papierstapeln eine schwarze
Pistole. Die Frage nach der Echtheit der Waffe wird von dem Sachbearbeiter
bejaht. Als
er einen Monat später wieder im Wartezimmer der Behörde sitzt, passiert es,
daß zwei Angestellte die Tür mit einem Fußtritt öffnen und ihn barsch
auffordern, seine Tasche zu öffnen. Sie tragen schwarze Handschuhe mit Nieten
an den Fingern. Als er sie fragt, ob sie ihn verprügeln wollten, antworten
sie: "Dann würdest Du jetzt schon am Boden liegen". Zwei
Betreuerinnen einer Beratungsstelle für MigrantInnen, die den Raum betreten,
bemerken ebenfalls die Behördenmitarbeiter mit den schwarzen Handschuhen in
Gegenwart des "schweißüberströmten, offensichtlich verängstigten"
Mannes. Im
Beisein einer Mitarbeiterin der Beratungsstelle für MigrantInnen wird Marat
W. später mitgeteilt, daß die Behörde rechtlich gegen ihn vorgehen werde,
sollte er sich mit seinen Erlebnissen an die Öffentlichkeit wenden. Und das,
drohte der Leiter der Ausländerbehörde Rainer Plötz, würde sich nicht positiv
auf seinen Aufenthaltsstatus auswirken. Als
Marat W. sich im August 07 tatsächlich an die Presse wendet, bestätigt Rainer
Plötz, daß seine Mitarbeiter Schußwaffen tragen: "Wenn einer denkt, er
ist sicher, wenn er so eine Pistole hat, dann, sag ich, ist das seine
Entscheidung." Zumal es "nur" Gas- oder Schreckschußpistolen
seien. Er habe aber vorsorglich untersucht, ob die betreffenden Angestellten
auch Waffenscheine besäßen. Er könne die Mitnahme von Waffen in die Behörde
nicht grundsätzlich verbieten: "Das ist Privatrecht". Aufgrund
der öffentlichen Kritik untersagt Plötz den Mitarbeitern schließlich fortan,
die Schußwaffen sichtbar zu tragen. Marat
W. und seiner Familie droht Ende Dezember 2007 akut die Abschiebung, denn
obwohl er eine positive Entscheidung der Härtefall-Kommission hat, verweigert
die Demminer Ausländerbehörde immer noch die Aufenthaltsgenehmigung. Im
Oktober 2008 wird Rainer Plötz wegen versuchter Nötigung vom Amtsgericht
Demmin zu einer Geldstrafe von 5400 Euro verurteilt. In einem
Berufungsverfahren wird dieses Urteil jedoch wieder aufgehoben. Zeit 13.8.07; taz 10.8.07; Human Place Heft 3/08; Heft der Flüchtlingsräte Januar 2012 Oktober 06 Heilbronn in Baden-Württemberg.
Ein kurdischer Asylbewerber wird nach Anatolien abgeschoben. Damit ist er von
seiner Frau und seinen acht Kindern, die ein bis 15 Jahre alt sind, getrennt.
Es geht ihm nach der Abschiebung zunehmend schlechter, so daß er 2008 ins
Krankenhaus gebracht werden muß. Die
Familie kam bereits 1996 in die Bundesrepublik und beantragte Asyl. Als dies
abgelehnt wurde, ging sie in die Niederlande. Seit 2003 lebte sie wieder in
Heilbronn als geduldete Asylbewerber. Wegen der Unterbrechung ihres
Aufenthalts greift für sie die Altfallregelung von 2006 nicht, nach der
Asylbewerber-Familien mit Kindern in Schule und Kindergarten, die länger als
sechs Jahre ununterbrochen hier sind, Bleiberecht bekommen können. Die
Kinder sind zum Teil in der Bundesrepublik geboren und sprechen alle nur
Deutsch und ein wenig Kurdisch, nicht Türkisch. In der Türkei ist zudem die
kurdische Sprache verboten, wodurch der Schulbesuch oder eine Ausbildung
schwierig bis unmöglich wären. Daher setzt sich ein UnterstützerInnenkreis
für die Familie ein. Im September 2008 wird ihre Petition im Stuttgarter
Landtag abgelehnt. Im April 2009 macht auch die Entscheidung des Stuttgarter
Landtags die Hoffnungen der Familie auf ein Bleiberecht zunichte – die
CDU-FDP-Mehrheit stimmt für die Abschiebung der Familie. HSt 19.9.08; HSt 23.9.08; HSt 25.9.08; L-TV 24.4.09; Heilbronner Stimme 24.4.09; Antirassistische Initiative Berlin 5. November 06 Flüchtlingsunterkunft im
Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main in Cargo City Süd, Gebäude C
587. Als ihre Mutter ins Krankenhaus eingewiesen werden muß, bleibt die
5-jährige Enolia aus Nigeria fünf Nächte lang allein im Transitbereich
zurück. Das für die Unterbringung zuständige Sozialministerium vertritt die
Auffassung, die Anwesenheit einer weiblichen Person vom Sicherheitspersonal
sei für das Kind ausreichend. Dann wird das Kind für die Zeit des weiteren
Krankenhaus-Aufenthaltes zur Mutter gebracht, wo beide, da sie noch nicht
"eingereist" sind, unter Bewachung leben müssen. Einige
Monate zuvor waren bereits unbegleitete minderjährige Flüchtlinge über
längere Zeit hinweg im Transitbereich untergebracht worden. Pro Asyl; Pro Asyl Newsletter Nr. 118 9. November 06 Wilhelmshaven in Niedersachsen.
Morgens gegen 3.00 Uhr erscheinen zwei Mitarbeiter der Ausländerbehörde und
drei Polizisten an der Wohnungstür in der Grenzstraße, um die Familie Mucaj
in den Kosovo abzuschieben. Als sie bemerken, daß ausschließlich Fadil Mucaj
anwesend ist, fesseln sie ihn und verschaffen sich Zugang zu der Wohnung des
Schwagers der Ehefrau, die zwei Stockwerke tiefer liegt. Hier
finden sie die Söhne von Herrn Mucaj vor. Den schreienden Donjed, der sich an
seine Großmutter klammert, und Leutrim, der stumm und blaß daneben steht. Der
Mutter Arifete Mucaj gelingt es, aus dem Fenster der im ersten Stock
gelegenen Wohnung zu springen und sich im Hof zu verbergen. Eine Beamtin
trennt Donjed von seiner Großmutter, die daraufhin in Ohnmacht fällt. Die
Jungen werden mitgenommen, und der Anblick ihres gefesselten Vaters
schockiert die 7- und 10-Jährigen. Mit zwei Einsatzwagen werden sie
fortgefahren, der Vater in das Abschiebegefängnis Hannover-Langenhagen, und
die Kinder kommen in staatliche Obhut. Damit ist die Familie getrennt. Der
Albaner Fadil Mucaj war vor 15 Jahren als 19-Jähriger aus der serbischen
Armee desertiert und in die BRD geflohen. Seine Frau Arifete,
die der ethnischen Gruppe der Ashkali angehört, war drei Jahre später nach
Deutschland gekommen – im Jahre 1994. Sie befindet sich seit längerer Zeit in
ärztlicher Behandlung, und auch ihr 10-jähriger Sohn war schon – aufgrund
einer Posttraumatischen Belastungsstörung – in psychologischer Behandlung. Bereits
am 19. Januar hatte es einen Abschiebeversuch gegeben, der am Flughafen
Düsseldorf durch das Verwaltungsgericht Oldenburg nach Intervention des
Rechtsanwalts abgebrochen werden mußte. Am
17. November wird Fadil Mucaj aus der Haft entlassen und darf wieder bei
seinen Kindern sein. Die Familie hat einen großen und engagierten
UnterstützerInnenkreis, der mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit und vielen
weiteren Aktivitäten versucht, gegen die immer noch anstehende Abschiebung
ein Bleiberecht durchzusetzen. AntiFaschistisches Bündnis Wilhelmshaven; Landtagsfraktion Bündnis90 / Die Grünen 10. November 06 Berlin-Mitte. Als ein
23-jähriger Flüchtling aus Sierra Leone in der Alten Schönhauser Straße
abends um 22.40 Uhr von zwei deutschen Männern mit "Scheiß-Neger"
beschimpft und beleidigt wird, wechselt er die Straßenseite. Die Männer
verfolgen ihn und schlagen ihm derart ins Gesicht, daß er zu Boden geht. Dann
treten sie dem Flüchtling mit ihren Stiefeln ins Gesicht. Ein
Passant oder eine Passantin verständigt die Polizei. Als diese eintrifft und
der Verletzte auf Englisch sagt, daß die Täter schon weg seien, fährt die
Polizei wieder davon, ohne sich um den Verletzten zu kümmern. Der
Flüchtling kommt schließlich in ein Krankenhaus, wo seine
Gesichtsverletzungen, unter anderem ein mehrfacher Unterkieferbruch,
stationär behandelt werden müssen. ReachOut Berlin 14. November 06 Bundesland Niedersachsen. Der 26
Jahre alte Ashkali Faruk X. wird in den Kosovo abgeschoben und ist damit von
seiner 1-jährigen Tochter getrennt. Er
war 17 Jahre in der Bundesrepublik und hat im Kosovo keine Familie. Seine
Mutter ist tot, und sein Vater lebt in Deutschland. Er
erzählt später, daß er aufgrund seiner dunklen Hautfarbe in Pec von
maskierten Polizisten in einem Keller verprügelt wurde. Bericht des Betroffenen; Schattenbericht ASYL / 646 15. November 06 Bundesland Niedersachsen. Der
seit zehn Jahren von der BRD anerkannte Flüchtling Süleyman Sahin wird in seiner
Wohnung in Hildesheim festgenommen und kommt in die JVA Sehnde in
Untersuchungshaft. Dies geschieht aufgrund eines Übergabegesuches der
türkischen Regierung in Zusammenarbeit mit Interpol. Der 43-Jährige befindet
sich damit in Auslieferungshaft. Aufgrund
seiner politischen Arbeit in der Türkei war Süleyman Sahin mehrmals
inhaftiert und gefoltert worden. Nachdem er 1996 fliehen mußte, wurde er noch
im selben Jahr in der BRD als Asylberechtigter anerkannt. Nach
seiner Flucht war er von einem türkischen Gericht zunächst zum Tode
verurteilt worden. Diese Strafe wurde später zu einer lebenslangen
Gefängnisstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung umgewandelt. Aufgrund
der intensiven Nachforschungen der türkischen Regierung war er schon 1998 in
Holland und zwei Jahre später in Tschechien in Auslieferungshaft genommen
worden, mußte aber aufgrund der Rechtslage wieder frei gelassen werden. Am
21. Dezember hebt auch das Oberlandesgericht Celle den Haftbefehl gegen Süleyman
Sahin auf, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft dies beantragt hatte. Sie
hatte Informationen über die Teilnahme eines Militär-Richters an dem früheren
Prozeß bekommen. "Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte und einhelliger Auffassung bundesdeutscher
Oberlandesgerichte bestehen allein deshalb Zweifel am Gebot rechtsstaatlicher
Fairness." Süleyman Sahin kommt frei. StA Celle 22.12.06; ATIK 24.11.06; ATIK 28.12.06 15. November 06 Bundesland Niedersachsen. Der
türkische Flüchtling Mustafa Atalay wird in der Rehabilitätionsklinik in Bad
Bevensen auf Befehl der Generalbundesanwaltschaft verhaftet. Dem Journalisten
wird "Unterstützung einer ausländischen terroristischen
Vereinigung" (gemeint ist die türkische Organisation DHKP-C) nach §
129b StGB vorgeworfen. Dem
heute 50-Jährigen war im Jahre 2000 das "Kleine Asyl"
(Abschiebeschutz) zugesprochen worden. Jetzt ist Mustafa Atalay schwer krank.
Erst vor 26 Tagen mußte er sich einer Bypass-Operation in Berlin unterziehen.
Er leidet zudem unter Bluthochdruck, Diabetes mellitus und an einer
Posttraumatischen Belastungsstörung. Sieben
Monate nach der Verhaftung sitzt Mustafa Atalay immer noch in Einzelhaft in
der JVA Hannover. Nur vier Besucher durfte er bisher empfangen. Gegen ein
Vorstandsmitglied der Gefangenenhilfsorganisation Tayad wurde vom
Ermittlungsrichter ein Besuchsverbot erwirkt, weil die Besuche "zur
verdeckten Nachrichtenübermittlung" dienen könnten. Die Tatsache, daß
die 30-minütigen Besuche bei Überwachung durch Beamte des LKA und in einem
Raum mit einer Trennscheibe stattfinden, zeigt die Absurdität der Begründung.
Der
Gesundheitszustand von Mustafa Atalay hat sich im Juli 2007 lebensgefährlich
verschlechtert. Zwei der Bypässe sind wieder verstopft, und der Haftarzt
lehnt die weitere medizinische Verantwortung ab. Mustafa Atalay kann sein
bescheidenes Recht auf eine Stunde Hofgang wegen der Belastung nicht
wahrnehmen. Im November erfolgt seine Verlegung in die JVA Freiburg. Im
Februar 2008 kommt er nach einer weiteren Bypass-Operation zurück in die
Justizvollzugsanstalt. 1980
war Mustafa Atalay aufgrund seiner politischen Tätigkeit in der Türkei
verhaftet worden, wurde gefoltert und kam erst nach 20 Jahren Gefangenschaft
wieder frei. Erst nach seiner Entlassung war ihm die Flucht in die BRD
gelungen. Im Juni 2009 befindet sich Mustafa Atalay
immer noch in U-Haft (Stuttgart-Stammheim). Der Prozeß gegen ihn und fünf
weitere Angeklagte hat vor dem Oberlandesgericht Stuttgart begonnen. Mustafa
Atalay leidet aufgrund der erlittenen Folter unter Schlafstörungen,
Albträumen, Flash-Back-Erlebnissen – ein vom Gericht bestellter Gutachter
stellte bei ihm ein schweres Posttraumatisches Belastungssyndrom fest. Drei
Anträge auf Haftentlassung des schwerkranken Mannes sind abgelehnt worden. Eine
zusätzliche besondere Belastung stellt die Tatsache dar, daß einer der
Hauptbelastungszeugen in dem Prozeß sowohl für den türkischen Geheimdienst
MIT als auch für den Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz gearbeitet hat. Zudem
sollten von der Anklage Aussagen in den Prozeß eingebracht werden, die in der
Türkei durch Folter entstanden sind. Tayad Komitee 3.7.07; Brief von Mustafa Atalay 4.7.07; Yeni Özgur Politika 4.7.07; jW
12.7.07; ND 5.10.07; Heinz-Jürgen Schneider – Rechtsanwalt; indymedia 29.6.09 19. November 06 Kürten-Waldmühle in
Nordrhein-Westfalen. Ein um 16.45 Uhr ausgelöster Feueralarm im
Flüchtlingsheim Wipperfürther Straße setzt ein Großaufgebot an
Rettungskräften in Gang: Elf Löschzüge bringen 75 Feuerwehrleute vor Ort,
dazu kommen vier Rettungswagen, Notärzte und die Polizei. Aus den
baracken-ähnlichen Wohncontainern schlagen dicke Rauchwolken. Von
den insgesamt 24 BewohnerInnen sind zu dieser Zeit acht Personen im Haus, die
sich selbst ins Freie retten können. Als Brandursache wird ein technischer
Defekt der Deckenbeleuchtung festgestellt. Da
die Flüchtlingsunterkunft nach dem Löschen unbewohnbar ist, werden die
BewohnerInnen zunächst im Obdachlosenheim am Halfenberg untergebracht –
später kommen einige in privaten Wohnungen unter. Rhein-Berg-Online.de 19.11.06; Rhein-Berg-Online.de 20.11.06; KStA 20.11.06 19. November 06 Landkreis Aue-Schwarzenberg im
Bundesland Sachsen. In der Lessingstraße in Lößnitz versperren drei Deutsche morgens
um 3.30 Uhr einem 31-jährigen kurdischen Flüchtling aus dem Iran und einem
25-jährigen Bosnier den Weg und äußern rassistische Beleidigungen. Ein
Schlichtungsversuch des Iraners mißlingt; die jugendlichen Provokateure
ziehen demonstrativ ihre Jacken aus und schlagen und treten dann los. Mit
Messern verletzen sie den Kurden an der Hand und den Bosnier am Bein. Ein
Ermittlungsverfahren gegen die polizeibekannten Täter wird eingeleitet. AMAL Sachsen 26. November 06 Uhingen in Baden-Württemberg.
Die kurdische Familie Sapkiran soll in die Türkei abgeschoben werden. Als die
Polizisten gegen 4.30 Uhr an der Tür klingeln, nimmt die schwerkranke Frau
Sapkiran in ihrer Verzweiflung Tabletten, um der Abschiebung zu entgehen.
Nach Aussagen eines Psychologen ist sie keinesfalls transportfähig. Die
24-jährige Tochter ist durch die Pflege ihrer Mutter nach vielen schlaflosen
Nächten völlig entkräftet. Sie wird zum Flughafen gebracht und nach Istanbul
geflogen, wo sie von der Polizei in Empfang genommen und verhört wird.
Schließlich tritt sie die Reise zu ihrem Vater und Bruder an, die schon vor
einiger Zeit "freiwillig" ausgereist waren. Der
21-jährige Sohn Ali wird festgenommen und kommt in Abschiebehaft, bis
Reisedokumente für ihn beschafft sind. Er besuchte das Gymnasium; sein
Aufenthaltsort war den Behörden zuletzt nicht bekannt, weshalb das Gericht
Abschiebehaft anordnete. Die
Familie lebte mit ihren vier Kindern seit 1994 in der Bundesrepublik. Nach
der Ablehnung der Asylanträge wurde sie zur Ausreise aufgefordert und fand
zeitweilig Zuflucht im Kirchenasyl in Holzhausen. Trotz des zwölfjährigen
Aufenthalts – "jedoch mit Unterbrechungen" laut Regierungspräsidium
Stuttgart – bekommt sie kein Bleiberecht. Herr Sapkiran und ein Sohn
entschieden sich wegen des Ausreisedrucks zur "freiwilligen"
Ausreise – ein anderer Sohn wurde abgeschoben. Nach
Alis Festnahme kämpfen LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern des Gymnasiums
erfolgreich dafür, daß er aus der Haft entlassen wird und sein Abitur noch in
Deutschland ablegen kann. Nach der im Juli 2007 bestandenen Prüfung muß er
jedoch mit seiner kranken Mutter ausreisen. Einigen
unermüdlichen UnterstützerInnen gelingt es entgegen sämtlicher Widerstände,
daß Ali Sapkiran bereits im Oktober wieder legal einreisen darf, um an der
Berufsakademie Maschinenbau zu studieren. Im Jahre 2011 wird er nach
erfolgreichem Abschluß bei einem Autoteile-Hersteller als Versuchsingenieur
angestellt. NWZ 29.11.06; NWZ 5.1.07; NWZ 5.7.07; SWP 23.3.11 26. November 06 Forst in Brandenburg. In einer
Gaststätte wird ein pakistanischer Flüchtling von dem Personal rassistisch
beschimpft und geschlagen. Als der Angegriffene sich dieser bedrohlichen
Situation durch Weggehen entziehen will, verfolgen ihn eine Person aus diesem
Kreis und Begleiter noch durch die Stras-sen. Sie schlagen ihn, und als er zu
Boden geht, treten sie mit Füßen auf ihn ein. Er erleidet Verletzungen am
Rücken, am Knie, an der Hand und im Gesicht. Opferperspektive 27. November 06 Berlin-Tempelhof. Ein 30-jähriger
Russe wird aus dem Abschiebegefängnis Köpenick in die Sammelstelle der
Polizei nach Tempelhof gebracht. Hier legen ihm Beamte Hand- und Fußfesseln
an, die seitlich am Körper miteinander verbunden sind. Als der Gefangene
bittet, seinen Rechtsanwalt und amnesty international sprechen zu können,
schreit ihn einer der Beamten an und springt auf seine Fußfesseln, so daß der
Russe gegen die Wand stürzt. Er kommt zurück in die Abschiebehaft und kurz
darauf ins Krankenhaus. Durch
diese Mißhandlung durch einen Bundespolizeibeamten wurde ein Verfahren
unterbrochen, mit dem die Bundespolizei versucht, Menschen unklarer Identität
oder Staatsangehörigkeit außer Landes zu bringen. Der Russe sollte nach Minsk
in Weißrußland geflogen werden, damit die dortigen Behörden seine Identität
feststellen. Für den Fall, daß die weißrussischen Behörden dieses positiv
entschieden hätten, wäre der Flüchtling dort geblieben. Dieses Verfahren, das
rechtlich fragwürdig ist, wurde bereits mit Menschen aus Georgien, Moldawien
und Weißrußland praktiziert. Jesuiten-Flüchtlingsdienst; Thomas Krautzig –
Rechtsanwalt 29. November 06 Bundesland Baden-Württemberg.
Die Kurdin B. A. soll mit ihren Kindern, dem 7-jährigen C., dem 5-jährigen B.
und der 3-jährigen A., in die Türkei abgeschoben werden. Auf dem Flughafen
Istanbul verweigern die türkischen Behörden die Einreise, weil die beiden in
der Bundesrepublik geborenen jüngeren Kinder nicht in den türkischen
Melderegistern eingetragen sind. Alle werden deshalb noch am gleichen Tag zurückgeschickt. Die
kurdische Familie war in der Türkei bereits in der zweiten Generation
ständigen Repressionen ausgesetzt. Herr A. war verhaftet, gefoltert und
schwer verletzt in einsamer Gegend ausgesetzt worden. Als er gezwungen werden
sollte, als "Dorfschützer" für
die türkischen Behörden zu arbeiten, war er im Frühjahr 2001 in die BRD
geflüchtet, wo bereits mehrere Familienangehörige lebten. Nach
der Flucht des Mannes wurde Frau A. terrorisiert. Fast täglich kam türkische
Polizei, fragte nach dem Aufenthaltsortes des Mannes. Obwohl sichtbar
schwanger wurde sie bedroht und geschlagen. Frau
A. gelang Ende Juni 2001 die Einreise in die BRD mit einem Besuchervisum. Sie
war krank und hochschwanger. Im September 2001 gebar sie ihren Sohn, im Juli
2003 ihre Tochter. Nach der Ablehnung der verschiedenen Asylanträge und
wiederholter Ausreiseaufforderungen ging Herr A. Anfang 2006 in die
Illegalität. Frau
A. ist durch ihre Verfolgungsgeschichte und jahrelange
Aufenthaltsunsicherheit schwer traumatisiert und leidet unter verschiedenen
psychischen und somatischen Erkrankungen. Durch die häufig miterlebten
Festnahmen in den Sammelunterkünften und die existentiellen Ängste der Eltern
sind inzwischen auch die Kinder traumatisiert. Im
Mai 2006, nach dem Umzug in eine eigene Wohnung, stabilisiert sich die
Situation innerhalb der Familie, doch nach der gescheiterten Abschiebung geht
es Frau A. so schlecht, daß sie zweimal für einige Wochen in eine
psychiatrische Klinik aufgenommen werden muß, da sie mit Suizid droht und
stets ein Messer bei sich trägt. Das Behandlungszentrum für Folteropfer in
Ulm behandelt sie nach anfangs unregelmäßigen Terminen seit dem Jahreswechsel
2007/08 regelmäßig. Erzieherinnen,
LehrerInnen, ÄrztInnen, NachbarInnen und UnterstützerInnen setzen sich für
die Alleinerziehende und ihre Kinder ein. Über die Härtefallkommission kann
erreicht werden, daß Frau A. Anfang 2008 eine zunächst auf ein Jahr
befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. NWZ 29.11.06; Unterstützernetzwerk 30. November 06 Bundesland Bayern. Die Mobile
Kontrollgruppe (MKG) Waidhaus vom Hauptzollamt Regensburg stoppt auf der
Autobahn A6 einen Lastwagen und unterzieht ihn einer Zollkontrolle bei
Wittschau. Der Verdacht, daß sich Menschen auf der Ladefläche befinden, wird
durch eine anschließende Röntgenkontrolle in Wernberg bestätigt. Die
Beamten finden auf der Ladefläche 14 Flüchtlinge aus dem Irak, drei aus
Ägypten und jeweils eine Person aus der Türkei, Indien und Algerien. Unter
ihnen sind fünf Frauen und zwei Kinder im Alter von acht und zwölf Jahren. Da
eine 54-jährige Irakerin über starke Schmerzen klagt, wird sie ins
Kreiskrankenhaus nach Weiden gebracht, wo ein Armbruch festgestellt wird. Der
tschechische Fahrer wird in Haft genommen, und die 20 Flüchtlinge werden
tschechischen Grenzbeamten übergeben. Polizei Niederbayern/Oberpfalz 4.12.06 November 06 Bundesland Sachsen-Anhalt. In
Sangerhausen greifen mehrere Rechte das Flüchtlingsheim an. Dabei wird auch
die Wohnung des 23-jährigen Boureima T. beschädigt. Er und die anderen
BewohnerInnen kommen mit dem Schrecken davon. (siehe auch: Mai 06 und Dezember
06) Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt November 06 Bundesland Bayern. Der 21 Jahre
alte Samir Zazay wird in Nürnberg von der Polizei aus der Wohnung seines
Cousins geholt und in Abschiebehaft genommen. Aus Angst vor der Abschiebung
verletzt er sich in Selbsttötungsabsicht am Handgelenk. Er
war im Jahre 1999 als 14-jähriger unbegleiteter Flüchtling aus dem Krieg in
Afghanistan in die BRD geflohen. Innerhalb von drei Jahren erreichte er den
qualifizierten Hauptschulabschluß. Danach bekam er eine Ausbildung als
Teilezurichter, die er mit der Gesellenprüfung erfolgreich beendete. In den
sieben Jahren Deutschland-Aufenthalt wurde Nürnberg sein Lebensmittelpunkt.
In Afghanistan hat er keine Familie und niemanden, an den er sich wenden
könnte. Am
12. Dezember 2006 – nach sechs Wochen Abschiebehaft – wird er in Begleitung
von zwei Polizisten nach Afghanistan ausgeflogen. Dort
beginnt Samir Zazay die Suche nach seinen Eltern oder anderen Verwandten –
ergebnislos. Mit der Zusage, daß er zwei Wochen bleiben könne, kommt er in
einem Zimmer der International Organisation for Migration (IOM) unter.
Aufgrund seines europäischen Erscheinens wird er auf der Straße ständig um
Geld erpreßt und beraubt und flieht schließlich nach fünf Tagen mit zwei
anderen Abgeschobenen nach Pakistan. Bei dem gefährlichen Grenzübertritt
entgehen sie nur knapp einem Bombenattentat. Als
er im Jahre 2008 in der Bäckerei eines Hilfprojekts in Peschawar arbeitet,
lernt er Ulla B. aus Lörrach kennen, die dort für drei Wochen als Lehrerin
arbeitet. Sie verlieben sich und beschließen, zusammenzubleiben und zu
heiraten. Weil
die Nürnberger Ausländerbehörde sich – trotz ihres Ermessensspielraums – auf
keinen Fall auf eine Ratenzahlung einläßt, gelingt es seiner Freundin und dem
Nürnberger UnterstützerInnenkreis im Juli 2009, die gesamte Summe der Abschiebekosten in Höhe von 7535,62 Euro und
weitere 6000 Euro für die Beschaffung seiner Papiere in Afghanistan zusammen
zu bringen, so daß Samir Zazay Ende September 2009 in die BRD zurückkehren
kann. Am 10. Oktober heiratet er seine Freundin Ulla B. Alternativer Menschenrechtsbericht 2007; Süddeutsche.de Redaktionsblog 23.5.07; NN 13.5.09; NN 23.10.09; Alternativer Menschenrechtsbericht 2009; Bündnis Aktiv für Menschenrechte Nürnberg 4. Dezember 06 Als der Bananenfrachter
"Regal Star" am Schuppen 44 des Hamburger Hafens entladen wird,
finden die Arbeiter um 13.09 Uhr in der vierten Ladeluke einen toten Mann.
Der Mann liegt unter einer Bananenkiste. Die gerufene Polizei durchsucht das
150 Meter lange Schiff und findet in einer anderen Ladeluke einen zweiten
Toten. Die Ermittlungen ergeben, daß es sich bei den Männern um den 35 Jahre
alten Wilson O. und den 33-jährigen Justiano A. handelt. Die beiden
Kolumbianer hatten versucht, als "blinde Passagiere" nach Europa zu
kommen, starben dann offensichtlich an den Gasen, die während der Überfahrt
zur Konservierung der Bananen in den Frachtraum eingeleitet wurden und
jeglichen Sauerstoff verdrängten. Der
Frachter mit Kühlcontainern (13,2° C) war von Kolumbien über Costa Rica und
Lissabon nach Hamburg gekommen. ndr 5.12.06; HA 5.12.06; Welt 5.12.06; HA 6.12.06; Grosse-Seefahrt.de
6.12.06; ag Blinde Passagiere HH 7.12.06 6. Dezember 06 Die Kurdin Frau Y. wird morgens
um 8.30 Uhr von Polizeibeamten aus ihrer Berliner Wohnung geholt und mit
ihrem zweieinhalb Monate alten Baby abtransportiert. Sie soll dem türkischen
Konsulat vorgeführt werden. Den
Vorschlag der Polizisten, ihr Baby doch allein Zuhause zu lassen, lehnt sie
mit der Begründung ab, daß sie das Kind noch stille. Sie wird in den
Polizeigewahrsam nach Tempelhof gebracht und dort gezwungen, sich im Rahmen
einer polizeilichen Durchsuchung nackt auszuziehen und sich auch im
Intimbereich untersuchen zu lassen. Dann nehmen die Beamten ihr die
Wickeltasche ab und sperren sie mit ihrem Baby in eine kalte, zugige Zelle.
Auf ihr Klingeln und Rufen wird nicht reagiert, so daß sie ihr inzwischen
nasses und schreiendes Kind nicht versorgen kann. Erst um 13.30 Uhr wird sie zum türkischen
Konsulat gefahren. In der Stunde, die sie auch hier warten muß, ist es ihr weder
möglich, das Kind zu wickeln, denn sie bekommt ihre Wickeltasche nicht – noch
zu stillen, denn es sind männliche Bewacher bei ihr. Erst als sie nach der
Konsulatsvorführung entlassen wird, bekommt sie ihre Wickeltasche zurück. FRat Berlin 12. Dezember 06 Bundesland Niedersachsen. Der
kurdische Flüchtling G. Y. beendet sein Leben durch eigene Hand. Das Personal
einer psychiatrischen Klinik findet ihn erhängt in einer Toilette auf. Er hat
im wahrsten Sinne den Kampf um sein Leben in der BRD aufgegeben. Ein Leben,
das ihm, dem in der Türkei politisch Verfolgten und Gefolterten, auch in der
BRD behördlicherseits nie zugestanden wurde. Er hinterläßt seine Frau und
neun Kinder. 1995
war er mit seiner Frau und sechs Kindern in die BRD geflüchtet. Asylanträge
wurden allesamt abgelehnt, und seit Jahren war die inzwischen neunköpfige
Familie ausreisepflichtig. Der lange Kampf um einen Aufenthalt in Sicherheit
hat die Familie zermürbt und unmittelbar krank gemacht. G. Y. verbrachte die
letzten zweieinhalb Jahre wegen schwerer Depressionen im Landeskrankenhaus. Als
der Familie im Jahre 2004 akut die Abschiebung drohte, gingen die Eheleute
mit einem Teil ihrer jüngeren Kinder für sechs Monate ins Kirchenasyl. Die
Familie wurde danach von den Behörden massiv unter Druck gesetzt, um eine
"freiwillige" Ausreise zu erreichen. Die für Anfang November 2005
von den Behörden eingeleitete Abschiebung der Familie mußte abgebrochen
werden, weil Herr Y. sich in einem psychiatrischen Krankenhaus in Behandlung
befand und Frau Y. untergetaucht war. Die
zweitälteste Tochter, die wie ihre ältere Schwester wegen Krankheit einen
Abschiebeschutz hat, betreute ihre minderjährigen Geschwister. Als wieder
einer ihrer Brüder volljährig wurde, mußte auch er in die Illegalität. Die
minderjährigen Geschwister waren an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gekommen,
so daß einige in psychiatrische Behandlung mußten. Nach
Bekanntwerden des Todes von Herrn Y. und der öffentlichen Proteste gegen die
Behördenwillkür wird bekannt, daß "die untergetauchten
Familienmitglieder aus der Fahndung genommen wurden", um sich angemessen
von dem Vater zu verabschieden. Dann wolle die Ausländerbehörde den Kontakt
suchen, um zu erfahren, "wie es weitergehen kann". Im
Dezember 2007 gelingt es, für die gesamte Familie eine Aufenthaltserlaubnis
nach § 23a AufenthG (Härtefallentscheidung) zu erwirken. MNZ 15.12.06; OP
15.12.06; HNA 15.12.06; GA 16.12.06; Antirassistische Initiative Berlin 13. Dezember 06 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Eine 35 Jahre alte Gefangene aus Ghana kommt mit einer
schweren Blutvergif-tung ins DRK-Krankenhaus Köpenick und muß hier sofort
operiert werden, weil eine Thrombose im Bein so weit fortgeschritten ist, daß
die akute Gefahr besteht, daß das Bein abstirbt. Nach 14-tägigem Aufenthalt
in der Intensivstation wird sie in die Abteilung Gefäßchirurgie verlegt, und
erst nach sechs Wochen kann sie das Krankenhaus wieder verlassen. Die
Ghanaerin befand sich seit viereinhalb Monaten in Abschiebehaft. Nachdem sie
sich bei ihrem Freund in Berlin polizeilich angemeldet hatte, kam die Polizei
in die Wohnung und nahm sie fest. Seither hatte sie in der Haft zunehmend
starke Schmerzen und machte auch immer wieder darauf aufmerksam. Jesuiten-Flüchtlingsdienst; Antirassistische Initiative Berlin 14. Dezember 06 Pasewalk im Bundesland
Brandenburg. Vor einem Supermarkt werden Flüchtlinge von einer Gruppe rechter
Deutscher rassistisch beschimpft, mit einem Messer bedroht und schließlich
tätlich angegriffen. Die Flüchtlinge kommen unverletzt davon. LOBBI 14. Dezember 06 Der 31 Jahre alte Kurde A. A.
wird festgenommen und in einem beschleunigten Verfahren zu einem Jahr
Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Die Haft im Gießener Gefängnis
wird wahrscheinlich durch eine Abschiebung in drei Monaten beendet werden.
Damit ist es Herrn A. wieder einmal nicht gelungen, mit seiner Frau und den
vier Kindern zusammenzuleben. Die
Eheleute M. (damals 16 Jahre alt) und A. A. (damals 18 Jahre alt) gehören der
Gruppe der Zaza-Kurden an und waren 1993 mit ihrer damals 1-jährigen Tochter
F. in die BRD eingereist. Da sie nur nach religiösem Ritus geheiratet hatten,
wurden die Asylanträge gesondert behandelt. Nach
der Ablehnung seines Asylantrages wurde Herr A. dann im Jahre 1997 ohne seine
Familie in die Türkei abgeschoben. Dort erfolgte umgehend seine Festnahme,
und nach einer dreitägigen polizeilichen Überprüfung in Haft wurde er frei gelassen.
Er war dann gezwungen, seinen zweijährigen Militärdienst abzuleisten. 1999
gelang ihm erneut die Flucht in die BRD – er wurde dann allerdings am 16.
Februar 2001 wieder in die Türkei abgeschoben, während seine Frau und die
Kinder inzwischen eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erwirkt hatten. Viele
Versuche von Herrn A., im Rahmen der Familienzusammenführung offiziell in die
BRD reisen zu können, scheiterten an den immer wieder ablehnenden und
unterschiedlich begründeten Bescheiden der Deutschen Botschaft in Ankara. Der vorerst letzte Versuch, mit seiner Frau
und der 14-jährigen Tochter F., dem 9-jährigen Sohn F. und den 6-jährigen
Zwillingen S. und F. zusammenleben zu können, endet heute mit seiner
Verhaftung. Vor einer Woche war er erneut in die BRD eingereist. Im
Januar 07 befindet er sich immer noch in Untersuchungshaft in der JVA
Limburg. Jugendnetz Wetzlar Mitte Dezember 06 Flughafen Frankfurt am Main.
Frau F. soll zusammen mit ihrem 4-jährigen Sohn nach Teheran abgeschoben
werden. Sie war wegen Diebstahls festgenommen worden und befand sich dann in
Abschiebehaft in der JVA Frankfurt. Ihr Mann ist weiterhin in Haft, ihr
kleiner Sohn war während der letzten vier Monate in einem Kinderheim
untergebracht. Beim
ersten Zusammentreffen mit der Mutter wirkt der Junge verschreckt und
verstört. Er redet zunächst überhaupt nicht mit ihr. Als
sich herausstellt, daß kein gültiger Paß vorliegt, kommt die Mutter zurück in
Abschiebehaft und der Sohn zurück ins Kinderheim. Frau F. ist verzweifelt. Während
Strafgefangene in der JVA ihre Kinder bei sich haben dürfen, gilt dies für
Abschiebegefangene nicht. Erst im Januar 2007 kommen Mutter und Sohn wieder
zusammen. Abschiebungsbeobachtung FFM 2007 20. Dezember 06 Bad Pyrmont im Bundesland
Niedersachsen. Morgens um 4.00 Uhr werden der Kurde Abdul Seyyar und seine
sechs Kinder im Alter von zehn bis zwanzig Jahren aus dem Schlaf
aufgeschreckt. Polizisten brechen die Tür auf und schreien, daß sie ihre
Sachen packen sollen, sie würden abgeschoben. Es sind insgesamt etwa 50
Polizisten. Alle, bis auf den ältesten Sohn Hidir, sollen abgeschoben werden.
Zeitgleich
holen Polizisten die 40-jährige Hanife Seyyar aus dem Landeskrankenhaus
Hildesheim ab, nachdem sie vor die Entscheidung gestellt wurde, entweder vorerst
im Krankenhaus zu bleiben und damit von ihrer Familie getrennt zu sein oder
"freiwillig" auszureisen. Bei dieser Aktion wird weder das
Eintreffen der Oberärztin abgewartet noch von Seiten der Beamten Rücksicht
auf eine schwer traumatisierte Mitpatientin genommen. Der
Transport der Familie zum Flughafen Düsseldorf verläuft nach Aussagen des
Sohnes Hidir "unglaublich brutal": trotz Erbrechens von Mutter und
Kindern und hygieni-scher Bedürfnisse sei die fünfstündige Fahrt nicht
unterbrochen worden. Zwei der Kinder nässen ein. Als Hanife Seyyar vor dem
Flugzeug kollabiert, werten die Polizisten dies als Widerstand und legen ihr
Hand- und Fußschellen an. Diese werden erst nach der Landung in Istanbul
wieder entfernt. Im Flugzeug wird sie zwischen zwei Polizisten gesetzt –
getrennt von ihrer Familie. In Istanbul wird die Familie von den deutschen
Beamten an türkische Polizisten übergeben. Nach
mehrstündigem Aufenthalt in einer Polizeistation mit erkennungsdienstlicher
Erfassung werden sie in einen Bus nach Viransehir gesetzt. Als sie dort
aussteigen, ist ihr Geld bereits aufgebraucht. Ihre
Wohnung in Bad Pyrmont wird umgehend von der Ausländerbehörde geräumt und das
verbliebene Eigentum der Familie entsorgt. Der Wunsch des ältesten Sohnes
Hidir, sich darum kümmern zu dürfen, wird ignoriert. Frau
Seyyar hatte sich im Landeskrankenhaus in stationärer Behandlung befunden,
weil sie zum wiederholten Male versucht hatte, sich zu töten. Sie hatte
Tabletten geschluckt, weil sie den Druck der seit langem angedrohten
Abschiebung nicht ertragen konnte. Der von Nachbarn gerufene Notarzt hatte
daraufhin zunächst die Einlieferung der nicht ansprechbaren Frau ins
St.-Georg-Krankenhaus Pyrmont veranlaßt, von wo aus sie dann ins
Landeskrankenhaus gekommen war. Die
kurdische Familie war seit elf Jahren in der BRD; die Asylanträge wurden alle
abgelehnt. Durch die Abschiebung werden Halil (10), Serap (11), Ömer (12),
Süleyman (14), Ramazan (15) und Mehmet (17) abrupt aus ihrem vertrauten
Lebensumfeld gerissen. Der
Landkreis kann die öffentliche Kritik an der Abschiebung der Familie Seyyar
nicht nachvollziehen: "Der Familie war seit Juli bekannt, daß sie
Deutschland verlassen muß .... Dieser Aufforderung ist sie nicht
nachgekommen", so ein Sprecher auf Anfrage. "Anders als ihr
ältester Sohn Hidir hat die Familie die elf Jahre ihres Aufenthaltes in
Deutschland nicht genutzt, um sich hier wirtschaftlich und sozial zu
integrieren." Dieser Polemik stehen die Aussagen vom Leiter des
Schulzentrums und einer Mitarbeiterin des Kinderschutzbundes, die die Kinder
und Eltern seit Jahren kennen, diametral gegenüber. Im
März 2007 besuchen die Ärztin Dr. Gisela Penteker und ihr Kollege Dr. Ernst
Ludwig Iskenius (Pädiater) die Familie im Dorf Sergenköy bei Viransehir. Die
Familie lebt in einem Stall, dessen Wände aus Lehm sind, dessen Dach undicht
ist und dessen winziges Fenster wenig Licht einläßt. Die Brettertür ist
brüchig, so daß tagsüber Hunde hereinkommen, die die Kinder und Erwachsenen
ständig anspringen und auch schon gebissen haben. Nachts dringen Hühner und
Katzen ein. Der hintere Teil des Lehmbodens ist mit einem dünnen Stück
Teppichboden abgedeckt. Der Elektrokocher ist an einer offenen Leitung
angeschlossen – eine Steckdose gibt es nicht. Vor dem Stall steht ein
Tankwagen mit platten Reifen, mit dem aus dem nahe gelegenen Fluß Wasser
geholt werden kann. Die Familie hat wenig zu essen, die Kinder sammeln
Grünpflanzen, und die Nachbarinnen haben erklärt, wie daraus Suppe zu kochen
ist. Der
11-jährige Halil erzählt, daß er aufgrund seiner Nierenschmerzen, seiner
Übelkeit und der Probleme beim Wasserlassen einmal im Krankenhaus in
Viransehir war. Die Nachbarn hatten Geld gesammelt, damit dies möglich wurde.
Die dortigen ÄrztInnen lehnten eine Untersuchung und Behandlung ab, weil
türkische Übersetzungen der Befunde aus Deutschland nicht vorgelegt werden
konnten. Der 13-jährige Ömer hat seit der Abschiebung Durchfall und
Bauchschmerzen. Ein alter Mann aus dem Dorf hat Ramazan Metallstifte aus dem
linken Daumen entfernt, die nach einer Fraktur in Deutschland hineinoperiert
worden waren. Diese Prozedur fand ohne Narkose oder Desinfektionsmittel
statt. Um den Schmerz zu unterdrücken, war dem Jungen eine Zwiebel in den
Mund geschoben worden. Süleyman hat krustige Einstiche rund um die Augen, die
mit Nadeln von Spritzen vorgenommen worden waren, um die Sehstörungen und
Kopfschmerzen des 14-Jährigen zu lindern. Die Mutter ist apathisch und
gebrochen. Die Medikamente, die sie in Deutschland bekommen hatte, sind schon
lange aufgebraucht. Ihre 13-jährige Tochter führt alleine den Haushalt. Der
Psychiatrie-Ausschuß des Landes Niedersachsen, ein Gremium von Experten und
Politikern, beurteilt im nachhinein die Abschiebung von Frau Seyyar sehr
kritisch und bezweifelt die
"Freiwilligkeit" der Ausreise der kranken Frau. Auch legt der
Ausschuß den Bericht zweier Ärzte vor, die Frau Seyyar in der Türkei
besuchten. "In dem Bericht wird in erschütternder Weise deutlich, daß
die abgeschobene Patientin psychisch schwerst erkrankt ist und keine adäquate
Behandlung erhält. Die Abschiebung hat bei bestehender psychischer Störung zu
einer außergewöhnlichen Schädigung durch Verstärkung des Krankheitsbildes
geführt." Und weiter: unbehandelt werde die Patientin "mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein qualvolles Leben führen
müssen". Auch
ein Jahr nach der Abschiebung ist die Familie völlig auf finanzielle
Unterstützung von ihrem in Deutschland studierenden Sohn Hidir und vor allem
von den UnterstützerInnen angewiesen. PyN 28.12.2006; FRat NieSa; HiZ 21.7.07; IPPNW AK Flüchtlinge und Asyl; Unterstützerkreis der Familie Seyyar Dezember 06 Bundesland Sachsen-Anhalt. In
Sangerhausen greifen mehrere Rechte das Flüchtlingsheim an. Dabei wird auch
die Wohnung des 23-jährigen Boureima T. beschädigt. Er und die anderen
BewohnerInnen kommen mit dem Schrecken davon. (siehe auch: Mai 06 und November
06) Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt Dezember 06 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. Der Bewohner des Flüchtlingsheimes Jürgenstorf Emad
Rahim Mohammed leidet unter starken Bauchschmerzen. Er bittet die
Heimleiterin Inge Porath mehrmals (!), einen Krankenwagen zu rufen. Sie lehnt
dies jedesmal ab. Schließlich
bringt ein Bekannter den Kranken in seinem privaten Wagen ins Krankenhaus, wo
dieser sofort operiert wird – er hat einen Blinddarmdurchbruch erlitten. Die
Heimleiterin rechtfertigt sich mit den Worten: Sie habe nicht wissen können,
daß es ihm so schlecht ging. Schließlich sei er doch noch herumgelaufen.
Hätte er sich nicht mehr bewegt, hätte sie ihm einen Arzt gerufen. taz 10.8.07 Im Jahre 2006 Der aus der BRD abgeschobene Rom
Hasan Krasniqi wird im Kosovo bei einer rassistischen Attacke durch Albaner
von einem Auto angefahren und schwer verletzt. Seine Farbe sei das Problem,
sagt er später BesucherInnen aus Deutschland. Auch
erzählt er, daß seine zwei Kinder ständig krank sind und er weder Arbeit noch
Sozialhilfe hat, um sie medizinisch versorgen zu lassen. alle bleiben! - Reisebericht 9.9.11 Im Jahre 2006 Bundesland Baden-Württemberg.
Morgens um drei Uhr klingelt es an der Wohnung der Familie Mofi / Mawa in
Neckarweihingen bei Ludwigsburg. Polizisten wollen das Ehepaar, Gerard Mofi
und Hotence Mawa, nach Bonn zur Botschaft der Demokratischen Republik Kongo
bringen, damit dort Pässe ausgestellt werden. Weil Herr Mofi zur Zeit nicht
anwesend ist, vergewissert sich eine Polizistin bei ihrer Dienststelle, ob
sie tatsächlich die Mutter mitnehmen und die beiden Schulkinder allein in der
Wohnung lassen sollen. So geschieht es schließlich: die weinenden Kinder,
Exause und Ivone, bleiben voller Angst zurück. Ihr 56 Jahre alter Vater
erzählt später, daß sie seither traumatisiert sind. Sobald sie eine
Polizeisirene hören oder eine Uniform sehen, laufen sie weg und verstecken
sich. Gerard
Mofi hatte 1993 den Kongo verlassen, weil er aufgrund seiner oppositionellen
Tätigkeit ins Gefängnis gekommen war und dort gefoltert wurde. Nur durch ein
Bestechungsgeld kam er frei und verließ das Land. Seine Frau mußte er
zunächst zurücklassen. Sie folgte ihm später in die BRD. Die
beiden Kinder wurden dann geboren, und Herr Mofi arbeitete sechs Jahre lang
bei einer Reinigungsfirma, bis er aus Rationalisierungsgründen entlassen wurde.
Da die Aus-länderbehörde ihm dann keine Arbeitserlaubnis mehr erteilte, muß
die Familie von Sozialhilfe leben. Ihre Asylanträge sind schon lange
abgelehnt – sie leben mit Kettenduldungen. Staatsanzeiger 13.11.06 Im Jahre 2006 Mehrere Abschiebeankündigungen
und eine Inhaftierung in Abschiebehaft bringen eine junge Iranerin in eine
derartige psychische Krise, daß sie einen Selbsttötungsversuch unternimmt.
Sie kommt in psychotherapeutische Behandlung. Ihr
Asylantrag wurde abgelehnt, und bei einer eventuellen Abschiebung droht ihr
eine hohe Haftstrafe. Aufgrund
der in der Haft entstandenen psychischen Erkrankung erhält die Frau später
ein Aufenthaltsrecht. DE 28.3.2007; Antirassistische Initiative Berlin Im Jahre 2006 Bundesland Schleswig-Holstein.
In der Jugendhaftanstalt Neumünster befanden sich 10 Jugendliche (zwischen 16
und 18 Jahren) bei einer mittleren Haftdauer von 28,2 Tagen und einem Maximum
von 58 Tagen in Abschiebehaft. Davon
abgesehen, daß der Landesbeirat für den Vollzug der Abschiebehaft die
Inhaftierung von jugendlichen Flüchtlingen generell für unverhältnismäßig und
rechtswidrig hält, kritisiert er auch die regelmäßige Unterbringung der
Jugendlichen in Strafhaftanstalten, wo die Jugendlichen mit jungen
Straftätern gemeinsam inhaftiert sind. Landesbeirat – Jahresbericht 2006 Im Jahre 2006 Bundesland Schleswig-Holstein.
Im Abschiebegefängnis Rendsburg haben sich drei Gefangene selbst verletzt. Einer
von ihnen, ein traumatisierter, suizidgefährdeter Gefangener, wurde über
einen Zeitraum von insgesamt 41 Tagen in der Beobachtungszelle
viertelstündlich kontrolliert. Ein
anderer Fall ist hier unter dem 10. Januar 06 dokumentiert. Landesbeirat – Jahresbericht 2006 Im Jahre 2006 Im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick
gab es nach Auskunft des Senators für Inneres auf die Anfrage der Fraktion
von Bündnis 90/Die Grünen zwei Suizidversuche von männlichen Gefangenen. Zu
dem am 13. Februar in dieser Dokumentation erwähnten Suizidversuch wird der
Selbsttötungsversuch eines Libanesen (Haftdauer 174 Tage) genannt. Abgeordnetenhaus Berlin DS 16/10839; Abgeordnetenhaus Berlin DS 16/11578 Im Jahre 2006 Im Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick befanden sich 68 Minderjährige in Haft: ein 14-Jähriger (11
Tage), ein 15-Jähriger (1 Tag), acht 16-Jährige (bis 31 Tage) und 58 17-Jährige (bis 162 Tage). BT DS 169142 Im Jahre 2006 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In Abschiebehaft befanden sich 24 unbegleitete Minderjährige über eine
durchschnittliche Dauer von 40 Tagen. BT DS 169142 In den Jahren 2005 bis 2006 Bundesland Niedersachsen. In der
Antwort auf eine Kleine Anfrage wird bekannt, daß es einen Suizidversuch in
der Abteilung Langenhagen der JVA Hannover (Abschiebehaft) gegeben hat. LT Niedersachsen DS 15/3688
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