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Redebeitrag der Antirassistischen Initiative Berlin vor dem Rathaus Neukölln am 6. November 1998
Behandlung auf den Sozialämtern

Hier in diesem alten Gebäude und im hinteren Neubau befindet sich das Sozialamt.
Das Neuköllner Sozialamt gilt seit Jahren als eines der Berüchtigsten in dieser Stadt. Mittlerweile haben die anderen allerdings nachgezogen.
Schikane wird hier groß geschrieben.
Und diese Schikane hat unterschiedliche Gesichter.
Was Dir sofort entgegenschlägt, ist das unfreundliche und abweisende Klima hier in den Amtsstuben und auf den Fluren.
Schikane ist es auch, wenn Leute weggeschickt werden, die Fragen haben oder Anträge stellen wollen. "Sie haben keinen Termin", heißt es dann.
Und Schikane äußert sich oft auch in fehlerhaften Berechnungen, so daß die Menschen zuwenig oder gar keine Sozialhilfe bekommen.
Ein Beispiel:
Kommt jemand hier an, arbeitslos und keinen Pfennig Geld in der Tasche und weiß nicht, wie er die Miete zahlen soll.
Er stellt einen Antrag auf Sozialhilfe.
Anstatt den Antrag sofort zu entscheiden oder ihm mindestens einen Vorschuß zu geben, bekommt er einen Vorsprachetermin oft erst in einigen Wochen.
Das ist rechtswidrig,
denn Hilfebedürftigen muß laut BundesSozialHilfeGesetz sofort geholfen werden.
Wird sein Antrag erst Wochen später entschieden, dann wird ihm für diese Zeit das Geld vorenthalten und das Bezirksamt spart rechtswidrig Geld, denn rückwirkend wird meistens nicht bezahlt.
Bei Flüchtlingen haben wir erlebt, daß sie mit ihren gerechtigten Anliegen einfach stehengelassen wurden. Ihre schriftlichen Anträge z.B. auf Windeln oder Schonkost für Kranke verschwanden in den Akten - es gab keine Antwort darauf, weder eine negative noch eine positive. Erst wenn ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin den Antrag schriftliche stellten, dann gab es eine Reaktion vom Amt. 
Bleibt die Frage: wie soll ein Flüchtling von 80 DM Taschengeld im Monat eine Rechtsbeistand bezahlen - nur um Leistungen vom Sozialamt durchzusetzen ?
Gesetzeswidrig werden die Leute hier im Amt oft nicht über ihre Rechte und Ansprüche informiert. Dadurch wissen viele nicht, was ihnen gesetzlich überhaupt zusteht.
Schwangere z.B. haben ab 3. Monat gesetzlich festgelegten Anspruch auf ca. 100 DM mehr im Monat. Wissen das die Frauen nicht, und beantragen das Geld deshalb nicht extra, dann bekommen sie es auch nicht.
Bei den Berechnungen der Sozialhilfe kommt es sehr häufig zu Fehlern. Man und frau müssen sich bei dieser Häufung von "Irrtümern" fragen, was steckt eigentlich dahinter?
Auf alle Fälle spart das Sozialamt auf diese Weise eine Menge Geld.
Was mit den betrogenen Menschen passiert - und wie die über die Runden kommen, das interessiert zumindest die Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen im Amt nicht.
Ein Beispiel für einen dieser "Rechenfehler":
Das Wohngeld für Sozialhilfeberechtigte zahlt nicht das Wohnungsamt, sondern das Sozialamt aus. Durch verkomplizierte Rechnereien des Sozialamtes, wird dieses Wohngeld dann oft bei der Berechnung der auszuzahlenden Summe einfach vergessen.
Manchmal wird jedoch gleich die komplette Miete bei der Berechnung weggelassen und die Leute können ihre Miete nicht bezahlen.

Ein weiteres Beispiel für diese angeblichen Rechenfehler:
Wird der Grundbetrag der Sozialhilfe der sogenannte Regelsatz einmal jährlich geringfügig erhöht (das sind 1 oder 2 Mark) dann dauert es oft Monate, bis die Sozialhilfeberechtigten diese Erhöhung auch tatsächlich erhalten.
Seit einigen Jahren ist Frau Vogelsang die Sozialstadträtin von Neukölln.
Unter ihrer Leitung wurden Überwachungs- und Zwangsmaßnahmen massiv ausgebaut.
Der Druck auf die SozialhilfeempfängerInnen, Zwangsarbeit anzunehmen wurde deutlich erhöht. Wer nicht bereit war und ist, für 3 DM die Stunde zu arbeiten, dem werden die Leistungen gekürzt oder ganz gestrichen.
Die Abteilung Prüfdienst wurde unter Vogelsang personell aufgestockt. Der Prüfdienst, das sind Kontrolleure - sogenannte Sozialdetektive, die zu Dir nach Hause kommen, wenn Du Anträge auf einmalige Beihilfen gestellt hast. Das heißt, sie kommen zu Dir nach Hause und kontrollieren, ob Deine Möbel wirklich kaputt ist, wenn Du neue beantragt hast. 
 

Die Sozialämter testen täglich, wie weit sie in der Schikane und Einschüchterung mittelloser Menschen gehen können. Es sind Riesenämter, in denen Menschen verwaltet werden - mit dem einzigen Ziel, sie ruhig zu halten und möglichst viel Geld einzusparen.
Das heißt, Schikane ist kein Zufall, Schikane gehört zum System.

Jedes Mittel wird dabei ausprobiert:

- den Menschen wird generell Unglaubwürdigkeit unterstellt, 
- den Menschen werden ihre Fragen nicht beantwortet, 
- ihnen werden ihre Rechte vorenthalten, 
- sie werden ständig weggeschickt, 
- sie werden beleidigt und beschimpft, 
- sie werden gezwungen Zwangsarbeit zu machen, 
- und ihnen wird vor allem das Existensminimum ständig streitig gemacht.

Im Sozialhilfegesetz wird ausdrücklich die Würde des Menschen erwähnt.
Und dieses Sozialhilfegesetz wird von den Sozialämtern ständig mißachtet und gebrochen 
- und die Würde des Menschen, die wird hier, wie auch in der Ausländerbehörde, tagtäglich mit Füßen getreten.

Wir fordern Euch auf:
Laßt Euch das nicht gefallen.
Informiert Euch über Eure Rechte und verteidigt Eure Rechte !
Duckt Euch nicht, sondern steht auf und wehrt Euch !

Existenzsicherung für alle - unabhängig von Paß und Nationalität !