Residenzpflicht abschaffen!

Seit 1982 unterliegen Flüchtlinge der so genannten Residenzpflicht. Ohne Ausnahmegenehmigung dürfen sie den Bezirk, dem sie zugeordnet sind, nicht verlassen. Anträge für solche Genehmigungen werden von den Ausländerbehörden völlig willkürlich entschieden und in der Regel abgelehnt. Wird die Genehmigung erteilt, ist dafür häufig auch noch eine Gebühr fällig. Eine Gebühr, die Flüchtlinge von ihrem reduzierten Sozialgeld kaum aufbringen können.

Zusammen mit der Zwangsunterbringung in Sammelunterkünften und dem Asylbewerberleistungsgesetz dient die Residenzpflicht der Isolation und Abschreckung von Flüchtlingen. Asylverfahren ziehen sich oft über einen sehr langen Zeitraum hin. Flüchtlingslager liegen häufig in abgelegenen, ländlichen Gebieten, in denen die Flüchtlinge so über Jahre, manchmal Jahrzehnte, eingesperrt werden.

Bewegungsfreiheit ist Menschenrecht und nicht verhandelbar! Mit der Residenzpflicht wurden elementare Menschenrechte für Flüchtlinge abgeschafft. Die Residenzpflicht verletzt den Grundsatz der Gleichheit aller Menschen und die Menschenwürde. Sie verletzt das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit und die Privatsphäre. Sie schränkt die Versammlungs- und Meinungsfreiheit für Flüchtlinge extrem ein. Soziale Kontakte werden verhindert. Die Residenzpflicht zerstört schrittweise die Persönlichkeit und die Individualität jedes und jeder Betroffenen.

Die Residenzpflicht für Flüchtlinge existiert nur in Deutschland. Flüchtlinge bezeichnen sie treffend als das Apartheidgesetz Deutschlands.

Die offizielle Begründung für die Residenzpflicht lautet vor allem ”Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“. Flüchtlinge werden damit vom deutschen Staat in ihrer Gesamtheit als „Sicherheitsrisiko“, als kriminell gebrandmarkt. In Wirklichkeit werden Flüchtlinge durch die Residenzpflicht systematisch kriminalisiert. Entsprechende Kriminalitätsstatistiken werden so in die Höhe getrieben. Was dann von rassistischen Politikern und bürgerlichen Medien zum Anheizen der rassistischen Stimmung benutzt wird.

Die Missachtung der Residenzpflicht ist eine Straftat, die nur von AusländerInnen begangen werden kann. Im Wiederholungsfall droht Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr, Geldstrafe bis zu 2500 Euro oder der Ausweisungsbescheid. Polizeirazzien in Asylunterkünften sind an der Tagesordnung. Auch dienen die Sondergesetze für Flüchtlinge als Anlass für flächendeckende Polizeikontrollen. Nicht-deutsches Aussehen führt fast zwangsweise zu polizeilicher Überprüfung auf Bahnhöfen oder Raststätten. Der Einkauf im nächstgelegenen Supermarkt, ein Besuch bei Verwandten, ein Fußballspiel und andere Alltäglichkeiten werden so schnell zum Verhängnis.

Insbesondere engagierte Flüchtlinge sind Zielscheibe der Behörden und der Polizei.

Unter der Residenzpflicht ist es nahezu unmöglich, sich zu organisieren. Teilnahme an Vorbereitungstreffen, Veranstaltungen, Diskussionen oder der Besuch von MitaktivistInnen im Abschiebegefängnis - alles birgt das Risiko einer Kontrolle und Verfolgung. Damit dient die Residenzpflicht vor allem dazu, den Widerstand der Flüchtlinge zu verhindern. So wiesen im Vorfeld des Flüchtlingskongresses in Jena im Frühjahr 2000 verschiedene Innenministerien die Ausländerbehörden an, für den Kongress keinen Urlaubsschein zu bewilligen. Innenministerien drohten damit, alle Flüchtlinge, die ohne Genehmigung den Kongress besuchen, festzunehmen. Schätzungsweise die Hälfte der Flüchtlinge, die nach Jena kommen wollten, wurden so an der Teilnahme gehindert.

Aber nicht nur das Risiko, beim Übertreten der Residenzpflicht erwischt zu werden, macht Flüchtlingen Leben und Organisierung schwer. Hinzu kommen die chronischen Geldprobleme und Abschiebungen von AktivistInnen. MitstreiterInnen werden in andere Heime verlegt, kommen in Abschiebehaft oder müssen in die Illegalität abtauchen.

Aber auch wenn die Residenzpflicht nicht das einzige Problem ist, werden Flüchtlinge doch bei allen Aktionen, Versammlungen und Demonstrationen auf die damit verbundene Repression zurückgeworfen.

”Wenn wir die Residenzpflicht abschaffen, können wir auch besser gegen Abschiebungen kämpfen“, so ein Aktivist von The Voice.

Selbstorganisationen von Flüchtlingen fordern inzwischen dazu auf, die Residenzpflicht offensiv zu missachten. Flüchtlinge sollen sich weigern, nach einer Reiseerlaubnis zu betteln. Niemand soll auch nur einen Pfennig an Strafe zahlen. Prozesse sollen offensiv in die Öffentlichkeit getragen werden und andere Flüchtlinge bestärken, sich zu wehren.

Für Flüchtlinge ist es jedoch eine enorme Kraftanstrengung, den Einschüchterungsversuchen standzuhalten. Dass ihr Widerstand des zivilen Ungehorsams ein Erfolg wird, liegt damit auch an uns als antirassistischen AktivistInnen.

Weg mit allen rassistischen Sondergesetzen!
Weg mit der Residenzpflicht, dem Asylbewerberleistungsgesetz, dem Arbeitsverbot, der Lagerunterbringung, den Nahrungsmittelgutscheinen und Essenspaketen!


Redebeitrag der Ari, gehalten am 2.4.09 beim Transgenialen Polterabend in Burg